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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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Wirtschaft, Homtiol

Der leidige Schleichhandel! Der Unterstaatssekretär im KriegsernährungS-
cunt Dr. Müller war vor einiger Zeit so lieb zu sagen, der Schleichhandel habe
insofern seine Aufgabe erfüllt, als er einen großen Teil der Bevölkerung gut
über den Winter hinweggebracht habe. Da ein ungeschriebenes Gesetz besagt,
daß ein jedes wahre und offene Wort mit der Dementierspritze bearbeitet werden
müsse, damit es zu einem feuchte" Brei werde, so berichtigte Müller dahin, er
habe nur eine Tatsache feststellen, keineswegs aber den Schleichhandel billigen
oder gar ihm ein Verdienst zuerkennen wollen. Na ja! Als Bismarck einmal
einem Abgeordneten unangenehme Dinge gesagt hatte, meinte er nachher ver¬
söhnlich, er habe den Herrn durchaus nicht beleidigen, sondern nur einer Über¬
zeugung Ausdruck geben wollen. Was Bismarck recht war, ist Müllern billig.
Wir wissen, wie's gemeint war.

Und schlimm springt des Kriegsernährungsamtes Herr Staatssekretär
mit der zahmeren Schwester des Schleichhandels, der Schleichversorgung um.
Keine Duldung für sie, sagt er, denn sie wirkt vergiftend auf die Moral und die
kriegswirtschaftliche Pflichttreue der Erzeuger. "Wer schleicht hinter mir?" Die
jetzige geringe Fettvation ist, so fährt er fort, zum guten Teil dadurch bedingt,
daß die Schleichversorgung dem Erzeuger Butterpreise bezahlt, gegen die ihm die
amtlich festgesetzten Höchstpreise überaus niedrig und unbillig erscheinen müssen.'

Wie wahr! Besonders wenn wir z. B. sehen, wie eine Amts-
hauptmcinnschaft für die Moral und kriegswirtschaftliche Pflichttreue der deutschen
Erzeuger sich heiß bemüht, indem sie polnische Butter, die "zum Brotaufstrich
meist wenig geeignet" ist, zum Preise von L6 Mark fürs Kilogramm anbietet.
Der beschränkte Untertanenverstand könnte nun allerdings fragen: wie darf eine
Behörde, die jede Höchstpreisüberschreitung von Amts wegen zu verfolgen hat,
minderwertige Auslandsbutter zu Wucherpreisen, zum vierfachen des Höchst¬
preises für inländische gute Butter kaufen und verkaufen? Zwingt sie hierdurch
dem deutschen Buttererzeuger die sehr verkehrte Ansicht, daß die inländischen
Höchstpreise überaus niedrig und unbillig billig seien, nicht geradezu auf?

Nein doch, geliebter Erzeuger und Verbraucher! "Du mußt verstehn: aus
Eins mach Zehn!" Dies gilt fürs Ausland. Die Einfuhr teuerer polnischer
Butter verletzt deutsche Rechtsgüter nicht. Denn die allgemeine Ration wird
durch solche Käufe nicht verringert.

Ja so! -- Wie ist es nun aber mit jenem Rinderfett, das ein Mann aus
Holland einführte und an einen deutschen Bürger verkaufte? Strafkammer und
Reichsgericht verurteilten den Käufer des nicht von einem deutschen Ochsen
stammenden Fettes, das niemanden entzogen war. ?lat sustiti^ -- Tut nichts,
der Jude wird verbrannt. Beispiel und Gegenbeispiel! ynick liest, ssovi --

Wie mit der Butter, so mit dem Zucker! Dem deutschen Zuckerfachhandel
war ukrainischer Zucker zu 170 Mark für den Zentner angeboten. Die Z.E G.
dagegen zahlte den unverschämten Wucherpreis von 270 Mark, sparte dabei
allerdings ihrer Selbstherrlichkeit die Befragung von Vertretern des deutschen
Zuckergroßhandels. Und während man deutschen Zucker zum Preise von
90--96 Pfennigen fürs Kilogramm meent, wird ukrainischer Zucker zum Preis
von 6,50 Mark an die Zuckerwarenfabriken abgegeben. In Deutschland hält
man die Erzeugerpreise niedrig, nach dem Ausland zahlt man, was begehrt wird,
und mehr. Das Geld geht aus dem Land. Zum Schutze der Valuta vermutlich!
HrwusqoE es,n6vin -- Zum Teufel, Büchmann, hör auf!

