Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Entwertung des Geldes

im Kriege. Nur als Teil und Ausfluß der Kreditanspannung ist auch die vor¬
handene Geldmenge zu würdigen. Indem der Staat seinen Kredit anspannt und
Schulden eingeht, sei es bei der Reichsbank in Form von Wechseln, sei es bei.
den Privaten in Form von Kriegsanleihen und Schatzanweisungen, erwirbt er
immer erneut Geldsummen, sei es in Form von Banknoten oder von Bankgut¬
haben, die ihn in die Lage setzen, immer erneut die Geldanforderungen der Krieg¬
führung zu befriedigen. Diese aus der Kreditanspannung herrührende zusätzliche
Kaufkraft ist es, welche die Preise treibt, da der daraus sich ergebenden praktisch
unbegrenzten Nachfrage ein begrenztes Warenangebot gegenübersteht. Nun ist
gesagt worden, daß die Geldsummen, die der Staat durch Kriegsanleihen aus dem
Privaten Verkehr herauszieht, ja für den Privaten nicht mehr verfügbar sind, und
somit durch diese bloße Verschiebung der Gelder keine Preissteigerung eintreten
könne. Das ist aber ein Trugschluß, in dem nur ein Körnchen Wahrheit steckt.
Die Privaten tauschen doch ihren Geldbesitz um in Anleiheforderungen, und diese
Anleiheforderungen rechnen sie zu ihrem Vermögen. Das Vermögen ist aber die
Grundlage der Kaufkraft, und wenn ein Mann, der etwa nur Kriegsanleihen
besitzt, einen Warenkauf machen will, so ist bei der heutigen Bankorganisation für
ihn nichts leichter, als seine Anleihe zu verkaufen oder zu beleihen und so viel
Waren zu kaufen wie er will. Wohl ist die Tatsache, daß er Kriegsanleihe
zeichnet, ein Symptom dafür, daß er vorläufig keine größeren Ankäufe von Gütern
beabsichtigt, aber dies ist ihm doch in keiner Weise unmöglich, und außerdem kann
er mit den fortlaufenden Zinserträgen seiner Anleihen immer erneut Nachfrage
ausüben und so zur Preissteigerung beitragen. Durch seine im Kredit wurzelnde
Kaufkraft vermittelt nun weiter der Staat allen an der Kriegswirtschaft beteiligten
Schichten gesteigerte Einkommen; das Geld fließt vom Staat an die Kriegsmate¬
rialproduzenten, von diesen weiter an die Rohproduktenbesitzer, an Arbeiter und
Angestellte, und von diesen an die Lebensmittelverkäufer usw., bis es durch
tausende kleiner Kanäle wieder bei den Banken zusammenfließt und vorwiegend
mittels der Kriegsanleihen an den Staat zurückgeleitet wird. Die Erfahrung zeigt,
daß bei diesem Kreislauf des Geldes im Kriege alle Beteiligten gut verdienen
und in die Lage gesetzt werden, für ihre Bedürfnisse höhere Preise anzulegen, die
sich wellenartig auf die ganze Volkswirtschaft ausdehnen.

Nach allem ist es also ein Irrtum anzunehmen, daß man durch künstliche
Verkürzung der Geldmenge das Übel bessern könnte: entweder wären Produktions¬
krisen die Folge oder die Schaffung von Ersatzgeld (z. B. von Städten, Straßen¬
bahnen), auch die viel empfohlene Hebung des bargeldlosen Verkehrs vermag in
dieser Hinsicht nichts auszurichten. Wenn man theoretisch annähme, daß alle Um¬
sätze bargeldlos beglichen würden durch Umschreibung auf zentralen Bankkonten,
so blieben doch immer noch die preistreibenden Ursachen, wie oben geschildert,
bestehen. Auch die Aufsaugung des Geldes durch Kriegsanleihen ist wohl ein
durchaus zweckmäßiges Verfahren, vermag aber doch der Geldentwertung nicht
wirksam beizukommen, da sie das fiktive, nur in Papierforderungen an den Staat
bestehende Kapital, bestehen läßt, und also die Grundlage der Kaufkraft nicht
verengt. Als wirksamstes Mittel kann nur scharfe, direkte Besteuerung angesehen
werden, wie solche ja durch die verschiedenen Kriegssteuern in Angriff genommen
ist. Diese Besteuerung löst das fiktive Kapital wieder auf und nimmt den Privaten
einen Teil der im Kriege erworbenen zusätzlichen Kaufkraft wieder weg, leitet sie
endgültig an den Staat zurück, von dem sie ausgegangen ist. Diese Besteuerung,
die 'die Aufblähung des Wirtschaftslebens durch den Kredit (die Kreditinflation)
mildert, wirkt also einmal unmittelbar einer Tendenz weiterer Preissteigerung
entgegen und bahnt sogar für die Zukunft einen Abbau des Preisniveaus an;
zum anderen wirkt sie, wenn in Form der Kriegssteuer erfolgend, ausgleichend
gegen die im Kriege erfolgten und allseitig als unbillig empfundenen starken
Verschiebungen der Vermögenslage. .

