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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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Oberfläche weiter und unter der rapid anwachsenden Fabrikbevölkerung Rigas,
Libaus und Nepals, aber auch unter den bäuerlichen Landknechten fand das neue
Evangelium gierige Aufnahme. Diejenigen lettischen und chemischen Kreise aber,
denen diese bedrohlichen Verhältnisse kein Geheimnis und nicht erwünscht waren,
wagten es nicht, dagegen aufzutreten, teils, um die leicht zu erschütternde Popularität
nicht einzubüßen, teils, um nicht in den gefährlichen Ruf zu kommen, es mit den
Deutschen zu halten, die sie vielfach schon als "morituri" ansahen, deren Erb¬
schaft sie auf der ganzen Linie anzutreten hätten. War es nun auch noch nicht
so weit, so zeigte doch das deutsche Element in der Tat, von allen Seiten auf daS>
schonungsloseste bedrängt und befehdet, unter schwerem politischen und damit ver¬
bundenem wirtschaftlichen Druck einen beängstigenden Rückgang. Nicht nur, daß
in den kleinen Städten die Deutschen meist völlig aus dem städtischen Regiment
verdrängt wurden, auch wirtschaftlich wurden sie immer mehr in den Hintergrund
gedrängt. Gerade im letzten Menschenalter ist der früher fast reindeutsche Hand¬
werkerstand an manchen Orten völlig verschwunden, das deutsche Müllergewerbe
auf dem Lande zusammengeschmolzen, die Zahl der deutschen Guts- und Wirt¬
schaftsbeamten erheblich zurückgegangen. Die Bedürfnislosigkeit der von unten
aufdrängenden Letten und Ehlen' und das unter der Misere stumpfgewordene
Nationalgefühl der Deutschen, die aufhörten an eine gedeihliche Zukunft zu glauben,
haben da Hand in Hand gearbeitet. Der Leite und Este, in Kurland auch der
Jude, rückten an die Stelle, die der Deutsche nicht behaupten konnte, zumal der
Zustrom deutscher Elemente eins Deutschland ebenso aufhörte, wie die friedliche
Assimilierung keltischer und chemischer Kreise, seitdem die deutsche Schule vernichtet
und die politische bevorrechtete Stellung der Deutschen in Trümmer geschlagen
worden war. Erst als die Revolution von 1905 sich zuletzt gegen Dynastie und
russischen Staat wandte und die über diese Wendung erschrockenen Gewalthaber
in Petersburg sich gezwungen sahen, wenn auch vorübergehend, dem staaterhal¬
tenden Element der baltischen Deutschen ein gewisses Entgegenkommen zu zeigen,
vermochten die Deutschen bei uns im Lande wieder Hand an schöpferische Arbeit
M legen. Was da von Ritterschaften und den deutschen "Vereinen" in Liv°,
Est- und .Kurland auf dem Gebiet der deutschen Schule trotz aller Schwierig¬
keiten geschaffen worden ist, darüber belehrt u. a. in vortrefflicher Weise der
Aufsatz von Professor K. Kuppfer im "Livländischen Kalender 1918". In der Arbeit
der Livländischen Ökonomischeu Gesellschaft in Livland und ihres Präsidenten
Erich von Oettingen wie in der der gleichen Gesellschaften in Est- und Kurland
liegt ein bedeutsames Stück der Festigung der wirtschaftlichen Rentabilität der
deutschen Großgrundbesitzer. Auch darüber informiert der "Livl. Kalender" durch
eine Darlegung aus der Feder E. v. Oellingers. Hand in Hand damit gingen
die Bemühungen der baltischen Adelsverbände und Gutsbesitzerverbände, dem Nber-
gaug vom wirtschaftlich schwachen deutschen Großgrundbesitz in chemisch-lettische Hände
durch Einsetzung gemeinsamer Kräfte vorzubeugen. Es wurden zur Stärkung der
