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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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Lin Blick auf Finnland

vierhundert Jahre nach dem ersten Auftreten des Protestantismus Schweden und
Finnland vor einer Weltkrise stehen, die trotz hundertjähriger politischer Trennung
deutlich geoffenbart hat, warum die russische Revolution, als sie bei ihrem Aus¬
brechen Finnland ein Paradies mit dem Frühlingshauche einer "neuen" russischen
Kultur darbot, das finnische Volk dennoch nicht zu einer Annäherung an seinen
Nachbarn im Osten verlocken konnte. sechshundert Jahre gemeinsamen Lebens
mit Schweden standen dem im Wege. Blut- und Entbehrungsopfer, schwere Kämpfe
an der eigenen Grenze im Osten und draußen in fremden Ländern, glänzende Siege
und unsterbliche Tapferkeit in Waffenbrüderschaft mit Schweden -- alles dies steht
der Umarmung entgegen, um welche Rußland das Land der tausend Seen stets
vergeblich bitten wird oder mit der es ihm droht.

Mit dieser kurzen geschichtlichen Übersicht habe ich als Schwede, nicht Finne --
keiner meiner Vorfahren war in Finnland, aber mein Stammvater ist ein Deutscher
gewesen --, im Interesse der Wahrheit den unbestreitbaren Anteil, den Finnlands
Volk an dem großen auf deutschen Boden verlegten Werke Gustav Adolfs hat,
betonen wollen. Die liberal-sozialistische Regierung, die zum Schaden Schwedens
die Macht hatte, als in diesem Jahre 1918 der Freiheitskampf Finnlands anfing,
verwehrte unserem alten Bruderlande das Einkaufen der zur Bezwingung der
roten Aufrührer nötigen Waffen. Als wir schwedischen Bürgersleute dies hörten,
verbargen wir unser Gesicht in den Händen, damit niemand unser schwedisches
Antlitz sehe. Aber die Scham wich dem Grolle, und dieser drückte sich auf echt¬
schwedische Weise im Handeln aus. Eine Freiwilligenbrigade wurde aufgestellt
und sammelte sich in Torrea, von wo aus sie mit blutigem Ruhme den schweren
Sieg bei Tammerfors ermöglicht hat. Finnen und Schweden haben gemeinsam
Nord- und Mittelfinnland von Russen und roten Gardisten befreit, während die
sieggewohnten deutschen Truppen den südlichen Teil des Sandes gesäubert haben
und in seiner Hauptstadt eingezogen sind.

Gute Taten sterben nie. Einstmals ermöglichten Gustav Adolfs Schweden
und Finnland das Weiterbestehen eines lutherischen Deutschlands. Jetzt ermöglicht
Wilhelm des Zweiten Deutschland, indem es die Hand über die Ostsee hinüber¬
streckt, daß Finnland sein freies Leben führen kann, und hierin liegt auch eine
unschätzbare Erleichterung für Schweden, das in den letzten hundert Jahren die
Russenhand sich durch ihre Gewaltmaßregeln in Finnland gegen seine Freiheit
hat ballen sehen. Durch die Befreiung Finnlands-'aus seiner unheimlichen Not¬
lage strömt auch in Schweden eine Lichtflut hinein.

schwedisch-lutherische Kultur liegt der Sympathie zwischen den beiden Völkern
des Bohnischen Meerbusens zugrunde. Mag dieser Grund auch in Finnland von dem
schwedisch-finnischen Rassengegensatze durchsprengt sein, so daß Germane und Mongole
einander im inneren Leben des Landes, wo eine ganze halbe Million Schweden neben
drei Millionen Finnen Wohnt, einander oft erbittert gegenüberstehen, so wurzelt doch
ein gemeinsames Schicksal, das sich gegen die russische Gefahr abgezeichnet hat, viel
tiefer in den beiden Nationen Finnlands als die Wirklichkeit der Zersplitterung.

Die Weltbegebenheiten haben Deutschland den beiden östlichen Völkern des
skandinavischen Kulturkreises immer näher gebracht. Wir begrüßen diesen Schritt
mit Sympathie und Vertrauen. So gut wie alle Gebildeten und in der Ge¬
schichte Bewanderten in Schweden haben Deutschland eifrig den Sieg im Welt¬
kriege gewünscht, und dieses Gefühl steht fest. Doch die Krankheit des Sozia¬
lismus sucht auch unser Land heim. Brantings Partei hat gegenwärtig die Macht
über das offizielle Schweden, aber die Opposition ist so wohl gerüstet und qua¬
litativ überlegen, daß es schwerlich lange dauern wird, bis die Volksmeinung sich
in so starker Weise Bahn bricht, daß Schweden wieder in die Hände eines Staats¬
mannes gerät. Nach der Besiegung Rußlands ist unsere Hauptgefahr das eng¬
lische Reich, und ich stimme in die Worte ein, die Schwedens größter Denker
Vitalis Norström 1914, zwei Jahre vor seinem plötzlichen Tode, geäußert hat:
"Mich persönlich friert bei der Berührung mit den langen, kalten englischen
Fingern"