Um dem vierdimensionalen Schleichhandel ein Ende zu macheu, mit dem
die Schwerindustrie notgedrungen ihre Arbeiterschaft versah, wurde die
,,Judustrieversorgung" begründet. Vorbedingung für die Belieferung aus diesem
Institut ist die eidesstattliche Versicherung, daß das Werk vorher Lebensmittel
für die Arbeiter durch Schleichhandel beschafft habe. Die Nichtgesetzverletzer gehen
leer aus. Eine staatliche Prämie auf Gesetzesübertretungen! Die Industrie-
Versorgung beschafft die Zusatzmengen an Nahrungsmitteln zu Verbraucher¬
preisen. Sie beansprucht demnach für sich den ganzen Großhandels- und Klein¬
handelsnutzen. Und verschiebt die Waren doch lediglich auf dem Papier. Sie


Wirtschaft, Homtiol

Der leidige Schleichhandel! Der Unterstaatssekretär im KriegsernährungS-
cunt Dr. Müller war vor einiger Zeit so lieb zu sagen, der Schleichhandel habe
insofern seine Aufgabe erfüllt, als er einen großen Teil der Bevölkerung gut
über den Winter hinweggebracht habe. Da ein ungeschriebenes Gesetz besagt,
daß ein jedes wahre und offene Wort mit der Dementierspritze bearbeitet werden
müsse, damit es zu einem feuchte» Brei werde, so berichtigte Müller dahin, er
habe nur eine Tatsache feststellen, keineswegs aber den Schleichhandel billigen
oder gar ihm ein Verdienst zuerkennen wollen. Na ja! Als Bismarck einmal
einem Abgeordneten unangenehme Dinge gesagt hatte, meinte er nachher ver¬
söhnlich, er habe den Herrn durchaus nicht beleidigen, sondern nur einer Über¬
zeugung Ausdruck geben wollen. Was Bismarck recht war, ist Müllern billig.
Wir wissen, wie's gemeint war.

Und schlimm springt des Kriegsernährungsamtes Herr Staatssekretär
mit der zahmeren Schwester des Schleichhandels, der Schleichversorgung um.
Keine Duldung für sie, sagt er, denn sie wirkt vergiftend auf die Moral und die
kriegswirtschaftliche Pflichttreue der Erzeuger. „Wer schleicht hinter mir?" Die
jetzige geringe Fettvation ist, so fährt er fort, zum guten Teil dadurch bedingt,
daß die Schleichversorgung dem Erzeuger Butterpreise bezahlt, gegen die ihm die
amtlich festgesetzten Höchstpreise überaus niedrig und unbillig erscheinen müssen.'

Wie wahr! Besonders wenn wir z. B. sehen, wie eine Amts-
hauptmcinnschaft für die Moral und kriegswirtschaftliche Pflichttreue der deutschen
Erzeuger sich heiß bemüht, indem sie polnische Butter, die „zum Brotaufstrich
meist wenig geeignet" ist, zum Preise von L6 Mark fürs Kilogramm anbietet.
Der beschränkte Untertanenverstand könnte nun allerdings fragen: wie darf eine
Behörde, die jede Höchstpreisüberschreitung von Amts wegen zu verfolgen hat,
minderwertige Auslandsbutter zu Wucherpreisen, zum vierfachen des Höchst¬
preises für inländische gute Butter kaufen und verkaufen? Zwingt sie hierdurch
dem deutschen Buttererzeuger die sehr verkehrte Ansicht, daß die inländischen
Höchstpreise überaus niedrig und unbillig billig seien, nicht geradezu auf?