Wenn man nun auch theoretisch der Ansicht sein könnte, daß eme völlige
Deckung der Kricgsausgaben durch Steuern von vornherein die heutige Preis-


Die Entwertung des Geldes

im Kriege. Nur als Teil und Ausfluß der Kreditanspannung ist auch die vor¬
handene Geldmenge zu würdigen. Indem der Staat seinen Kredit anspannt und
Schulden eingeht, sei es bei der Reichsbank in Form von Wechseln, sei es bei.
den Privaten in Form von Kriegsanleihen und Schatzanweisungen, erwirbt er
immer erneut Geldsummen, sei es in Form von Banknoten oder von Bankgut¬
haben, die ihn in die Lage setzen, immer erneut die Geldanforderungen der Krieg¬
führung zu befriedigen. Diese aus der Kreditanspannung herrührende zusätzliche
Kaufkraft ist es, welche die Preise treibt, da der daraus sich ergebenden praktisch
unbegrenzten Nachfrage ein begrenztes Warenangebot gegenübersteht. Nun ist
gesagt worden, daß die Geldsummen, die der Staat durch Kriegsanleihen aus dem
Privaten Verkehr herauszieht, ja für den Privaten nicht mehr verfügbar sind, und
somit durch diese bloße Verschiebung der Gelder keine Preissteigerung eintreten
könne. Das ist aber ein Trugschluß, in dem nur ein Körnchen Wahrheit steckt.
Die Privaten tauschen doch ihren Geldbesitz um in Anleiheforderungen, und diese
Anleiheforderungen rechnen sie zu ihrem Vermögen. Das Vermögen ist aber die
Grundlage der Kaufkraft, und wenn ein Mann, der etwa nur Kriegsanleihen
besitzt, einen Warenkauf machen will, so ist bei der heutigen Bankorganisation für
ihn nichts leichter, als seine Anleihe zu verkaufen oder zu beleihen und so viel
Waren zu kaufen wie er will. Wohl ist die Tatsache, daß er Kriegsanleihe
zeichnet, ein Symptom dafür, daß er vorläufig keine größeren Ankäufe von Gütern
beabsichtigt, aber dies ist ihm doch in keiner Weise unmöglich, und außerdem kann
er mit den fortlaufenden Zinserträgen seiner Anleihen immer erneut Nachfrage
ausüben und so zur Preissteigerung beitragen. Durch seine im Kredit wurzelnde
Kaufkraft vermittelt nun weiter der Staat allen an der Kriegswirtschaft beteiligten
Schichten gesteigerte Einkommen; das Geld fließt vom Staat an die Kriegsmate¬
rialproduzenten, von diesen weiter an die Rohproduktenbesitzer, an Arbeiter und
Angestellte, und von diesen an die Lebensmittelverkäufer usw., bis es durch
tausende kleiner Kanäle wieder bei den Banken zusammenfließt und vorwiegend
mittels der Kriegsanleihen an den Staat zurückgeleitet wird. Die Erfahrung zeigt,
daß bei diesem Kreislauf des Geldes im Kriege alle Beteiligten gut verdienen
und in die Lage gesetzt werden, für ihre Bedürfnisse höhere Preise anzulegen, die
sich wellenartig auf die ganze Volkswirtschaft ausdehnen.

