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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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Das Palästinaproblem

Gewiß befindet sich Deutschland dem Zionismus gegenüber in einer
schwierigeren Lage als England. Wenn Englands amtliche Sprache, wie das in
dem berühmten Brief Balfours an Lord Rothschild vom 2, November 1917 geschah,
hemmungslos im Sinne der zionistischen Wünsche über das ihm zeitweilig zu¬
gefallene Gebiet verfügt, so muß sich Deutschland stets von der Rücksicht auf die
politischen Empfindungen, nicht alltürkisch-nationalistische Empfindlichkeiten, des
ostlichen Bundesgenossen leiten lassen. Aber da nun die Erklärung des Gro߬
wesirs Talaat Pascha den jüdischen Bestrebungen zum erstenmal anerkennend, wenn
auch noch begrenzt, entgegenkommt, so braucht es für die deutsche Reichsregierung
nicht bei platonischen Sympathiekundgebungen zu bleiben, wie sie am 5, Januar d.J.
der Staatssekretär des Auswärtigen von dem Bussche erließ, zumal da Osterreich
durch den Mund des Grafen Czernin bereits unabhängig von der türkischen
Stellungnahme und vor ihr, fast gleichzeitig mit der die ganze Frage ins Rollen
bringenden englischen Erklärung, seine Geneigtheit gegenüber den zionistischen
Palastinawünschen zu erkennen gegeben hatte. Die wohlverstandenen Interessen
der deutsch-türkischen Außenpolitik weisen vielmehr auf eine energische Inangriff¬
nahme des zionistischen Problems hin, und an Ansätzen zu solch fördernden Ein¬
treten für die jüdisch-palästinische Siedlung hat es jetzt auch während des Krieges
zufolge der Dankeskundgebung der deutschen Zionisten an die Reichsregierung
vom Dezember v. I. nicht gefehlt-, die belgischen Zionisten rühmten auf ihrer
jüngsten Jahreskonferenz im April d. I. ausdrücklich die Sympathien des Deutschen
. Kaisers für den Zionismus, dessen Gründer. Theodor Herzl, 1898 als der erste
n Jerusalem unter einem hebräisch beschrifteten Triumphbogen den Kaiser be¬
grüßt hatte.

Gewiß gewinnt der Zionismus durch daS Medium der Türkei eine be¬
merkenswerte politische Bedeutung für Deutschland- aber auch die eigene Zukunfts¬
stellung in dem vorderen Orient, insbesondere die Ausbreitung deutscher Kultur,
die Förderung des deutschen Handels, die Einflußsphäre der deutschen Sprache,
überhaupt die deutsche Vormachtstellung im östlichen Mittelmeergebiet müßte ihren
wohlverdienten Lohn aus der Anerkennung und der Förderung der jüdisch-palästinischen
Wünsche empfangen. Denn nicht umsonst besteht in der sogenannten Deutsch¬
sprachigkeit der für die Einwanderung in Betracht kommenden Juden ein Jnteressen-
band, das den Geschäftsverbindungen zwischen Palästina und Deutschland und den
Unternehmungen des deutschen Handels und der deutschen Industrie im Orient
sehr vorteilhaft werden könnte. Hier ist ein realer Weg für die Verwirklichung
unseres Orientprogrammes gegeben, den aber merkwürdigerweise unsere Jllusions-
Politiker über ihren ausschweifenden Hoffnungen, die so viele Köpfe in der Heimat
verwirren, nicht sehen. Auf diese deutsch-jüdische Interessengemeinschaft hat bereits
im Jahre 1912 und früher der deutsche Vizekonsul von Jaffa in seinem Handels¬
bericht empfehlend, der englische Konsul bedauernd hingewiesen; zweifellos liegt
es mit an dem jüdischen Einwanderungselement, daß sich der deutsche Handel nach
Jaffa in den sechs Jahren von 1903 bis 1909 vervierfacht hat. Der deutsche
Konsulcirbericht glaubt darum diese Interessengemeinschaft noch weiter verfolgen zu
sollen, indem er der deutschen Industrie sogar die Verwendung der im Heiligen
Lande lebendig gewordenen hebräischen Sprache zu Neklamezwecken empfiehlt.

