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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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Englands Bild in den Augen der deutschen Rlassiker

Englands Bild in den Augen der deutschen Alassiker
Dr. in. Zobel von Zabeltitz von
II. Goethes und Schillers Meinungen über England

Is ein englischer Jugenieuroffizier, der Goethe am 10. Januar 1825
besuchte, dem greisen Dichter von dem großen Interesse erzählte,
das man in seiner Heimat an der deutschen Sprache und Literatur
nehme, freute sich Goethe und erklärte: "Wir Deutschen haben es
jedoch Ihrer Nation in dieser Hinsicht um ein halbes Jahr¬
hundert zuvorgetan. Ich beschäftige mich seit fünfzig Jahren mit
der englischen Sprache und Literatur . . . Käme ich nach England hinüber, ich
würde kein Fremder sein." Damit erinnerte Goethe an die Zeit des Sturmes
und Dranges, aus der in seinem und seiner Genossen Schaffen wie in Schillers
Erstlingsdrama Zeugen der Wirkung des englischen Vorbildes. Shakespeares, fort¬
leben. Goethes Interesse gilt also weniger der Erkenntnis des englischen Volks-
tums in seiner Gesamtheit als dem englischen Schrifttum. In diesem sind ihm
Shakespeare, Byron, Carlyle Gegenstand der Bewunderung und des Lobes; dieses
versagt er auch Newton nicht, aber er fühlt sich als dessen Gegner und späht nach
Schwächen in seiner Natur, die ihm begreiflich machen sollen, warum Newton
und seine Volksgenossen an der von Goethe für einen handgreiflichen Irrtum ge¬
haltenen Farbenlehre so starr festhalten. So erkennt er einen doppelten Zug im
Wesen des englischen Volkes: "Bei den Engländern ist es gut, daß sie alles
praktisch machen, aber sie sind Pedanten" (Eckermann). Das Praktische, das feste
Zugreifen in allen Lebenslagen erweckt sonst Goethes Achtung für das englische
Volk: er nennt sie "tüchtig", "unendlich rührig" und findet diese Eigenschaft im
Geringen, wie bei der Einführung der nächtlichen Gasbeleuchtung der Städte
(1816), und im Großen, in der Politik. Er freut sich des liberalen Geistes, den
Canning ins englische Ministerium bringt; allerdings hat an Goethes Vorliebe
für diesen Staatsmann dessen Eintreten für die Befreiung der bis 1827 den Türken
unterworfenen Griechen Anteil.

Auch abgesehen von diesem idealisierenden Gesichtspunkte ist Goethe für die
Zielsicherheit und Festigkeit des englischen Wesens eingenommen; es ist, als lobe
er das an ihnen am meisten, was er bei den Deutschen am wenigsten hatte finden
können. Wenn er nach den Befreiungskriegen sich wundert, daß den Deutschen,
die es sonst nur einzeln weit bringen könnten, "zum ersten Mal die größten Taten
im ganzen geraten" seien, so achtet er bei den Engländern die hohe Ausbildung
der Individualität, die trotzdem der Stetigkeit des Gemeinwesens keinen Abbruch
tut. Er stellt fest, "daß bei den Engländern vorzüglich bedeutend und schätzens¬
wert ist die Ausbildung so vieler derber, tüchtiger Individuen, eines jeden nach
seiner Weise, und zugleich gegen das öffentliche, gegen das gemeine Wesen: ein
Vorzug, den vielleicht keine andere Nation, wenigstens nicht in dem Grade, mit
ihr teilt" ("Newtons Persönlichkeit" im historischen Teil der "Farbenlehre"). "Die
Engländer -- meint er -- sind vielleicht vor vielen Nationen geeignet, Aus¬
wärtigen zu imponieren. Ihre persönliche Nuhe, Sicherheit, Tüchtigkeit, Eigen¬
sinn und Wohlhäbigkeit geben beinahe ein unerreichtes Musterbild von dein, was
alle Nationen sich wünschen" ("Anglomanie", historischer Teil der "Farbenlehre").
Die nur allzu realistische Geistesrichtung der Engländer hält Goethe der fran¬
zösischen in einem Brief an Knebel (9. März 1814) entgegen: "Dem französischen
Stolz kann man beikommen, weil er mit Eitelkeit verbrüdert ist, dem englischen
Hochmut aber nicht, weil er kaufmännisch auf der Würde des Goldes ruht."

Da das englische Gesetz die Freiheit des Individuums von jeglicher staat¬
lichen Bevormundung zum Grundsatz erhoben hat, ist dem Kaufmannsgeist, der
praktischen Zielbewußtheit des einzelnen keine Schranke gesetzt; das hält Goethe
dem die englische Verfassung rühmenden Grafen von Pückler-Muskau entgegen:
kein Volk sei vielleicht wesentlich inhumaner in politischen und Privatverhältnissen.


