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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

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Der Zusammenbruch Gesterreichs und unsere Diplomatie

sten Gebiete der äußeren Politik. Ohne Widerspruch der reichsdeutschen Öffent¬
lichkeit und der Parteien gewährten wir immer wieder militärische Hilfe, ohne
uns im geringsten gegen die innerpolitischen österreichischen Entwicklungen, die
ausschliesslich gegen das Bündnis gerichtet waren, zu sichern. Wir schützten Ungarn
in den Karpathen, Osterreich vor Luzk, Trieft am Jsonzo und das österreichische
Wirtschaftsleben durch immer neue Beihilfen. Wir ließen Zeiten nutzlos ver¬
streichen, in denen die besten Altösterreicher sehnlich eine- ordnende Hand, und
wenn sie selbst aus Deutschland käme, herbeiwünschten. Wir ließen uns von
Czernin, einem der raffiniertesten Intriganten dieses Weltkrieges, dem hoffentlich
letzten echten Mettermch-Schüler, an der Nase herumführen, und niemand fand
an der Politik unseres Auswärtigen Amtes, die auf keinem Gebiete hilfloser war
als auf dem Gebiete des Bündnisses, etwas Wesentliches auszusetzen. Durch
unsere Beihilfen stützten wir immer nur den österreichischen Gesamtstaat und
damit auch dessen gegen uns gerichtete und im Dienste des Feindes arbeitende
Kräfte, statt amtlich die Kreise zu fördern, die das Bündnis wirklich trugen und
auf unserer Seite standen. Nicht die Unfähigkeit zur Organisation hat Osterreich
in jene Ernährungs- und politischen Schwierigkeiten gebracht, an denen es zu¬
grunde geht, sondern eine bewußte passive Resistenz, die, von ganz oben ausgehend-
und von den nichtdeutschen betrieben, den Krieg sabotierte, ohne ihn beenden zu
können. Seit dem Zusammenbruch der Russen, seitdem also die für Osterreich
dringendste Gefahr abgewendet war, vor allem aber seit dem Regierungsantritt
Karls wurden unaufhörliche Versuche gemacht, das Bündnis zu lockern und für
die Monarchie andere Stützen zu suchen. Hatte sich die Krone aus Furcht vor
dem mächtigen deutschen Verbündeten und aus einer bis zum Persönlichen klein¬
lichen und lächerlichen Eifersucht immer wieder statt auf die ihr ergebenen
Deutschen auf die mit der Staatskraft Raubbau treibenden Slawen gestützt, fo ver¬
suchte man jetzt vollends, für den Fall des Sieges der Entente bei den Slawen
sich eine Zuflucht zu retten. Freilich trieb man diese ententistische Kronpolitik
auch wieder nur halb, so daß sie zwar zur Lockerung des Staatsgefüges, aber nicht
zur ersehnten Lostrennung von Deutschland führte, und die Amnestie hat dem
schwächlichen Dilettanten auf dem Throne weiter nichts eingetragen als den Hohn
der Begnadigten. Die Halbheit rächt sich durch sich selbst.