wirtschaftlichen Stellung des deutschen Grundbesitzes Wirtschaftsberatungsstellen,
Buchhaltungszentralen nach dem von Professor Arebol geschaffenen Vorbilde unter
Leitung von Dr. Warmhold in Gang gebracht, wie schon früher Zentralstellen für
das Meliorationswesen, für rationelle Viehzucht und eine Schule für deutsche Wirt"
schaftsbeamten eröffnet wurden. Und nicht anders war es in den Städten, wo es
dem nationalen Opfersinn weiter deutscher Kreise glückte, einem Häuserspekulanten-
t.um, das skrupellos deutschen Häuserbesitz an Letten und Ehlen verschacherte, wenn
nur hohe Preise geboten wurden, einen Riegel vorzuschieben. In Riga, Milan,
Reval, Dorpat und anderen Orten ist mit schönem Erfolg der deutsche Jmmo-
bUienbesitz gehalten und vermehrt worden. Der 'Gedanke, daß eine Nation von
"Mietern" um Grunde kein Daseinsrecht habe, und daß es eine nationale Schmach
s-i, um Silberlinge willen das väterliche Besitztum zu veräußern, wenn dadurch
die Macht der nationalen Gegner verstärk würde -- faßte überall von neuem
Boden. Und indem man der starken wirtschaftlichen Stellung der Letten und
Ehlen völlig Rechnung trug, gelang es durch Wahlkompromisse mit dem gemäßigten


Schwankende!; im Baltikum

Oberfläche weiter und unter der rapid anwachsenden Fabrikbevölkerung Rigas,
Libaus und Nepals, aber auch unter den bäuerlichen Landknechten fand das neue
Evangelium gierige Aufnahme. Diejenigen lettischen und chemischen Kreise aber,
denen diese bedrohlichen Verhältnisse kein Geheimnis und nicht erwünscht waren,
wagten es nicht, dagegen aufzutreten, teils, um die leicht zu erschütternde Popularität
nicht einzubüßen, teils, um nicht in den gefährlichen Ruf zu kommen, es mit den
Deutschen zu halten, die sie vielfach schon als „morituri" ansahen, deren Erb¬
schaft sie auf der ganzen Linie anzutreten hätten. War es nun auch noch nicht
so weit, so zeigte doch das deutsche Element in der Tat, von allen Seiten auf daS>
schonungsloseste bedrängt und befehdet, unter schwerem politischen und damit ver¬
bundenem wirtschaftlichen Druck einen beängstigenden Rückgang. Nicht nur, daß
in den kleinen Städten die Deutschen meist völlig aus dem städtischen Regiment
verdrängt wurden, auch wirtschaftlich wurden sie immer mehr in den Hintergrund
gedrängt. Gerade im letzten Menschenalter ist der früher fast reindeutsche Hand¬
werkerstand an manchen Orten völlig verschwunden, das deutsche Müllergewerbe
auf dem Lande zusammengeschmolzen, die Zahl der deutschen Guts- und Wirt¬
schaftsbeamten erheblich zurückgegangen. Die Bedürfnislosigkeit der von unten
aufdrängenden Letten und Ehlen' und das unter der Misere stumpfgewordene
Nationalgefühl der Deutschen, die aufhörten an eine gedeihliche Zukunft zu glauben,
haben da Hand in Hand gearbeitet. Der Leite und Este, in Kurland auch der
Jude, rückten an die Stelle, die der Deutsche nicht behaupten konnte, zumal der
Zustrom deutscher Elemente eins Deutschland ebenso aufhörte, wie die friedliche
Assimilierung keltischer und chemischer Kreise, seitdem die deutsche Schule vernichtet
und die politische bevorrechtete Stellung der Deutschen in Trümmer geschlagen
worden war. Erst als die Revolution von 1905 sich zuletzt gegen Dynastie und
russischen Staat wandte und die über diese Wendung erschrockenen Gewalthaber
in Petersburg sich gezwungen sahen, wenn auch vorübergehend, dem staaterhal¬
tenden Element der baltischen Deutschen ein gewisses Entgegenkommen zu zeigen,
