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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

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Wohin gehört j?"sen?
bei den Deutschen bei den Polen
a) Einkommensteuer M, 2118169 83,1 Prozent, M, 432 402 16.9 Prozent
b) Vermögentsteuer " 247 638 83,6 " " 43 477 16,4 "
c) Gewerbesteuer " 357127-76,3 " " 116 867--24,7 "

Aus diesen Zahlen und der Grundbesitzverteilung auf dem Lande ergibt
sich ohne weiteres das wirtschaftliche und kulturelle Übergewicht der Deutschen
gegenüber der polnischen Bevölkerung,

Die deutsche Bevölkerung und die deutsche Kultur in der Provinz sind aber
nicht Ergebnisse erst des letzten Jahrhunders, nicht der Provinz aufgepfropft. Bis
ins fünfte Jahrhundert war das Land von germanischen Völkerschaften, Gothen,
Burgunden unb im Süden Vanoalen bewohnt. Ihre Urnen, ihre Bronzeschwerter
und ihre Hausgeräte gräbt man heute aus ihren Grübern und stellt sie in unsere
Museen. So ist es uralter germanischer Boden, auf dem die Polen sitzen.
Während der Völkerwanderung nahmen slawische Stämme von dem Lande' Besitz.
Aber schon im zehnten Jahrhundert kehrten Deutsche in das Land zurück. Es ist das
große Verdienst der katholischen Kirche, durch ihre KlostersiedeliMsM als erste,
deutsche Kultur und deutsches Volkstum in die Provinz wieder hineingetragen zu
haben. Im zehnten bis fünfzehnten und sechzehnten bis achtzehnten Jahrhundert sino
tausende und abertausende von deutschen Bauern- und Handwerkerfamilien in die
Provinz eingewandert. Die beiden Perioden blühender Kultur, die die Provinz in
dieser Zeit durchlebt hat, verdankt sie ausschließlich der deutschen Einwanderung und
der Kirche. 770 deutsche Dorfgründungen sind heute noch urkundlich aus dieser Zeit
nachweisbar und fast alle 12.9 Städte der Provinz sind Gründungen deutscher Bürger
zu deutschem Rechte. Die Mehrzahl der in früheren Jahrhunderten eingewan¬
derten Deutschen ist freilich infolge der nationalen Unduldsamkeit der polnischen
Bevölkerung polonisiert worden. Dieser Polonisierungsprozeß hat die ständige
kulturelle Überlegenheit Westpolens vor den übrigen Teilen des Staates und seine
Zugehörigkeit zur westeuropäischen Kulturgemeinschaft zur Folge gehabt. Mitte
des neunzehnten Jahrhunderts hat sich dieser Polonisierungprozeß mangels aus¬
reichender geistlicher und Schulversorgung an unseren deutschen Katholiken'wiederholt.
Die Volkszählung von 1905 stellte 90 952 (7,48 Prozent) Polen mit rein deutschen
Familiennamen und 40 176 (3,30 Prozent) mit polemisierten Familiennamen, zu¬
sammen 131128 gleich 10,78 Prozent fest. Diese Angaben umfassen nicht die
zahlreichen Deutschen, die bis Mitte der siebziger Jahre ihre Namen ins Polnische
übertrugen oder sonst unerkennbar polonisierten.^) Durch diese Vermischung sind
dem Posener Polentum gute deutsche Eigenschaften ins Blut übergegangen und
unterscheiden es heute von der Bevölkerung Kongreßpolens und Galiziens. Der
Kulturzustand des Posener Landes ist mindestens um ein halbes Jahrhundert dem
Galiziens und Kongreßpolens voraus. Was in der Provinz an Gütern und
Werten geistiger und wirtschaftlicher Kultur hauptsächlich geschaffen worden ist,
alles was aus dem Polentum selbst geworden ist, ist deutscher Ordnung, deutschem
Fleiß und deutscher Tatkraft zu danken. So ist Posen ein Land unzweifelhafter
deutscher Kultur.

