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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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Ideale und Irrtümer der elsaß-lothringischen Frage

gebende Motive unserer inneren Politik einschätzten! So wenig in Preußen Volks¬
vertreter und Staatsmänner je daran gedacht haben, im Frieden von Litauisch-
Vrest die künftige Polenpolitik der preußischen Ostprovinzen unter die Garantie
der Vertragsmächte zu stellen, so wenig kann das Reich selbstverständlich derartige
Verhandlungen über seine Westmark zulassen. Ist doch die weltpolitische Lage,
allen inner- und außenpolitischen Schwierigkeiten zum Trotz, gerade jetzt nuper"
gleichlich günstig, internationale Rücksichten auch hier "endlich beiseite zu lassen.

Die Zeiten von 1815 und 1866, ja selbst die Konstellation von 1870 sind
weit überholt und überwunden. Der Weltkrieg, den Bismarck vor einem halben
Jahrhundert durch Nachgiebigkeit nach allen Seiten mit Erfolg zu verhindern
wußte, ist auf dem europäischen Kontinent im wesentlichen entschieden. Weder
die Beziehungen zu England noch die zum Bündel ehemals russischer Staaten legen
uns beim bevorstehenden Friedensschluß irgendwelche Beschränkungen auf. Kein
deutscher Kaiser braucht heute zu wiederholen, was König Wilhelm der Erste im
Februar 1871 von Versailles aus dem Zar Alexander, dem dank der deutschen Siege
die Öffnung der Dardanellen gelungen war, als Anerkennung für die treu bewahrte
Neutralität schrieb: daß "Preußen niemals vergessen werde, daß es ihm zu ver¬
danken sei, wenn der Krieg nicht die äußersten Dimensionen angenommen habet"
Die Bundesgenossen Österreich-Ungarn und Bulgarien, ja selbst die Türkei haben
offen anerkannt, daß Wien und Konstantinopel in erster Reihe auf den Wällen
der Vogesen und in den Schützengräben der lothringischen Hochebene verteidigt
werden müssen. Sie alle haben das größte Interesse daran, die Revanchehypothek
Frankreichs, die durch das Zwittergebilde des "Reichslandes" verkörpert wird,
endlich vom Hause Mitteleuropa herunter zu holen. Aber es gilt auch, diese Zeit
auszunutzen, bevor ein neues Konzert der Weltmächte wieder ängstlich darüber
wacht, daß nicht aus der elsaß-lothringischen Frage ein neuer Weltbrand entstehe.
Es gilt, vor allein die dritte französische Republik von vornherein vor die vollendete
Tatsache zu stellen, daß die Jahre der tastenden staatsrechtlichen Versuche am
linken Rheinufer für Deutschland endgültig vorbei sind, daß wir dem Begriff des
"Neichslcmdes" als eines geschlechtslosen Mitteldinges zwischen französisch gesinnten
Pufferstaat und einer schwächlichen Bourgeoisherrschaft im lose gefügten deutschen
Bnndesfiaat restlos entsagt haben, daß endlich die Giftpflanze der "Doppelkultur"
ein für allemal ausgerottet ist. Nur auf sich selbst gestellt, kann sich das Deutsche
Reich heute und in Zukunft die Achtung der Gegner und Neider bewahren, die
auch fernerhin das Kernland Mitteleuropas umdrängen werden. Oder glaubt
wirklich ein ernsthaft denkender Mensch daran, daß das verblendete Frankreich
um den Preis der "Autonomie" Elsaß-Lothringens künftig jeder Feindschaft gegen
den Sieger entsagen werde? Ein aus tausend und abertausend Wunden blutendes
Frankreich, das seinen Kindern und Enkeln in krankhafter Verzückung noch jahr¬
zehntelang den ungeheuer breiten Verwüstungsgürtel von Pont-ä-Moussou über
Reims und Amiens bis hinauf nach Arras und Lille als ein klassisches Zeugnis
für die Schandtaten der "Boches" fast als ein heiliges Land unversehrt erhalten will?