Nach allem ist es also ein Irrtum anzunehmen, daß man durch künstliche
Verkürzung der Geldmenge das Übel bessern könnte: entweder wären Produktions¬
krisen die Folge oder die Schaffung von Ersatzgeld (z. B. von Städten, Straßen¬
bahnen), auch die viel empfohlene Hebung des bargeldlosen Verkehrs vermag in
dieser Hinsicht nichts auszurichten. Wenn man theoretisch annähme, daß alle Um¬
sätze bargeldlos beglichen würden durch Umschreibung auf zentralen Bankkonten,
so blieben doch immer noch die preistreibenden Ursachen, wie oben geschildert,
bestehen. Auch die Aufsaugung des Geldes durch Kriegsanleihen ist wohl ein
durchaus zweckmäßiges Verfahren, vermag aber doch der Geldentwertung nicht
wirksam beizukommen, da sie das fiktive, nur in Papierforderungen an den Staat
bestehende Kapital, bestehen läßt, und also die Grundlage der Kaufkraft nicht
verengt. Als wirksamstes Mittel kann nur scharfe, direkte Besteuerung angesehen
werden, wie solche ja durch die verschiedenen Kriegssteuern in Angriff genommen
ist. Diese Besteuerung löst das fiktive Kapital wieder auf und nimmt den Privaten
einen Teil der im Kriege erworbenen zusätzlichen Kaufkraft wieder weg, leitet sie
endgültig an den Staat zurück, von dem sie ausgegangen ist. Diese Besteuerung,
die 'die Aufblähung des Wirtschaftslebens durch den Kredit (die Kreditinflation)
mildert, wirkt also einmal unmittelbar einer Tendenz weiterer Preissteigerung
entgegen und bahnt sogar für die Zukunft einen Abbau des Preisniveaus an;
zum anderen wirkt sie, wenn in Form der Kriegssteuer erfolgend, ausgleichend
gegen die im Kriege erfolgten und allseitig als unbillig empfundenen starken
Verschiebungen der Vermögenslage. .

Wenn man nun auch theoretisch der Ansicht sein könnte, daß eme völlige
Deckung der Kricgsausgaben durch Steuern von vornherein die heutige Preis-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0289" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/334134"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Entwertung des Geldes</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1179" prev="#ID_1178"> im Kriege. Nur als Teil und Ausfluß der Kreditanspannung ist auch die vor¬<lb/>
handene Geldmenge zu würdigen. Indem der Staat seinen Kredit anspannt und<lb/>
Schulden eingeht, sei es bei der Reichsbank in Form von Wechseln, sei es bei.<lb/>
den Privaten in Form von Kriegsanleihen und Schatzanweisungen, erwirbt er<lb/>
immer erneut Geldsummen, sei es in Form von Banknoten oder von Bankgut¬<lb/>
haben, die ihn in die Lage setzen, immer erneut die Geldanforderungen der Krieg¬<lb/>
führung zu befriedigen. Diese aus der Kreditanspannung herrührende zusätzliche<lb/>
Kaufkraft ist es, welche die Preise treibt, da der daraus sich ergebenden praktisch<lb/>
unbegrenzten Nachfrage ein begrenztes Warenangebot gegenübersteht. Nun ist<lb/>
gesagt worden, daß die Geldsummen, die der Staat durch Kriegsanleihen aus dem<lb/>
Privaten Verkehr herauszieht, ja für den Privaten nicht mehr verfügbar sind, und<lb/>
somit durch diese bloße Verschiebung der Gelder keine Preissteigerung eintreten<lb/>
könne. Das ist aber ein Trugschluß, in dem nur ein Körnchen Wahrheit steckt.<lb/>
Die Privaten tauschen doch ihren Geldbesitz um in Anleiheforderungen, und diese<lb/>
Anleiheforderungen rechnen sie zu ihrem Vermögen. Das Vermögen ist aber die<lb/>
Grundlage der Kaufkraft, und wenn ein Mann, der etwa nur Kriegsanleihen<lb/>
besitzt, einen Warenkauf machen will, so ist bei der heutigen Bankorganisation für<lb/>
ihn nichts leichter, als seine Anleihe zu verkaufen oder zu beleihen und so viel<lb/>
Waren zu kaufen wie er will. Wohl ist die Tatsache, daß er Kriegsanleihe<lb/>
zeichnet, ein Symptom dafür, daß er vorläufig keine größeren Ankäufe von Gütern<lb/>
