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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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Die englische Umklammerung Europas

schließt die von Schottland ans nordwärts verlaufende äußere Nordseespcrrlinie,
die in Spitzbergen nach britischen Wünschen ihren Abschluß erreichen soll. Diese
Wünsche, die seit der ersten Spitzbergen-Konferenz 1910 nur zeitweilig, bei uns
fast unbeachtet, laut wurden, traten aufs schärfste zutage, als der deutsch-russische
Friedensvertrag von Brest-Litowsk auch Spitzbergens Erwähnung tat und eine
internationale Regelung der Frage forderte. Sie erhalten ihre politische Be¬
deutung, wenn man die in erster Linie wirtschaftlich begründete britische Forderung
einer Besitznahme mit der Jslandfrage in Verbindung bringt.

Mit der vorläufigen Lösung der isländischen Frage durch den jüngsten Ver¬
trag ist nicht nur das Programm der neuen "jungdänischen Vereinigung" ge¬
fährdet, die Dänemark in Zukunft die wirtschaftliche Vermittlerrolle zwischen
Europa und Kanada auf dein Wege über die Faröer. Island und Südgrönland
zuweisen will, sondern die britische Nordsee-Sperrlinie ist verdoppelt; denn eine-
zweite, innere Sperrlinie zielt von den Shetlandsinseln auf die norwegische Küste.
In jüngster Zeit wird von der englischen Regierung mit allen Kräften der Versuch
unternommen, Norwegen zum Verkauf der Lofoten zu bewegen, womit der stärkste
Pfeiler der bereits früher erstrebten "nordischen Brücke" zwischen England und
Rußland errichtet wäre, nachdem der Bau der südlicheren gescheitert ist. Diese
sollte bereits vor dem Kriege in einer zunächst engen Verkehrsverbindung zwischen
England und Rußland bestehen, um die "nordischen Dardanellen" zu umgehen
und damit Deutschland aus einem großen Teil des europäischen Verkehrs von
West nach Ost und umgekehrt auszuschalten. Auf der vom schwedischen Reichstag
unterstützten Linie London--Gotenburg--Stockholm--Petersburg (teilweise durch
Dampffähre) mit dem weiteren Ziel Peking hoffte man eine festere Anbahnung
zwischen England und Rußland zu erreichen. Schweden wäre dann wohl zweifel¬
los ein Opfer politischer Zerdrückung geworden.

In der gleichen Richtung bewegten sich auch die noch während des Krieges
von England ausgehenden Versuche, die Alandsfrage im britisch-russischen Sinne
zu lösen und sich auf Ösel, Dagö und in Estland und Livland festzusetzen, wo¬
durch die von Deutschland nach Finnland und Nordschweden gerichtete lebens¬
notwendige wirtschaftliche Kraftlinie (Erze, Holz usw.) unterbunden worden wäre.
Ist es glücklicherweise gelungen, diese Nord- und Mitteleuropa bedrohende Gefahr
der britischen Knebelung abzuwenden, so bleibt die der nördlichen "Versiegelung
der Nordsee" durch die Doppellinie Schottland--Island--Spitzbergen (äußere
Sperrlinie) und Schottland--Shetlandsinseln--Lofoten (innere Sperrlinie) auf¬
rechterhalten.

Sollte -- was man hoffen darf -- die politische Einsicht in Norwegen
siegen, so würde die innere- Sperrlinie immer noch bestehen bleiben, wenn Ru߬
land nicht die Kraft aufbringt, sich der englischen Besetzung der Murmcmküste und
Archangelsk zu erwehren. Zwar würde sie des England nahen Festpunktes der nor¬
wegischen Küste ermangeln, aber dieser Mangel würde durch den Umfang der
nordrussischen Machtsphäre wettgemacht worden sein, die die Küstengebiete des
Weißen Meeres einschließlich der Murmanbahn umfaßt, d. h. mindestens eine
Fläche, die die Großbritanniens selbst erheblich übertrifft und die, was das
wichtigste ist. das einzige, während des ganzen Jahres eisfreie Einsallstor vom
nördlichen Meere nach Osteuropa darstellt. Wie weit nun aus den gegenwärtigen
völlig zerfahrenen Verhältnissen im inneren Rußland sich politische Gebilde mit
klarem Wollen entwickeln, ruht noch gänzlich im Schoße der Zukunft. Aber so
viel darf als sicher angenommen werden, daß England die Wirrnisse so auszu-
nutzen versuchen wird, wie ihm die Vervollständigung seiner politischen Ziele
Wider Europa es vorschreibt. Die unverhohlen eingestandene Unterstützung der
gegenrevolutionären Bewegung und der mit Erfolg gegen die augenblicklich herr¬
schende Räte-Regierung operierenden Tschecho-Slowaken erfolgt zwar unter der
Losung, die angeblich bevorstehende wirtschaftliche und politische Durchdringung
Rußlands durch Deutschland zu verhindern, hat aber letzten Endes das weit¬
gespannte Ziel im Auge, einen neuen britischen "Reserveweg" nach dem Inneren