vermochten die Deutschen bei uns im Lande wieder Hand an schöpferische Arbeit
M legen. Was da von Ritterschaften und den deutschen „Vereinen" in Liv°,
Est- und .Kurland auf dem Gebiet der deutschen Schule trotz aller Schwierig¬
keiten geschaffen worden ist, darüber belehrt u. a. in vortrefflicher Weise der
Aufsatz von Professor K. Kuppfer im „Livländischen Kalender 1918". In der Arbeit
der Livländischen Ökonomischeu Gesellschaft in Livland und ihres Präsidenten
Erich von Oettingen wie in der der gleichen Gesellschaften in Est- und Kurland
liegt ein bedeutsames Stück der Festigung der wirtschaftlichen Rentabilität der
deutschen Großgrundbesitzer. Auch darüber informiert der „Livl. Kalender" durch
eine Darlegung aus der Feder E. v. Oellingers. Hand in Hand damit gingen
die Bemühungen der baltischen Adelsverbände und Gutsbesitzerverbände, dem Nber-
gaug vom wirtschaftlich schwachen deutschen Großgrundbesitz in chemisch-lettische Hände
durch Einsetzung gemeinsamer Kräfte vorzubeugen. Es wurden zur Stärkung der
wirtschaftlichen Stellung des deutschen Grundbesitzes Wirtschaftsberatungsstellen,
Buchhaltungszentralen nach dem von Professor Arebol geschaffenen Vorbilde unter
Leitung von Dr. Warmhold in Gang gebracht, wie schon früher Zentralstellen für
das Meliorationswesen, für rationelle Viehzucht und eine Schule für deutsche Wirt»
schaftsbeamten eröffnet wurden. Und nicht anders war es in den Städten, wo es
dem nationalen Opfersinn weiter deutscher Kreise glückte, einem Häuserspekulanten-
t.um, das skrupellos deutschen Häuserbesitz an Letten und Ehlen verschacherte, wenn
nur hohe Preise geboten wurden, einen Riegel vorzuschieben. In Riga, Milan,
Reval, Dorpat und anderen Orten ist mit schönem Erfolg der deutsche Jmmo-
bUienbesitz gehalten und vermehrt worden. Der 'Gedanke, daß eine Nation von
„Mietern" um Grunde kein Daseinsrecht habe, und daß es eine nationale Schmach
s-i, um Silberlinge willen das väterliche Besitztum zu veräußern, wenn dadurch
die Macht der nationalen Gegner verstärk würde — faßte überall von neuem
Boden. Und indem man der starken wirtschaftlichen Stellung der Letten und
Ehlen völlig Rechnung trug, gelang es durch Wahlkompromisse mit dem gemäßigten


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[0144] Schwankende!; im Baltikum Oberfläche weiter und unter der rapid anwachsenden Fabrikbevölkerung Rigas, Libaus und Nepals, aber auch unter den bäuerlichen Landknechten fand das neue Evangelium gierige Aufnahme. Diejenigen lettischen und chemischen Kreise aber, denen diese bedrohlichen Verhältnisse kein Geheimnis und nicht erwünscht waren, wagten es nicht, dagegen aufzutreten, teils, um die leicht zu erschütternde Popularität nicht einzubüßen, teils, um nicht in den gefährlichen Ruf zu kommen, es mit den Deutschen zu halten, die sie vielfach schon als „morituri" ansahen, deren Erb¬ schaft sie auf der ganzen Linie anzutreten hätten. War es nun auch noch nicht so weit, so zeigte doch das deutsche Element in der Tat, von allen Seiten auf daS> schonungsloseste bedrängt und befehdet, unter schwerem politischen und damit ver¬ bundenem wirtschaftlichen Druck einen beängstigenden Rückgang. Nicht nur, daß in den kleinen Städten die Deutschen meist völlig aus dem städtischen Regiment verdrängt wurden, auch wirtschaftlich wurden sie immer mehr in den Hintergrund gedrängt. Gerade im letzten Menschenalter ist der früher