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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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zeitweiligen Unantastbarkeit für alle Schützlinge des.polnischen Königs. Ebenso
wenig wie gegen die Ansprüche seines obersten Lehnsherrn vermochte sich Joachim
Friedrich nach unten hin gegen die unbotmäßige Ritterschaft zu behaupten. Sein
Äufenlhalr im Lande war den Oderräten lästig. "Alle Sachen würden viel dessen
in S. Kurs. Gnaden Abwesenheit von Statten gehen", erklärten sie heuchlerisch,
und bewogen so den nachgiebigen Herrn wirklich, noch vor Eröffnung des Land¬
tages, Königsberg nach flüchtigem Besuch wieder zu verlassen. Da der blöde
Herzog keine Söhne hatte,-war mit der brandenburgischen Erbfolge zu rechnen.
Aber die Hinneigung zu Polen, "das Potenzen", wie man in Berlin sagte, war
bei den Ständen so stark, daß der Kurfürst, abgesehen von den Städten und einigen
Mitgliedern des hohen Adels, gar keinen Anhang im Lande hatte. Um so
erfreulicher ist es, ans der. Ratsstube der Oberrate auch einmal eine deutsch-
nationale Stimme zu vernehmen. Der Kanzler Rappe wies seine Amtsgenossen
auf die jammervolle Lage hin, in der sich die anderen nicht polnischen Provinzen
des Königreiches, Litauen, Livland, auch das .Königliche Preußen, d. h. das 1466
abgetretene Westpreußen, befänden. Darum müsse man Gott danken, daß man
"in diesem kleinen Örtchen" noch bei deutscher Regierung geblieben sei. Sollten
sie unter dem .Kurfürsten auch viel zu leiden und auszustehen haben, so würden
sie doch die Religion, die mit keinem Schatze zu vergleichen sei, deutsches Recht,
deutsche Sitte, Sprache und Gebräuche sich erhalten.

Wie groß die nach der damaligen Lage der Dinge völlig unbegründete
Furcht vor dein "märkischen Despotismus" war, erkennt man daraus, daß die
adlige Opposition allen Ernstes daran dachte, den armen schwachsinnigen Herzog
nach dem Tode seiner Gemahlin wieder zu verheiraten: vielleicht bescherte ihm
das Geschick dann doch noch einen männlichen Leibeserben, und der Branden¬
burger Johann Sigismund, der Ende Juli 1608 seinem Vater in der Regierung
gefolgt war und nun mit dem Warschauer Hof über die preußische Vormundschaft
verhandelte, hatte das Nachsehen. Nur unter denselben harten Bedingungen wie
einst Joachim Friedrich erhielt der neue Kurfürst die gewünschte Vollmacht, und
diese Vollmacht sollte sofort erlöschen, wenn der Herzog feine geistige Gesundheit
wieder fände. Auch darin gab der König von Polen dem Begehren der wider¬
setzlichen Ritterschaft nach, daß er Kommissare ins Land schickte, um "den alten
Zustand" wieder herzustellen, d. h. um die Macht des Landesherrn noch, mehr zu
erniedrigen. Durch feinen übertritt zur reformierten Lehre verdarb es Johann
Sigismund dann vollends mit dem starrsinnigen Luthertum ^Ostpreußens und
gab so den Polen einen neuen willkommenen Anlaß, sich in die inneren
Angelegenheiten des Landes einzumischen. Wie blutiger Hohn klingt es, daß der
Katholik und Jesuitenfreund von Warschau einen kurfürstlichen Erlaß, der den
lutherischen Predigern das Verlästern und Schimpfen auf den Kanzeln verbot,
einfach aufhob und feierlich verkündete, kein Calvinist dürfe ein Amt inne haben,
nur Katholiken und Lutheraner dürften die Königsberger Universität besuchen.

