Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.lvas wollen die Polen? eine neue Teilung Kongreßpolens und den endgültigen Verlust Litauens erkaufen Nun erklärt Prinz Radziwill, in der polnischen Frage sei nichts fest gemacht, Weiterhin versichert der Prinz, daß keine Rede davon sein könne, daß in Der augenscheinliche Widerspruch, der in Radziwills letzter Bemerkung liegt, lvas wollen die Polen? eine neue Teilung Kongreßpolens und den endgültigen Verlust Litauens erkaufen Nun erklärt Prinz Radziwill, in der polnischen Frage sei nichts fest gemacht, Weiterhin versichert der Prinz, daß keine Rede davon sein könne, daß in Der augenscheinliche Widerspruch, der in Radziwills letzter Bemerkung liegt, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0299" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/334144"/> <fw type="header" place="top"> lvas wollen die Polen?</fw><lb/> <p xml:id="ID_1213" prev="#ID_1212"> eine neue Teilung Kongreßpolens und den endgültigen Verlust Litauens erkaufen<lb/> können (vgl. Heft 19 der „Grenzboten" d. I.).</p><lb/> <p xml:id="ID_1214"> Nun erklärt Prinz Radziwill, in der polnischen Frage sei nichts fest gemacht,<lb/> „kategorisch" stellt er fest, daß er „keine verbindlichen Gespräche geführt habe, die<lb/> auch nur Vorverhandlungen sich nähern", das Ergebnis der Zusammenkunft der<lb/> beiden Kaiser im Großen Hauptquartier lasse sich dahin zusammenfassen: „Polen<lb/> wurde die freie Entscheidung in der Frage der Besetzung des Thrones<lb/> überlassen. Es wurde anerkannt, daß die Entscheidung der polnischen<lb/> Frage ohne Teilnahme der Polen nicht erfolgen kann. Weitere<lb/> Unterhandlungen über die Regelung der polnischen Frage werden<lb/> bereits zusammen mit der Vertretung der Polen stattfinden."</p><lb/> <p xml:id="ID_1215"> Weiterhin versichert der Prinz, daß keine Rede davon sein könne, daß in<lb/> Berlin Graf Ronikier eine andere Politik treibe, wie Graf Przezdziecki in Wien,<lb/> was um so auffälliger erscheint, als Graf Ronikier als ein tatkräftiger Förderer<lb/> der deutschen Lösung gilt, während Graf Przezdziecki ein eifriger Fürsprecher der<lb/> der anhero-polnischen Lösung ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1216"> Der augenscheinliche Widerspruch, der in Radziwills letzter Bemerkung liegt,<lb/> wird sich aufklären, wenn es erst feststeht, welcher der beiden polnischen Gesandten<lb/> lediglich Kulisse für die Politik des andern gewesen ist. Bis dahin müssen wir<lb/> uns an die vorher geschilderten Tatsachen halten, um zu einem zutreffenden Bilde<lb/> über die Ziele der polnischen Politik zu gelangen. Will Prinz Radziwill die<lb/> Mehrheit des Staatsrath gewinnen, so wird er keine aktivistische Politik treiben<lb/> dürfen, sondern wird eine abwartende Haltung einnehmen müssen und sich darauf<lb/> beschränken, wie es ihm schon in diesem Sommer gelang, aus der Verschieden¬<lb/> artigkeit der Auffassungen in Berlin und Wien möglichst viel für seine Regierung<lb/> herauszuholen, ohne sich selbst festzulegen. Prinz Radziwill und sein Freund<lb/> Ronikier müßten außerordentlich starke Persönlichkeiten sein, wollten sie unter den<lb/> einmal obwaltenden Umständen es wagen, eine aktive deutschfreundliche Politik<lb/> zu treiben. Sollte die deutsche Regierung nicht noch Mittel in der Hand haben,<lb/> die es ihr ermöglichten, den Widerstrebenden unter den Polen die Vorteile eines<lb/> ehrlichen Zusammenfügens der polnischen mit den deutschen Interessen klarer<lb/> zu machen?</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0299]
lvas wollen die Polen?
eine neue Teilung Kongreßpolens und den endgültigen Verlust Litauens erkaufen
können (vgl. Heft 19 der „Grenzboten" d. I.).
Nun erklärt Prinz Radziwill, in der polnischen Frage sei nichts fest gemacht,
„kategorisch" stellt er fest, daß er „keine verbindlichen Gespräche geführt habe, die
auch nur Vorverhandlungen sich nähern", das Ergebnis der Zusammenkunft der
beiden Kaiser im Großen Hauptquartier lasse sich dahin zusammenfassen: „Polen
wurde die freie Entscheidung in der Frage der Besetzung des Thrones
überlassen. Es wurde anerkannt, daß die Entscheidung der polnischen
Frage ohne Teilnahme der Polen nicht erfolgen kann. Weitere
Unterhandlungen über die Regelung der polnischen Frage werden
bereits zusammen mit der Vertretung der Polen stattfinden."
Weiterhin versichert der Prinz, daß keine Rede davon sein könne, daß in
Berlin Graf Ronikier eine andere Politik treibe, wie Graf Przezdziecki in Wien,
was um so auffälliger erscheint, als Graf Ronikier als ein tatkräftiger Förderer
der deutschen Lösung gilt, während Graf Przezdziecki ein eifriger Fürsprecher der
der anhero-polnischen Lösung ist.
Der augenscheinliche Widerspruch, der in Radziwills letzter Bemerkung liegt,
wird sich aufklären, wenn es erst feststeht, welcher der beiden polnischen Gesandten
lediglich Kulisse für die Politik des andern gewesen ist. Bis dahin müssen wir
uns an die vorher geschilderten Tatsachen halten, um zu einem zutreffenden Bilde
über die Ziele der polnischen Politik zu gelangen. Will Prinz Radziwill die
Mehrheit des Staatsrath gewinnen, so wird er keine aktivistische Politik treiben
dürfen, sondern wird eine abwartende Haltung einnehmen müssen und sich darauf
beschränken, wie es ihm schon in diesem Sommer gelang, aus der Verschieden¬
artigkeit der Auffassungen in Berlin und Wien möglichst viel für seine Regierung
herauszuholen, ohne sich selbst festzulegen. Prinz Radziwill und sein Freund
Ronikier müßten außerordentlich starke Persönlichkeiten sein, wollten sie unter den
einmal obwaltenden Umständen es wagen, eine aktive deutschfreundliche Politik
zu treiben. Sollte die deutsche Regierung nicht noch Mittel in der Hand haben,
die es ihr ermöglichten, den Widerstrebenden unter den Polen die Vorteile eines
ehrlichen Zusammenfügens der polnischen mit den deutschen Interessen klarer
zu machen?
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