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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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Auf der Marsicia

gekommen und ritz an dem gefrorenen Tauwerk und schlug und peitschte es und
stemmte sich gegen die Segel, die, von der Kälte erstarrt, wie eiserne Bretter
standen. Die Brain- und Oberbramsegel waren am Nachmittag geborgen worden,
schnell ehe der Sturm sie zerriß, die Brain und Obramrcmen an Deck genommen
und die Bramstenge heruntergefiert und am Untermast beigebunden.

Ich befehligte die Grotzmarsraa, an der das Großmarssegel, unser bestes
Segel, hing. Am Nachmittag hatten wir es -- zwei Maate und vierzehn Ma¬
trosen -- dicht reefen müssen, und nun stand es wie eine hohe graue Wand und
der Sturm rannte dagegen und schob es und mit ihm das Schiff durch den auf-
gepeitschten Gischt des Meeres immer schneller der Heimat zu. Wir aber standen
an Deck des Abends, froh, daß wir unsere Arbeit getan hatten, und müde und
frostig kletterten wir um 8 Uhr in unsere Hängematten.

Während die See das kleine Schiff stieß und umherwarf, schliefen wir,
nichts merkend von alledem in unseren Hängematten, unseren festen gesunden
Seemannsschlaf.

Gegen 11 Uhr abends jagte der Befehl durch das Schiff: "Alle Mann auf,
klar zum ManöverI" Und kaum waren wir aus der Hängematte, da kam schon
der zweite: "Marssegel bergen! Marssegel fehlt Enter aufi"

Die schnelle Folge der Befehle hieß, es war Gefahr. So ging es denn an
Deck, barfuß wie wir waren, nur in Hemd und Unterhose. An Deck schlug uns
eine stockschwarze Nacht entgegen. Der Sturm hatte sich zum Orkan gewandelt
und fraß jedes Kommandowort längst, ehe es über die Lippen kam. Man tastete
sich längs auf den gewohnten Platz. Ich zählte mit den Händen meine Grosz-
marsraagasten, ein Maat und sieben Mann an Steuerbord, ebensoviele an Back¬
bord. Dann ging es hinauf über die Warten und Puddings auf unsere Raa.
Der Sturm riß an unseren Händen! die aber griffen fest in das gefrorene Tau-
Werk, und ihr junges Blut ließ sich nicht irre machen. Denn nun galt es das
Leben. Schnell waren wir oben, und auf beiden Seiten kmmpften sich die Ma¬
trosen hinaus auf die Raa. Die Nummern 8 mußten ganz hinaus, auf die äußerste
Spitze, auf die Raanock. Bei jedem Überholen des Schiffes schlug ihnen die
kalte See ins Gesicht, denn jedesmal tauchte die Raauock weit hinein in das
empörte Element.

Unser Marssegel, das heute Nachmittag festgestanden hatte wie eine Mauer,
wurde jetzt von Deck aus aufgegait, damit wir es festmachen konnten. Nun aber
kam der Sturm und faßte es und schlug und riß an dem Segel, und vergebens
griffen unsere Hände herein, um es zu uns heraufzuholen auf die Raa, über die
wir lagen, mit dem Bauche uns festhaltend an dem runden Holze und mit den
Füßen in den schwankenden, einen Meter unter der Raa laufenden Tauen stehend.

Wenn wir des Segels nicht Herr wurden, dann zerfetzte es der Sturm,
und dann knickte er die Raa und zerbrach uns den Mast; dann war das Schiff
verloren.

Endlich hatte die Steuerbordseite einen Teil des wild um sich schlagenden
und zu Stahl erstarrten Segels gebändigt. Schon glaubten wir, wir würden es
schaffen -- da, ein Ruck, ein Riß, und der Riese, gegen den wir kämpften, hatte
uns die eiserne Leinwand ans den blutigen Händen gerissen. Jemand griff mich
am Arm und zog mich hinaus nach Steuerbord auf die Raa. Bis zum vierten
Manne kam ich. Hier hielten sie, die sich selbst kaum halten konnten, die Nummern 4
und 6, den fünften Matrosen. Man sah nichts, man hörte nichts. Aber schnell
tastete man sich ein Bild der Lage. Der Sturm hatte das fast gebändigte Segel
gefaßt, mit einem gewaltigen Griff aus den erstarrten Händen gerissen Und dann
hatte er es mit voller Wucht herniedergepeitscht aus die nackten Arme, die sich in
das gefrorene Tuch hineingekrampft hatten.

In jeder Korporalschast gibt es gute und schlechte Menschen. Der fünfte
Matrose hatte mir immer den größten Kummer gemacht. Erst kürzlich hatte ich
ihn wieder zur Bestrafung melden müssen. Auch die anderen liebten sein mür-
risches, finsteres Wesen nicht. Nun hing er da zwischen Himmel und Wasser.


