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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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Haltung" nur aus dem Umstände erklären, daß der vaterlandsparteiliche Bazillus
im Zentrumskörper Hause und man die annexionistischen Elemente der Partei
nicht habe vor den Kopf' stoßen wollen.

Im letzten, größten Abschnitt (Innenpolitik) sind die religiös-sittlichen, so¬
zialen und wirtschaftlichen, die Finanz- und Steuerfragen mit der "Stellungnahme
zu den Kriegsfolgen" zusammengefaßt. Unter der ersten Kategorie findet sich neben
der bekannten scharf antisozialistischen Kirchen-, Schul- und Eheschutzpolitik des
Zentrums der Satz: Freiheit für die christliche Liebestätigkeit und paritätische
Förderung ihrer Einrichtungen. Man sollte meinen, daß diese an die Adresse der
Staatsgewalt gerichtete Forderung im Rahmen der Partei eine Selbstverständ¬
lichkeit darstellt. Doch scheint es hier mit der "Parität" eine eigentümliche Be¬
wandtnis zu haben. Vor einiger Zeit erregte der Sieg des katholischen Pfarrers
Greber über den offiziellen Zentrumskandidaten General von Steinäcker bei der
letzten Reichstagsersatzwahl im Rheinland Aufsehen. Der Geistliche war daraufhin
vom Bischof von Trier seines Amtes entsetzt worden, und die Fraktion des Reichs¬
tages hatte sein Aufnahmegesuch abgewiesen mit der Begründung, erst müsse das
gegen ihn eingeleitete kirchliche Verfahren abgewartet werden, worauf Greber sich
dem elsässischen Zentrum anschloß. Später erfuhr man Genaueres über die eigent¬
lichen Beweggründe der kirchlichen Behörden. Greber ist der Vertreter einer
Richtung innerhalb der Partei, die sich zu einer Art von "christlichem Sozialismus"
bekennt. Die vom Mayener "Ständehaus" ausgehende Bewegung will praktische
sozial-caritative Arbeit aus demokratischer Grundlage leisten, sie ist antikapitalistisch
und antistaatssozialistisch orientiert. Derartige Strömungen waren in der Partei
schon früher lebendig; ein Vorkämpfer der freien sittlichen Liebestätigkeit gegen¬
über staatssozialistischen Bestrebungen, wie sie der katholische Sozialpolitiker Franz
Hitze vertrat, war der damalige Freiherr von Hertling, der, wie die Mehrzahl
seiner Fraktion, zum Beispiel von staatlicher Ärbeiterversicherung nichts wissen
wollte. Später haben sich die Gegner versöhnt, der Staatssozialismus wurde
anerkannt und die erdrückende Mehrheit der Zentrumsbekenner hat den Kapita¬
lismus, wie Meerfeld es ausdrückt, mit Haut und Haar geschluckt. In Überein¬
stimmung mit dieser Wandlung lehnt man jetzt von maßgebender Seite die
praktische christliche Caritas der Ständehausleute ab, man will sie nicht, weil sie
die guten klerikalen Beziehungen zu Großkapital und Staatsgewalt stören könnte
und legt infolgedessen dem Pfarrer Greber in sehr unparitätischer Weise das
Handwerk.

Aus dem wirtschaftlich-sozialen Gebiete zeigt sich der universale Charakter
der Zentrumspolitik besonders deutlich. Man hat unsere Parteien oft mit wirt¬
schaftlichen Interessengruppen verglichen, beim Zentrum versagt diese Möglichkeit.
Hier soll und -- muß jeder Stand auf seine Rechnung kommen, wirbt doch die
christlich-katholische Weltanschauung/) im Herrenschloß ebenso wie in der Bauern¬
stube, in Fabrik, Kondor und Bureau ebenso wie an den Arbeitsstätten der freien
Berufe ihre Anhänger. So muß sie sich denn eine "ausgleichende Förderung
von Landwirtschaft, Handwerk, Industrie, Handel und Verkehr" angelogen sein
lassen, und darf dabei die "Schaffung eines lebenskräftigen Mittelstandes", zu¬
gleich aber auch die "Ausgestaltung der Rechtsstellung des Arbeiterstandes als
gleichberechtigten Gliedes der Volksgemeinschaft" und eine "zeitgemäße Fortbildung
des Beamtenrechtes" nicht > vergessen. Hier gilt das Wort: Wer vieles bringt,
wird manchem etwas bringen, zugleich aber das Bedenken: tVWItum, non multa;
und man kann es dem "Vorwärts" von seinem Standpunkte nicht übel nehmen,
wenn er die Neuschaffung eines Mittelstandes in einer Zeit "neu anhebender
sozialer Kämpfe und unerhörten Machtzuwachses des Großkapitals vorläufig als
das Geheimnis der Urheber des Programms" betrachtet.



