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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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Zeit verständlich, nach denen bei aller Aufopferungsfähigkeit für den nationalen
Staat doch auch der Kosmopolit und der reine Individualist ihre Sache nicht aus¬
gegeben haben.

Zwei Bücher sind es, die ich in diesen Zeilen anzeigen möchte. Der bekannte
Schillerbiograph K a r l B e r g e r hat eine Sammlung seiner Aufsätze veranstaltet
und unter dem Titel "Vom Weltbürgertum zum Nationalgedanken" erscheinen
lassen (München 1918, Beck, gebunden 8,50 Mark). Sie alle, meist Parerga und
Studien zu des Verfassers Büchern über Schiller und Körner,, bieten Einzel¬
ausführungen und Lebensbilder aus der großen Zeit des politischen Andenkens
vor und nach dem Jahre 1800 und zeigen an einer Reihe von typischen Beispielen
(nicht nur aus dem Kreis der Dichter), wie die verschiedenen Persönlichkeiten der
großen Frage der Zeit gegenüber sich Verhalten., Alle Schattierungen und Über¬
gänge -- reines Weltbürgertum, nationales Kulturgefühl, Sympathie mit
nationalen Befreiungskämpfen, Anerkennung des Natwnalstaatsgedankens bei
anderen Völkern, 'deutsches nationales Selbstbewußtsein und seine politische
Folgerung -- werden in diesen Blättern irgendwie beleuchtet. Bergers glänzende
Darstellungsgabe ist bekannt, und wie eng er sich selbst mit dem Dargestellten ver¬
bunden Weiß, zeigt sein Bekenntnis, daß einst Schiller ihn von der dürren Weide
vager Menschheitsideale heimgeführt habe zu den ewigfrischen Quellen des Volks-
tums. In dieser Richtung will auch sein Buch wirken.

Ist Bergers Werk somit ein didaktisches Buch, ohne doch im Hinblick auf
die Schule geschrieben zu sein, so ist I o h. Gg. Sprengels Schrift "Das
Staatsbewußtsein in der deutschen Dichtung seit Heinrich von Kleist" (Leipzig
1918, Teubner, geheftet Mark 2,80 ->- 30 Prozent Zuschlag) von einem Lehrer
für Lehrer geschrieben, aber für jeden wertvoll, der im Spiegel der Dichtung die
Wandlungen des deutschen politischen Denkens verfolgen will. Von Kleist ab, in
dem sich die Umwälzung von weltbürgerlicher Humanität bis zu rationalistischer
Leidenschaft am gedrängtesten vollzogen hat, finden wir die Dichter mit ihren
politischen Problemdichtungen gewürdigt: Hebbels "Agnes Bernauer",
Grillparzers "Jüdin von Toledo" und "Libuffa". Meyers "Jürg Jenatsch" zeigt
den Typus des Staatsmannes, Keller hat im "Fähnlein" und in "Frau Regel
Ammin" in feiner lehrhaften Weise die Pflichten des Staatsbürgers dargestellt
(wozu noch em ^echter Keller" käme: "Der Wahltag", zuletzt "Süddeutsche
Monatshefte", Dezember 1916). Von Liliencron kommt Sprengel zur Lyrik des
Weltkrieges und behandelt dann in kurzem Zuge die Reihe der neueren
Dichtungen von patriotischer oder staatsbürgerlicher Färbung. Wenn er hiermit
auch für die Schulerziehung manchen wertvollen Wink gegeben hat, so scheint mir
doch die Fragestellung im letzten Teil der Schrift einigermaßen verschoben zu sein-
zu den Staatsdichtungen gehören die meisten hier genannten Werke nicht. Sie sind
Anzeichen dafür, daß das Staatsbewußtsein in breiten Schichten unseres Volkes
bodenständig geworden ist. Damit ist aber nicht gesagt, daß uns Modernen der
Staat und unser Verhältnis zu ihm' kein Problem mehr wäre. Der Boden für
eine Staatsdichtung großen Stils ist also vorhanden. "Die Poesie ist eine krieg¬
führende Macht", hat einst Adam Müller gesagt. In diesem Kriege scheint dies
nur von der Dichtung des Jcherlebens, der Lyrik der Selbsthingabe, zu gelten.
Die beiden Versuche zur dramatischen Bewältigung des Erlebnisses der Staats¬
übermacht über den einzelnen, Görings "Seeschlacht" und Unruhs "Geschlecht"^
Prof. Dr. w. M. Lenker gewähren jedenfalls keine reine Befriedigung.