Mit dem Ausbau dieser Gemeinschaft würde England ein Pfahl in das
wuchernde Fleisch getrieben, und mit der Errichtung einer geschlossenen jüdischen
Siedlung in Palästina mittels deutscher Fürsprache würde der ganze großangelegte
englische Wirtschaftszug im Osten gesprengt werden. Denn Palästina ist der West¬
pfeiler der Brücke, die der englische Imperialismus von Ägypten über Land nach
Indien zu schlagen gedenkt, und auch der hier in Aussicht genommene autonome
Judenstaat wird der englischen Politik nur ein Mittel zur Sicherung der Ver¬
bindungsbrücke zwischen seinem afrikanischen und asiatischen Kolonialbesitz sein; er
wird darum der türkischen Herrschaft in der Hand Englands immer ein bedroh-
licher Nachbar sein und eine Gefährdung nicht bloß des deutschen Orienthandels,
sondern des ganzen Weltfriedens darstellen. Hier könnte durch eine praktische


Das Palästinaproblem

Gewiß befindet sich Deutschland dem Zionismus gegenüber in einer
schwierigeren Lage als England. Wenn Englands amtliche Sprache, wie das in
dem berühmten Brief Balfours an Lord Rothschild vom 2, November 1917 geschah,
hemmungslos im Sinne der zionistischen Wünsche über das ihm zeitweilig zu¬
gefallene Gebiet verfügt, so muß sich Deutschland stets von der Rücksicht auf die
politischen Empfindungen, nicht alltürkisch-nationalistische Empfindlichkeiten, des
ostlichen Bundesgenossen leiten lassen. Aber da nun die Erklärung des Gro߬
wesirs Talaat Pascha den jüdischen Bestrebungen zum erstenmal anerkennend, wenn
auch noch begrenzt, entgegenkommt, so braucht es für die deutsche Reichsregierung
nicht bei platonischen Sympathiekundgebungen zu bleiben, wie sie am 5, Januar d.J.
der Staatssekretär des Auswärtigen von dem Bussche erließ, zumal da Osterreich
durch den Mund des Grafen Czernin bereits unabhängig von der türkischen
Stellungnahme und vor ihr, fast gleichzeitig mit der die ganze Frage ins Rollen
bringenden englischen Erklärung, seine Geneigtheit gegenüber den zionistischen
Palastinawünschen zu erkennen gegeben hatte. Die wohlverstandenen Interessen
der deutsch-türkischen Außenpolitik weisen vielmehr auf eine energische Inangriff¬
nahme des zionistischen Problems hin, und an Ansätzen zu solch fördernden Ein¬
treten für die jüdisch-palästinische Siedlung hat es jetzt auch während des Krieges
zufolge der Dankeskundgebung der deutschen Zionisten an die Reichsregierung
vom Dezember v. I. nicht gefehlt-, die belgischen Zionisten rühmten auf ihrer
jüngsten Jahreskonferenz im April d. I. ausdrücklich die Sympathien des Deutschen
. Kaisers für den Zionismus, dessen Gründer. Theodor Herzl, 1898 als der erste
n Jerusalem unter einem hebräisch beschrifteten Triumphbogen den Kaiser be¬
grüßt hatte.