Und dennoch erlebte es der so schwer gedemütigte Johann Sigismund noch,
daß sich die Vereinigung Preußens mit dem Kurfürstentum ohne alle Schwierig¬
keiten, fast unmerklich vollzog. Am 28. August 1618 starb der blöde Herzog, und
jetzt kam es dem Brandenburger zustatten, "daß er schon sieben Jahre vorher die
Belehrung mit dem Herzogtum empfangen und sich so auch der Form nach sein
Erbrecht gesichert hatte. Wenn aber die Polen sich still verhielten, so hatte das
seinen guten Grund. Gustav Adolf stand mit seinem siegreichen Heere in Livland,
nul/mau schreckte vor neuen Verwicklungen zurück. Auch die preußischen Stände,
des Rückhalts an dem polnischen Oberlehnsherrn beraubt, nahmen das lang¬
befürchtete Ereignis ohne Widerspruch hiu. Ueberdies mochte sie die Erwägung
trösten, daß die letzten Verfassungsänderungen sie doch zu den eigentlichen Herren
im Lande gemacht hatten.

Auf Johann Sigismund folgte schon im nächsten Jahre sein Sohn Georg
Wilhelm- So unheilvoll die Regierung dieses Fürsten, der den Nöten des
Dreißigjährigen Krieges nicht gewachsen war, auch sonst gewesen sein mag, in
Prmßen hat er es, wie durch die Forschungen Breysigs festgestellt worden ist, mit


zeitweiligen Unantastbarkeit für alle Schützlinge des.polnischen Königs. Ebenso
wenig wie gegen die Ansprüche seines obersten Lehnsherrn vermochte sich Joachim
Friedrich nach unten hin gegen die unbotmäßige Ritterschaft zu behaupten. Sein
Äufenlhalr im Lande war den Oderräten lästig. „Alle Sachen würden viel dessen
in S. Kurs. Gnaden Abwesenheit von Statten gehen", erklärten sie heuchlerisch,
und bewogen so den nachgiebigen Herrn wirklich, noch vor Eröffnung des Land¬
tages, Königsberg nach flüchtigem Besuch wieder zu verlassen. Da der blöde
Herzog keine Söhne hatte,-war mit der brandenburgischen Erbfolge zu rechnen.
Aber die Hinneigung zu Polen, „das Potenzen", wie man in Berlin sagte, war
bei den Ständen so stark, daß der Kurfürst, abgesehen von den Städten und einigen
Mitgliedern des hohen Adels, gar keinen Anhang im Lande hatte. Um so
erfreulicher ist es, ans der. Ratsstube der Oberrate auch einmal eine deutsch-
nationale Stimme zu vernehmen. Der Kanzler Rappe wies seine Amtsgenossen
auf die jammervolle Lage hin, in der sich die anderen nicht polnischen Provinzen
des Königreiches, Litauen, Livland, auch das .Königliche Preußen, d. h. das 1466
abgetretene Westpreußen, befänden. Darum müsse man Gott danken, daß man
„in diesem kleinen Örtchen" noch bei deutscher Regierung geblieben sei. Sollten
sie unter dem .Kurfürsten auch viel zu leiden und auszustehen haben, so würden
sie doch die Religion, die mit keinem Schatze zu vergleichen sei, deutsches Recht,
deutsche Sitte, Sprache und Gebräuche sich erhalten.