Nein doch, geliebter Erzeuger und Verbraucher! „Du mußt verstehn: aus
Eins mach Zehn!" Dies gilt fürs Ausland. Die Einfuhr teuerer polnischer
Butter verletzt deutsche Rechtsgüter nicht. Denn die allgemeine Ration wird
durch solche Käufe nicht verringert.

Ja so! — Wie ist es nun aber mit jenem Rinderfett, das ein Mann aus
Holland einführte und an einen deutschen Bürger verkaufte? Strafkammer und
Reichsgericht verurteilten den Käufer des nicht von einem deutschen Ochsen
stammenden Fettes, das niemanden entzogen war. ?lat sustiti^ — Tut nichts,
der Jude wird verbrannt. Beispiel und Gegenbeispiel! ynick liest, ssovi —

Wie mit der Butter, so mit dem Zucker! Dem deutschen Zuckerfachhandel
war ukrainischer Zucker zu 170 Mark für den Zentner angeboten. Die Z.E G.
dagegen zahlte den unverschämten Wucherpreis von 270 Mark, sparte dabei
allerdings ihrer Selbstherrlichkeit die Befragung von Vertretern des deutschen
Zuckergroßhandels. Und während man deutschen Zucker zum Preise von
90—96 Pfennigen fürs Kilogramm meent, wird ukrainischer Zucker zum Preis
von 6,50 Mark an die Zuckerwarenfabriken abgegeben. In Deutschland hält
man die Erzeugerpreise niedrig, nach dem Ausland zahlt man, was begehrt wird,
und mehr. Das Geld geht aus dem Land. Zum Schutze der Valuta vermutlich!
HrwusqoE es,n6vin — Zum Teufel, Büchmann, hör auf!

Um dem vierdimensionalen Schleichhandel ein Ende zu macheu, mit dem
die Schwerindustrie notgedrungen ihre Arbeiterschaft versah, wurde die
,,Judustrieversorgung" begründet. Vorbedingung für die Belieferung aus diesem
Institut ist die eidesstattliche Versicherung, daß das Werk vorher Lebensmittel
für die Arbeiter durch Schleichhandel beschafft habe. Die Nichtgesetzverletzer gehen
leer aus. Eine staatliche Prämie auf Gesetzesübertretungen! Die Industrie-
Versorgung beschafft die Zusatzmengen an Nahrungsmitteln zu Verbraucher¬
preisen. Sie beansprucht demnach für sich den ganzen Großhandels- und Klein¬
handelsnutzen. Und verschiebt die Waren doch lediglich auf dem Papier. Sie