Gewiß gewinnt der Zionismus durch daS Medium der Türkei eine be¬
merkenswerte politische Bedeutung für Deutschland- aber auch die eigene Zukunfts¬
stellung in dem vorderen Orient, insbesondere die Ausbreitung deutscher Kultur,
die Förderung des deutschen Handels, die Einflußsphäre der deutschen Sprache,
überhaupt die deutsche Vormachtstellung im östlichen Mittelmeergebiet müßte ihren
wohlverdienten Lohn aus der Anerkennung und der Förderung der jüdisch-palästinischen
Wünsche empfangen. Denn nicht umsonst besteht in der sogenannten Deutsch¬
sprachigkeit der für die Einwanderung in Betracht kommenden Juden ein Jnteressen-
band, das den Geschäftsverbindungen zwischen Palästina und Deutschland und den
Unternehmungen des deutschen Handels und der deutschen Industrie im Orient
sehr vorteilhaft werden könnte. Hier ist ein realer Weg für die Verwirklichung
unseres Orientprogrammes gegeben, den aber merkwürdigerweise unsere Jllusions-
Politiker über ihren ausschweifenden Hoffnungen, die so viele Köpfe in der Heimat
verwirren, nicht sehen. Auf diese deutsch-jüdische Interessengemeinschaft hat bereits
im Jahre 1912 und früher der deutsche Vizekonsul von Jaffa in seinem Handels¬
bericht empfehlend, der englische Konsul bedauernd hingewiesen; zweifellos liegt
es mit an dem jüdischen Einwanderungselement, daß sich der deutsche Handel nach
Jaffa in den sechs Jahren von 1903 bis 1909 vervierfacht hat. Der deutsche
Konsulcirbericht glaubt darum diese Interessengemeinschaft noch weiter verfolgen zu
sollen, indem er der deutschen Industrie sogar die Verwendung der im Heiligen
Lande lebendig gewordenen hebräischen Sprache zu Neklamezwecken empfiehlt.

Mit dem Ausbau dieser Gemeinschaft würde England ein Pfahl in das
wuchernde Fleisch getrieben, und mit der Errichtung einer geschlossenen jüdischen
Siedlung in Palästina mittels deutscher Fürsprache würde der ganze großangelegte
englische Wirtschaftszug im Osten gesprengt werden. Denn Palästina ist der West¬
pfeiler der Brücke, die der englische Imperialismus von Ägypten über Land nach
Indien zu schlagen gedenkt, und auch der hier in Aussicht genommene autonome
Judenstaat wird der englischen Politik nur ein Mittel zur Sicherung der Ver¬
bindungsbrücke zwischen seinem afrikanischen und asiatischen Kolonialbesitz sein; er
wird darum der türkischen Herrschaft in der Hand Englands immer ein bedroh-
licher Nachbar sein und eine Gefährdung nicht bloß des deutschen Orienthandels,
sondern des ganzen Weltfriedens darstellen. Hier könnte durch eine praktische


