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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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Die nationale Abgrenzung in Böhmen

Vor allem gewünscht wurde und was die natürliche Grundlage der Verwaltungs¬
einteilung schaffen würde, unterlassen. Da sie sich als Durchfiihrungsverordnuug
zu einem fünfzig Jahre alten, aber nicht verwirklichten Gesetz über Kreiseinteilung
in Osterreich gibt, die Teilung oder Zusammenlegung von Ortsgemeinden und
die Änderung der Gerichtsbezirkssprengel aber ein Landesgesetz erfordert, hat sie
lediglich die Bezirtshauptumnnschaften neu abgegrenzt, indem sie ihnen ganze
Gerichtsbezirke und Ortsgemeinden meente, die Ortschaften und Gerichtsbezirke
aber unberührt ließ. Es werden neue Bezirkshauptmannschaften errichtet und die
nunmehr grundsätzlich aus Ortsgemeinden mit derselben Mehrheitssprache zusam¬
mengesetzten, also viele anderssprachige Ortschaften als Minderheiten umschließenden,
Hauptmcmnschaften zu "nationalen" Kreisen zusammengefaßt. Die nationale Ab¬
grenzung ist also grundsätzlich nicht bis ins einzelne, sondern nur generell durch¬
geführt und gerade die umstrittensten, von den Schutzvereinen am eifrigsten unter¬
stützten Orte sollen durch sie endgültig preisgegeben werden. Dazu kommt, daß
auch Ortsgemeinden, die nunmehr einem gleichsprachigen politischen Bezirk zuge¬
wiesen sino, dennoch bei dem anderssprachigen Gerichtsbezirk bleiben und endlich,
daß das bisherige System der Verordnung der Bezirkshauptmannschaftcn über
die Gerichtsbezirke aufgehoben wurde. In ganz Osterreich sind die Gerichtsbezirke
Teile der politischen. In Böhmen aber soll nunmehr so mancher Ort in der
Gerichts-, aber auch Bezirksvertretuugs-, Stratzenbezirkseinteilung usw. anders¬
wohin gehören, als in derjenigen der staatlichen Verwaltung. Der Sitz seiner
auionomen Bezirksbeyörde untersteht nicht derselben politischen Behörde, wie er
selbst. Das ist an sich ein Anlaß zu Unklarheiten und Reibungen, die durch die
allmähliche Durchführung der Umgestaltungen eher vermehrt als vermindert werden.
Es wird aber unerträglich für viele Gemeinden durch die Lage der neuen Bezirks¬
orte und ihre große Entfernung auch von den Gerichtsorten. Vollends die Kreis¬
orte sind zu wenig zahlreich und zu rcwdlich gelegen. Zu der ungenügenden
nationalen Abgrenzung treten also fühlbare Erschwerungen des praktischen Lebens,
des amtlichen und geschäftlichen Verkehrs hinzu. Es werden im Süden geradezu
thüringische Zustände geschaffen.

Ohne Karte läßt sich das schwer im einzelnen belegen. Es sei daher nur
kurz erwähnt, daß die sieben tschechischen Kreise, entsprechend der Verteilung des
Tsevechentums, geschlossen sind und mit ihrer gedrungenen Gestalt natürlichen
Teilen Zentralböhmens ganz gut entsprechen. Auch der Kreis "Budweis, Ab¬
teilung II", der durch Abtrennung rcintschechischer Gebiete von der Budweiser
Bezirkshauptmannschaft zu einem gemischten wurde (umschließt er doch die Bud¬
weiser deutsche Sprachinsel), ist im ganzen zweckmäßig begrenzt. Deutschnord-
böhmen zerfällt in drei aneinandergrenzende Kreise, deren Hauptorte Eger, Leit-
meritz und Reichenberg stark randlich (und Lewneritz noch dazu sehr nahe der
Sprachgrenze) liegen. Deutschsüdwestböhmen bildet den Kreis "Budweis, Ab¬
teilung I", dessen Mittelpunkt außerhalb seines. Gebietes, aber im Schnittpunkte
der von seinen Enden ausgehenden Radien und Verkehrslinien liegt' die Lage
von Budweis- ist ja für Südböhmen der von Prag oder Pilsen für Mittel- und
Westböhmen verwandt, ein natürlicher Knotenpunkt. Dieser Kreis umfaßt drei
getrennte Teile: das geschlossene Volksgebiet im Böhmerwald bis an die Gmünder
Pforte, die aus Niederösterreich übergreifende Sprachhalbinsel von Neubistritz und
den böhmischen Anteil der aus Mähren übergreifenden Iglauer Sprachinsel. Die
beiden letzten sind zu einer Bezirkshauptmannschaft Neubistritz verbunden worden.