Die englische Umklammerung Europas

schließt die von Schottland ans nordwärts verlaufende äußere Nordseespcrrlinie,
die in Spitzbergen nach britischen Wünschen ihren Abschluß erreichen soll. Diese
Wünsche, die seit der ersten Spitzbergen-Konferenz 1910 nur zeitweilig, bei uns
fast unbeachtet, laut wurden, traten aufs schärfste zutage, als der deutsch-russische
Friedensvertrag von Brest-Litowsk auch Spitzbergens Erwähnung tat und eine
internationale Regelung der Frage forderte. Sie erhalten ihre politische Be¬
deutung, wenn man die in erster Linie wirtschaftlich begründete britische Forderung
einer Besitznahme mit der Jslandfrage in Verbindung bringt.

Mit der vorläufigen Lösung der isländischen Frage durch den jüngsten Ver¬
trag ist nicht nur das Programm der neuen „jungdänischen Vereinigung" ge¬
fährdet, die Dänemark in Zukunft die wirtschaftliche Vermittlerrolle zwischen
Europa und Kanada auf dein Wege über die Faröer. Island und Südgrönland
zuweisen will, sondern die britische Nordsee-Sperrlinie ist verdoppelt; denn eine-
zweite, innere Sperrlinie zielt von den Shetlandsinseln auf die norwegische Küste.
In jüngster Zeit wird von der englischen Regierung mit allen Kräften der Versuch
unternommen, Norwegen zum Verkauf der Lofoten zu bewegen, womit der stärkste
Pfeiler der bereits früher erstrebten „nordischen Brücke" zwischen England und
Rußland errichtet wäre, nachdem der Bau der südlicheren gescheitert ist. Diese
sollte bereits vor dem Kriege in einer zunächst engen Verkehrsverbindung zwischen
England und Rußland bestehen, um die „nordischen Dardanellen" zu umgehen
und damit Deutschland aus einem großen Teil des europäischen Verkehrs von
West nach Ost und umgekehrt auszuschalten. Auf der vom schwedischen Reichstag
unterstützten Linie London—Gotenburg—Stockholm—Petersburg (teilweise durch
Dampffähre) mit dem weiteren Ziel Peking hoffte man eine festere Anbahnung
zwischen England und Rußland zu erreichen. Schweden wäre dann wohl zweifel¬
los ein Opfer politischer Zerdrückung geworden.

In der gleichen Richtung bewegten sich auch die noch während des Krieges
von England ausgehenden Versuche, die Alandsfrage im britisch-russischen Sinne
zu lösen und sich auf Ösel, Dagö und in Estland und Livland festzusetzen, wo¬
durch die von Deutschland nach Finnland und Nordschweden gerichtete lebens¬
notwendige wirtschaftliche Kraftlinie (Erze, Holz usw.) unterbunden worden wäre.
Ist es glücklicherweise gelungen, diese Nord- und Mitteleuropa bedrohende Gefahr
der britischen Knebelung abzuwenden, so bleibt die der nördlichen „Versiegelung
der Nordsee" durch die Doppellinie Schottland—Island—Spitzbergen (äußere
Sperrlinie) und Schottland—Shetlandsinseln—Lofoten (innere Sperrlinie) auf¬
rechterhalten.

Sollte — was man hoffen darf — die politische Einsicht in Norwegen
siegen, so würde die innere- Sperrlinie immer noch bestehen bleiben, wenn Ru߬
land nicht die Kraft aufbringt, sich der englischen Besetzung der Murmcmküste und
Archangelsk zu erwehren. Zwar würde sie des England nahen Festpunktes der nor¬
wegischen Küste ermangeln, aber dieser Mangel würde durch den Umfang der
nordrussischen Machtsphäre wettgemacht worden sein, die die Küstengebiete des
Weißen Meeres einschließlich der Murmanbahn umfaßt, d. h. mindestens eine
Fläche, die die Großbritanniens selbst erheblich übertrifft und die, was das
wichtigste ist. das einzige, während des ganzen Jahres eisfreie Einsallstor vom
nördlichen Meere nach Osteuropa darstellt. Wie weit nun aus den gegenwärtigen
völlig zerfahrenen Verhältnissen im inneren Rußland sich politische Gebilde mit
klarem Wollen entwickeln, ruht noch gänzlich im Schoße der Zukunft. Aber so
viel darf als sicher angenommen werden, daß England die Wirrnisse so auszu-
nutzen versuchen wird, wie ihm die Vervollständigung seiner politischen Ziele
Wider Europa es vorschreibt. Die unverhohlen eingestandene Unterstützung der
gegenrevolutionären Bewegung und der mit Erfolg gegen die augenblicklich herr¬
schende Räte-Regierung operierenden Tschecho-Slowaken erfolgt zwar unter der
Losung, die angeblich bevorstehende wirtschaftliche und politische Durchdringung
Rußlands durch Deutschland zu verhindern, hat aber letzten Endes das weit¬
gespannte Ziel im Auge, einen neuen britischen „Reserveweg" nach dem Inneren