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[0042] Das Palästinaproblem Gewiß befindet sich Deutschland dem Zionismus gegenüber in einer schwierigeren Lage als England. Wenn Englands amtliche Sprache, wie das in dem berühmten Brief Balfours an Lord Rothschild vom 2, November 1917 geschah, hemmungslos im Sinne der zionistischen Wünsche über das ihm zeitweilig zu¬ gefallene Gebiet verfügt, so muß sich Deutschland stets von der Rücksicht auf die politischen Empfindungen, nicht alltürkisch-nationalistische Empfindlichkeiten, des ostlichen Bundesgenossen leiten lassen. Aber da nun die Erklärung des Gro߬ wesirs Talaat Pascha den jüdischen Bestrebungen zum erstenmal anerkennend, wenn auch noch begrenzt, entgegenkommt, so braucht es für die deutsche Reichsregierung nicht bei platonischen Sympathiekundgebungen zu bleiben, wie sie am 5, Januar d.J. der Staatssekretär des Auswärtigen von dem Bussche erließ, zumal da Osterreich durch den Mund des Grafen Czernin bereits unabhängig von der türkischen Stellungnahme und vor ihr, fast gleichzeitig mit der die ganze Frage ins Rollen bringenden englischen Erklärung, seine Geneigtheit gegenüber den zionistischen Palastinawünschen zu erkennen gegeben hatte. Die wohlverstandenen Interessen der deutsch-türkischen Außenpolitik weisen vielmehr auf eine energische Inangriff¬ nahme des zionistischen Problems hin, und an Ansätzen zu solch fördernden Ein¬ treten für die jüdisch-palästinische Siedlung hat es jetzt auch während des Krieges zufolge der Dankeskundgebung der deutschen Zionisten an die Reichsregierung vom Dezember v. I. nicht gefehlt-, die belgischen Zionisten rühmten auf ihrer jüngsten Jahreskonferenz im April d. I. ausdrücklich die Sympathien des Deutschen . Kaisers für den Zionismus, dessen Gründer. Theodor Herzl, 1898 als der erste n Jerusalem unter einem hebräisch beschrifteten Triumphbogen den Kaiser be¬ grüßt hatte. Gewiß gewinnt der Zionismus durch daS Medium der Türkei eine be¬ merkenswerte politische Bedeutung für Deutschland- aber auch die eigene Zukunfts¬ stellung in dem vorderen Orient, insbesondere die Ausbreitung deutscher Kultur, die Förderung des deutschen Handels, die Einflußsphäre der deutschen Sprache, überhaupt die deutsche Vormachtstellung im östlichen Mittelmeergebiet müßte ihren wohlverdienten Lohn aus der Anerkennung und der Förderung der jüdisch-palästinischen Wünsche empfangen. Denn nicht umsonst besteht in der sogenannten Deutsch¬ sprachigkeit der für die Einwanderung in Betracht kommenden Juden ein Jnteressen- band, das den Geschäftsverbindungen zwischen Palästina und Deutschland und den Unternehmungen des deutschen Handels und der deutschen Industrie im Orient sehr vorteilhaft werden könnte. Hier ist ein realer Weg für die Verwirklichung unseres Orientprogrammes gegeben, den aber merkwürdigerweise unsere Jllusions- Politiker über ihren ausschweifenden Hoffnungen, die so viele Köpfe in der Heimat verwirren, nicht sehen. Auf diese deutsch-jüdische Interessengemeinschaft hat bereits im Jahre 1912 und früher der deutsche Vizekonsul von Jaffa in seinem Handels¬ bericht empfehlend, der englische Konsul bedauernd hingewiesen; zweifellos liegt es mit an dem jüdischen Einwanderungselement, daß sich der deutsche Handel nach Jaffa in den sechs Jahren von 1903 bis 1909 vervierfacht hat. Der deutsche Konsulcirbericht glaubt darum diese Interessengemeinschaft noch weiter verfolgen zu sollen, indem er der deutschen Industrie sogar die Verwendung der im Heiligen Lande lebendig gewordenen hebräischen Sprache zu Neklamezwecken empfiehlt. Mit dem Ausbau dieser Gemeinschaft würde England ein Pfahl in das wuchernde Fleisch getrieben, und mit der Errichtung einer geschlossenen jüdischen Siedlung in Palästina mittels deutscher Fürsprache würde der ganze großangelegte englische Wirtschaftszug im Osten gesprengt werden. Denn Palästina ist der West¬ pfeiler der Brücke, die der englische Imperialismus von Ägypten über Land nach Indien zu schlagen gedenkt, und auch der hier in Aussicht genommene autonome Judenstaat wird der englischen Politik nur ein Mittel zur Sicherung der Ver¬ bindungsbrücke zwischen seinem afrikanischen und asiatischen Kolonialbesitz sein; er wird darum der türkischen Herrschaft in der Hand Englands immer ein bedroh- licher Nachbar sein und eine Gefährdung nicht bloß des deutschen Orienthandels, sondern des ganzen Weltfriedens darstellen. Hier könnte durch eine praktische

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/42>, abgerufen am 29.06.2024.