Hat die preußische Politik diese deutsche Kultur gewaltsam geschaffen und
das Polentum unterdrückt? Die Frage ist zu verneinen. Kann es als Unier-
drückung bezeichnet werden, wenn dieses angeblich unterdrückte Volk ein blühendes
großes Genossenschaftswesen mit einem Betriebskapital heute von fast einer halben
Milliarde Mark ins Leben rufen kann, wenn es mehr polnische Zeitungen
erscheinen läßt als in Galizien, wo es selbst die Regierung in der Hand hat,
oder in Kongreßpolen? Wenn es in der Lage ist, durch seine nationalen,



Ein Beispiel aus der Gerichtspraxis der achtziger Jahre: Ein katholischer Bauer
Bartsch hatte einen gewissen Oküniecki angezeigt und Wollte kurz darauf die Anzeige zurück¬
ziehen. Der Richter aber lehnte ab mit der Begründung, daß die Rücknahme des Straf¬
antrages nur unter Verwandten möglich sei. Der Bauer erwiderte, daß Oküniecki sein
Sohn sei, dessen deutscheu Namen der Propst im Taufregister ins Polnische übertragen habe.
Oküu heißt der Fisch Bars.
Wohin gehört j?«sen?
bei den Deutschen bei den Polen
a) Einkommensteuer M, 2118169 83,1 Prozent, M, 432 402 16.9 Prozent
b) Vermögentsteuer „ 247 638 83,6 „ „ 43 477 16,4 „
c) Gewerbesteuer „ 357127-76,3 „ „ 116 867--24,7 „

Aus diesen Zahlen und der Grundbesitzverteilung auf dem Lande ergibt
sich ohne weiteres das wirtschaftliche und kulturelle Übergewicht der Deutschen
gegenüber der polnischen Bevölkerung,

Die deutsche Bevölkerung und die deutsche Kultur in der Provinz sind aber
nicht Ergebnisse erst des letzten Jahrhunders, nicht der Provinz aufgepfropft. Bis
ins fünfte Jahrhundert war das Land von germanischen Völkerschaften, Gothen,
Burgunden unb im Süden Vanoalen bewohnt. Ihre Urnen, ihre Bronzeschwerter
und ihre Hausgeräte gräbt man heute aus ihren Grübern und stellt sie in unsere
Museen. So ist es uralter germanischer Boden, auf dem die Polen sitzen.
Während der Völkerwanderung nahmen slawische Stämme von dem Lande' Besitz.
Aber schon im zehnten Jahrhundert kehrten Deutsche in das Land zurück. Es ist das
große Verdienst der katholischen Kirche, durch ihre KlostersiedeliMsM als erste,
deutsche Kultur und deutsches Volkstum in die Provinz wieder hineingetragen zu
haben. Im zehnten bis fünfzehnten und sechzehnten bis achtzehnten Jahrhundert sino
tausende und abertausende von deutschen Bauern- und Handwerkerfamilien in die
Provinz eingewandert. Die beiden Perioden blühender Kultur, die die Provinz in
dieser Zeit durchlebt hat, verdankt sie ausschließlich der deutschen Einwanderung und
der Kirche. 770 deutsche Dorfgründungen sind heute noch urkundlich aus dieser Zeit
nachweisbar und fast alle 12.9 Städte der Provinz sind Gründungen deutscher Bürger
zu deutschem Rechte. Die Mehrzahl der in früheren Jahrhunderten eingewan¬
derten Deutschen ist freilich infolge der nationalen Unduldsamkeit der polnischen
Bevölkerung polonisiert worden. Dieser Polonisierungsprozeß hat die ständige
kulturelle Überlegenheit Westpolens vor den übrigen Teilen des Staates und seine
Zugehörigkeit zur westeuropäischen Kulturgemeinschaft zur Folge gehabt. Mitte
des neunzehnten Jahrhunderts hat sich dieser Polonisierungprozeß mangels aus¬
reichender geistlicher und Schulversorgung an unseren deutschen Katholiken'wiederholt.
Die Volkszählung von 1905 stellte 90 952 (7,48 Prozent) Polen mit rein deutschen
Familiennamen und 40 176 (3,30 Prozent) mit polemisierten Familiennamen, zu¬
sammen 131128 gleich 10,78 Prozent fest. Diese Angaben umfassen nicht die
zahlreichen Deutschen, die bis Mitte der siebziger Jahre ihre Namen ins Polnische
übertrugen oder sonst unerkennbar polonisierten.^) Durch diese Vermischung sind
dem Posener Polentum gute deutsche Eigenschaften ins Blut übergegangen und
unterscheiden es heute von der Bevölkerung Kongreßpolens und Galiziens. Der
Kulturzustand des Posener Landes ist mindestens um ein halbes Jahrhundert dem
Galiziens und Kongreßpolens voraus. Was in der Provinz an Gütern und
Werten geistiger und wirtschaftlicher Kultur hauptsächlich geschaffen worden ist,
alles was aus dem Polentum selbst geworden ist, ist deutscher Ordnung, deutschem
Fleiß und deutscher Tatkraft zu danken. So ist Posen ein Land unzweifelhafter
deutscher Kultur.