Allen Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung
> nicht verbürgt werde" kann.




Nachdruck sämtlicher Ansscchc nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des "ert-as aestattct.
Verantwortlich! der Herausgeber Georg Cleinow in Berlin-Lichtcrselde West, -- Manuiklptsendmigen und
Briefe werden erbeten unter der Adresse: An dir "chriftleituna der Grenzboten i" Berlin SW 11, Tempelhofer Ufer 35".
Fernsprecher des Herausgebers: Amt Lichterselde 4M, des Verlag" und der Schriftleitung: Amt Uüsow Will.
Verlag: Verlag der Gr-nzbolen N, in, b, H, in Berlin SW II, Tempelhofer Ufer Ws
Drü-r ^Der Reichsbote" G, in, b, H, i" Berlin SW N, Dessauer Strakze W/M,
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Zeit verständlich, nach denen bei aller Aufopferungsfähigkeit für den nationalen
Staat doch auch der Kosmopolit und der reine Individualist ihre Sache nicht aus¬
gegeben haben.

Zwei Bücher sind es, die ich in diesen Zeilen anzeigen möchte. Der bekannte
Schillerbiograph K a r l B e r g e r hat eine Sammlung seiner Aufsätze veranstaltet
und unter dem Titel „Vom Weltbürgertum zum Nationalgedanken" erscheinen
lassen (München 1918, Beck, gebunden 8,50 Mark). Sie alle, meist Parerga und
Studien zu des Verfassers Büchern über Schiller und Körner,, bieten Einzel¬
ausführungen und Lebensbilder aus der großen Zeit des politischen Andenkens
vor und nach dem Jahre 1800 und zeigen an einer Reihe von typischen Beispielen
(nicht nur aus dem Kreis der Dichter), wie die verschiedenen Persönlichkeiten der
großen Frage der Zeit gegenüber sich Verhalten., Alle Schattierungen und Über¬
gänge — reines Weltbürgertum, nationales Kulturgefühl, Sympathie mit
nationalen Befreiungskämpfen, Anerkennung des Natwnalstaatsgedankens bei
anderen Völkern, 'deutsches nationales Selbstbewußtsein und seine politische
Folgerung — werden in diesen Blättern irgendwie beleuchtet. Bergers glänzende
Darstellungsgabe ist bekannt, und wie eng er sich selbst mit dem Dargestellten ver¬
bunden Weiß, zeigt sein Bekenntnis, daß einst Schiller ihn von der dürren Weide
vager Menschheitsideale heimgeführt habe zu den ewigfrischen Quellen des Volks-
tums. In dieser Richtung will auch sein Buch wirken.