Auf der Marsicia

gekommen und ritz an dem gefrorenen Tauwerk und schlug und peitschte es und
stemmte sich gegen die Segel, die, von der Kälte erstarrt, wie eiserne Bretter
standen. Die Brain- und Oberbramsegel waren am Nachmittag geborgen worden,
schnell ehe der Sturm sie zerriß, die Brain und Obramrcmen an Deck genommen
und die Bramstenge heruntergefiert und am Untermast beigebunden.

Ich befehligte die Grotzmarsraa, an der das Großmarssegel, unser bestes
Segel, hing. Am Nachmittag hatten wir es — zwei Maate und vierzehn Ma¬
trosen — dicht reefen müssen, und nun stand es wie eine hohe graue Wand und
der Sturm rannte dagegen und schob es und mit ihm das Schiff durch den auf-
gepeitschten Gischt des Meeres immer schneller der Heimat zu. Wir aber standen
an Deck des Abends, froh, daß wir unsere Arbeit getan hatten, und müde und
frostig kletterten wir um 8 Uhr in unsere Hängematten.

Während die See das kleine Schiff stieß und umherwarf, schliefen wir,
nichts merkend von alledem in unseren Hängematten, unseren festen gesunden
Seemannsschlaf.

Gegen 11 Uhr abends jagte der Befehl durch das Schiff: „Alle Mann auf,
klar zum ManöverI" Und kaum waren wir aus der Hängematte, da kam schon
der zweite: „Marssegel bergen! Marssegel fehlt Enter aufi"

Die schnelle Folge der Befehle hieß, es war Gefahr. So ging es denn an
Deck, barfuß wie wir waren, nur in Hemd und Unterhose. An Deck schlug uns
eine stockschwarze Nacht entgegen. Der Sturm hatte sich zum Orkan gewandelt
und fraß jedes Kommandowort längst, ehe es über die Lippen kam. Man tastete
sich längs auf den gewohnten Platz. Ich zählte mit den Händen meine Grosz-
marsraagasten, ein Maat und sieben Mann an Steuerbord, ebensoviele an Back¬
bord. Dann ging es hinauf über die Warten und Puddings auf unsere Raa.
Der Sturm riß an unseren Händen! die aber griffen fest in das gefrorene Tau-
Werk, und ihr junges Blut ließ sich nicht irre machen. Denn nun galt es das
Leben. Schnell waren wir oben, und auf beiden Seiten kmmpften sich die Ma¬
trosen hinaus auf die Raa. Die Nummern 8 mußten ganz hinaus, auf die äußerste
Spitze, auf die Raanock. Bei jedem Überholen des Schiffes schlug ihnen die
kalte See ins Gesicht, denn jedesmal tauchte die Raauock weit hinein in das
empörte Element.

Unser Marssegel, das heute Nachmittag festgestanden hatte wie eine Mauer,
wurde jetzt von Deck aus aufgegait, damit wir es festmachen konnten. Nun aber
kam der Sturm und faßte es und schlug und riß an dem Segel, und vergebens
griffen unsere Hände herein, um es zu uns heraufzuholen auf die Raa, über die
wir lagen, mit dem Bauche uns festhaltend an dem runden Holze und mit den
Füßen in den schwankenden, einen Meter unter der Raa laufenden Tauen stehend.

Wenn wir des Segels nicht Herr wurden, dann zerfetzte es der Sturm,
und dann knickte er die Raa und zerbrach uns den Mast; dann war das Schiff
verloren.

Endlich hatte die Steuerbordseite einen Teil des wild um sich schlagenden
und zu Stahl erstarrten Segels gebändigt. Schon glaubten wir, wir würden es
schaffen — da, ein Ruck, ein Riß, und der Riese, gegen den wir kämpften, hatte
uns die eiserne Leinwand ans den blutigen Händen gerissen. Jemand griff mich
am Arm und zog mich hinaus nach Steuerbord auf die Raa. Bis zum vierten
Manne kam ich. Hier hielten sie, die sich selbst kaum halten konnten, die Nummern 4
und 6, den fünften Matrosen. Man sah nichts, man hörte nichts. Aber schnell
tastete man sich ein Bild der Lage. Der Sturm hatte das fast gebändigte Segel
gefaßt, mit einem gewaltigen Griff aus den erstarrten Händen gerissen Und dann
hatte er es mit voller Wucht herniedergepeitscht aus die nackten Arme, die sich in
das gefrorene Tuch hineingekrampft hatten.

In jeder Korporalschast gibt es gute und schlechte Menschen. Der fünfte
Matrose hatte mir immer den größten Kummer gemacht. Erst kürzlich hatte ich
ihn wieder zur Bestrafung melden müssen. Auch die anderen liebten sein mür-
risches, finsteres Wesen nicht. Nun hing er da zwischen Himmel und Wasser.