Englands Bild in den Augen der deutschen Rlassiker

Englands Bild in den Augen der deutschen Alassiker
Dr. in. Zobel von Zabeltitz von
II. Goethes und Schillers Meinungen über England

Is ein englischer Jugenieuroffizier, der Goethe am 10. Januar 1825
besuchte, dem greisen Dichter von dem großen Interesse erzählte,
das man in seiner Heimat an der deutschen Sprache und Literatur
nehme, freute sich Goethe und erklärte: „Wir Deutschen haben es
jedoch Ihrer Nation in dieser Hinsicht um ein halbes Jahr¬
hundert zuvorgetan. Ich beschäftige mich seit fünfzig Jahren mit
der englischen Sprache und Literatur . . . Käme ich nach England hinüber, ich
würde kein Fremder sein." Damit erinnerte Goethe an die Zeit des Sturmes
und Dranges, aus der in seinem und seiner Genossen Schaffen wie in Schillers
Erstlingsdrama Zeugen der Wirkung des englischen Vorbildes. Shakespeares, fort¬
leben. Goethes Interesse gilt also weniger der Erkenntnis des englischen Volks-
tums in seiner Gesamtheit als dem englischen Schrifttum. In diesem sind ihm
Shakespeare, Byron, Carlyle Gegenstand der Bewunderung und des Lobes; dieses
versagt er auch Newton nicht, aber er fühlt sich als dessen Gegner und späht nach
Schwächen in seiner Natur, die ihm begreiflich machen sollen, warum Newton
und seine Volksgenossen an der von Goethe für einen handgreiflichen Irrtum ge¬
haltenen Farbenlehre so starr festhalten. So erkennt er einen doppelten Zug im
Wesen des englischen Volkes: „Bei den Engländern ist es gut, daß sie alles
praktisch machen, aber sie sind Pedanten" (Eckermann). Das Praktische, das feste
Zugreifen in allen Lebenslagen erweckt sonst Goethes Achtung für das englische
Volk: er nennt sie „tüchtig", „unendlich rührig" und findet diese Eigenschaft im
Geringen, wie bei der Einführung der nächtlichen Gasbeleuchtung der Städte
(1816), und im Großen, in der Politik. Er freut sich des liberalen Geistes, den
Canning ins englische Ministerium bringt; allerdings hat an Goethes Vorliebe
für diesen Staatsmann dessen Eintreten für die Befreiung der bis 1827 den Türken
unterworfenen Griechen Anteil.

Auch abgesehen von diesem idealisierenden Gesichtspunkte ist Goethe für die
Zielsicherheit und Festigkeit des englischen Wesens eingenommen; es ist, als lobe
er das an ihnen am meisten, was er bei den Deutschen am wenigsten hatte finden
können. Wenn er nach den Befreiungskriegen sich wundert, daß den Deutschen,
die es sonst nur einzeln weit bringen könnten, „zum ersten Mal die größten Taten
im ganzen geraten" seien, so achtet er bei den Engländern die hohe Ausbildung
der Individualität, die trotzdem der Stetigkeit des Gemeinwesens keinen Abbruch
tut. Er stellt fest, „daß bei den Engländern vorzüglich bedeutend und schätzens¬
wert ist die Ausbildung so vieler derber, tüchtiger Individuen, eines jeden nach
seiner Weise, und zugleich gegen das öffentliche, gegen das gemeine Wesen: ein
Vorzug, den vielleicht keine andere Nation, wenigstens nicht in dem Grade, mit
ihr teilt" („Newtons Persönlichkeit" im historischen Teil der „Farbenlehre"). „Die
Engländer — meint er — sind vielleicht vor vielen Nationen geeignet, Aus¬
wärtigen zu imponieren. Ihre persönliche Nuhe, Sicherheit, Tüchtigkeit, Eigen¬
sinn und Wohlhäbigkeit geben beinahe ein unerreichtes Musterbild von dein, was
alle Nationen sich wünschen" („Anglomanie", historischer Teil der „Farbenlehre").
Die nur allzu realistische Geistesrichtung der Engländer hält Goethe der fran¬
zösischen in einem Brief an Knebel (9. März 1814) entgegen: „Dem französischen
Stolz kann man beikommen, weil er mit Eitelkeit verbrüdert ist, dem englischen
Hochmut aber nicht, weil er kaufmännisch auf der Würde des Goldes ruht."

Da das englische Gesetz die Freiheit des Individuums von jeglicher staat¬
lichen Bevormundung zum Grundsatz erhoben hat, ist dem Kaufmannsgeist, der
praktischen Zielbewußtheit des einzelnen keine Schranke gesetzt; das hält Goethe
dem die englische Verfassung rühmenden Grafen von Pückler-Muskau entgegen:
kein Volk sei vielleicht wesentlich inhumaner in politischen und Privatverhältnissen.