Deutschostböhmen, der Trautemmer Kreis, hat gar vier Gebietsteile, von denen
allerdings die beiden mittleren, die Bezirkshauptmannschaft Grullas bildenden,
nur durch eine Gemeinde getrennt werden. Der südlichste Teil dieses Kreises ist
der böhmische Anteil der Schönhengstler Sprachinsel, deren Zentrum Zwittau in
Mähren ist. Sein Bezirksvrt Landskron liegt ganz am Nordende; zu dem alten
tschechischen Bezirksort, der heute noch Gerichtsort bleiben soll, aber haben die
Bewohner des Südens (nach Policka) und der Mitte (nach Leitomischl) nicht weit.
Nach dem neuen Kreisort haben sie zwar in der Luftlinie, aber nicht mit der


Die nationale Abgrenzung in Böhmen

Vor allem gewünscht wurde und was die natürliche Grundlage der Verwaltungs¬
einteilung schaffen würde, unterlassen. Da sie sich als Durchfiihrungsverordnuug
zu einem fünfzig Jahre alten, aber nicht verwirklichten Gesetz über Kreiseinteilung
in Osterreich gibt, die Teilung oder Zusammenlegung von Ortsgemeinden und
die Änderung der Gerichtsbezirkssprengel aber ein Landesgesetz erfordert, hat sie
lediglich die Bezirtshauptumnnschaften neu abgegrenzt, indem sie ihnen ganze
Gerichtsbezirke und Ortsgemeinden meente, die Ortschaften und Gerichtsbezirke
aber unberührt ließ. Es werden neue Bezirkshauptmannschaften errichtet und die
nunmehr grundsätzlich aus Ortsgemeinden mit derselben Mehrheitssprache zusam¬
mengesetzten, also viele anderssprachige Ortschaften als Minderheiten umschließenden,
Hauptmcmnschaften zu „nationalen" Kreisen zusammengefaßt. Die nationale Ab¬
grenzung ist also grundsätzlich nicht bis ins einzelne, sondern nur generell durch¬
geführt und gerade die umstrittensten, von den Schutzvereinen am eifrigsten unter¬
stützten Orte sollen durch sie endgültig preisgegeben werden. Dazu kommt, daß
auch Ortsgemeinden, die nunmehr einem gleichsprachigen politischen Bezirk zuge¬
wiesen sino, dennoch bei dem anderssprachigen Gerichtsbezirk bleiben und endlich,
daß das bisherige System der Verordnung der Bezirkshauptmannschaftcn über
die Gerichtsbezirke aufgehoben wurde. In ganz Osterreich sind die Gerichtsbezirke
Teile der politischen. In Böhmen aber soll nunmehr so mancher Ort in der
Gerichts-, aber auch Bezirksvertretuugs-, Stratzenbezirkseinteilung usw. anders¬
wohin gehören, als in derjenigen der staatlichen Verwaltung. Der Sitz seiner
auionomen Bezirksbeyörde untersteht nicht derselben politischen Behörde, wie er
selbst. Das ist an sich ein Anlaß zu Unklarheiten und Reibungen, die durch die
allmähliche Durchführung der Umgestaltungen eher vermehrt als vermindert werden.
Es wird aber unerträglich für viele Gemeinden durch die Lage der neuen Bezirks¬
orte und ihre große Entfernung auch von den Gerichtsorten. Vollends die Kreis¬
orte sind zu wenig zahlreich und zu rcwdlich gelegen. Zu der ungenügenden
nationalen Abgrenzung treten also fühlbare Erschwerungen des praktischen Lebens,
des amtlichen und geschäftlichen Verkehrs hinzu. Es werden im Süden geradezu
thüringische Zustände geschaffen.

