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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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weshalb brauchen wir ein Reichsgesetz über Jugendämter?

gewachsen. Der Fehler liegt letzten Endes nicht an den einzelnen Beamten, son¬
dern an dem falschen Aufbau der Schutzeinrichtung der Armenpflege. Hier sind
die Voraussetzungen für ein Eingreifen des Gesetzes durchaus gegeben. Deshalb
kann auch nur das Gesetz wirtlich helfen, denn jeder Versuch, die einzelnen
Menschen zu bessern, müßte scheitern, weil sie immer durch unglückliche Einflüsse
in den kleinen Verwaltungen, durch den Zusammenstoß verschiedener Pflichten,
durch die Rücksicht auf die finanzielle Lage ihrer Gemeinden von einer durch¬
greifenden Erfüllung ihrer Aufgaben in der Kinderfürforge abgehalten würden.
Dies niag genug jene inneren Fehler der Verwaltung beleuchten.

Weiter sind eine Menge schutzbedürftiger Kinder bei fremden Familien als
Halte- und Kostkinder untergebracht. Ihre große Sterblichkeit, ihr schlechtes Ge¬
deihen in jeder Hinsicht hat seit langem neben privater Hilfe ein Eingreifen öffent¬
licher Behörden für sie hervorgerufen. Bedauerliche Geschichten über Engel-
macherei und Mißhandlungen ebenso wie die betrüblichen Mitteilungen über die
Sterblichkeit dieser Kinder erregen immer wieder die Öffentlichkeit. Seit über
50 Jahren wird vor allem durch die Polizeiaufsicht über das Kostkiuderwesen
Besserung zu schaffen versucht. Alle Kinder, die gegen Entgelt bei fremden Leuten
untergebracht sind, werden in den deutschen Staaten teils durch Landesgesetz, teils
durch Polizeiverordnungen einer besonderen Aufsicht unterworfen; wurde diese
früher entweder durch die unteren Hilfskräfte der Polizei oder durch freiwillige
Vereine bewirkt, so wird sie neuerdings seit der bahnbrechenden Tätigkeit des
Geheimrat Taube in Leipzig unter der Aufsicht erfahrener Arzte durch geschulte
und besoldete Pflegerinnen ausgeübt. Sie ist also ohne Zweifel im letzten
Menschenalter bedeutend besser geworden.

Trotzdem Haben alle diese Bemühungen keine durchschlagenden Erfolge ge¬
habt. Sie konnten sie in diesem Rahmen auch nicht haben. Seit den gründlichen
Forschungen eines Neumann und Spann wissen wir auch den Grund dafür. Jene
Kostkinder sind nur ein kleiner Ausschnitt aus einer großen Menge Kinder, die
gleich schutzbedürftig und gefährdet sind wie jene. Sie bilden etwa den dritten
Teil der unehelichen Kinder, Deren schlimmes Los ist eS, das sich überall in der
ungünstigen Lage der Haltekinder widerspiegelt.

Die Haltekinder werden der Aussicht, gerade von solchen Elementen, die sie
zu scheuen haben, nur zu leicht entzogen, indem das Kind in unentgeltliche Pflege
kommt, indem es bei Verwandten der Mutter untergebracht wird. So wandern
die Kinder hin und her, und eine gleichmäßige Aussicht tritt gerade bei den ge¬
fährdeten, die sie am nötigsten hätten, nur teilweise und vorübergehend ein. So kann
die Polizeiliche Aufsicht nur einen Teil der Schutzbedürftigeu und auch diesen nicht
dauernd und regelmäßig betreuen.