Lin Blick auf Finnland

vierhundert Jahre nach dem ersten Auftreten des Protestantismus Schweden und
Finnland vor einer Weltkrise stehen, die trotz hundertjähriger politischer Trennung
deutlich geoffenbart hat, warum die russische Revolution, als sie bei ihrem Aus¬
brechen Finnland ein Paradies mit dem Frühlingshauche einer „neuen" russischen
Kultur darbot, das finnische Volk dennoch nicht zu einer Annäherung an seinen
Nachbarn im Osten verlocken konnte. sechshundert Jahre gemeinsamen Lebens
mit Schweden standen dem im Wege. Blut- und Entbehrungsopfer, schwere Kämpfe
an der eigenen Grenze im Osten und draußen in fremden Ländern, glänzende Siege
und unsterbliche Tapferkeit in Waffenbrüderschaft mit Schweden — alles dies steht
der Umarmung entgegen, um welche Rußland das Land der tausend Seen stets
vergeblich bitten wird oder mit der es ihm droht.

Mit dieser kurzen geschichtlichen Übersicht habe ich als Schwede, nicht Finne —
keiner meiner Vorfahren war in Finnland, aber mein Stammvater ist ein Deutscher
gewesen —, im Interesse der Wahrheit den unbestreitbaren Anteil, den Finnlands
Volk an dem großen auf deutschen Boden verlegten Werke Gustav Adolfs hat,
betonen wollen. Die liberal-sozialistische Regierung, die zum Schaden Schwedens
die Macht hatte, als in diesem Jahre 1918 der Freiheitskampf Finnlands anfing,
verwehrte unserem alten Bruderlande das Einkaufen der zur Bezwingung der
roten Aufrührer nötigen Waffen. Als wir schwedischen Bürgersleute dies hörten,
verbargen wir unser Gesicht in den Händen, damit niemand unser schwedisches
Antlitz sehe. Aber die Scham wich dem Grolle, und dieser drückte sich auf echt¬
schwedische Weise im Handeln aus. Eine Freiwilligenbrigade wurde aufgestellt
und sammelte sich in Torrea, von wo aus sie mit blutigem Ruhme den schweren
Sieg bei Tammerfors ermöglicht hat. Finnen und Schweden haben gemeinsam
Nord- und Mittelfinnland von Russen und roten Gardisten befreit, während die
sieggewohnten deutschen Truppen den südlichen Teil des Sandes gesäubert haben
und in seiner Hauptstadt eingezogen sind.

Gute Taten sterben nie. Einstmals ermöglichten Gustav Adolfs Schweden
und Finnland das Weiterbestehen eines lutherischen Deutschlands. Jetzt ermöglicht
Wilhelm des Zweiten Deutschland, indem es die Hand über die Ostsee hinüber¬
streckt, daß Finnland sein freies Leben führen kann, und hierin liegt auch eine
unschätzbare Erleichterung für Schweden, das in den letzten hundert Jahren die
Russenhand sich durch ihre Gewaltmaßregeln in Finnland gegen seine Freiheit
hat ballen sehen. Durch die Befreiung Finnlands-'aus seiner unheimlichen Not¬
lage strömt auch in Schweden eine Lichtflut hinein.

schwedisch-lutherische Kultur liegt der Sympathie zwischen den beiden Völkern
des Bohnischen Meerbusens zugrunde. Mag dieser Grund auch in Finnland von dem
schwedisch-finnischen Rassengegensatze durchsprengt sein, so daß Germane und Mongole
einander im inneren Leben des Landes, wo eine ganze halbe Million Schweden neben
drei Millionen Finnen Wohnt, einander oft erbittert gegenüberstehen, so wurzelt doch
ein gemeinsames Schicksal, das sich gegen die russische Gefahr abgezeichnet hat, viel
tiefer in den beiden Nationen Finnlands als die Wirklichkeit der Zersplitterung.

Die Weltbegebenheiten haben Deutschland den beiden östlichen Völkern des
skandinavischen Kulturkreises immer näher gebracht. Wir begrüßen diesen Schritt
mit Sympathie und Vertrauen. So gut wie alle Gebildeten und in der Ge¬
schichte Bewanderten in Schweden haben Deutschland eifrig den Sieg im Welt¬
kriege gewünscht, und dieses Gefühl steht fest. Doch die Krankheit des Sozia¬
lismus sucht auch unser Land heim. Brantings Partei hat gegenwärtig die Macht
über das offizielle Schweden, aber die Opposition ist so wohl gerüstet und qua¬
litativ überlegen, daß es schwerlich lange dauern wird, bis die Volksmeinung sich
in so starker Weise Bahn bricht, daß Schweden wieder in die Hände eines Staats¬
mannes gerät. Nach der Besiegung Rußlands ist unsere Hauptgefahr das eng¬
lische Reich, und ich stimme in die Worte ein, die Schwedens größter Denker
Vitalis Norström 1914, zwei Jahre vor seinem plötzlichen Tode, geäußert hat:
„Mich persönlich friert bei der Berührung mit den langen, kalten englischen
Fingern"