Wie groß die nach der damaligen Lage der Dinge völlig unbegründete
Furcht vor dein „märkischen Despotismus" war, erkennt man daraus, daß die
adlige Opposition allen Ernstes daran dachte, den armen schwachsinnigen Herzog
nach dem Tode seiner Gemahlin wieder zu verheiraten: vielleicht bescherte ihm
das Geschick dann doch noch einen männlichen Leibeserben, und der Branden¬
burger Johann Sigismund, der Ende Juli 1608 seinem Vater in der Regierung
gefolgt war und nun mit dem Warschauer Hof über die preußische Vormundschaft
verhandelte, hatte das Nachsehen. Nur unter denselben harten Bedingungen wie
einst Joachim Friedrich erhielt der neue Kurfürst die gewünschte Vollmacht, und
diese Vollmacht sollte sofort erlöschen, wenn der Herzog feine geistige Gesundheit
wieder fände. Auch darin gab der König von Polen dem Begehren der wider¬
setzlichen Ritterschaft nach, daß er Kommissare ins Land schickte, um „den alten
Zustand" wieder herzustellen, d. h. um die Macht des Landesherrn noch, mehr zu
erniedrigen. Durch feinen übertritt zur reformierten Lehre verdarb es Johann
Sigismund dann vollends mit dem starrsinnigen Luthertum ^Ostpreußens und
gab so den Polen einen neuen willkommenen Anlaß, sich in die inneren
Angelegenheiten des Landes einzumischen. Wie blutiger Hohn klingt es, daß der
Katholik und Jesuitenfreund von Warschau einen kurfürstlichen Erlaß, der den
lutherischen Predigern das Verlästern und Schimpfen auf den Kanzeln verbot,
einfach aufhob und feierlich verkündete, kein Calvinist dürfe ein Amt inne haben,
nur Katholiken und Lutheraner dürften die Königsberger Universität besuchen.

Und dennoch erlebte es der so schwer gedemütigte Johann Sigismund noch,
daß sich die Vereinigung Preußens mit dem Kurfürstentum ohne alle Schwierig¬
keiten, fast unmerklich vollzog. Am 28. August 1618 starb der blöde Herzog, und
jetzt kam es dem Brandenburger zustatten, "daß er schon sieben Jahre vorher die
Belehrung mit dem Herzogtum empfangen und sich so auch der Form nach sein
Erbrecht gesichert hatte. Wenn aber die Polen sich still verhielten, so hatte das
seinen guten Grund. Gustav Adolf stand mit seinem siegreichen Heere in Livland,
nul/mau schreckte vor neuen Verwicklungen zurück. Auch die preußischen Stände,
des Rückhalts an dem polnischen Oberlehnsherrn beraubt, nahmen das lang¬
befürchtete Ereignis ohne Widerspruch hiu. Ueberdies mochte sie die Erwägung
trösten, daß die letzten Verfassungsänderungen sie doch zu den eigentlichen Herren
im Lande gemacht hatten.

Auf Johann Sigismund folgte schon im nächsten Jahre sein Sohn Georg
Wilhelm- So unheilvoll die Regierung dieses Fürsten, der den Nöten des
Dreißigjährigen Krieges nicht gewachsen war, auch sonst gewesen sein mag, in
Prmßen hat er es, wie durch die Forschungen Breysigs festgestellt worden ist, mit