Ist Bergers Werk somit ein didaktisches Buch, ohne doch im Hinblick auf
die Schule geschrieben zu sein, so ist I o h. Gg. Sprengels Schrift „Das
Staatsbewußtsein in der deutschen Dichtung seit Heinrich von Kleist" (Leipzig
1918, Teubner, geheftet Mark 2,80 ->- 30 Prozent Zuschlag) von einem Lehrer
für Lehrer geschrieben, aber für jeden wertvoll, der im Spiegel der Dichtung die
Wandlungen des deutschen politischen Denkens verfolgen will. Von Kleist ab, in
dem sich die Umwälzung von weltbürgerlicher Humanität bis zu rationalistischer
Leidenschaft am gedrängtesten vollzogen hat, finden wir die Dichter mit ihren
politischen Problemdichtungen gewürdigt: Hebbels „Agnes Bernauer",
Grillparzers „Jüdin von Toledo" und „Libuffa". Meyers „Jürg Jenatsch" zeigt
den Typus des Staatsmannes, Keller hat im „Fähnlein" und in „Frau Regel
Ammin" in feiner lehrhaften Weise die Pflichten des Staatsbürgers dargestellt
(wozu noch em ^echter Keller" käme: „Der Wahltag", zuletzt „Süddeutsche
Monatshefte", Dezember 1916). Von Liliencron kommt Sprengel zur Lyrik des
Weltkrieges und behandelt dann in kurzem Zuge die Reihe der neueren
Dichtungen von patriotischer oder staatsbürgerlicher Färbung. Wenn er hiermit
auch für die Schulerziehung manchen wertvollen Wink gegeben hat, so scheint mir
doch die Fragestellung im letzten Teil der Schrift einigermaßen verschoben zu sein-
zu den Staatsdichtungen gehören die meisten hier genannten Werke nicht. Sie sind
Anzeichen dafür, daß das Staatsbewußtsein in breiten Schichten unseres Volkes
bodenständig geworden ist. Damit ist aber nicht gesagt, daß uns Modernen der
Staat und unser Verhältnis zu ihm' kein Problem mehr wäre. Der Boden für
eine Staatsdichtung großen Stils ist also vorhanden. „Die Poesie ist eine krieg¬
führende Macht", hat einst Adam Müller gesagt. In diesem Kriege scheint dies
nur von der Dichtung des Jcherlebens, der Lyrik der Selbsthingabe, zu gelten.
Die beiden Versuche zur dramatischen Bewältigung des Erlebnisses der Staats¬
übermacht über den einzelnen, Görings „Seeschlacht" und Unruhs „Geschlecht"^
Prof. Dr. w. M. Lenker gewähren jedenfalls keine reine Befriedigung.




Allen Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung
> nicht verbürgt werde» kann.