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[0163] Auf der Marsicia gekommen und ritz an dem gefrorenen Tauwerk und schlug und peitschte es und stemmte sich gegen die Segel, die, von der Kälte erstarrt, wie eiserne Bretter standen. Die Brain- und Oberbramsegel waren am Nachmittag geborgen worden, schnell ehe der Sturm sie zerriß, die Brain und Obramrcmen an Deck genommen und die Bramstenge heruntergefiert und am Untermast beigebunden. Ich befehligte die Grotzmarsraa, an der das Großmarssegel, unser bestes Segel, hing. Am Nachmittag hatten wir es — zwei Maate und vierzehn Ma¬ trosen — dicht reefen müssen, und nun stand es wie eine hohe graue Wand und der Sturm rannte dagegen und schob es und mit ihm das Schiff durch den auf- gepeitschten Gischt des Meeres immer schneller der Heimat zu. Wir aber standen an Deck des Abends, froh, daß wir unsere Arbeit getan hatten, und müde und frostig kletterten wir um 8 Uhr in unsere Hängematten. Während die See das kleine Schiff stieß und umherwarf, schliefen wir, nichts merkend von alledem in unseren Hängematten, unseren festen gesunden Seemannsschlaf. Gegen 11 Uhr abends jagte der Befehl durch das Schiff: „Alle Mann auf, klar zum ManöverI" Und kaum waren wir aus der Hängematte, da kam schon der zweite: „Marssegel bergen! Marssegel fehlt Enter aufi" Die schnelle Folge der Befehle hieß, es war Gefahr. So ging es denn an Deck, barfuß wie wir waren, nur in Hemd und Unterhose. An Deck schlug uns eine stockschwarze Nacht entgegen. Der Sturm hatte sich zum Orkan gewandelt und fraß jedes Kommandowort längst, ehe es über die Lippen kam. Man tastete sich längs auf den gewohnten Platz. Ich zählte mit den Händen meine Grosz- marsraagasten, ein Maat und sieben Mann an Steuerbord, ebensoviele an Back¬ bord. Dann ging es hinauf über die Warten und Puddings auf unsere Raa. Der Sturm riß an unseren Händen! die aber griffen fest in das gefrorene Tau- Werk, und ihr junges Blut ließ sich nicht irre machen. Denn nun galt es das Leben. Schnell waren wir oben, und auf beiden Seiten kmmpften sich die Ma¬ trosen hinaus auf die Raa. Die Nummern 8 mußten ganz hinaus, auf die äußerste Spitze, auf die Raanock. Bei jedem Überholen des Schiffes schlug ihnen die kalte See ins Gesicht, denn jedesmal tauchte die Raauock weit hinein in das empörte Element. Unser Marssegel, das heute Nachmittag festgestanden hatte wie eine Mauer, wurde jetzt von Deck aus aufgegait, damit wir es festmachen konnten. Nun aber kam der Sturm und faßte es und schlug und riß an dem Segel, und vergebens griffen unsere Hände herein, um es zu uns heraufzuholen auf die Raa, über die wir lagen, mit dem Bauche uns festhaltend an dem runden Holze und mit den Füßen in den schwankenden, einen Meter unter der Raa laufenden Tauen stehend. Wenn wir des Segels nicht Herr wurden, dann zerfetzte es der Sturm, und dann knickte er die Raa und zerbrach uns den Mast; dann war das Schiff verloren. Endlich hatte die Steuerbordseite einen Teil des wild um sich schlagenden und zu Stahl erstarrten Segels gebändigt. Schon glaubten wir, wir würden es schaffen — da, ein Ruck, ein Riß, und der Riese, gegen den wir kämpften, hatte uns die eiserne Leinwand ans den blutigen Händen gerissen. Jemand griff mich am Arm und zog mich hinaus nach Steuerbord auf die Raa. Bis zum vierten Manne kam ich. Hier hielten sie, die sich selbst kaum halten konnten, die Nummern 4 und 6, den fünften Matrosen. Man sah nichts, man hörte nichts. Aber schnell tastete man sich ein Bild der Lage. Der Sturm hatte das fast gebändigte Segel gefaßt, mit einem gewaltigen Griff aus den erstarrten Händen gerissen Und dann hatte er es mit voller Wucht herniedergepeitscht aus die nackten Arme, die sich in das gefrorene Tuch hineingekrampft hatten. In jeder Korporalschast gibt es gute und schlechte Menschen. Der fünfte Matrose hatte mir immer den größten Kummer gemacht. Erst kürzlich hatte ich ihn wieder zur Bestrafung melden müssen. Auch die anderen liebten sein mür- risches, finsteres Wesen nicht. Nun hing er da zwischen Himmel und Wasser.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/163>, abgerufen am 29.06.2024.