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[0200] zeitweiligen Unantastbarkeit für alle Schützlinge des.polnischen Königs. Ebenso wenig wie gegen die Ansprüche seines obersten Lehnsherrn vermochte sich Joachim Friedrich nach unten hin gegen die unbotmäßige Ritterschaft zu behaupten. Sein Äufenlhalr im Lande war den Oderräten lästig. „Alle Sachen würden viel dessen in S. Kurs. Gnaden Abwesenheit von Statten gehen", erklärten sie heuchlerisch, und bewogen so den nachgiebigen Herrn wirklich, noch vor Eröffnung des Land¬ tages, Königsberg nach flüchtigem Besuch wieder zu verlassen. Da der blöde Herzog keine Söhne hatte,-war mit der brandenburgischen Erbfolge zu rechnen. Aber die Hinneigung zu Polen, „das Potenzen", wie man in Berlin sagte, war bei den Ständen so stark, daß der Kurfürst, abgesehen von den Städten und einigen Mitgliedern des hohen Adels, gar keinen Anhang im Lande hatte. Um so erfreulicher ist es, ans der. Ratsstube der Oberrate auch einmal eine deutsch- nationale Stimme zu vernehmen. Der Kanzler Rappe wies seine Amtsgenossen auf die jammervolle Lage hin, in der sich die anderen nicht polnischen Provinzen des Königreiches, Litauen, Livland, auch das .Königliche Preußen, d. h. das 1466 abgetretene Westpreußen, befänden. Darum müsse man Gott danken, daß man „in diesem kleinen Örtchen" noch bei deutscher Regierung geblieben sei. Sollten sie unter dem .Kurfürsten auch viel zu leiden und auszustehen haben, so würden sie doch die Religion, die mit keinem Schatze zu vergleichen sei, deutsches Recht, deutsche Sitte, Sprache und Gebräuche sich erhalten. Wie groß die nach der damaligen Lage der Dinge völlig unbegründete Furcht vor dein „märkischen Despotismus" war, erkennt man daraus, daß die adlige Opposition allen Ernstes daran dachte, den armen schwachsinnigen Herzog nach dem Tode seiner Gemahlin wieder zu verheiraten: vielleicht bescherte ihm das Geschick dann doch noch einen männlichen Leibeserben, und der Branden¬ burger Johann Sigismund, der Ende Juli 1608 seinem Vater in der Regierung gefolgt war und nun mit dem Warschauer Hof über die preußische Vormundschaft verhandelte, hatte das Nachsehen. Nur unter denselben harten Bedingungen wie einst Joachim Friedrich erhielt der neue Kurfürst die gewünschte Vollmacht, und diese Vollmacht sollte sofort erlöschen, wenn der Herzog feine geistige Gesundheit wieder fände. Auch darin gab der König von Polen dem Begehren der wider¬ setzlichen Ritterschaft nach, daß er Kommissare ins Land schickte, um „den alten Zustand" wieder herzustellen, d. h. um die Macht des Landesherrn noch, mehr zu erniedrigen. Durch feinen übertritt zur reformierten Lehre verdarb es Johann Sigismund dann vollends mit dem starrsinnigen Luthertum ^Ostpreußens und gab so den Polen einen neuen willkommenen Anlaß, sich in die inneren Angelegenheiten des Landes einzumischen. Wie blutiger Hohn klingt es, daß der Katholik und Jesuitenfreund von Warschau einen kurfürstlichen Erlaß, der den lutherischen Predigern das Verlästern und Schimpfen auf den Kanzeln verbot, einfach aufhob und feierlich verkündete, kein Calvinist dürfe ein Amt inne haben, nur Katholiken und Lutheraner dürften die Königsberger Universität besuchen. Und dennoch erlebte es der so schwer gedemütigte Johann Sigismund noch, daß sich die Vereinigung Preußens mit dem Kurfürstentum ohne alle Schwierig¬ keiten, fast unmerklich vollzog. Am 28. August 1618 starb der blöde Herzog, und jetzt kam es dem Brandenburger zustatten, "daß er schon sieben Jahre vorher die Belehrung mit dem Herzogtum empfangen und sich so auch der Form nach sein Erbrecht gesichert hatte. Wenn aber die Polen sich still verhielten, so hatte das seinen guten Grund. Gustav Adolf stand mit seinem siegreichen Heere in Livland, nul/mau schreckte vor neuen Verwicklungen zurück. Auch die preußischen Stände, des Rückhalts an dem polnischen Oberlehnsherrn beraubt, nahmen das lang¬ befürchtete Ereignis ohne Widerspruch hiu. Ueberdies mochte sie die Erwägung trösten, daß die letzten Verfassungsänderungen sie doch zu den eigentlichen Herren im Lande gemacht hatten. Auf Johann Sigismund folgte schon im nächsten Jahre sein Sohn Georg Wilhelm- So unheilvoll die Regierung dieses Fürsten, der den Nöten des Dreißigjährigen Krieges nicht gewachsen war, auch sonst gewesen sein mag, in Prmßen hat er es, wie durch die Forschungen Breysigs festgestellt worden ist, mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/200>, abgerufen am 29.06.2024.