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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

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Straßburger Brief

wünschenswerte Verständnis nicht vorhanden. Im elsaß-lothringischen Volk hat
das Bewußtsein der Vergewaltigung lange fortgedauert und blieb das Gefühl
lebendig, daß in Fragen keiner Gebietsabtretung nur die Abstimmung der
Bevölkerung, der das betreffende Gebiet gehört, wirkliches Recht schassen kann,
das von lallen anzuerkennen wäre.

Wenn dieser Anspruch in der Folge nicht fortwährend erhoben wurde, so
war es, weil man sich bei den herrschenden Anschauungen der Aussichtslosigkeit
bewußt, war, und weil die gerechtfertigte Scheu vor dem drohenden Weltkrieg es ,
verbot, in einem Feuer zu schüren, das vielen erkennbar unter der Asche glomm.
Elsaß-Lothringen mußte als Gvenzland, in klarer Voraussicht der Schrecknisse
eines Kriegs, den Frieden wünschen um jeden Preis. Auf dem Boden der durch
den Frankfurter Frieden geschaffenen Tatsachen stehend, erstrebten durch viele
Jahrzehnte hindurch seine Abgeordneten des Landes Gedeihen, Freiheit und
Gleichberechtigung im Rahmen des Deutschen Reichs.

Durch das Friedensprogramm des Präsidenten Wilson ist die Frage der
Annexion von 1871 wieder zur Diskussion gestellt. Die Völker und in erster
Linie die Bevölkerung Elsaß-Lothringens haben dazu Stellung zu nehmen. Ein
Mandat zu einem Votum hierüber haben wir zur Stunde nicht. Wir glauben
aber erklären zu können, daß die Bevölkerung. Elsaß-Lothringens das Selbst¬
bestimmungsrecht der Völker rückhaltlos anerkennt, auf welches sich die inter¬
nationale Welt geeinigt hat, und daß sie in der Anwendung dieses Grundsatzes
auf die Regelung ihrer eigenen staatlichen Zukunft leine natürliche Rechts¬
forderung erblickt. Sie nimmt an, daß dieses Recht von keiner Seite mehr
bestritten, und daß von keiner Seite sür die definitive Neuordnung der Dinge
eine Lösung der lelsaß-lothringischen Frage angestrebt wird außerhalb jenes
Rechtsgrundsatzes.

Elsaß-Lothringen müßte das Schulbeispiel sein sür die Anwendung dieser
Rechtsanschauung. Es ist zweifellos früher ohne und gegen den Willen seiner
Bevölkerung durch staatliche Gewalt Annexionen unterworfen worden. Es fehlt
Elsaß-Lothringen die lückenlose historische Zugehörigkeit zu einem der angrenzen¬
den Staatengebilde, seine wechselvolle Vergangenheit, seine sprachliche und
völkische Eigenart, die selbständige Gesinnung seiner Bewohner lassen es nicht
von Natur und Geschichte als zu integrierender Bestandteil eines Staatswesens
geworden erscheinen. Es kann darum nur ein Plebiszit die friedliche, von niemand
weiter zu beanstandende staatliche Existenz Elsaß-Lothringens fest begründen und
damit einen Grundstein legen zum Bau des Bölkerfriedens.

Soll bleich Ideal verwirklicht werden, so muß, wie Präsident Wilson es
fordert, die .Lösung im Interesse und zugunsten der betroffenen Bevölkerung,
und nicht als kein Teil eines bloßen Ausgleichs oder Kompromisses der Ansprüche
rivalisierender Stellen getroffen 'werden'.

Soll Elsaß-Lothringen aufhören, der Zankapfel zweier großer Nationen
zu sein, deren Sprache und Nationalität von nltersher auf seinem Boden neben¬
einander vertreten waren, soll es aufhören eine ständige Bedrohung des Welt¬
friedens zu bilden und auch im Frieden als nichts anderes zu gelten, als ein
Glacis gegen den Feind und Aufmarschgebiet für den Kriegsfall, dann darf nicht
Waffengewalt und Sieg allein über sein Schicksal entscheiden. Die Bevölkerung,
der von Gottes Gnaden und von Rechts wegen das Land gehört, das sie bewohnt,
soll darüber entscheiden, wie sie ihre staatliche Zukunft geregelt wissen will, und
ihre Entscheidung soll unantastbares Recht schaffen.

Dann müßte die trübe Aera abgeschlossen sein, da die elsaß-lotljringische
Frage wie ein Alb ans den Völkern lastete. Dann könnte Elsaß-Lothringen die
Rolle übernehmen, die seine historische Bestimmung sein muß: das einigende
Band zwischen zwei Völkern zu sein, die nur zu ost blutiger Krieg entzweite; die
Brücke der Versöhnung zu bilden zwischen zwei Nationen und die, friedliche
Berührungszone zum Ausgleich zwischen zwei Kulturen, die berufen find im
Wetteifer gemeinsamer Arbeit mitzuwirken zum Heil und Segen der Menschheit."