fast reindeutsche Hand¬ werkerstand an manchen Orten völlig verschwunden, das deutsche Müllergewerbe auf dem Lande zusammengeschmolzen, die Zahl der deutschen Guts- und Wirt¬ schaftsbeamten erheblich zurückgegangen. Die Bedürfnislosigkeit der von unten aufdrängenden Letten und Ehlen' und das unter der Misere stumpfgewordene Nationalgefühl der Deutschen, die aufhörten an eine gedeihliche Zukunft zu glauben, haben da Hand in Hand gearbeitet. Der Leite und Este, in Kurland auch der Jude, rückten an die Stelle, die der Deutsche nicht behaupten konnte, zumal der Zustrom deutscher Elemente eins Deutschland ebenso aufhörte, wie die friedliche Assimilierung keltischer und chemischer Kreise, seitdem die deutsche Schule vernichtet und die politische bevorrechtete Stellung der Deutschen in Trümmer geschlagen worden war. Erst als die Revolution von 1905 sich zuletzt gegen Dynastie und russischen Staat wandte und die über diese Wendung erschrockenen Gewalthaber in Petersburg sich gezwungen sahen, wenn auch vorübergehend, dem staaterhal¬ tenden Element der baltischen Deutschen ein gewisses Entgegenkommen zu zeigen, vermochten die Deutschen bei uns im Lande wieder Hand an schöpferische Arbeit M legen. Was da von Ritterschaften und den deutschen „Vereinen" in Liv°, Est- und .Kurland auf dem Gebiet der deutschen Schule trotz aller Schwierig¬ keiten geschaffen worden ist, darüber belehrt u. a. in vortrefflicher Weise der Aufsatz von Professor K. Kuppfer im „Livländischen Kalender 1918". In der Arbeit der Livländischen Ökonomischeu Gesellschaft in Livland und ihres Präsidenten Erich von Oettingen wie in der der gleichen Gesellschaften in Est- und Kurland liegt ein bedeutsames Stück der Festigung der wirtschaftlichen Rentabilität der deutschen Großgrundbesitzer. Auch darüber informiert der „Livl. Kalender" durch eine Darlegung aus der Feder E. v. Oellingers. Hand in Hand damit gingen die Bemühungen der baltischen Adelsverbände und Gutsbesitzerverbände, dem Nber- gaug vom wirtschaftlich schwachen deutschen Großgrundbesitz in chemisch-lettische Hände durch Einsetzung gemeinsamer Kräfte vorzubeugen. Es wurden zur Stärkung der wirtschaftlichen Stellung des deutschen Grundbesitzes Wirtschaftsberatungsstellen, Buchhaltungszentralen nach dem von Professor Arebol geschaffenen Vorbilde unter Leitung von Dr. Warmhold in Gang gebracht, wie schon früher Zentralstellen für das Meliorationswesen, für rationelle Viehzucht und eine Schule für deutsche Wirt» schaftsbeamten eröffnet wurden. Und nicht anders war es in den Städten, wo es dem nationalen Opfersinn weiter deutscher Kreise glückte, einem Häuserspekulanten- t.um, das skrupellos deutschen Häuserbesitz an Letten und Ehlen verschacherte, wenn nur hohe Preise geboten wurden, einen Riegel vorzuschieben. In Riga, Milan, Reval, Dorpat und anderen Orten ist mit schönem Erfolg der deutsche Jmmo- bUienbesitz gehalten und vermehrt worden. Der 'Gedanke, daß eine Nation von „Mietern" um Grunde kein Daseinsrecht habe, und daß es eine nationale Schmach s-i, um Silberlinge willen das väterliche Besitztum zu veräußern, wenn dadurch die Macht der nationalen Gegner verstärk würde — faßte überall von neuem Boden. Und indem man der starken wirtschaftlichen Stellung der Letten und Ehlen völlig Rechnung trug, gelang es durch Wahlkompromisse mit dem gemäßigten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/144>, abgerufen am 02.10.2024.