Hat die preußische Politik diese deutsche Kultur gewaltsam geschaffen und
das Polentum unterdrückt? Die Frage ist zu verneinen. Kann es als Unier-
drückung bezeichnet werden, wenn dieses angeblich unterdrückte Volk ein blühendes
großes Genossenschaftswesen mit einem Betriebskapital heute von fast einer halben
Milliarde Mark ins Leben rufen kann, wenn es mehr polnische Zeitungen
erscheinen läßt als in Galizien, wo es selbst die Regierung in der Hand hat,
oder in Kongreßpolen? Wenn es in der Lage ist, durch seine nationalen,



Ein Beispiel aus der Gerichtspraxis der achtziger Jahre: Ein katholischer Bauer
Bartsch hatte einen gewissen Oküniecki angezeigt und Wollte kurz darauf die Anzeige zurück¬
ziehen. Der Richter aber lehnte ab mit der Begründung, daß die Rücknahme des Straf¬
antrages nur unter Verwandten möglich sei. Der Bauer erwiderte, daß Oküniecki sein
Sohn sei, dessen deutscheu Namen der Propst im Taufregister ins Polnische übertragen habe.
Oküu heißt der Fisch Bars.
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[0172] Wohin gehört j?«sen? bei den Deutschen bei den Polen a) Einkommensteuer M, 2118169 83,1 Prozent, M, 432 402 16.9 Prozent b) Vermögentsteuer „ 247 638 83,6 „ „ 43 477 16,4 „ c) Gewerbesteuer „ 357127-76,3 „ „ 116 867--24,7 „ Aus diesen Zahlen und der Grundbesitzverteilung auf dem Lande ergibt sich ohne weiteres das wirtschaftliche und kulturelle Übergewicht der Deutschen gegenüber der polnischen Bevölkerung, Die deutsche Bevölkerung und die deutsche Kultur in der Provinz sind aber nicht Ergebnisse erst des letzten Jahrhunders, nicht der Provinz aufgepfropft. Bis ins fünfte Jahrhundert war das Land von germanischen Völkerschaften, Gothen, Burgunden unb im Süden Vanoalen bewohnt. Ihre Urnen, ihre Bronzeschwerter und ihre Hausgeräte gräbt man heute aus ihren Grübern und stellt sie in unsere Museen. So ist es uralter germanischer Boden, auf dem die Polen sitzen. Während der Völkerwanderung nahmen slawische Stämme von dem Lande' Besitz. Aber schon im zehnten Jahrhundert kehrten Deutsche in das Land zurück. Es ist das große Verdienst der katholischen Kirche, durch ihre KlostersiedeliMsM als erste, deutsche Kultur und deutsches Volkstum in die Provinz wieder hineingetragen zu haben. Im zehnten bis fünfzehnten und sechzehnten bis achtzehnten Jahrhundert sino tausende und abertausende von deutschen Bauern- und Handwerkerfamilien in die Provinz eingewandert. Die beiden Perioden blühender Kultur, die die Provinz in dieser Zeit durchlebt hat, verdankt sie ausschließlich der deutschen Einwanderung und der Kirche. 