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[0175] Die englische Umklammerung Europas schließt die von Schottland ans nordwärts verlaufende äußere Nordseespcrrlinie, die in Spitzbergen nach britischen Wünschen ihren Abschluß erreichen soll. Diese Wünsche, die seit der ersten Spitzbergen-Konferenz 1910 nur zeitweilig, bei uns fast unbeachtet, laut wurden, traten aufs schärfste zutage, als der deutsch-russische Friedensvertrag von Brest-Litowsk auch Spitzbergens Erwähnung tat und eine internationale Regelung der Frage forderte. Sie erhalten ihre politische Be¬ deutung, wenn man die in erster Linie wirtschaftlich begründete britische Forderung einer Besitznahme mit der Jslandfrage in Verbindung bringt. Mit der vorläufigen Lösung der isländischen Frage durch den jüngsten Ver¬ trag ist nicht nur das Programm der neuen „jungdänischen Vereinigung" ge¬ fährdet, die Dänemark in Zukunft die wirtschaftliche Vermittlerrolle zwischen Europa und Kanada auf dein Wege über die Faröer. Island und Südgrönland zuweisen will, sondern die britische Nordsee-Sperrlinie ist verdoppelt; denn eine- zweite, innere Sperrlinie zielt von den Shetlandsinseln auf die norwegische Küste. In jüngster Zeit wird von der englischen Regierung mit allen Kräften der Versuch unternommen, Norwegen zum Verkauf der Lofoten zu bewegen, womit der stärkste Pfeiler der bereits früher erstrebten „nordischen Brücke" zwischen England und Rußland errichtet wäre, nachdem der Bau der südlicheren gescheitert ist. Diese sollte bereits vor dem Kriege in einer zunächst engen Verkehrsverbindung zwischen England und Rußland bestehen, um die „nordischen Dardanellen" zu umgehen und damit Deutschland aus einem großen Teil des europäischen Verkehrs von West nach Ost und umgekehrt auszuschalten. Auf der vom schwedischen Reichstag unterstützten Linie London—Gotenburg—Stockholm—Petersburg (teilweise durch Dampffähre) mit dem weiteren Ziel Peking hoffte man eine festere Anbahnung zwischen England und Rußland zu erreichen. Schweden wäre dann wohl zweifel¬ los ein Opfer politischer Zerdrückung geworden. In der gleichen Richtung bewegten sich auch die noch während des Krieges von England ausgehenden Versuche, die Alandsfrage im britisch-russischen Sinne zu lösen und sich auf Ösel, Dagö und in Estland und Livland festzusetzen, wo¬ durch die von Deutschland nach Finnland und Nordschweden gerichtete lebens¬ notwendige wirtschaftliche Kraftlinie (Erze, Holz usw.) unterbunden worden wäre. Ist es glücklicherweise gelungen, diese Nord- und Mitteleuropa bedrohende Gefahr der britischen Knebelung abzuwenden, so bleibt die der nördlichen „Versiegelung der Nordsee" durch die Doppellinie Schottland—Island—Spitzbergen (äußere Sperrlinie) und Schottland—Shetlandsinseln—Lofoten (innere Sperrlinie) auf¬ rechterhalten. Sollte — was man hoffen darf — die politische Einsicht in Norwegen siegen, so würde die innere- Sperrlinie immer noch bestehen bleiben, wenn Ru߬ land nicht die Kraft aufbringt, sich der englischen Besetzung der Murmcmküste und Archangelsk zu erwehren. Zwar würde sie des England nahen Festpunktes der nor¬ wegischen Küste ermangeln, aber dieser Mangel würde durch den Umfang der nordrussischen Machtsphäre wettgemacht worden sein, die die Küstengebiete des Weißen Meeres einschließlich der Murmanbahn umfaßt, d. h. mindestens eine Fläche, die die Großbritanniens selbst erheblich übertrifft und die, was das wichtigste ist. das einzige, während des ganzen Jahres eisfreie Einsallstor vom nördlichen Meere nach Osteuropa darstellt. Wie weit nun aus den gegenwärtigen völlig zerfahrenen Verhältnissen im inneren Rußland sich politische Gebilde mit klarem Wollen entwickeln, ruht noch gänzlich im Schoße der Zukunft. Aber so viel darf als sicher angenommen werden, daß England die Wirrnisse so auszu- nutzen versuchen wird, wie ihm die Vervollständigung seiner politischen Ziele Wider Europa es vorschreibt. Die unverhohlen eingestandene Unterstützung der gegenrevolutionären Bewegung und der mit Erfolg gegen die augenblicklich herr¬ schende Räte-Regierung operierenden Tschecho-Slowaken erfolgt zwar unter der Losung, die angeblich bevorstehende wirtschaftliche und politische Durchdringung Rußlands durch Deutschland zu verhindern, hat aber letzten Endes das weit¬ gespannte Ziel im Auge, einen neuen britischen „Reserveweg" nach dem Inneren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/175>, abgerufen am 22.07.2024.