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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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Materialien zur Polenpolitik
Eigentum derS e in se w o w ä h l e r:
Polnischnichtpolnischzusammen
Gouvernement
Dessäiinen ProzentDessätinen ProzentDessätinen Prozent
Wolhynien .1 030 927,29 46,71224 379,61 63,32 266 306,90 >00
Kiew . . .633 782,93 41,1914 663,41 68,91 663 436,34 100
Podolien . .636 348,96 63,0664 260,23 47,01 200 609,18 100
2 366 069,17 46,02 703 293,26 64,0 6 009 362,42 100

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rechtsseitigen Ukraine anbelangt, so ergibt sich
folgendes Bild:

Prozent
Wolhynien . . . . 22780 6,7
Kiew...... 128262 2,8
Podolien. ... . 63 433 2,0

Ein etwas anderes Bild ergibt sich, wenn
man die Konfessionsstatistik heranzieht. Da¬
nach gab es Römisch-Katholische, darunter
Tschechen, Polen, Deutsche und Ukrainer:

Wolhynien . 363 697 Seelen
Kiew. . . 143116 "
Podolien . 306 078 "
80t 790 Seelen

das sind 6,3 Prozent der Bevölkerung.

Die Polen bringen es also selbst unter
Zugrundelegung der optimistischsten Berechnung
noch nicht auf 1 Million, was im Vergleich
zur Bevölkerung der gesamten, also auch links¬
seitigen Ukraine kaum,2 Prozent ausmacht.
Bei dieser Berechnung möchte ich auch noch
kurz auf die amtlichen russischen Angaben vom
Jahre 1897 hinweisen. Danach gab es in dem
Gebiet der heutigen Ukraine: 76,9 Prozent
Ukrainer, 12,4 Prozent Juden, 4,3 Prozent
Russen und nur 8,3 Prozent Polen. Diese
kaum ins Gewicht fallende polnische Minder¬
heit besitzt jedoch in der rechtsseitigen Ukraine
46 Prozent des gesamten Gebietes. Das ist
eine Tatsache, die geradezu lähmend wirkt.
Dazu kommt dann noch, daß dieser Polnische
Grundbesitz den Stempel der feudalen Lati¬
fundien an sich trägt, der unseren demokra¬
tischen Staatseinrichtungen schon von vorn¬
herein fremd und feindselig gegenüberstehen
muß.

Welche Folgen muß nun diese ungerechte
Verteilung des Bodenbesitzes auf unser Ver¬
hältnis zu den Polen haben? Viele Tat¬
sachen, namentlich das sehr fragwürdige Ver¬
halten der Polen während der Bolschewiken¬
herrschaft in der Ukraine, sprechen dafür, daß

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uns die Polen, - mit Ausnahme des ziffern¬
mäßig sehr schwachen demokratischen Flügels,
hassen. Sie können sich nicht in den Ge¬
danken hineinfinden, daß wir uns ein eigenes
Staatswesen errichten und uns von der pol¬
nischen Bevormundung frei machen. Polnische
Unduldsamkeit, polnischer Größenwahn und
Polnische Herrschsucht lassen eine Verständigung
beinahe als aussichtslos erscheinen.

Auf welcher Basis sollten wir uns über¬
haupt einigen? Unser demokratischer Zug ist
ihnen fremd, das gleiche gilt von der Sprache
und unsere Tradition ist so ziemlich das
Gegenteil von der Polnisch-aristokratischen
Überlieferung. Ukraine und Polen bilden
unvereinbare Gegensätze und ein gütiges Zu¬
sammenleben läßt sich kaum ausdenken. Das
Polnische Element wird sich daher in der un¬
abhängigen Ukraine immer fremd fühlen, in
einem Staate) dessen bloßer Bestand schon
die Stagnation des großpolnischen Gedankens,
des sogenannten "historischen Polenreiches",
darstellt. Der polnische Kapitalismus wird
auch auf die Polnische Demokratie einwirken
und auch in dieser nationale'Ausdehnungs¬
bestrebungen wachrufen. Politische Klugheit
gebietet es also, die Polnische Demokratie
nicht nur nicht abzustoßen, sondern in einen
möglichst innigen Kontakt mit dem ukraini¬
schen Staatswesen zu bringen. Wir wollen
ja die nationalen Minderheiten in der
Ukraine nicht etwa nach galizischen Muster
der Polen unterdrücken. Das beweist allein
schon die Tatsache, daß wir ihnen volle na¬
tionale Autonomie eingeräumt haben.

Englands Interesse an Groszpolen.