. In unseren Andern aber wurde diese Politik der Schwäche und Halbheit,
die uns die k. k. Regierungspraxis vorführte, getreulich und zu Zeiten fast
strebsam schülerhaft mitgemacht. Wer Einblick bekam, schauderte über den
Dilettantismus an Verantwortlicher Stellen. Bis in sehr kritische Zeiten hinein
wußte man von den Vorgängen bei den nichtdeutschen so gut wie nichts, heute
noch stehen auf Posten, die sür die amtliche Beurteilung der österreichischen Dinge
maßgebend sind, Leute, die nie längere Zeit in Österreich waren und die jedem
Zwischenträger.aufsitzen. Und bis zuletzt mühte sich ein Botschafter, der in den
Zeiten stärkster deutscher Machtfülle bei den wüstesten parlamentarischen
Beschimpfungen durch den Reichsrat und die Presse passiv blieb, durch höfische
und gesellschaftlcch-büreaukratische Veranstaltungen "das Bündnis" zu retten.
Wenn aus allen Gebieten unserer äußeren Politik die amtlichen Stellen so
arbeiten, wie sie es auf dem der österreichisch-ungarischen Fragen, nach dem
authentischen und gleichlautenden Urteil von allen, die Einblick nehmen konnten,
getan haben, dann hat freilich der Parlamentarismus seine Berechtigung nicht
früher erwiesen, als bis er mit dem dnrch und durch verrotteten System unseres
außenpolitischen Apparates laufgeräumt hat. Bis vor nicht allzu langer Zeit
war niemand vorhanden, der planmäßig und wirklich sachkundig die Presse der
Tschechen und Südslawen verfolgte. AIs man sich dann endlich dazu bequemte,
etwas besseres Verständnis für die Presse im Nachbarreiche anzustreben, ließ man
Leute sich mit -diesen Fragen beschäftigen, die nicht das geringste innere Ver¬
hältnis zu ihnen hatten und nach Schema F vorgingen. Von psychologisch sach¬
gerechter Einstellung auf die verschiedenen Strömungen in Osterreich, geschweige
denn in Deutschöfterreich, war keine Rede, zu ausgesprochenen Parteileuten
schickte man Unterhändler, die diesen als politische Gegenfüßler gelten mußten


Der Zusammenbruch Gesterreichs und unsere Diplomatie

sten Gebiete der äußeren Politik. Ohne Widerspruch der reichsdeutschen Öffent¬
lichkeit und der Parteien gewährten wir immer wieder militärische Hilfe, ohne
uns im geringsten gegen die innerpolitischen österreichischen Entwicklungen, die
ausschliesslich gegen das Bündnis gerichtet waren, zu sichern. Wir schützten Ungarn
in den Karpathen, Osterreich vor Luzk, Trieft am Jsonzo und das österreichische
Wirtschaftsleben durch immer neue Beihilfen. Wir ließen Zeiten nutzlos ver¬
streichen, in denen die besten Altösterreicher sehnlich eine- ordnende Hand, und
wenn sie selbst aus Deutschland käme, herbeiwünschten. Wir ließen uns von
Czernin, einem der raffiniertesten Intriganten dieses Weltkrieges, dem hoffentlich
letzten echten Mettermch-Schüler, an der Nase herumführen, und niemand fand
an der Politik unseres Auswärtigen Amtes, die auf keinem Gebiete hilfloser war
als auf dem Gebiete des Bündnisses, etwas Wesentliches auszusetzen. Durch
unsere Beihilfen stützten wir immer nur den österreichischen Gesamtstaat und
damit auch dessen gegen uns gerichtete und im Dienste des Feindes arbeitende
Kräfte, statt amtlich die Kreise zu fördern, die das Bündnis wirklich trugen und
auf unserer Seite standen. Nicht die Unfähigkeit zur Organisation hat Osterreich
in jene Ernährungs- und politischen Schwierigkeiten gebracht, an denen es zu¬
grunde geht, sondern eine bewußte passive Resistenz, die, von ganz oben ausgehend-
und von den nichtdeutschen betrieben, den Krieg sabotierte, ohne ihn beenden zu
können. Seit dem Zusammenbruch der Russen, seitdem also die für Osterreich
dringendste Gefahr abgewendet war, vor allem aber seit dem Regierungsantritt
Karls wurden unaufhörliche Versuche gemacht, das Bündnis zu lockern und für
die Monarchie andere Stützen zu suchen. Hatte sich die Krone aus Furcht vor
dem mächtigen deutschen Verbündeten und aus einer bis zum Persönlichen klein¬
lichen und lächerlichen Eifersucht immer wieder statt auf die ihr ergebenen
Deutschen auf die mit der Staatskraft Raubbau treibenden Slawen gestützt, fo ver¬
suchte man jetzt vollends, für den Fall des Sieges der Entente bei den Slawen
sich eine Zuflucht zu retten. Freilich trieb man diese ententistische Kronpolitik
auch wieder nur halb, so daß sie zwar zur Lockerung des Staatsgefüges, aber nicht
zur ersehnten Lostrennung von Deutschland führte, und die Amnestie hat dem
schwächlichen Dilettanten auf dem Throne weiter nichts eingetragen als den Hohn
der Begnadigten. Die Halbheit rächt sich durch sich selbst.