beabsichtigt, aber dies ist ihm doch in keiner Weise unmöglich, und außerdem kann<lb/>
er mit den fortlaufenden Zinserträgen seiner Anleihen immer erneut Nachfrage<lb/>
ausüben und so zur Preissteigerung beitragen. Durch seine im Kredit wurzelnde<lb/>
Kaufkraft vermittelt nun weiter der Staat allen an der Kriegswirtschaft beteiligten<lb/>
Schichten gesteigerte Einkommen; das Geld fließt vom Staat an die Kriegsmate¬<lb/>
rialproduzenten, von diesen weiter an die Rohproduktenbesitzer, an Arbeiter und<lb/>
Angestellte, und von diesen an die Lebensmittelverkäufer usw., bis es durch<lb/>
tausende kleiner Kanäle wieder bei den Banken zusammenfließt und vorwiegend<lb/>
mittels der Kriegsanleihen an den Staat zurückgeleitet wird. Die Erfahrung zeigt,<lb/>
daß bei diesem Kreislauf des Geldes im Kriege alle Beteiligten gut verdienen<lb/>
und in die Lage gesetzt werden, für ihre Bedürfnisse höhere Preise anzulegen, die<lb/>
sich wellenartig auf die ganze Volkswirtschaft ausdehnen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1180"> Nach allem ist es also ein Irrtum anzunehmen, daß man durch künstliche<lb/>
Verkürzung der Geldmenge das Übel bessern könnte: entweder wären Produktions¬<lb/>
krisen die Folge oder die Schaffung von Ersatzgeld (z. B. von Städten, Straßen¬<lb/>
bahnen), auch die viel empfohlene Hebung des bargeldlosen Verkehrs vermag in<lb/>
dieser Hinsicht nichts auszurichten. Wenn man theoretisch annähme, daß alle Um¬<lb/>
sätze bargeldlos beglichen würden durch Umschreibung auf zentralen Bankkonten,<lb/>
so blieben doch immer noch die preistreibenden Ursachen, wie oben geschildert,<lb/>
bestehen. Auch die Aufsaugung des Geldes durch Kriegsanleihen ist wohl ein<lb/>
durchaus zweckmäßiges Verfahren, vermag aber doch der Geldentwertung nicht<lb/>
wirksam beizukommen, da sie das fiktive, nur in Papierforderungen an den Staat<lb/>
bestehende Kapital, bestehen läßt, und also die Grundlage der Kaufkraft nicht<lb/>
verengt. Als wirksamstes Mittel kann nur scharfe, direkte Besteuerung angesehen<lb/>
werden, wie solche ja durch die verschiedenen Kriegssteuern in Angriff genommen<lb/>
ist. Diese Besteuerung löst das fiktive Kapital wieder auf und nimmt den Privaten<lb/>
einen Teil der im Kriege erworbenen zusätzlichen Kaufkraft wieder weg, leitet sie<lb/>
endgültig an den Staat zurück, von dem sie ausgegangen ist. Diese Besteuerung,<lb/>
die 'die Aufblähung des Wirtschaftslebens durch den Kredit (die Kreditinflation)<lb/>
mildert, wirkt also einmal unmittelbar einer Tendenz weiterer Preissteigerung<lb/>
entgegen und bahnt sogar für die Zukunft einen Abbau des Preisniveaus an;<lb/>
zum anderen wirkt sie, wenn in Form der Kriegssteuer erfolgend, ausgleichend<lb/>
gegen die im Kriege erfolgten und allseitig als unbillig empfundenen starken<lb/>
Verschiebungen der Vermögenslage. .</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1181" next="#ID_1182"> Wenn man nun auch theoretisch der Ansicht sein könnte, daß eme völlige<lb/>
Deckung der Kricgsausgaben durch Steuern von vornherein die heutige Preis-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0289] Die Entwertung des Geldes im Kriege. Nur als Teil und Ausfluß der Kreditanspannung ist auch die vor¬ handene Geldmenge zu würdigen. Indem der Staat seinen Kredit anspannt und Schulden eingeht, sei es bei der Reichsbank in Form von Wechseln, sei es bei. den Privaten in Form von Kriegsanleihen und Schatzanweisungen, erwirbt er immer erneut Geldsummen, sei es in Form von Banknoten oder von Bankgut¬ haben, die ihn in die Lage setzen, immer erneut die Geldanforderungen der Krieg¬ führung zu befriedigen. Diese aus der Kreditanspannung herrührende zusätzliche Kaufkraft ist es, welche die Preise treibt, da der daraus sich ergebenden praktisch unbegrenzten Nachfrage ein begrenztes Warenangebot