Wie weit diese Erklärung sachlich berechtigt war, wie viel hier von der


Straßburger Brief

wünschenswerte Verständnis nicht vorhanden. Im elsaß-lothringischen Volk hat
das Bewußtsein der Vergewaltigung lange fortgedauert und blieb das Gefühl
lebendig, daß in Fragen keiner Gebietsabtretung nur die Abstimmung der
Bevölkerung, der das betreffende Gebiet gehört, wirkliches Recht schassen kann,
das von lallen anzuerkennen wäre.

Wenn dieser Anspruch in der Folge nicht fortwährend erhoben wurde, so
war es, weil man sich bei den herrschenden Anschauungen der Aussichtslosigkeit
bewußt, war, und weil die gerechtfertigte Scheu vor dem drohenden Weltkrieg es ,
verbot, in einem Feuer zu schüren, das vielen erkennbar unter der Asche glomm.
Elsaß-Lothringen mußte als Gvenzland, in klarer Voraussicht der Schrecknisse
eines Kriegs, den Frieden wünschen um jeden Preis. Auf dem Boden der durch
den Frankfurter Frieden geschaffenen Tatsachen stehend, erstrebten durch viele
Jahrzehnte hindurch seine Abgeordneten des Landes Gedeihen, Freiheit und
Gleichberechtigung im Rahmen des Deutschen Reichs.

Durch das Friedensprogramm des Präsidenten Wilson ist die Frage der
Annexion von 1871 wieder zur Diskussion gestellt. Die Völker und in erster
Linie die Bevölkerung Elsaß-Lothringens haben dazu Stellung zu nehmen. Ein
Mandat zu einem Votum hierüber haben wir zur Stunde nicht. Wir glauben
aber erklären zu können, daß die Bevölkerung. Elsaß-Lothringens das Selbst¬
bestimmungsrecht der Völker rückhaltlos anerkennt, auf welches sich die inter¬
nationale Welt geeinigt hat, und daß sie in der Anwendung dieses Grundsatzes
auf die Regelung ihrer eigenen staatlichen Zukunft leine natürliche Rechts¬
forderung erblickt. Sie nimmt an, daß dieses Recht von keiner Seite mehr
bestritten, und daß von keiner Seite sür die definitive Neuordnung der Dinge
eine Lösung der lelsaß-lothringischen Frage angestrebt wird außerhalb jenes
Rechtsgrundsatzes.

Elsaß-Lothringen müßte das Schulbeispiel sein sür die Anwendung dieser
Rechtsanschauung. Es ist zweifellos früher ohne und gegen den Willen seiner
Bevölkerung durch staatliche Gewalt Annexionen unterworfen worden. Es fehlt
Elsaß-Lothringen die lückenlose historische Zugehörigkeit zu einem der angrenzen¬
den Staatengebilde, seine wechselvolle Vergangenheit, seine sprachliche und
völkische Eigenart, die selbständige Gesinnung seiner Bewohner lassen es nicht
von Natur und Geschichte als zu integrierender Bestandteil eines Staatswesens
geworden erscheinen. Es kann darum nur ein Plebiszit die friedliche, von niemand
weiter zu beanstandende staatliche Existenz Elsaß-Lothringens fest begründen und
damit einen Grundstein legen zum Bau des Bölkerfriedens.

Soll bleich Ideal verwirklicht werden, so muß, wie Präsident Wilson es
fordert, die .Lösung im Interesse und zugunsten der betroffenen Bevölkerung,
und nicht als kein Teil eines bloßen Ausgleichs oder Kompromisses der Ansprüche
rivalisierender Stellen getroffen 'werden'.

Soll Elsaß-Lothringen aufhören, der Zankapfel zweier großer Nationen
zu sein, deren Sprache und Nationalität von nltersher auf seinem Boden neben¬
einander vertreten waren, soll es aufhören eine ständige Bedrohung des Welt¬
friedens zu bilden und auch im Frieden als nichts anderes zu gelten, als ein
Glacis gegen den Feind und Aufmarschgebiet für den Kriegsfall, dann darf nicht
Waffengewalt und Sieg allein über sein Schicksal entscheiden. Die Bevölkerung,
der von Gottes Gnaden und von Rechts wegen das Land gehört, das sie bewohnt,
soll darüber entscheiden, wie sie ihre staatliche Zukunft geregelt wissen will, und
ihre Entscheidung soll unantastbares Recht schaffen.

Dann müßte die trübe Aera abgeschlossen sein, da die elsaß-lotljringische
Frage wie ein Alb ans den Völkern lastete. Dann könnte Elsaß-Lothringen die
Rolle übernehmen, die seine historische Bestimmung sein muß: das einigende
Band zwischen zwei Völkern zu sein, die nur zu ost blutiger Krieg entzweite; die
Brücke der Versöhnung zu bilden zwischen zwei Nationen und die, friedliche
Berührungszone zum Ausgleich zwischen zwei Kulturen, die berufen find im
Wetteifer gemeinsamer Arbeit mitzuwirken zum Heil und Segen der Menschheit."