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[0240] Englands Bild in den Augen der deutschen Rlassiker Englands Bild in den Augen der deutschen Alassiker Dr. in. Zobel von Zabeltitz von II. Goethes und Schillers Meinungen über England Is ein englischer Jugenieuroffizier, der Goethe am 10. Januar 1825 besuchte, dem greisen Dichter von dem großen Interesse erzählte, das man in seiner Heimat an der deutschen Sprache und Literatur nehme, freute sich Goethe und erklärte: „Wir Deutschen haben es jedoch Ihrer Nation in dieser Hinsicht um ein halbes Jahr¬ hundert zuvorgetan. Ich beschäftige mich seit fünfzig Jahren mit der englischen Sprache und Literatur . . . Käme ich nach England hinüber, ich würde kein Fremder sein." Damit erinnerte Goethe an die Zeit des Sturmes und Dranges, aus der in seinem und seiner Genossen Schaffen wie in Schillers Erstlingsdrama Zeugen der Wirkung des englischen Vorbildes. Shakespeares, fort¬ leben. Goethes Interesse gilt also weniger der Erkenntnis des englischen Volks- tums in seiner Gesamtheit als dem englischen Schrifttum. In diesem sind ihm Shakespeare, Byron, Carlyle Gegenstand der Bewunderung und des Lobes; dieses versagt er auch Newton nicht, aber er fühlt sich als dessen Gegner und späht nach Schwächen in seiner Natur, die ihm begreiflich machen sollen, warum Newton und seine Volksgenossen an der von Goethe für einen handgreiflichen Irrtum ge¬ haltenen Farbenlehre so starr festhalten. So erkennt er einen doppelten Zug im Wesen des englischen Volkes: „Bei den Engländern ist es gut, daß sie alles praktisch machen, aber sie sind Pedanten" (Eckermann). Das Praktische, das feste Zugreifen in allen Lebenslagen erweckt sonst Goethes Achtung für das englische Volk: er nennt sie „tüchtig", „unendlich rührig" und findet diese Eigenschaft im Geringen, wie bei der Einführung der nächtlichen Gasbeleuchtung der Städte (1816), und im Großen, in der Politik. Er freut sich des liberalen Geistes, den Canning ins englische Ministerium bringt; allerdings hat an Goethes Vorliebe für diesen Staatsmann dessen Eintreten für die Befreiung der bis 1827 den Türken unterworfenen Griechen Anteil. Auch abgesehen von diesem idealisierenden Gesichtspunkte ist Goethe für die Zielsicherheit und Festigkeit des englischen Wesens eingenommen; es ist, als lobe er das an ihnen am meisten, was er bei den Deutschen am wenigsten hatte finden können. Wenn er nach den Befreiungskriegen sich wundert, daß den Deutschen, die es sonst nur einzeln weit bringen könnten, „zum ersten Mal die größten Taten im ganzen geraten" seien, so achtet er bei den Engländern die hohe Ausbildung der Individualität, die trotzdem der Stetigkeit des Gemeinwesens keinen Abbruch tut. Er stellt fest, „daß bei den Engländern vorzüglich bedeutend und schätzens¬ wert ist die Ausbildung so vieler derber, tüchtiger Individuen, eines jeden nach seiner Weise, und zugleich gegen das öffentliche, gegen das gemeine Wesen: ein Vorzug, den vielleicht keine andere Nation, wenigstens nicht in dem Grade, mit ihr teilt" („Newtons Persönlichkeit" im historischen Teil der „Farbenlehre"). „Die Engländer — meint er — sind vielleicht vor vielen Nationen geeignet, Aus¬ wärtigen zu imponieren. Ihre persönliche Nuhe, Sicherheit, Tüchtigkeit, Eigen¬ sinn und Wohlhäbigkeit geben beinahe ein unerreichtes Musterbild von dein, was alle Nationen sich wünschen" („Anglomanie", historischer Teil der „Farbenlehre"). Die nur allzu realistische Geistesrichtung der Engländer hält Goethe der fran¬ zösischen in einem Brief an Knebel (9. März 1814) entgegen: „Dem französischen Stolz kann man beikommen, weil er mit Eitelkeit verbrüdert ist, dem englischen Hochmut aber nicht, weil er kaufmännisch auf der Würde des Goldes ruht." Da das englische Gesetz die Freiheit des Individuums von jeglicher staat¬ lichen Bevormundung zum Grundsatz erhoben hat, ist dem Kaufmannsgeist, der praktischen Zielbewußtheit des einzelnen keine Schranke gesetzt; das hält Goethe dem die englische Verfassung rühmenden Grafen von Pückler-Muskau entgegen: kein Volk sei vielleicht wesentlich inhumaner in politischen und Privatverhältnissen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/240>, abgerufen am 22.07.2024.