Allein von diesem, im wahrsten und eigentlichen Sinne des Wortes
"nationalen" Standpunkte aus sind daher die verschiedenen Vorschläge für die
Zukunft Elsaß-Lothringens zu betrachten und abzuwägen, die als einer der ersten
Paul Laband übersichtlich zusammengestellt hat*): Einverleibung des "Reichs-
landes" in Preußen, Verteilung an die angrenzenden Bundesstaaten und Erhebung
zum selbständigen Bundesstaat.

Gerade diese letzte Lösung aber bekämpft der Meister des Staatsrechts, der
bis zu seinem Tode wie wenige das Eigenleben Elsaß und Lothringens zu schätzen
wußte, aufs energischste. Und vor allem im Geist unserer ideengeschichtlichen Dar¬
stellung darf davon in der Tat insbesondere in unserem eigensten weltpolitischen
und europäischen Interesse keine Rede sein. Die Erwähnung der "Autonomie"



") "Was wird aus iZlsaß-Lothringen?" in "Deutsche Revue", Juni 1917.
Ideale und Irrtümer der elsaß-lothringischen Frage

gebende Motive unserer inneren Politik einschätzten! So wenig in Preußen Volks¬
vertreter und Staatsmänner je daran gedacht haben, im Frieden von Litauisch-
Vrest die künftige Polenpolitik der preußischen Ostprovinzen unter die Garantie
der Vertragsmächte zu stellen, so wenig kann das Reich selbstverständlich derartige
Verhandlungen über seine Westmark zulassen. Ist doch die weltpolitische Lage,
allen inner- und außenpolitischen Schwierigkeiten zum Trotz, gerade jetzt nuper»
gleichlich günstig, internationale Rücksichten auch hier "endlich beiseite zu lassen.

Die Zeiten von 1815 und 1866, ja selbst die Konstellation von 1870 sind
weit überholt und überwunden. Der Weltkrieg, den Bismarck vor einem halben
Jahrhundert durch Nachgiebigkeit nach allen Seiten mit Erfolg zu verhindern
wußte, ist auf dem europäischen Kontinent im wesentlichen entschieden. Weder
die Beziehungen zu England noch die zum Bündel ehemals russischer Staaten legen
uns beim bevorstehenden Friedensschluß irgendwelche Beschränkungen auf. Kein
deutscher Kaiser braucht heute zu wiederholen, was König Wilhelm der Erste im
Februar 1871 von Versailles aus dem Zar Alexander, dem dank der deutschen Siege
die Öffnung der Dardanellen gelungen war, als Anerkennung für die treu bewahrte
Neutralität schrieb: daß „Preußen niemals vergessen werde, daß es ihm zu ver¬
danken sei, wenn der Krieg nicht die äußersten Dimensionen angenommen habet"
Die Bundesgenossen Österreich-Ungarn und Bulgarien, ja selbst die Türkei haben
offen anerkannt, daß Wien und Konstantinopel in erster Reihe auf den Wällen
der Vogesen und in den Schützengräben der lothringischen Hochebene verteidigt
werden müssen. Sie alle haben das größte Interesse daran, die Revanchehypothek
Frankreichs, die durch das Zwittergebilde des „Reichslandes" verkörpert wird,
endlich vom Hause Mitteleuropa herunter zu holen. Aber es gilt auch, diese Zeit
auszunutzen, bevor ein neues Konzert der Weltmächte wieder ängstlich darüber
wacht, daß nicht aus der elsaß-lothringischen Frage ein neuer Weltbrand entstehe.
Es gilt, vor allein die dritte französische Republik von vornherein vor die vollendete
Tatsache zu stellen, daß die Jahre der tastenden staatsrechtlichen Versuche am
linken Rheinufer für Deutschland endgültig vorbei sind, daß wir dem Begriff des
„Neichslcmdes" als eines geschlechtslosen Mitteldinges zwischen französisch gesinnten
Pufferstaat und einer schwächlichen Bourgeoisherrschaft im lose gefügten deutschen
Bnndesfiaat restlos entsagt haben, daß endlich die Giftpflanze der „Doppelkultur"
ein für allemal ausgerottet ist. Nur auf sich selbst gestellt, kann sich das Deutsche
Reich heute und in Zukunft die Achtung der Gegner und Neider bewahren, die
auch fernerhin das Kernland Mitteleuropas umdrängen werden. Oder glaubt
wirklich ein ernsthaft denkender Mensch daran, daß das verblendete Frankreich
um den Preis der „Autonomie" Elsaß-Lothringens künftig jeder Feindschaft gegen
den Sieger entsagen werde? Ein aus tausend und abertausend Wunden blutendes
Frankreich, das seinen Kindern und Enkeln in krankhafter Verzückung noch jahr¬
zehntelang den ungeheuer breiten Verwüstungsgürtel von Pont-ä-Moussou über
Reims und Amiens bis hinauf nach Arras und Lille als ein klassisches Zeugnis
für die Schandtaten der „Boches" fast als ein heiliges Land unversehrt erhalten will?