770 deutsche Dorfgründungen sind heute noch urkundlich aus dieser Zeit nachweisbar und fast alle 12.9 Städte der Provinz sind Gründungen deutscher Bürger zu deutschem Rechte. Die Mehrzahl der in früheren Jahrhunderten eingewan¬ derten Deutschen ist freilich infolge der nationalen Unduldsamkeit der polnischen Bevölkerung polonisiert worden. Dieser Polonisierungsprozeß hat die ständige kulturelle Überlegenheit Westpolens vor den übrigen Teilen des Staates und seine Zugehörigkeit zur westeuropäischen Kulturgemeinschaft zur Folge gehabt. Mitte des neunzehnten Jahrhunderts hat sich dieser Polonisierungprozeß mangels aus¬ reichender geistlicher und Schulversorgung an unseren deutschen Katholiken'wiederholt. Die Volkszählung von 1905 stellte 90 952 (7,48 Prozent) Polen mit rein deutschen Familiennamen und 40 176 (3,30 Prozent) mit polemisierten Familiennamen, zu¬ sammen 131128 gleich 10,78 Prozent fest. Diese Angaben umfassen nicht die zahlreichen Deutschen, die bis Mitte der siebziger Jahre ihre Namen ins Polnische übertrugen oder sonst unerkennbar polonisierten.^) Durch diese Vermischung sind dem Posener Polentum gute deutsche Eigenschaften ins Blut übergegangen und unterscheiden es heute von der Bevölkerung Kongreßpolens und Galiziens. Der Kulturzustand des Posener Landes ist mindestens um ein halbes Jahrhundert dem Galiziens und Kongreßpolens voraus. Was in der Provinz an Gütern und Werten geistiger und wirtschaftlicher Kultur hauptsächlich geschaffen worden ist, alles was aus dem Polentum selbst geworden ist, ist deutscher Ordnung, deutschem Fleiß und deutscher Tatkraft zu danken. So ist Posen ein Land unzweifelhafter deutscher Kultur. Hat die preußische Politik diese deutsche Kultur gewaltsam geschaffen und das Polentum unterdrückt? Die Frage ist zu verneinen. Kann es als Unier- drückung bezeichnet werden, wenn dieses angeblich unterdrückte Volk ein blühendes großes Genossenschaftswesen mit einem Betriebskapital heute von fast einer halben Milliarde Mark ins Leben rufen kann, wenn es mehr polnische Zeitungen erscheinen läßt als in Galizien, wo es selbst die Regierung in der Hand hat, oder in Kongreßpolen? Wenn es in der Lage ist, durch seine nationalen, Ein Beispiel aus der Gerichtspraxis der achtziger Jahre: Ein katholischer Bauer Bartsch hatte einen gewissen Oküniecki angezeigt und Wollte kurz darauf die Anzeige zurück¬ ziehen. Der Richter aber lehnte ab mit der Begründung, daß die Rücknahme des Straf¬ antrages nur unter Verwandten möglich sei. Der Bauer erwiderte, daß Oküniecki sein Sohn sei, dessen deutscheu Namen der Propst im Taufregister ins Polnische übertragen habe. Oküu heißt der Fisch Bars.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/172>, abgerufen am 22.07.2024.