Dazu kommt, daß diese Kinder mehr noch als unter schlechter Verpflegung
unter demi häufigen Wechsel der Pflegeeltern leiden. Das Haltekind muß oft aber
eine gute Pflegestelle nur deshalb verlassen, weil die Mittel nicht da sind, um daS
Pflegegeld zu bezahlen. So viele Pflegemutter auch unentgeltlich oder gegen nur
geringes Entgelt die Kinder behalte", die R^gel kann das doch nicht sein. Teil¬
weise kann man diese Gelder beschaffen, indem man die unehelichen Väter heran¬
zieht: eine Aufgabe, die über den Wirkungskreis der Kostkinderaufficht weit hin¬
ausgeht. Geht dies aber nicht, fo müssen öffentliche Mittel gewonnen werden.
Die Armenbehörden sind verpflichtet, sie zu gewähren. Welche Mängel diese
Armenpflege hat, wurde bereits erwähnt; gegenüber den unehelichen Kindern
treten sie besonders hervor. Doch auch wo die Armenpflege, wie in vielen unserer
Städte, sich jenen Aufgaben gewachsen zeigt, da muß doch diese neue Behörde erst
auf das Kind aufmerksam gemacht werden und muß zunächst ihre eigenen Fest¬
stellungen und Erhebungen machen. Die polizeiliche Aufsicht hat also gar nicht
genügend Befugnisse, um wirksam für ihre Schützlinge sorgen zu können. Dazu
müssen wieder andere Behörden herangezogen werden. Die Zeitverluste allem, die
damit verbunden sind, wurden manchem Schutzbefohlenen,Kinde schon verhängnisvoll.

So haben wir hier wieder Mängel in den öffentlichen Einrichtungen. Diese
Mängel können nicht dadurch behoben werden, daß der einzelne Beamte und die


weshalb brauchen wir ein Reichsgesetz über Jugendämter?

gewachsen. Der Fehler liegt letzten Endes nicht an den einzelnen Beamten, son¬
dern an dem falschen Aufbau der Schutzeinrichtung der Armenpflege. Hier sind
die Voraussetzungen für ein Eingreifen des Gesetzes durchaus gegeben. Deshalb
kann auch nur das Gesetz wirtlich helfen, denn jeder Versuch, die einzelnen
Menschen zu bessern, müßte scheitern, weil sie immer durch unglückliche Einflüsse
in den kleinen Verwaltungen, durch den Zusammenstoß verschiedener Pflichten,
durch die Rücksicht auf die finanzielle Lage ihrer Gemeinden von einer durch¬
greifenden Erfüllung ihrer Aufgaben in der Kinderfürforge abgehalten würden.
Dies niag genug jene inneren Fehler der Verwaltung beleuchten.

Weiter sind eine Menge schutzbedürftiger Kinder bei fremden Familien als
Halte- und Kostkinder untergebracht. Ihre große Sterblichkeit, ihr schlechtes Ge¬
deihen in jeder Hinsicht hat seit langem neben privater Hilfe ein Eingreifen öffent¬
licher Behörden für sie hervorgerufen. Bedauerliche Geschichten über Engel-
macherei und Mißhandlungen ebenso wie die betrüblichen Mitteilungen über die
Sterblichkeit dieser Kinder erregen immer wieder die Öffentlichkeit. Seit über
50 Jahren wird vor allem durch die Polizeiaufsicht über das Kostkiuderwesen
Besserung zu schaffen versucht. Alle Kinder, die gegen Entgelt bei fremden Leuten
untergebracht sind, werden in den deutschen Staaten teils durch Landesgesetz, teils
durch Polizeiverordnungen einer besonderen Aufsicht unterworfen; wurde diese
früher entweder durch die unteren Hilfskräfte der Polizei oder durch freiwillige
Vereine bewirkt, so wird sie neuerdings seit der bahnbrechenden Tätigkeit des
Geheimrat Taube in Leipzig unter der Aufsicht erfahrener Arzte durch geschulte
und besoldete Pflegerinnen ausgeübt. Sie ist also ohne Zweifel im letzten
Menschenalter bedeutend besser geworden.

Trotzdem Haben alle diese Bemühungen keine durchschlagenden Erfolge ge¬
habt. Sie konnten sie in diesem Rahmen auch nicht haben. Seit den gründlichen
Forschungen eines Neumann und Spann wissen wir auch den Grund dafür. Jene
Kostkinder sind nur ein kleiner Ausschnitt aus einer großen Menge Kinder, die
gleich schutzbedürftig und gefährdet sind wie jene. Sie bilden etwa den dritten
Teil der unehelichen Kinder, Deren schlimmes Los ist eS, das sich überall in der
ungünstigen Lage der Haltekinder widerspiegelt.

