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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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Randglossen zum Tage

Backen- oder Schneidezahn gehen, aber nicht ohne einen anständigen Sommer¬
oder Winteranzug, wenn er nicht dauernden sozialen oder beruflichen Schaden
nehmen will. Indessen "schon zuckt nach jedem Nacken die Schärfe, die nach
meinem zuckt" und in einiger Zeit werden die Herren, die auch in dieser Zeit so
reichliche Kleidervorräte besitzen, wie es die Lebensordnung für den Gent vorschreibt,
das angenehme Gefühl haben, daß ihre Eleganz sich noch leuchtender von der
Schäbigkeit derer abhebt, deren Tätigkeit vielleicht wertvoller, aber nicht lohnender
ist, als die ihre. Das Goethewort "Dem Phlegma gehört die Welt" läßt sich
mit mehr Recht dahin variieren "Dem Schieber gehört die Welt". Der Held
stirbt und der Händler wird immer reicher. Der Fiskus jagt mit dem Schmetter¬
lingsnetz der neuen Steuern hinter den Millionärs-Schmetterlingen her, die
schillernd aus der Verpuppung des Kriegswncherers gekrochen sind. Der württem¬
bergische Finanzminister hat uns vorgerechnet, daß der Fang außerordentlich viel
ergiebiger sein könnte, wenn die Netze besser wären. Nein, nichts bewahrt uns
vor dem künftigen Anblick der Reize der neuen Reichtumsschicht, nichts rettet uns
davor, daß wir neben den Tänzen strebsamer Jungfrauen auf der Bühne auch
noch die Tänze sehen müssen, die um die goldenen Kälber aufgeführt werden.
Aus dem nicht mehr ungewöhnlichen Wege der Ehe oder der Adoption wird der
arme aber ehrliche Aristokrat an den Verdiensten dieser neuen Klasse teilzunehmen
suchen und in fortschreitender Demokratisierung wird sich christlicher Adel deutscher
Nation mit den Töchtern erfolgreicher Eiersatzfabrikanten und kluger Büchsenfleisch -
imitatoren in Salons, die der strahlende 'Schwiegerpapa im Stile von Louis
Seize dem Fünfzehnten hat anfertigen lassen, traut vereinen.

Als Niederschlag der hier geschilderten unbegrenzten Möglichkeiten in Ver¬
bindung mit der nach dem Urteil aller Sachverständigen dringend nötigen durch¬
greifenden Reform unserer Diplomatie präsentiert sich folgendes Inserat aus der
"Frankfurter Zeitung" vom 28. Juli:


FttNil Ma Familie!

Attachö in hoher Position mit
größter Zukunft, große, elegante Er¬
scheinung, 30 Jahre alt, freidenkend,
gesund, allererste Familie, Vater Ex¬
zellenz, sucht, da keine Gesellschaften
stattfinden, auf diesen? Wege eine

aus bester Familie, deren Vermögen
es gestattet, die Frau eines zukünftigen
Botschafters zu werden.
Gegenseitige Diskretion Ehrensache.
Vermittler streng verbeten.
Um ausführliche Anträge ersucht
gefälligst Postlagernd Jnvaliden-
i>aut Berlin unt. der Chiffre usw.

Millionärstöchter von heute und von morgen, hier ist eure Chance! Hand in
Hand mit diesem Attache in hoher Position könnt ihr gänzlich vergessen machen,,
woher Papas Millionen stammen, könnt auf die höchsten Höhen der Gesellschaft


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Backen- oder Schneidezahn gehen, aber nicht ohne einen anständigen Sommer¬
oder Winteranzug, wenn er nicht dauernden sozialen oder beruflichen Schaden
nehmen will. Indessen „schon zuckt nach jedem Nacken die Schärfe, die nach
meinem zuckt" und in einiger Zeit werden die Herren, die auch in dieser Zeit so
reichliche Kleidervorräte besitzen, wie es die Lebensordnung für den Gent vorschreibt,
das angenehme Gefühl haben, daß ihre Eleganz sich noch leuchtender von der
Schäbigkeit derer abhebt, deren Tätigkeit vielleicht wertvoller, aber nicht lohnender
ist, als die ihre. Das Goethewort „Dem Phlegma gehört die Welt" läßt sich
mit mehr Recht dahin variieren „Dem Schieber gehört die Welt". Der Held
stirbt und der Händler wird immer reicher. Der Fiskus jagt mit dem Schmetter¬
lingsnetz der neuen Steuern hinter den Millionärs-Schmetterlingen her, die
schillernd aus der Verpuppung des Kriegswncherers gekrochen sind. Der württem¬
bergische Finanzminister hat uns vorgerechnet, daß der Fang außerordentlich viel
ergiebiger sein könnte, wenn die Netze besser wären. Nein, nichts bewahrt uns
vor dem künftigen Anblick der Reize der neuen Reichtumsschicht, nichts rettet uns
davor, daß wir neben den Tänzen strebsamer Jungfrauen auf der Bühne auch
noch die Tänze sehen müssen, die um die goldenen Kälber aufgeführt werden.
Aus dem nicht mehr ungewöhnlichen Wege der Ehe oder der Adoption wird der
arme aber ehrliche Aristokrat an den Verdiensten dieser neuen Klasse teilzunehmen
suchen und in fortschreitender Demokratisierung wird sich christlicher Adel deutscher
Nation mit den Töchtern erfolgreicher Eiersatzfabrikanten und kluger Büchsenfleisch -
imitatoren in Salons, die der strahlende 'Schwiegerpapa im Stile von Louis
Seize dem Fünfzehnten hat anfertigen lassen, traut vereinen.