*) Daß diese trotz aller anderweitigen Hilfskonstruktionen die einzige "Plattform" der
Partei ist, zeigte sich jüngst wieder in einem Germania-Artikel ("Konstruktionsfehler und-
Plattform". Ur. 427.)
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Haltung" nur aus dem Umstände erklären, daß der vaterlandsparteiliche Bazillus
im Zentrumskörper Hause und man die annexionistischen Elemente der Partei
nicht habe vor den Kopf' stoßen wollen.

Im letzten, größten Abschnitt (Innenpolitik) sind die religiös-sittlichen, so¬
zialen und wirtschaftlichen, die Finanz- und Steuerfragen mit der „Stellungnahme
zu den Kriegsfolgen" zusammengefaßt. Unter der ersten Kategorie findet sich neben
der bekannten scharf antisozialistischen Kirchen-, Schul- und Eheschutzpolitik des
Zentrums der Satz: Freiheit für die christliche Liebestätigkeit und paritätische
Förderung ihrer Einrichtungen. Man sollte meinen, daß diese an die Adresse der
Staatsgewalt gerichtete Forderung im Rahmen der Partei eine Selbstverständ¬
lichkeit darstellt. Doch scheint es hier mit der „Parität" eine eigentümliche Be¬
wandtnis zu haben. Vor einiger Zeit erregte der Sieg des katholischen Pfarrers
Greber über den offiziellen Zentrumskandidaten General von Steinäcker bei der
letzten Reichstagsersatzwahl im Rheinland Aufsehen. Der Geistliche war daraufhin
vom Bischof von Trier seines Amtes entsetzt worden, und die Fraktion des Reichs¬
tages hatte sein Aufnahmegesuch abgewiesen mit der Begründung, erst müsse das
gegen ihn eingeleitete kirchliche Verfahren abgewartet werden, worauf Greber sich
dem elsässischen Zentrum anschloß. Später erfuhr man Genaueres über die eigent¬
lichen Beweggründe der kirchlichen Behörden. Greber ist der Vertreter einer
Richtung innerhalb der Partei, die sich zu einer Art von „christlichem Sozialismus"
bekennt. Die vom Mayener „Ständehaus" ausgehende Bewegung will praktische
sozial-caritative Arbeit aus demokratischer Grundlage leisten, sie ist antikapitalistisch
und antistaatssozialistisch orientiert. Derartige Strömungen waren in der Partei
schon früher lebendig; ein Vorkämpfer der freien sittlichen Liebestätigkeit gegen¬
über staatssozialistischen Bestrebungen, wie sie der katholische Sozialpolitiker Franz
Hitze vertrat, war der damalige Freiherr von Hertling, der, wie die Mehrzahl
seiner Fraktion, zum Beispiel von staatlicher Ärbeiterversicherung nichts wissen
wollte. Später haben sich die Gegner versöhnt, der Staatssozialismus wurde
anerkannt und die erdrückende Mehrheit der Zentrumsbekenner hat den Kapita¬
lismus, wie Meerfeld es ausdrückt, mit Haut und Haar geschluckt. In Überein¬
stimmung mit dieser Wandlung lehnt man jetzt von maßgebender Seite die
praktische christliche Caritas der Ständehausleute ab, man will sie nicht, weil sie
die guten klerikalen Beziehungen zu Großkapital und Staatsgewalt stören könnte
und legt infolgedessen dem Pfarrer Greber in sehr unparitätischer Weise das
Handwerk.

Aus dem wirtschaftlich-sozialen Gebiete zeigt sich der universale Charakter
der Zentrumspolitik besonders deutlich. Man hat unsere Parteien oft mit wirt¬
schaftlichen Interessengruppen verglichen, beim Zentrum versagt diese Möglichkeit.
Hier soll und — muß jeder Stand auf seine Rechnung kommen, wirbt doch die
christlich-katholische Weltanschauung/) im Herrenschloß ebenso wie in der Bauern¬
stube, in Fabrik, Kondor und Bureau ebenso wie an den Arbeitsstätten der freien
Berufe ihre Anhänger. So muß sie sich denn eine „ausgleichende Förderung
von Landwirtschaft, Handwerk, Industrie, Handel und Verkehr" angelogen sein
lassen, und darf dabei die „Schaffung eines lebenskräftigen Mittelstandes", zu¬
gleich aber auch die „Ausgestaltung der Rechtsstellung des Arbeiterstandes als
gleichberechtigten Gliedes der Volksgemeinschaft" und eine „zeitgemäße Fortbildung
des Beamtenrechtes" nicht > vergessen. Hier gilt das Wort: Wer vieles bringt,
wird manchem etwas bringen, zugleich aber das Bedenken: tVWItum, non multa;
und man kann es dem „Vorwärts" von seinem Standpunkte nicht übel nehmen,
wenn er die Neuschaffung eines Mittelstandes in einer Zeit „neu anhebender
sozialer Kämpfe und unerhörten Machtzuwachses des Großkapitals vorläufig als
das Geheimnis der Urheber des Programms" betrachtet.



