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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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Wirtschaft, Horatiol

bot der Arbeiterschaft einer Fabrik Rindfleisch ohne Knochen zum Preis von
22 Mark fürs Kilogramm und Schweinefleisch-Plockwurst zu 26--29 Mark an.
Der Arbeiterausschuß lehnte dies vorteilhafte Geschäft ab und schrieb der
Jndustrieversorgung u. a. folgendes ins Stammbuch: "Wenn der Staat den
sogenannten Schleichhandel unterdrückt, könnte er uns doch die aus dem Schleich¬
handel beschlagnahmten Waren billiger liefern; denn diese Waren kosten ja dem
Staate infolge der Beschlagnahme nichts, während die Firmen früher die
Schleichhandelspreise bezahlen mußten. Wie ist es denn nur menschenmöglich,
daß jetzt die Jndustrieverforgung diese Preise verlangt!" Ist es der,freie Handel,
der hier die Waren verteuert, oder sind es die mit allerlei Gewalten aus¬
gestatteten Beauftragten des Staates? Doch solche Verteuerung wird tausend¬
fältig wieder eingebracht. Die Obrigkeit sorgt dafür, daß andere Gegenstände
des täglichen Bedarfs, zu denen nach einer Neichsgerichtsentscheidung auch
Myrrholinseife gehört, zum Schutze der Gesamtheit und zur Ermöglichung des
Durchhaltens durch übermäßigen Gewinn nicht verteuert werden. Ein
Angeklagter, der ein Stückchen dieses allgemein so unentbehrlichen Schönheits¬
mittels für 95 statt für 80 Pfenmge verkauft hatte, wurde des Kriegswuchers
schuldig befunden. Von Rechts wegen! Und wie wohltuend wirkt die von
Unverständigen foviel bespöttelte Ueberorganisation auf die Verbilligung gerade
der edelsten Lebensmittel. Die Zentralweißrübennichtkohlrübenfauerkrauther-
stellungsundvertriebsgesellschast ist vou Herzen bereit, 500 000 Pfund ihres
Erzeugnisses, beste gesunde Ware, zu verschenken, wenn man ihr nur für das
Pfund fünf Pfennige Unkosten vergütet. Ach, aber ach! Diese Schwalbe macht
keinen Sommer. Sollte solche Freigebigkeit unter dem Zwang des veralteten
und geächteten Gesetzes von Angebot und Nachfrage zustande gekommen sein?

Von den bekannt gewordenen reellen Schiebungen (im Gegensatz zu solchen
auf dem Papier) unreeller Beamter einer für die Kommunalverbände von vier
'Regierungsbezirken errichteten Einkaufsgesellschaft soll hier nicht näher die Rede
sein, und nur gesagt werden, daß einzelne Gemeindevorstände sich arglos (hin!)
auf Deckadressen einließen, nur um für ihre Pflegebefohlenen ja was Rechtes zu
erhalten. Aus dem Brief eines Angestellten der öffentlich-rechtlichen Nährungs-
mittelwirtschaft an einen Bürgernleister: "Unter Bezug auf Ihre Anfrage bei
meiner Mutter (!) gestatte ich mir -- (folgt Offerte auf Klippfische, Fischklöße,
Fischpudding, Olsardiuen, Sardinen in Brühe, kondensierte Milch, getrocknete
Preißelbeeren, Stockfische, Marmelade, Plockwurst, Mettwurst). Ich würde
Ihnen empfehlen, Ihre Auswahl zu treffen und mir persönlich die Bestellscheine
von Ihnen unterzeichnet und gestempelt an meine Adresse einzusenden. Ich
werde dann nach Möglichkeit Sorge tragen, daß Ihrer Gemeinde größere
Zuweisungen zugestanden werden." Unterschleife in großem Maßstabe waren
möglich, ohne daß die Leitung der Gesellschaft sie bemerkte.