Wie weit diese Erklärung sachlich berechtigt war, wie viel hier von der


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[0132] Straßburger Brief wünschenswerte Verständnis nicht vorhanden. Im elsaß-lothringischen Volk hat das Bewußtsein der Vergewaltigung lange fortgedauert und blieb das Gefühl lebendig, daß in Fragen keiner Gebietsabtretung nur die Abstimmung der Bevölkerung, der das betreffende Gebiet gehört, wirkliches Recht schassen kann, das von lallen anzuerkennen wäre. Wenn dieser Anspruch in der Folge nicht fortwährend erhoben wurde, so war es, weil man sich bei den herrschenden Anschauungen der Aussichtslosigkeit bewußt, war, und weil die gerechtfertigte Scheu vor dem drohenden Weltkrieg es , verbot, in einem Feuer zu schüren, das vielen erkennbar unter der Asche glomm. Elsaß-Lothringen mußte als Gvenzland, in klarer Voraussicht der Schrecknisse eines Kriegs, den Frieden wünschen um jeden Preis. Auf dem Boden der durch den Frankfurter Frieden geschaffenen Tatsachen stehend, erstrebten durch viele Jahrzehnte hindurch seine Abgeordneten des Landes Gedeihen, Freiheit und Gleichberechtigung im Rahmen des Deutschen Reichs. Durch das Friedensprogramm des Präsidenten Wilson ist die Frage der Annexion von 1871 wieder zur Diskussion gestellt. Die Völker und in erster Linie die Bevölkerung Elsaß-Lothringens haben dazu Stellung zu nehmen. Ein Mandat zu einem Votum hierüber haben wir zur Stunde nicht. Wir glauben aber erklären zu können, daß die Bevölkerung. Elsaß-Lothringens das Selbst¬ bestimmungsrecht der Völker rückhaltlos anerkennt, auf welches sich die inter¬ nationale Welt geeinigt hat, und daß sie in der Anwendung dieses Grundsatzes auf die Regelung ihrer eigenen staatlichen Zukunft leine natürliche Rechts¬ forderung erblickt. Sie nimmt an, daß dieses Recht von keiner Seite mehr bestritten, und daß von keiner Seite sür die definitive Neuordnung der Dinge eine Lösung der lelsaß-lothringischen Frage angestrebt wird außerhalb jenes Rechtsgrundsatzes. Elsaß-Lothringen müßte das Schulbeispiel sein sür die Anwendung dieser Rechtsanschauung. Es ist zweifellos früher ohne und gegen den Willen seiner Bevölkerung durch staatliche Gewalt Annexionen unterworfen worden. Es fehlt Elsaß-Lothringen die lückenlose historische Zugehörigkeit zu einem der angrenzen¬ den Staatengebilde, seine wechselvolle Vergangenheit, seine sprachliche und völkische Eigenart, die selbständige Gesinnung seiner Bewohner lassen es nicht von Natur und Geschichte als zu integrierender Bestandteil eines Staatswesens geworden erscheinen. Es kann darum nur ein Plebiszit die friedliche, von niemand weiter zu beanstandende staatliche Existenz Elsaß-Lothringens fest begründen und damit einen Grundstein legen zum Bau des Bölkerfriedens. Soll bleich Ideal verwirklicht werden, so muß, wie Präsident Wilson es fordert, die .Lösung im Interesse und zugunsten der betroffenen Bevölkerung, und nicht als kein Teil eines bloßen Ausgleichs oder Kompromisses der Ansprüche rivalisierender Stellen getroffen 'werden'. Soll Elsaß-Lothringen aufhören, der Zankapfel zweier großer Nationen zu sein, deren Sprache und Nationalität von nltersher auf seinem Boden neben¬ einander vertreten waren, soll es aufhören eine ständige Bedrohung des Welt¬ friedens zu bilden und auch im Frieden als nichts anderes zu gelten, als ein Glacis gegen den Feind und Aufmarschgebiet für den Kriegsfall, dann darf nicht Waffengewalt und Sieg allein über sein Schicksal entscheiden. Die Bevölkerung, der von Gottes Gnaden und von Rechts wegen das Land gehört, das sie bewohnt, soll darüber entscheiden, wie sie ihre staatliche Zukunft geregelt wissen will, und ihre Entscheidung soll unantastbares Recht schaffen. Dann müßte die trübe Aera abgeschlossen sein, da die elsaß-lotljringische Frage wie ein Alb ans den Völkern lastete. Dann könnte Elsaß-Lothringen die Rolle übernehmen, die seine historische Bestimmung sein muß: das einigende Band zwischen zwei Völkern zu sein, die nur zu ost blutiger Krieg entzweite; die Brücke der Versöhnung zu bilden zwischen zwei Nationen und die, friedliche Berührungszone zum Ausgleich zwischen zwei Kulturen, die berufen find im Wetteifer gemeinsamer Arbeit mitzuwirken zum Heil und Segen der Menschheit." Wie weit diese Erklärung sachlich berechtigt war, wie viel hier von der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/132>, abgerufen am 24.11.2024.