Ohne Karte läßt sich das schwer im einzelnen belegen. Es sei daher nur
kurz erwähnt, daß die sieben tschechischen Kreise, entsprechend der Verteilung des
Tsevechentums, geschlossen sind und mit ihrer gedrungenen Gestalt natürlichen
Teilen Zentralböhmens ganz gut entsprechen. Auch der Kreis „Budweis, Ab¬
teilung II", der durch Abtrennung rcintschechischer Gebiete von der Budweiser
Bezirkshauptmannschaft zu einem gemischten wurde (umschließt er doch die Bud¬
weiser deutsche Sprachinsel), ist im ganzen zweckmäßig begrenzt. Deutschnord-
böhmen zerfällt in drei aneinandergrenzende Kreise, deren Hauptorte Eger, Leit-
meritz und Reichenberg stark randlich (und Lewneritz noch dazu sehr nahe der
Sprachgrenze) liegen. Deutschsüdwestböhmen bildet den Kreis „Budweis, Ab¬
teilung I", dessen Mittelpunkt außerhalb seines. Gebietes, aber im Schnittpunkte
der von seinen Enden ausgehenden Radien und Verkehrslinien liegt' die Lage
von Budweis- ist ja für Südböhmen der von Prag oder Pilsen für Mittel- und
Westböhmen verwandt, ein natürlicher Knotenpunkt. Dieser Kreis umfaßt drei
getrennte Teile: das geschlossene Volksgebiet im Böhmerwald bis an die Gmünder
Pforte, die aus Niederösterreich übergreifende Sprachhalbinsel von Neubistritz und
den böhmischen Anteil der aus Mähren übergreifenden Iglauer Sprachinsel. Die
beiden letzten sind zu einer Bezirkshauptmannschaft Neubistritz verbunden worden.
Deutschostböhmen, der Trautemmer Kreis, hat gar vier Gebietsteile, von denen
allerdings die beiden mittleren, die Bezirkshauptmannschaft Grullas bildenden,
nur durch eine Gemeinde getrennt werden. Der südlichste Teil dieses Kreises ist
der böhmische Anteil der Schönhengstler Sprachinsel, deren Zentrum Zwittau in
Mähren ist. Sein Bezirksvrt Landskron liegt ganz am Nordende; zu dem alten
tschechischen Bezirksort, der heute noch Gerichtsort bleiben soll, aber haben die
Bewohner des Südens (nach Policka) und der Mitte (nach Leitomischl) nicht weit.
Nach dem neuen Kreisort haben sie zwar in der Luftlinie, aber nicht mit der


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[0158] Die nationale Abgrenzung in Böhmen Vor allem gewünscht wurde und was die natürliche Grundlage der Verwaltungs¬ einteilung schaffen würde, unterlassen. Da sie sich als Durchfiihrungsverordnuug zu einem fünfzig Jahre alten, aber nicht verwirklichten Gesetz über Kreiseinteilung in Osterreich gibt, die Teilung oder Zusammenlegung von Ortsgemeinden und die Änderung der Gerichtsbezirkssprengel aber ein Landesgesetz erfordert, hat sie lediglich die Bezirtshauptumnnschaften neu abgegrenzt, indem sie ihnen ganze Gerichtsbezirke und Ortsgemeinden meente, die Ortschaften und Gerichtsbezirke aber unberührt ließ. Es werden neue Bezirkshauptmannschaften errichtet und die nunmehr grundsätzlich aus Ortsgemeinden mit derselben Mehrheitssprache zusam¬ mengesetzten, also viele anderssprachige Ortschaften als Minderheiten umschließenden, Hauptmcmnschaften zu „nationalen" Kreisen zusammengefaßt. Die nationale Ab¬ grenzung ist also grundsätzlich nicht bis ins einzelne, sondern nur generell durch¬ geführt und gerade die umstrittensten, von den Schutzvereinen am eifrigsten unter¬ stützten Orte sollen durch sie endgültig preisgegeben werden. Dazu kommt, daß auch Ortsgemeinden, die nunmehr einem