Doch dies will nicht viel bedeuten. Schaudersame Beispiele sittlicher
Verwilderung auf Seite der Verbraucher! So das arme Weiblein, das im
Bäckerladen bescheidenen Mundrand beging und das Brotkarten-Äquivalent nicht
auf dem Tische hinterließ; es mußte die Folgen tragen. Sonst als ehrsam
geltende arme Frauen lesen von einem zum Teil schon umgepflügten Stoppelfeld
Ähren; Vergehen gegen die Neichsgetreideordnung: Aneignung von Brotkorn
ohne Abtrennung 'eines Abschnittes von der Brotkarte. Das muß gerochen
werden. Das Direktorium der Reichsgetreidestelle hat inzwischen Erwägungen
darüber eingeleitet, ob in absehbarer Zeit etwa dem Gedanken näher getreten
werden könne, Vorarbeiten in Aussicht zu nehmen zu einer Prüfung darüber,
wo, wann und wie gegebenenfalles eine althergebrachte, bei der Bevölkerung in
kirchlich-religiösen Ueberlieferungen wurzelnde Sitte zu schonen sei. Bis dahin
wird gestraft.'

Der Schweiß der Edeln lohnt sich für und für. Einträchtig zusammen¬
wirkend haben irgendwo in zehn Tagen hundert Gendarmen, Hilfsgendarmen
und Soldaten 46,5 Kilogramm gehamsterte Kirschen beschlagnahmt. Für den
Mann und den Tag 46,5 Gramm. So werden mit glänzendem Erfolg die


Wirtschaft, Horatiol

bot der Arbeiterschaft einer Fabrik Rindfleisch ohne Knochen zum Preis von
22 Mark fürs Kilogramm und Schweinefleisch-Plockwurst zu 26—29 Mark an.
Der Arbeiterausschuß lehnte dies vorteilhafte Geschäft ab und schrieb der
Jndustrieversorgung u. a. folgendes ins Stammbuch: „Wenn der Staat den
sogenannten Schleichhandel unterdrückt, könnte er uns doch die aus dem Schleich¬
handel beschlagnahmten Waren billiger liefern; denn diese Waren kosten ja dem
Staate infolge der Beschlagnahme nichts, während die Firmen früher die
Schleichhandelspreise bezahlen mußten. Wie ist es denn nur menschenmöglich,
daß jetzt die Jndustrieverforgung diese Preise verlangt!" Ist es der,freie Handel,
der hier die Waren verteuert, oder sind es die mit allerlei Gewalten aus¬
gestatteten Beauftragten des Staates? Doch solche Verteuerung wird tausend¬
fältig wieder eingebracht. Die Obrigkeit sorgt dafür, daß andere Gegenstände
des täglichen Bedarfs, zu denen nach einer Neichsgerichtsentscheidung auch
Myrrholinseife gehört, zum Schutze der Gesamtheit und zur Ermöglichung des
Durchhaltens durch übermäßigen Gewinn nicht verteuert werden. Ein
Angeklagter, der ein Stückchen dieses allgemein so unentbehrlichen Schönheits¬
mittels für 95 statt für 80 Pfenmge verkauft hatte, wurde des Kriegswuchers
schuldig befunden. Von Rechts wegen! Und wie wohltuend wirkt die von
Unverständigen foviel bespöttelte Ueberorganisation auf die Verbilligung gerade
der edelsten Lebensmittel. Die Zentralweißrübennichtkohlrübenfauerkrauther-
stellungsundvertriebsgesellschast ist vou Herzen bereit, 500 000 Pfund ihres
Erzeugnisses, beste gesunde Ware, zu verschenken, wenn man ihr nur für das
Pfund fünf Pfennige Unkosten vergütet. Ach, aber ach! Diese Schwalbe macht
keinen Sommer. Sollte solche Freigebigkeit unter dem Zwang des veralteten
und geächteten Gesetzes von Angebot und Nachfrage zustande gekommen sein?