gegenübersteht. Nun ist gesagt worden, daß die Geldsummen, die der Staat durch Kriegsanleihen aus dem Privaten Verkehr herauszieht, ja für den Privaten nicht mehr verfügbar sind, und somit durch diese bloße Verschiebung der Gelder keine Preissteigerung eintreten könne. Das ist aber ein Trugschluß, in dem nur ein Körnchen Wahrheit steckt. Die Privaten tauschen doch ihren Geldbesitz um in Anleiheforderungen, und diese Anleiheforderungen rechnen sie zu ihrem Vermögen. Das Vermögen ist aber die Grundlage der Kaufkraft, und wenn ein Mann, der etwa nur Kriegsanleihen besitzt, einen Warenkauf machen will, so ist bei der heutigen Bankorganisation für ihn nichts leichter, als seine Anleihe zu verkaufen oder zu beleihen und so viel Waren zu kaufen wie er will. Wohl ist die Tatsache, daß er Kriegsanleihe zeichnet, ein Symptom dafür, daß er vorläufig keine größeren Ankäufe von Gütern beabsichtigt, aber dies ist ihm doch in keiner Weise unmöglich, und außerdem kann er mit den fortlaufenden Zinserträgen seiner Anleihen immer erneut Nachfrage ausüben und so zur Preissteigerung beitragen. Durch seine im Kredit wurzelnde Kaufkraft vermittelt nun weiter der Staat allen an der Kriegswirtschaft beteiligten Schichten gesteigerte Einkommen; das Geld fließt vom Staat an die Kriegsmate¬ rialproduzenten, von diesen weiter an die Rohproduktenbesitzer, an Arbeiter und Angestellte, und von diesen an die Lebensmittelverkäufer usw., bis es durch tausende kleiner Kanäle wieder bei den Banken zusammenfließt und vorwiegend mittels der Kriegsanleihen an den Staat zurückgeleitet wird. Die Erfahrung zeigt, daß bei diesem Kreislauf des Geldes im Kriege alle Beteiligten gut verdienen und in die Lage gesetzt werden, für ihre Bedürfnisse höhere Preise anzulegen, die sich wellenartig auf die ganze Volkswirtschaft ausdehnen. Nach allem ist es also ein Irrtum anzunehmen, daß man durch künstliche Verkürzung der Geldmenge das Übel bessern könnte: entweder wären Produktions¬ krisen die Folge oder die Schaffung von Ersatzgeld (z. B. von Städten, Straßen¬ bahnen), auch die viel empfohlene Hebung des bargeldlosen Verkehrs vermag in dieser Hinsicht nichts auszurichten. Wenn man theoretisch annähme, daß alle Um¬ sätze bargeldlos beglichen würden durch Umschreibung auf zentralen Bankkonten, so blieben doch immer noch die preistreibenden Ursachen, wie oben geschildert, bestehen. Auch die Aufsaugung des Geldes durch Kriegsanleihen ist wohl ein durchaus zweckmäßiges Verfahren, vermag aber doch der Geldentwertung nicht wirksam beizukommen, da sie das fiktive, nur in Papierforderungen an den Staat bestehende Kapital, bestehen läßt, und also die Grundlage der Kaufkraft nicht verengt. Als wirksamstes Mittel kann nur scharfe, direkte Besteuerung angesehen werden, wie solche ja durch die verschiedenen Kriegssteuern in Angriff genommen ist. Diese Besteuerung löst das fiktive Kapital wieder auf und nimmt den Privaten einen Teil der im Kriege erworbenen zusätzlichen Kaufkraft wieder weg, leitet sie endgültig an den Staat zurück, von dem sie ausgegangen ist. Diese Besteuerung, die 'die Aufblähung des Wirtschaftslebens durch den Kredit (die Kreditinflation) mildert, wirkt also einmal unmittelbar einer Tendenz weiterer Preissteigerung entgegen und bahnt sogar für die Zukunft einen Abbau des Preisniveaus an; zum anderen wirkt sie, wenn in Form der Kriegssteuer erfolgend, ausgleichend gegen die im Kriege erfolgten und allseitig als unbillig empfundenen starken Verschiebungen der Vermögenslage. . Wenn man nun auch theoretisch der Ansicht sein könnte, daß eme völlige Deckung der Kricgsausgaben durch Steuern von vornherein die heutige Preis-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/289
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/289>, abgerufen am 29.06.2024.