gleichsprachigen politischen Bezirk zuge¬ wiesen sino, dennoch bei dem anderssprachigen Gerichtsbezirk bleiben und endlich, daß das bisherige System der Verordnung der Bezirkshauptmannschaftcn über die Gerichtsbezirke aufgehoben wurde. In ganz Osterreich sind die Gerichtsbezirke Teile der politischen. In Böhmen aber soll nunmehr so mancher Ort in der Gerichts-, aber auch Bezirksvertretuugs-, Stratzenbezirkseinteilung usw. anders¬ wohin gehören, als in derjenigen der staatlichen Verwaltung. Der Sitz seiner auionomen Bezirksbeyörde untersteht nicht derselben politischen Behörde, wie er selbst. Das ist an sich ein Anlaß zu Unklarheiten und Reibungen, die durch die allmähliche Durchführung der Umgestaltungen eher vermehrt als vermindert werden. Es wird aber unerträglich für viele Gemeinden durch die Lage der neuen Bezirks¬ orte und ihre große Entfernung auch von den Gerichtsorten. Vollends die Kreis¬ orte sind zu wenig zahlreich und zu rcwdlich gelegen. Zu der ungenügenden nationalen Abgrenzung treten also fühlbare Erschwerungen des praktischen Lebens, des amtlichen und geschäftlichen Verkehrs hinzu. Es werden im Süden geradezu thüringische Zustände geschaffen. Ohne Karte läßt sich das schwer im einzelnen belegen. Es sei daher nur kurz erwähnt, daß die sieben tschechischen Kreise, entsprechend der Verteilung des Tsevechentums, geschlossen sind und mit ihrer gedrungenen Gestalt natürlichen Teilen Zentralböhmens ganz gut entsprechen. Auch der Kreis „Budweis, Ab¬ teilung II", der durch Abtrennung rcintschechischer Gebiete von der Budweiser Bezirkshauptmannschaft zu einem gemischten wurde (umschließt er doch die Bud¬ weiser deutsche Sprachinsel), ist im ganzen zweckmäßig begrenzt. Deutschnord- böhmen zerfällt in drei aneinandergrenzende Kreise, deren Hauptorte Eger, Leit- meritz und Reichenberg stark randlich (und Lewneritz noch dazu sehr nahe der Sprachgrenze) liegen. Deutschsüdwestböhmen bildet den Kreis „Budweis, Ab¬ teilung I", dessen Mittelpunkt außerhalb seines. Gebietes, aber im Schnittpunkte der von seinen Enden ausgehenden Radien und Verkehrslinien liegt' die Lage von Budweis- ist ja für Südböhmen der von Prag oder Pilsen für Mittel- und Westböhmen verwandt, ein natürlicher Knotenpunkt. Dieser Kreis umfaßt drei getrennte Teile: das geschlossene Volksgebiet im Böhmerwald bis an die Gmünder Pforte, die aus Niederösterreich übergreifende Sprachhalbinsel von Neubistritz und den böhmischen Anteil der aus Mähren übergreifenden Iglauer Sprachinsel. Die beiden letzten sind zu einer Bezirkshauptmannschaft Neubistritz verbunden worden. Deutschostböhmen, der Trautemmer Kreis, hat gar vier Gebietsteile, von denen allerdings die beiden mittleren, die Bezirkshauptmannschaft Grullas bildenden, nur durch eine Gemeinde getrennt werden. Der südlichste Teil dieses Kreises ist der böhmische Anteil der Schönhengstler Sprachinsel, deren Zentrum Zwittau in Mähren ist. Sein Bezirksvrt Landskron liegt ganz am Nordende; zu dem alten tschechischen Bezirksort, der heute noch Gerichtsort bleiben soll, aber haben die Bewohner des Südens (nach Policka) und der Mitte (nach Leitomischl) nicht weit. Nach dem neuen Kreisort haben sie zwar in der Luftlinie, aber nicht mit der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/158>, abgerufen am 02.10.2024.