Von den bekannt gewordenen reellen Schiebungen (im Gegensatz zu solchen
auf dem Papier) unreeller Beamter einer für die Kommunalverbände von vier
'Regierungsbezirken errichteten Einkaufsgesellschaft soll hier nicht näher die Rede
sein, und nur gesagt werden, daß einzelne Gemeindevorstände sich arglos (hin!)
auf Deckadressen einließen, nur um für ihre Pflegebefohlenen ja was Rechtes zu
erhalten. Aus dem Brief eines Angestellten der öffentlich-rechtlichen Nährungs-
mittelwirtschaft an einen Bürgernleister: „Unter Bezug auf Ihre Anfrage bei
meiner Mutter (!) gestatte ich mir — (folgt Offerte auf Klippfische, Fischklöße,
Fischpudding, Olsardiuen, Sardinen in Brühe, kondensierte Milch, getrocknete
Preißelbeeren, Stockfische, Marmelade, Plockwurst, Mettwurst). Ich würde
Ihnen empfehlen, Ihre Auswahl zu treffen und mir persönlich die Bestellscheine
von Ihnen unterzeichnet und gestempelt an meine Adresse einzusenden. Ich
werde dann nach Möglichkeit Sorge tragen, daß Ihrer Gemeinde größere
Zuweisungen zugestanden werden." Unterschleife in großem Maßstabe waren
möglich, ohne daß die Leitung der Gesellschaft sie bemerkte.

Doch dies will nicht viel bedeuten. Schaudersame Beispiele sittlicher
Verwilderung auf Seite der Verbraucher! So das arme Weiblein, das im
Bäckerladen bescheidenen Mundrand beging und das Brotkarten-Äquivalent nicht
auf dem Tische hinterließ; es mußte die Folgen tragen. Sonst als ehrsam
geltende arme Frauen lesen von einem zum Teil schon umgepflügten Stoppelfeld
Ähren; Vergehen gegen die Neichsgetreideordnung: Aneignung von Brotkorn
ohne Abtrennung 'eines Abschnittes von der Brotkarte. Das muß gerochen
werden. Das Direktorium der Reichsgetreidestelle hat inzwischen Erwägungen
darüber eingeleitet, ob in absehbarer Zeit etwa dem Gedanken näher getreten
werden könne, Vorarbeiten in Aussicht zu nehmen zu einer Prüfung darüber,
wo, wann und wie gegebenenfalles eine althergebrachte, bei der Bevölkerung in
kirchlich-religiösen Ueberlieferungen wurzelnde Sitte zu schonen sei. Bis dahin
wird gestraft.'

Der Schweiß der Edeln lohnt sich für und für. Einträchtig zusammen¬
wirkend haben irgendwo in zehn Tagen hundert Gendarmen, Hilfsgendarmen
und Soldaten 46,5 Kilogramm gehamsterte Kirschen beschlagnahmt. Für den
Mann und den Tag 46,5 Gramm. So werden mit glänzendem Erfolg die