Die Haltekinder werden der Aussicht, gerade von solchen Elementen, die sie
zu scheuen haben, nur zu leicht entzogen, indem das Kind in unentgeltliche Pflege
kommt, indem es bei Verwandten der Mutter untergebracht wird. So wandern
die Kinder hin und her, und eine gleichmäßige Aussicht tritt gerade bei den ge¬
fährdeten, die sie am nötigsten hätten, nur teilweise und vorübergehend ein. So kann
die Polizeiliche Aufsicht nur einen Teil der Schutzbedürftigeu und auch diesen nicht
dauernd und regelmäßig betreuen.

Dazu kommt, daß diese Kinder mehr noch als unter schlechter Verpflegung
unter demi häufigen Wechsel der Pflegeeltern leiden. Das Haltekind muß oft aber
eine gute Pflegestelle nur deshalb verlassen, weil die Mittel nicht da sind, um daS
Pflegegeld zu bezahlen. So viele Pflegemutter auch unentgeltlich oder gegen nur
geringes Entgelt die Kinder behalte», die R^gel kann das doch nicht sein. Teil¬
weise kann man diese Gelder beschaffen, indem man die unehelichen Väter heran¬
zieht: eine Aufgabe, die über den Wirkungskreis der Kostkinderaufficht weit hin¬
ausgeht. Geht dies aber nicht, fo müssen öffentliche Mittel gewonnen werden.
Die Armenbehörden sind verpflichtet, sie zu gewähren. Welche Mängel diese
Armenpflege hat, wurde bereits erwähnt; gegenüber den unehelichen Kindern
treten sie besonders hervor. Doch auch wo die Armenpflege, wie in vielen unserer
Städte, sich jenen Aufgaben gewachsen zeigt, da muß doch diese neue Behörde erst
auf das Kind aufmerksam gemacht werden und muß zunächst ihre eigenen Fest¬
stellungen und Erhebungen machen. Die polizeiliche Aufsicht hat also gar nicht
genügend Befugnisse, um wirksam für ihre Schützlinge sorgen zu können. Dazu
müssen wieder andere Behörden herangezogen werden. Die Zeitverluste allem, die
damit verbunden sind, wurden manchem Schutzbefohlenen,Kinde schon verhängnisvoll.

So haben wir hier wieder Mängel in den öffentlichen Einrichtungen. Diese
Mängel können nicht dadurch behoben werden, daß der einzelne Beamte und die