. In unseren Andern aber wurde diese Politik der Schwäche und Halbheit,
die uns die k. k. Regierungspraxis vorführte, getreulich und zu Zeiten fast
strebsam schülerhaft mitgemacht. Wer Einblick bekam, schauderte über den
Dilettantismus an Verantwortlicher Stellen. Bis in sehr kritische Zeiten hinein
wußte man von den Vorgängen bei den nichtdeutschen so gut wie nichts, heute
noch stehen auf Posten, die sür die amtliche Beurteilung der österreichischen Dinge
maßgebend sind, Leute, die nie längere Zeit in Österreich waren und die jedem
Zwischenträger.aufsitzen. Und bis zuletzt mühte sich ein Botschafter, der in den
Zeiten stärkster deutscher Machtfülle bei den wüstesten parlamentarischen
Beschimpfungen durch den Reichsrat und die Presse passiv blieb, durch höfische
und gesellschaftlcch-büreaukratische Veranstaltungen „das Bündnis" zu retten.
Wenn aus allen Gebieten unserer äußeren Politik die amtlichen Stellen so
arbeiten, wie sie es auf dem der österreichisch-ungarischen Fragen, nach dem
authentischen und gleichlautenden Urteil von allen, die Einblick nehmen konnten,
getan haben, dann hat freilich der Parlamentarismus seine Berechtigung nicht
früher erwiesen, als bis er mit dem dnrch und durch verrotteten System unseres
außenpolitischen Apparates laufgeräumt hat. Bis vor nicht allzu langer Zeit
war niemand vorhanden, der planmäßig und wirklich sachkundig die Presse der
Tschechen und Südslawen verfolgte. AIs man sich dann endlich dazu bequemte,
etwas besseres Verständnis für die Presse im Nachbarreiche anzustreben, ließ man
Leute sich mit -diesen Fragen beschäftigen, die nicht das geringste innere Ver¬
hältnis zu ihnen hatten und nach Schema F vorgingen. Von psychologisch sach¬
gerechter Einstellung auf die verschiedenen Strömungen in Osterreich, geschweige
denn in Deutschöfterreich, war keine Rede, zu ausgesprochenen Parteileuten
schickte man Unterhändler, die diesen als politische Gegenfüßler gelten mußten