Die
"Morning Post" vom 12. Juni 1918 schreibt >
in einem Leitaufsatz: In Deutschland wird,
Rußland jetzt als deutsches Hinterland be¬
trachtet. Finnland und die anderen baltischen
Provinzen Rußlands werden bereits germa¬
nisiert, und durch diese Ausdehnung Deutsch¬
lands nach Osten ist Polen für Deutschland

[Ende Spaltensatz]
Seelen der Gesamt¬
bevölkerung

Materialien zur Polenpolitik
Eigentum derS e in se w o w ä h l e r:
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Gouvernement
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rechtsseitigen Ukraine anbelangt, so ergibt sich
folgendes Bild:

Prozent
Wolhynien . . . . 22780 6,7
Kiew...... 128262 2,8
Podolien. ... . 63 433 2,0

Ein etwas anderes Bild ergibt sich, wenn
man die Konfessionsstatistik heranzieht. Da¬
nach gab es Römisch-Katholische, darunter
Tschechen, Polen, Deutsche und Ukrainer:

Wolhynien . 363 697 Seelen
Kiew. . . 143116 „
Podolien . 306 078 „
80t 790 Seelen

das sind 6,3 Prozent der Bevölkerung.

Die Polen bringen es also selbst unter
Zugrundelegung der optimistischsten Berechnung
noch nicht auf 1 Million, was im Vergleich
zur Bevölkerung der gesamten, also auch links¬
seitigen Ukraine kaum,2 Prozent ausmacht.
Bei dieser Berechnung möchte ich auch noch
kurz auf die amtlichen russischen Angaben vom
Jahre 1897 hinweisen. Danach gab es in dem
Gebiet der heutigen Ukraine: 76,9 Prozent
Ukrainer, 12,4 Prozent Juden, 4,3 Prozent
Russen und nur 8,3 Prozent Polen. Diese
kaum ins Gewicht fallende polnische Minder¬
heit besitzt jedoch in der rechtsseitigen Ukraine
46 Prozent des gesamten Gebietes. Das ist
eine Tatsache, die geradezu lähmend wirkt.
Dazu kommt dann noch, daß dieser Polnische
Grundbesitz den Stempel der feudalen Lati¬
fundien an sich trägt, der unseren demokra¬
tischen Staatseinrichtungen schon von vorn¬
herein fremd und feindselig gegenüberstehen
muß.

Welche Folgen muß nun diese ungerechte
Verteilung des Bodenbesitzes auf unser Ver¬
hältnis zu den Polen haben? Viele Tat¬
sachen, namentlich das sehr fragwürdige Ver¬
halten der Polen während der Bolschewiken¬
herrschaft in der Ukraine, sprechen dafür, daß

[Spaltenumbruch]

uns die Polen, - mit Ausnahme des ziffern¬
mäßig sehr schwachen demokratischen Flügels,
hassen. Sie können sich nicht in den Ge¬
danken hineinfinden, daß wir uns ein eigenes
Staatswesen errichten und uns von der pol¬
nischen Bevormundung frei machen. Polnische
Unduldsamkeit, polnischer Größenwahn und
Polnische Herrschsucht lassen eine Verständigung
beinahe als aussichtslos erscheinen.

Auf welcher Basis sollten wir uns über¬
haupt einigen? Unser demokratischer Zug ist
ihnen fremd, das gleiche gilt von der Sprache
und unsere Tradition ist so ziemlich das
Gegenteil von der Polnisch-aristokratischen
Überlieferung. Ukraine und Polen bilden
unvereinbare Gegensätze und ein gütiges Zu¬
sammenleben läßt sich kaum ausdenken. Das
Polnische Element wird sich daher in der un¬
abhängigen Ukraine immer fremd fühlen, in
einem Staate) dessen bloßer Bestand schon
die Stagnation des großpolnischen Gedankens,
des sogenannten „historischen Polenreiches",
darstellt. Der polnische Kapitalismus wird
auch auf die Polnische Demokratie einwirken
und auch in dieser nationale'Ausdehnungs¬
bestrebungen wachrufen. Politische Klugheit
gebietet es also, die Polnische Demokratie
nicht nur nicht abzustoßen, sondern in einen
möglichst innigen Kontakt mit dem ukraini¬
schen Staatswesen zu bringen. Wir wollen
ja die nationalen Minderheiten in der
Ukraine nicht etwa nach galizischen Muster
der Polen unterdrücken. Das beweist allein
schon die Tatsache, daß wir ihnen volle na¬
tionale Autonomie eingeräumt haben.

Englands Interesse an Groszpolen.

Die
„Morning Post" vom 12. Juni 1918 schreibt >
in einem Leitaufsatz: In Deutschland wird,
Rußland jetzt als deutsches Hinterland be¬
trachtet. Finnland und die anderen baltischen
Provinzen Rußlands werden bereits germa¬
nisiert, und durch diese Ausdehnung Deutsch¬
lands nach Osten ist Polen für Deutschland

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Seelen der Gesamt¬
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/56>, abgerufen am 04.07.2024.