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[0283] Wirtschaft, Homtiol Der leidige Schleichhandel! Der Unterstaatssekretär im KriegsernährungS- cunt Dr. Müller war vor einiger Zeit so lieb zu sagen, der Schleichhandel habe insofern seine Aufgabe erfüllt, als er einen großen Teil der Bevölkerung gut über den Winter hinweggebracht habe. Da ein ungeschriebenes Gesetz besagt, daß ein jedes wahre und offene Wort mit der Dementierspritze bearbeitet werden müsse, damit es zu einem feuchte» Brei werde, so berichtigte Müller dahin, er habe nur eine Tatsache feststellen, keineswegs aber den Schleichhandel billigen oder gar ihm ein Verdienst zuerkennen wollen. Na ja! Als Bismarck einmal einem Abgeordneten unangenehme Dinge gesagt hatte, meinte er nachher ver¬ söhnlich, er habe den Herrn durchaus nicht beleidigen, sondern nur einer Über¬ zeugung Ausdruck geben wollen. Was Bismarck recht war, ist Müllern billig. Wir wissen, wie's gemeint war. Und schlimm springt des Kriegsernährungsamtes Herr Staatssekretär mit der zahmeren Schwester des Schleichhandels, der Schleichversorgung um. Keine Duldung für sie, sagt er, denn sie wirkt vergiftend auf die Moral und die kriegswirtschaftliche Pflichttreue der Erzeuger. „Wer schleicht hinter mir?" Die jetzige geringe Fettvation ist, so fährt er fort, zum guten Teil dadurch bedingt, daß die Schleichversorgung dem Erzeuger Butterpreise bezahlt, gegen die ihm die amtlich festgesetzten Höchstpreise überaus niedrig und unbillig erscheinen müssen.' Wie wahr! Besonders wenn wir z. B. sehen, wie eine Amts- hauptmcinnschaft für die Moral und kriegswirtschaftliche Pflichttreue der deutschen Erzeuger sich heiß bemüht, indem sie polnische Butter, die „zum Brotaufstrich meist wenig geeignet" ist, zum Preise von L6 Mark fürs Kilogramm anbietet. Der beschränkte Untertanenverstand könnte nun allerdings fragen: wie darf eine Behörde, die jede Höchstpreisüberschreitung von Amts wegen zu verfolgen hat, minderwertige Auslandsbutter zu Wucherpreisen, zum vierfachen des Höchst¬ preises für inländische gute Butter kaufen und verkaufen? Zwingt sie hierdurch dem deutschen Buttererzeuger die sehr verkehrte Ansicht, daß die inländischen Höchstpreise überaus niedrig und unbillig billig seien, nicht geradezu auf? Nein doch, geliebter Erzeuger und Verbraucher! „Du mußt verstehn: aus Eins mach Zehn!" Dies gilt fürs Ausland. Die Einfuhr teuerer polnischer Butter verletzt deutsche Rechtsgüter nicht. Denn die allgemeine Ration wird durch solche Käufe nicht verringert. Ja so! — Wie ist es nun aber mit jenem Rinderfett, das ein Mann aus Holland einführte und an einen deutschen Bürger verkaufte? Strafkammer und Reichsgericht verurteilten den Käufer des nicht von einem deutschen Ochsen stammenden Fettes, das niemanden entzogen war. ?lat sustiti^ — Tut nichts, der Jude wird verbrannt. Beispiel und Gegenbeispiel! ynick liest, ssovi — Wie mit der Butter, so mit dem Zucker! Dem deutschen Zuckerfachhandel war ukrainischer Zucker zu 170 Mark für den Zentner angeboten. Die Z.E G. dagegen zahlte den unverschämten Wucherpreis von 270 Mark, sparte dabei allerdings ihrer Selbstherrlichkeit die Befragung von Vertretern des deutschen Zuckergroßhandels. Und während man deutschen Zucker zum Preise von 90—96 Pfennigen fürs Kilogramm meent, wird ukrainischer Zucker zum Preis von 6,50 Mark an die Zuckerwarenfabriken abgegeben. In Deutschland hält man die Erzeugerpreise niedrig, nach dem Ausland zahlt man, was begehrt wird, und mehr. Das Geld geht aus dem Land. Zum Schutze der Valuta vermutlich! HrwusqoE es,n6vin — Zum Teufel, Büchmann, hör auf! Um dem vierdimensionalen Schleichhandel ein Ende zu macheu, mit dem die Schwerindustrie notgedrungen ihre Arbeiterschaft versah, wurde die ,,Judustrieversorgung" begründet. Vorbedingung für die Belieferung aus diesem Institut ist die eidesstattliche Versicherung, daß das Werk vorher Lebensmittel für die Arbeiter durch Schleichhandel beschafft habe. Die Nichtgesetzverletzer gehen leer aus. Eine staatliche Prämie auf Gesetzesübertretungen! Die Industrie- Versorgung beschafft die Zusatzmengen an Nahrungsmitteln zu Verbraucher¬ preisen. Sie beansprucht demnach für sich den ganzen Großhandels- und Klein¬ handelsnutzen. Und verschiebt die Waren doch lediglich auf dem Papier. Sie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/283>, abgerufen am 22.07.2024.