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[0284] Wirtschaft, Horatiol bot der Arbeiterschaft einer Fabrik Rindfleisch ohne Knochen zum Preis von 22 Mark fürs Kilogramm und Schweinefleisch-Plockwurst zu 26—29 Mark an. Der Arbeiterausschuß lehnte dies vorteilhafte Geschäft ab und schrieb der Jndustrieversorgung u. a. folgendes ins Stammbuch: „Wenn der Staat den sogenannten Schleichhandel unterdrückt, könnte er uns doch die aus dem Schleich¬ handel beschlagnahmten Waren billiger liefern; denn diese Waren kosten ja dem Staate infolge der Beschlagnahme nichts, während die Firmen früher die Schleichhandelspreise bezahlen mußten. Wie ist es denn nur menschenmöglich, daß jetzt die Jndustrieverforgung diese Preise verlangt!" Ist es der,freie Handel, der hier die Waren verteuert, oder sind es die mit allerlei Gewalten aus¬ gestatteten Beauftragten des Staates? Doch solche Verteuerung wird tausend¬ fältig wieder eingebracht. Die Obrigkeit sorgt dafür, daß andere Gegenstände des täglichen Bedarfs, zu denen nach einer Neichsgerichtsentscheidung auch Myrrholinseife gehört, zum Schutze der Gesamtheit und zur Ermöglichung des Durchhaltens durch übermäßigen Gewinn nicht verteuert werden. Ein Angeklagter, der ein Stückchen dieses allgemein so unentbehrlichen Schönheits¬ mittels für 95 statt für 80 Pfenmge verkauft hatte, wurde des Kriegswuchers schuldig befunden. Von Rechts wegen! Und wie wohltuend wirkt die von Unverständigen foviel bespöttelte Ueberorganisation auf die Verbilligung gerade der edelsten Lebensmittel. Die Zentralweißrübennichtkohlrübenfauerkrauther- stellungsundvertriebsgesellschast ist vou Herzen bereit, 500 000 Pfund ihres Erzeugnisses, beste gesunde Ware, zu verschenken, wenn man ihr nur für das Pfund fünf Pfennige Unkosten vergütet. Ach, aber ach! Diese Schwalbe macht keinen Sommer. Sollte solche Freigebigkeit unter dem Zwang des veralteten und geächteten Gesetzes von Angebot und Nachfrage zustande gekommen sein? Von den bekannt gewordenen reellen Schiebungen (im Gegensatz zu solchen auf dem Papier) unreeller Beamter einer für die Kommunalverbände von vier 'Regierungsbezirken errichteten Einkaufsgesellschaft soll hier nicht näher die Rede sein, und nur gesagt werden, daß einzelne Gemeindevorstände sich arglos (hin!) auf Deckadressen einließen, nur um für ihre Pflegebefohlenen ja was Rechtes zu erhalten. Aus dem Brief eines Angestellten der öffentlich-rechtlichen Nährungs- mittelwirtschaft an einen Bürgernleister: „Unter Bezug auf Ihre Anfrage bei meiner Mutter (!) gestatte ich mir — (folgt Offerte auf Klippfische, Fischklöße, Fischpudding, Olsardiuen, Sardinen in Brühe, kondensierte Milch, getrocknete Preißelbeeren, Stockfische, Marmelade, Plockwurst, Mettwurst). Ich würde Ihnen empfehlen, Ihre Auswahl zu treffen und mir persönlich die Bestellscheine von Ihnen unterzeichnet und gestempelt an meine Adresse einzusenden. Ich werde dann nach Möglichkeit Sorge tragen, daß Ihrer Gemeinde größere Zuweisungen zugestanden werden." Unterschleife in großem Maßstabe waren möglich, ohne daß die Leitung der Gesellschaft sie bemerkte. Doch dies will nicht viel bedeuten. Schaudersame Beispiele sittlicher Verwilderung auf Seite der Verbraucher! So das arme Weiblein, das im Bäckerladen bescheidenen Mundrand beging und das Brotkarten-Äquivalent nicht auf dem Tische hinterließ; es mußte die Folgen tragen. Sonst als ehrsam geltende arme Frauen lesen von einem zum Teil schon umgepflügten Stoppelfeld Ähren; Vergehen gegen die Neichsgetreideordnung: Aneignung von Brotkorn ohne Abtrennung 'eines Abschnittes von der Brotkarte. Das muß gerochen werden. Das Direktorium der Reichsgetreidestelle hat inzwischen Erwägungen darüber eingeleitet, ob in absehbarer Zeit etwa dem Gedanken näher getreten werden könne, Vorarbeiten in Aussicht zu nehmen zu einer Prüfung darüber, wo, wann und wie gegebenenfalles eine althergebrachte, bei der Bevölkerung in kirchlich-religiösen Ueberlieferungen wurzelnde Sitte zu schonen sei. Bis dahin wird gestraft.' Der Schweiß der Edeln lohnt sich für und für. Einträchtig zusammen¬ wirkend haben irgendwo in zehn Tagen hundert Gendarmen, Hilfsgendarmen und Soldaten 46,5 Kilogramm gehamsterte Kirschen beschlagnahmt. Für den Mann und den Tag 46,5 Gramm. So werden mit glänzendem Erfolg die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/284>, abgerufen am 22.07.2024.