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[0262] weshalb brauchen wir ein Reichsgesetz über Jugendämter? gewachsen. Der Fehler liegt letzten Endes nicht an den einzelnen Beamten, son¬ dern an dem falschen Aufbau der Schutzeinrichtung der Armenpflege. Hier sind die Voraussetzungen für ein Eingreifen des Gesetzes durchaus gegeben. Deshalb kann auch nur das Gesetz wirtlich helfen, denn jeder Versuch, die einzelnen Menschen zu bessern, müßte scheitern, weil sie immer durch unglückliche Einflüsse in den kleinen Verwaltungen, durch den Zusammenstoß verschiedener Pflichten, durch die Rücksicht auf die finanzielle Lage ihrer Gemeinden von einer durch¬ greifenden Erfüllung ihrer Aufgaben in der Kinderfürforge abgehalten würden. Dies niag genug jene inneren Fehler der Verwaltung beleuchten. Weiter sind eine Menge schutzbedürftiger Kinder bei fremden Familien als Halte- und Kostkinder untergebracht. Ihre große Sterblichkeit, ihr schlechtes Ge¬ deihen in jeder Hinsicht hat seit langem neben privater Hilfe ein Eingreifen öffent¬ licher Behörden für sie hervorgerufen. Bedauerliche Geschichten über Engel- macherei und Mißhandlungen ebenso wie die betrüblichen Mitteilungen über die Sterblichkeit dieser Kinder erregen immer wieder die Öffentlichkeit. Seit über 50 Jahren wird vor allem durch die Polizeiaufsicht über das Kostkiuderwesen Besserung zu schaffen versucht. Alle Kinder, die gegen Entgelt bei fremden Leuten untergebracht sind, werden in den deutschen Staaten teils durch Landesgesetz, teils durch Polizeiverordnungen einer besonderen Aufsicht unterworfen; wurde diese früher entweder durch die unteren Hilfskräfte der Polizei oder durch freiwillige Vereine bewirkt, so wird sie neuerdings seit der bahnbrechenden Tätigkeit des Geheimrat Taube in Leipzig unter der Aufsicht erfahrener Arzte durch geschulte und besoldete Pflegerinnen ausgeübt. Sie ist also ohne Zweifel im letzten Menschenalter bedeutend besser geworden. Trotzdem Haben alle diese Bemühungen keine durchschlagenden Erfolge ge¬ habt. Sie konnten sie in diesem Rahmen auch nicht haben. Seit den gründlichen Forschungen eines Neumann und Spann wissen wir auch den Grund dafür. Jene Kostkinder sind nur ein kleiner Ausschnitt aus einer großen Menge Kinder, die gleich schutzbedürftig und gefährdet sind wie jene. Sie bilden etwa den dritten Teil der unehelichen Kinder, Deren schlimmes Los ist eS, das sich überall in der ungünstigen Lage der Haltekinder widerspiegelt. Die Haltekinder werden der Aussicht, gerade von solchen Elementen, die sie zu scheuen haben, nur zu leicht entzogen, indem das Kind in unentgeltliche Pflege kommt, indem es bei Verwandten der Mutter untergebracht wird. So wandern die Kinder hin und her, und eine gleichmäßige Aussicht tritt gerade bei den ge¬ fährdeten, die sie am nötigsten hätten, nur teilweise und vorübergehend ein. So kann die Polizeiliche Aufsicht nur einen Teil der Schutzbedürftigeu und auch diesen nicht dauernd und regelmäßig betreuen. Dazu kommt, daß diese Kinder mehr noch als unter schlechter Verpflegung unter demi häufigen Wechsel der Pflegeeltern leiden. Das Haltekind muß oft aber eine gute Pflegestelle nur deshalb verlassen, weil die Mittel nicht da sind, um daS Pflegegeld zu bezahlen. So viele Pflegemutter auch unentgeltlich oder gegen nur geringes Entgelt die Kinder behalte», die R^gel kann das doch nicht sein. Teil¬ weise kann man diese Gelder beschaffen, indem man die unehelichen Väter heran¬ zieht: eine Aufgabe, die über den Wirkungskreis der Kostkinderaufficht weit hin¬ ausgeht. Geht dies aber nicht, fo müssen öffentliche Mittel gewonnen werden. Die Armenbehörden sind verpflichtet, sie zu gewähren. Welche Mängel diese Armenpflege hat, wurde bereits erwähnt; gegenüber den unehelichen Kindern treten sie besonders hervor. Doch auch wo die Armenpflege, wie in vielen unserer Städte, sich jenen Aufgaben gewachsen zeigt, da muß doch diese neue Behörde erst auf das Kind aufmerksam gemacht werden und muß zunächst ihre eigenen Fest¬ stellungen und Erhebungen machen. Die polizeiliche Aufsicht hat also gar nicht genügend Befugnisse, um wirksam für ihre Schützlinge sorgen zu können. Dazu müssen wieder andere Behörden herangezogen werden. Die Zeitverluste allem, die damit verbunden sind, wurden manchem Schutzbefohlenen,Kinde schon verhängnisvoll. So haben wir hier wieder Mängel in den öffentlichen Einrichtungen. Diese Mängel können nicht dadurch behoben werden, daß der einzelne Beamte und die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/262>, abgerufen am 22.07.2024.