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[0166] Der Zusammenbruch Gesterreichs und unsere Diplomatie sten Gebiete der äußeren Politik. Ohne Widerspruch der reichsdeutschen Öffent¬ lichkeit und der Parteien gewährten wir immer wieder militärische Hilfe, ohne uns im geringsten gegen die innerpolitischen österreichischen Entwicklungen, die ausschliesslich gegen das Bündnis gerichtet waren, zu sichern. Wir schützten Ungarn in den Karpathen, Osterreich vor Luzk, Trieft am Jsonzo und das österreichische Wirtschaftsleben durch immer neue Beihilfen. Wir ließen Zeiten nutzlos ver¬ streichen, in denen die besten Altösterreicher sehnlich eine- ordnende Hand, und wenn sie selbst aus Deutschland käme, herbeiwünschten. Wir ließen uns von Czernin, einem der raffiniertesten Intriganten dieses Weltkrieges, dem hoffentlich letzten echten Mettermch-Schüler, an der Nase herumführen, und niemand fand an der Politik unseres Auswärtigen Amtes, die auf keinem Gebiete hilfloser war als auf dem Gebiete des Bündnisses, etwas Wesentliches auszusetzen. Durch unsere Beihilfen stützten wir immer nur den österreichischen Gesamtstaat und damit auch dessen gegen uns gerichtete und im Dienste des Feindes arbeitende Kräfte, statt amtlich die Kreise zu fördern, die das Bündnis wirklich trugen und auf unserer Seite standen. Nicht die Unfähigkeit zur Organisation hat Osterreich in jene Ernährungs- und politischen Schwierigkeiten gebracht, an denen es zu¬ grunde geht, sondern eine bewußte passive Resistenz, die, von ganz oben ausgehend- und von den nichtdeutschen betrieben, den Krieg sabotierte, ohne ihn beenden zu können. Seit dem Zusammenbruch der Russen, seitdem also die für Osterreich dringendste Gefahr abgewendet war, vor allem aber seit dem Regierungsantritt Karls wurden unaufhörliche Versuche gemacht, das Bündnis zu lockern und für die Monarchie andere Stützen zu suchen. Hatte sich die Krone aus Furcht vor dem mächtigen deutschen Verbündeten und aus einer bis zum Persönlichen klein¬ lichen und lächerlichen Eifersucht immer wieder statt auf die ihr ergebenen Deutschen auf die mit der Staatskraft Raubbau treibenden Slawen gestützt, fo ver¬ suchte man jetzt vollends, für den Fall des Sieges der Entente bei den Slawen sich eine Zuflucht zu retten. Freilich trieb man diese ententistische Kronpolitik auch wieder nur halb, so daß sie zwar zur Lockerung des Staatsgefüges, aber nicht zur ersehnten Lostrennung von Deutschland führte, und die Amnestie hat dem schwächlichen Dilettanten auf dem Throne weiter nichts eingetragen als den Hohn der Begnadigten. Die Halbheit rächt sich durch sich selbst. . In unseren Andern aber wurde diese Politik der Schwäche und Halbheit, die uns die k. k. Regierungspraxis vorführte, getreulich und zu Zeiten fast strebsam schülerhaft mitgemacht. Wer Einblick bekam, schauderte über den Dilettantismus an Verantwortlicher Stellen. Bis in sehr kritische Zeiten hinein wußte man von den Vorgängen bei den nichtdeutschen so gut wie nichts, heute noch stehen auf Posten, die sür die amtliche Beurteilung der österreichischen Dinge maßgebend sind, Leute, die nie längere Zeit in Österreich waren und die jedem Zwischenträger.aufsitzen. Und bis zuletzt mühte sich ein Botschafter, der in den Zeiten stärkster deutscher Machtfülle bei den wüstesten parlamentarischen Beschimpfungen durch den Reichsrat und die Presse passiv blieb, durch höfische und gesellschaftlcch-büreaukratische Veranstaltungen „das Bündnis" zu retten. Wenn aus allen Gebieten unserer äußeren Politik die amtlichen Stellen so arbeiten, wie sie es auf dem der österreichisch-ungarischen Fragen, nach dem authentischen und gleichlautenden Urteil von allen, die Einblick nehmen konnten, getan haben, dann hat freilich der Parlamentarismus seine Berechtigung nicht früher erwiesen, als bis er mit dem dnrch und durch verrotteten System unseres außenpolitischen Apparates laufgeräumt hat. Bis vor nicht allzu langer Zeit war niemand vorhanden, der planmäßig und wirklich sachkundig die Presse der Tschechen und Südslawen verfolgte. AIs man sich dann endlich dazu bequemte, etwas besseres Verständnis für die Presse im Nachbarreiche anzustreben, ließ man Leute sich mit -diesen Fragen beschäftigen, die nicht das geringste innere Ver¬ hältnis zu ihnen hatten und nach Schema F vorgingen. Von psychologisch sach¬ gerechter Einstellung auf die verschiedenen Strömungen in Osterreich, geschweige denn in Deutschöfterreich, war keine Rede, zu ausgesprochenen Parteileuten schickte man Unterhändler, die diesen als politische Gegenfüßler gelten mußten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/166>, abgerufen am 25.08.2024.