Nachdruck sämtlicher Ansscchc nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des «ert-as aestattct.
Verantwortlich! der Herausgeber Georg Cleinow in Berlin-Lichtcrselde West, — Manuiklptsendmigen und
Briefe werden erbeten unter der Adresse: An dir «chriftleituna der Grenzboten i» Berlin SW 11, Tempelhofer Ufer 35».
Fernsprecher des Herausgebers: Amt Lichterselde 4M, des Verlag« und der Schriftleitung: Amt Uüsow Will.
Verlag: Verlag der Gr-nzbolen N, in, b, H, in Berlin SW II, Tempelhofer Ufer Ws
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[0340] Neue Bücher Zeit verständlich, nach denen bei aller Aufopferungsfähigkeit für den nationalen Staat doch auch der Kosmopolit und der reine Individualist ihre Sache nicht aus¬ gegeben haben. Zwei Bücher sind es, die ich in diesen Zeilen anzeigen möchte. Der bekannte Schillerbiograph K a r l B e r g e r hat eine Sammlung seiner Aufsätze veranstaltet und unter dem Titel „Vom Weltbürgertum zum Nationalgedanken" erscheinen lassen (München 1918, Beck, gebunden 8,50 Mark). Sie alle, meist Parerga und Studien zu des Verfassers Büchern über Schiller und Körner,, bieten Einzel¬ ausführungen und Lebensbilder aus der großen Zeit des politischen Andenkens vor und nach dem Jahre 1800 und zeigen an einer Reihe von typischen Beispielen (nicht nur aus dem Kreis der Dichter), wie die verschiedenen Persönlichkeiten der großen Frage der Zeit gegenüber sich Verhalten., Alle Schattierungen und Über¬ gänge — reines Weltbürgertum, nationales Kulturgefühl, Sympathie mit nationalen Befreiungskämpfen, Anerkennung des Natwnalstaatsgedankens bei anderen Völkern, 'deutsches nationales Selbstbewußtsein und seine politische Folgerung — werden in diesen Blättern irgendwie beleuchtet. Bergers glänzende Darstellungsgabe ist bekannt, und wie eng er sich selbst mit dem Dargestellten ver¬ bunden Weiß, zeigt sein Bekenntnis, daß einst Schiller ihn von der dürren Weide vager Menschheitsideale heimgeführt habe zu den ewigfrischen Quellen des Volks- tums. In dieser Richtung will auch sein Buch wirken. Ist Bergers Werk somit ein didaktisches Buch, ohne doch im Hinblick auf die Schule geschrieben zu sein, so ist I o h. Gg. Sprengels Schrift „Das Staatsbewußtsein in der deutschen Dichtung seit Heinrich von Kleist" (Leipzig 1918, Teubner, geheftet Mark 2,80 ->- 30 Prozent Zuschlag) von einem Lehrer für Lehrer geschrieben, aber für jeden wertvoll, der im Spiegel der Dichtung die Wandlungen des deutschen politischen Denkens verfolgen will. Von Kleist ab, in dem sich die Umwälzung von weltbürgerlicher Humanität bis zu rationalistischer Leidenschaft am gedrängtesten vollzogen hat, finden wir die Dichter mit ihren politischen Problemdichtungen gewürdigt: Hebbels „Agnes Bernauer", Grillparzers „Jüdin von Toledo" und „Libuffa". Meyers „Jürg Jenatsch" zeigt den Typus des Staatsmannes, Keller hat im „Fähnlein" und in „Frau Regel Ammin" in feiner lehrhaften Weise die Pflichten des Staatsbürgers dargestellt (wozu noch em ^echter Keller" käme: „Der Wahltag", zuletzt „Süddeutsche Monatshefte", Dezember 1916). Von Liliencron kommt Sprengel zur Lyrik des Weltkrieges und behandelt dann in kurzem Zuge die Reihe der neueren Dichtungen von patriotischer oder staatsbürgerlicher Färbung. Wenn er hiermit auch für die Schulerziehung manchen wertvollen Wink gegeben hat, so scheint mir doch die Fragestellung im letzten Teil der Schrift einigermaßen verschoben zu sein- zu den Staatsdichtungen gehören die meisten hier genannten Werke nicht. Sie sind Anzeichen dafür, daß das Staatsbewußtsein in breiten Schichten unseres Volkes bodenständig geworden ist. Damit ist aber nicht gesagt, daß uns Modernen der Staat und unser Verhältnis zu ihm' kein Problem mehr wäre. Der Boden für eine Staatsdichtung großen Stils ist also vorhanden. „Die Poesie ist eine krieg¬ führende Macht", hat einst Adam Müller gesagt. In diesem Kriege scheint dies nur von der Dichtung des Jcherlebens, der Lyrik der Selbsthingabe, zu gelten. Die beiden Versuche zur dramatischen Bewältigung des Erlebnisses der Staats¬ übermacht über den einzelnen, Görings „Seeschlacht" und Unruhs „Geschlecht"^ Prof. Dr. w. M. Lenker gewähren jedenfalls keine reine Befriedigung. Allen Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung > nicht verbürgt werde» kann. Nachdruck sämtlicher Ansscchc nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des «ert-as aestattct. Verantwortlich! der Herausgeber Georg Cleinow in Berlin-Lichtcrselde West, — Manuiklptsendmigen und Briefe werden erbeten unter der Adresse: An dir «chriftleituna der Grenzboten i» Berlin SW 11, Tempelhofer Ufer 35». Fernsprecher des Herausgebers: Amt Lichterselde 4M, des Verlag« und der Schriftleitung: Amt Uüsow Will. Verlag: Verlag der Gr-nzbolen N, in, b, H, in Berlin SW II, Tempelhofer Ufer Ws Drü-r ^Der Reichsbote» G, in, b, H, i» Berlin SW N, Dessauer Strakze W/M,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/340>, abgerufen am 22.07.2024.