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[0026] Lin Blick auf Finnland vierhundert Jahre nach dem ersten Auftreten des Protestantismus Schweden und Finnland vor einer Weltkrise stehen, die trotz hundertjähriger politischer Trennung deutlich geoffenbart hat, warum die russische Revolution, als sie bei ihrem Aus¬ brechen Finnland ein Paradies mit dem Frühlingshauche einer „neuen" russischen Kultur darbot, das finnische Volk dennoch nicht zu einer Annäherung an seinen Nachbarn im Osten verlocken konnte. sechshundert Jahre gemeinsamen Lebens mit Schweden standen dem im Wege. Blut- und Entbehrungsopfer, schwere Kämpfe an der eigenen Grenze im Osten und draußen in fremden Ländern, glänzende Siege und unsterbliche Tapferkeit in Waffenbrüderschaft mit Schweden — alles dies steht der Umarmung entgegen, um welche Rußland das Land der tausend Seen stets vergeblich bitten wird oder mit der es ihm droht. Mit dieser kurzen geschichtlichen Übersicht habe ich als Schwede, nicht Finne — keiner meiner Vorfahren war in Finnland, aber mein Stammvater ist ein Deutscher gewesen —, im Interesse der Wahrheit den unbestreitbaren Anteil, den Finnlands Volk an dem großen auf deutschen Boden verlegten Werke Gustav Adolfs hat, betonen wollen. Die liberal-sozialistische Regierung, die zum Schaden Schwedens die Macht hatte, als in diesem Jahre 1918 der Freiheitskampf Finnlands anfing, verwehrte unserem alten Bruderlande das Einkaufen der zur Bezwingung der roten Aufrührer nötigen Waffen. Als wir schwedischen Bürgersleute dies hörten, verbargen wir unser Gesicht in den Händen, damit niemand unser schwedisches Antlitz sehe. Aber die Scham wich dem Grolle, und dieser drückte sich auf echt¬ schwedische Weise im Handeln aus. Eine Freiwilligenbrigade wurde aufgestellt und sammelte sich in Torrea, von wo aus sie mit blutigem Ruhme den schweren Sieg bei Tammerfors ermöglicht hat. Finnen und Schweden haben gemeinsam Nord- und Mittelfinnland von Russen und roten Gardisten befreit, während die sieggewohnten deutschen Truppen den südlichen Teil des Sandes gesäubert haben und in seiner Hauptstadt eingezogen sind. Gute Taten sterben nie. Einstmals ermöglichten Gustav Adolfs Schweden und Finnland das Weiterbestehen eines lutherischen Deutschlands. Jetzt ermöglicht Wilhelm des Zweiten Deutschland, indem es die Hand über die Ostsee hinüber¬ streckt, daß Finnland sein freies Leben führen kann, und hierin liegt auch eine unschätzbare Erleichterung für Schweden, das in den letzten hundert Jahren die Russenhand sich durch ihre Gewaltmaßregeln in Finnland gegen seine Freiheit hat ballen sehen. Durch die Befreiung Finnlands-'aus seiner unheimlichen Not¬ lage strömt auch in Schweden eine Lichtflut hinein. schwedisch-lutherische Kultur liegt der Sympathie zwischen den beiden Völkern des Bohnischen Meerbusens zugrunde. Mag dieser Grund auch in Finnland von dem schwedisch-finnischen Rassengegensatze durchsprengt sein, so daß Germane und Mongole einander im inneren Leben des Landes, wo eine ganze halbe Million Schweden neben drei Millionen Finnen Wohnt, einander oft erbittert gegenüberstehen, so wurzelt doch ein gemeinsames Schicksal, das sich gegen die russische Gefahr abgezeichnet hat, viel tiefer in den beiden Nationen Finnlands als die Wirklichkeit der Zersplitterung. Die Weltbegebenheiten haben Deutschland den beiden östlichen Völkern des skandinavischen Kulturkreises immer näher gebracht. Wir begrüßen diesen Schritt mit Sympathie und Vertrauen. So gut wie alle Gebildeten und in der Ge¬ schichte Bewanderten in Schweden haben Deutschland eifrig den Sieg im Welt¬ kriege gewünscht, und dieses Gefühl steht fest. Doch die Krankheit des Sozia¬ lismus sucht auch unser Land heim. Brantings Partei hat gegenwärtig die Macht über das offizielle Schweden, aber die Opposition ist so wohl gerüstet und qua¬ litativ überlegen, daß es schwerlich lange dauern wird, bis die Volksmeinung sich in so starker Weise Bahn bricht, daß Schweden wieder in die Hände eines Staats¬ mannes gerät. Nach der Besiegung Rußlands ist unsere Hauptgefahr das eng¬ lische Reich, und ich stimme in die Worte ein, die Schwedens größter Denker Vitalis Norström 1914, zwei Jahre vor seinem plötzlichen Tode, geäußert hat: „Mich persönlich friert bei der Berührung mit den langen, kalten englischen Fingern"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/26>, abgerufen am 22.07.2024.