Als Niederschlag der hier geschilderten unbegrenzten Möglichkeiten in Ver¬
bindung mit der nach dem Urteil aller Sachverständigen dringend nötigen durch¬
greifenden Reform unserer Diplomatie präsentiert sich folgendes Inserat aus der
„Frankfurter Zeitung" vom 28. Juli:


FttNil Ma Familie!

Attachö in hoher Position mit
größter Zukunft, große, elegante Er¬
scheinung, 30 Jahre alt, freidenkend,
gesund, allererste Familie, Vater Ex¬
zellenz, sucht, da keine Gesellschaften
stattfinden, auf diesen? Wege eine

aus bester Familie, deren Vermögen
es gestattet, die Frau eines zukünftigen
Botschafters zu werden.
Gegenseitige Diskretion Ehrensache.
Vermittler streng verbeten.
Um ausführliche Anträge ersucht
gefälligst Postlagernd Jnvaliden-
i>aut Berlin unt. der Chiffre usw.

Millionärstöchter von heute und von morgen, hier ist eure Chance! Hand in
Hand mit diesem Attache in hoher Position könnt ihr gänzlich vergessen machen,,
woher Papas Millionen stammen, könnt auf die höchsten Höhen der Gesellschaft


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[0160] Randglossen zum Tage Backen- oder Schneidezahn gehen, aber nicht ohne einen anständigen Sommer¬ oder Winteranzug, wenn er nicht dauernden sozialen oder beruflichen Schaden nehmen will. Indessen „schon zuckt nach jedem Nacken die Schärfe, die nach meinem zuckt" und in einiger Zeit werden die Herren, die auch in dieser Zeit so reichliche Kleidervorräte besitzen, wie es die Lebensordnung für den Gent vorschreibt, das angenehme Gefühl haben, daß ihre Eleganz sich noch leuchtender von der Schäbigkeit derer abhebt, deren Tätigkeit vielleicht wertvoller, aber nicht lohnender ist, als die ihre. Das Goethewort „Dem Phlegma gehört die Welt" läßt sich mit mehr Recht dahin variieren „Dem Schieber gehört die Welt". Der Held stirbt und der Händler wird immer reicher. Der Fiskus jagt mit dem Schmetter¬ lingsnetz der neuen Steuern hinter den Millionärs-Schmetterlingen her, die schillernd aus der Verpuppung des Kriegswncherers gekrochen sind. Der württem¬ bergische Finanzminister hat uns vorgerechnet, daß der Fang außerordentlich viel ergiebiger sein könnte, wenn die Netze besser wären. Nein, nichts bewahrt uns vor dem künftigen Anblick der Reize der neuen Reichtumsschicht, nichts rettet uns davor, daß wir neben den Tänzen strebsamer Jungfrauen auf der Bühne auch noch die Tänze sehen müssen, die um die goldenen Kälber aufgeführt werden. Aus dem nicht mehr ungewöhnlichen Wege der Ehe oder der Adoption wird der arme aber ehrliche Aristokrat an den Verdiensten dieser neuen Klasse teilzunehmen suchen und in fortschreitender Demokratisierung wird sich christlicher Adel deutscher Nation mit den Töchtern erfolgreicher Eiersatzfabrikanten und kluger Büchsenfleisch - imitatoren in Salons, die der strahlende 'Schwiegerpapa im Stile von Louis Seize dem Fünfzehnten hat anfertigen lassen, traut vereinen. Als Niederschlag der hier geschilderten unbegrenzten Möglichkeiten in Ver¬ bindung mit der nach dem Urteil aller Sachverständigen dringend nötigen durch¬ greifenden Reform unserer Diplomatie präsentiert sich folgendes Inserat aus der „Frankfurter Zeitung" vom 28. Juli: [Abbildung FttNil Ma Familie! Attachö in hoher Position mit größter Zukunft, große, elegante Er¬ scheinung, 30 Jahre alt, freidenkend, gesund, allererste Familie, Vater Ex¬ zellenz, sucht, da keine Gesellschaften stattfinden, auf diesen? Wege eine aus bester Familie, deren Vermögen es gestattet, die Frau eines zukünftigen Botschafters zu werden. Gegenseitige Diskretion Ehrensache. Vermittler streng verbeten. Um ausführliche Anträge ersucht gefälligst Postlagernd Jnvaliden- i>aut Berlin unt. der Chiffre usw. ] Millionärstöchter von heute und von morgen, hier ist eure Chance! Hand in Hand mit diesem Attache in hoher Position könnt ihr gänzlich vergessen machen,, woher Papas Millionen stammen, könnt auf die höchsten Höhen der Gesellschaft

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/160>, abgerufen am 01.07.2024.