*) Daß diese trotz aller anderweitigen Hilfskonstruktionen die einzige „Plattform" der
Partei ist, zeigte sich jüngst wieder in einem Germania-Artikel („Konstruktionsfehler und-
Plattform". Ur. 427.)
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[0336] Neue Parteiprogramme Haltung" nur aus dem Umstände erklären, daß der vaterlandsparteiliche Bazillus im Zentrumskörper Hause und man die annexionistischen Elemente der Partei nicht habe vor den Kopf' stoßen wollen. Im letzten, größten Abschnitt (Innenpolitik) sind die religiös-sittlichen, so¬ zialen und wirtschaftlichen, die Finanz- und Steuerfragen mit der „Stellungnahme zu den Kriegsfolgen" zusammengefaßt. Unter der ersten Kategorie findet sich neben der bekannten scharf antisozialistischen Kirchen-, Schul- und Eheschutzpolitik des Zentrums der Satz: Freiheit für die christliche Liebestätigkeit und paritätische Förderung ihrer Einrichtungen. Man sollte meinen, daß diese an die Adresse der Staatsgewalt gerichtete Forderung im Rahmen der Partei eine Selbstverständ¬ lichkeit darstellt. Doch scheint es hier mit der „Parität" eine eigentümliche Be¬ wandtnis zu haben. Vor einiger Zeit erregte der Sieg des katholischen Pfarrers Greber über den offiziellen Zentrumskandidaten General von Steinäcker bei der letzten Reichstagsersatzwahl im Rheinland Aufsehen. Der Geistliche war daraufhin vom Bischof von Trier seines Amtes entsetzt worden, und die Fraktion des Reichs¬ tages hatte sein Aufnahmegesuch abgewiesen mit der Begründung, erst müsse das gegen ihn eingeleitete kirchliche Verfahren abgewartet werden, worauf Greber sich dem elsässischen Zentrum anschloß. Später erfuhr man Genaueres über die eigent¬ lichen Beweggründe der kirchlichen Behörden. Greber ist der Vertreter einer Richtung innerhalb der Partei, die sich zu einer Art von „christlichem Sozialismus" bekennt. Die vom Mayener „Ständehaus" ausgehende Bewegung will praktische sozial-caritative Arbeit aus demokratischer Grundlage leisten, sie ist antikapitalistisch und antistaatssozialistisch orientiert. Derartige Strömungen waren in der Partei schon früher lebendig; ein Vorkämpfer der freien sittlichen Liebestätigkeit gegen¬ über staatssozialistischen Bestrebungen, wie sie der katholische Sozialpolitiker Franz Hitze vertrat, war der damalige Freiherr von Hertling, der, wie die Mehrzahl seiner Fraktion, zum Beispiel von staatlicher Ärbeiterversicherung nichts wissen wollte. Später haben sich die Gegner versöhnt, der Staatssozialismus wurde anerkannt und die erdrückende Mehrheit der Zentrumsbekenner hat den Kapita¬ lismus, wie Meerfeld es ausdrückt, mit Haut und Haar geschluckt. In Überein¬ stimmung mit dieser Wandlung lehnt man jetzt von maßgebender Seite die praktische christliche Caritas der Ständehausleute ab, man will sie nicht, weil sie die guten klerikalen Beziehungen zu Großkapital und Staatsgewalt stören könnte und legt infolgedessen dem Pfarrer Greber in sehr unparitätischer Weise das Handwerk. Aus dem wirtschaftlich-sozialen Gebiete zeigt sich der universale Charakter der Zentrumspolitik besonders deutlich. Man hat unsere Parteien oft mit wirt¬ schaftlichen Interessengruppen verglichen, beim Zentrum versagt diese Möglichkeit. Hier soll und — muß jeder Stand auf seine Rechnung kommen, wirbt doch die christlich-katholische Weltanschauung/) im Herrenschloß ebenso wie in der Bauern¬ stube, in Fabrik, Kondor und Bureau ebenso wie an den Arbeitsstätten der freien Berufe ihre Anhänger. So muß sie sich denn eine „ausgleichende Förderung von Landwirtschaft, Handwerk, Industrie, Handel und Verkehr" angelogen sein lassen, und darf dabei die „Schaffung eines lebenskräftigen Mittelstandes", zu¬ gleich aber auch die „Ausgestaltung der Rechtsstellung des Arbeiterstandes als gleichberechtigten Gliedes der Volksgemeinschaft" und eine „zeitgemäße Fortbildung des Beamtenrechtes" nicht > vergessen. Hier gilt das Wort: Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen, zugleich aber das Bedenken: tVWItum, non multa; und man kann es dem „Vorwärts" von seinem Standpunkte nicht übel nehmen, wenn er die Neuschaffung eines Mittelstandes in einer Zeit „neu anhebender sozialer Kämpfe und unerhörten Machtzuwachses des Großkapitals vorläufig als das Geheimnis der Urheber des Programms" betrachtet. *) Daß diese trotz aller anderweitigen Hilfskonstruktionen die einzige „Plattform" der Partei ist, zeigte sich jüngst wieder in einem Germania-Artikel („Konstruktionsfehler und- Plattform". Ur. 427.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/336>, abgerufen am 22.07.2024.