Allein von diesem, im wahrsten und eigentlichen Sinne des Wortes
„nationalen" Standpunkte aus sind daher die verschiedenen Vorschläge für die
Zukunft Elsaß-Lothringens zu betrachten und abzuwägen, die als einer der ersten
Paul Laband übersichtlich zusammengestellt hat*): Einverleibung des „Reichs-
landes" in Preußen, Verteilung an die angrenzenden Bundesstaaten und Erhebung
zum selbständigen Bundesstaat.

Gerade diese letzte Lösung aber bekämpft der Meister des Staatsrechts, der
bis zu seinem Tode wie wenige das Eigenleben Elsaß und Lothringens zu schätzen
wußte, aufs energischste. Und vor allem im Geist unserer ideengeschichtlichen Dar¬
stellung darf davon in der Tat insbesondere in unserem eigensten weltpolitischen
und europäischen Interesse keine Rede sein. Die Erwähnung der „Autonomie"



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[0121] Ideale und Irrtümer der elsaß-lothringischen Frage gebende Motive unserer inneren Politik einschätzten! So wenig in Preußen Volks¬ vertreter und Staatsmänner je daran gedacht haben, im Frieden von Litauisch- Vrest die künftige Polenpolitik der preußischen Ostprovinzen unter die Garantie der Vertragsmächte zu stellen, so wenig kann das Reich selbstverständlich derartige Verhandlungen über seine Westmark zulassen. Ist doch die weltpolitische Lage, allen inner- und außenpolitischen Schwierigkeiten zum Trotz, gerade jetzt nuper» gleichlich günstig, internationale Rücksichten auch hier "endlich beiseite zu lassen. Die Zeiten von 1815 und 1866, ja selbst die Konstellation von 1870 sind weit überholt und überwunden. Der Weltkrieg, den Bismarck vor einem halben Jahrhundert durch Nachgiebigkeit nach allen Seiten mit Erfolg zu verhindern wußte, ist auf dem europäischen Kontinent im wesentlichen entschieden. Weder die Beziehungen zu England noch die zum Bündel ehemals russischer Staaten legen uns beim bevorstehenden Friedensschluß irgendwelche Beschränkungen auf. Kein deutscher Kaiser braucht heute zu wiederholen, was König Wilhelm der Erste im Februar 1871 von Versailles aus dem Zar Alexander, dem dank der deutschen Siege die Öffnung der Dardanellen gelungen war, als Anerkennung für die treu bewahrte Neutralität schrieb: daß „Preußen niemals vergessen werde, daß es ihm zu ver¬ danken sei, wenn der Krieg nicht die äußersten Dimensionen angenommen habet" Die Bundesgenossen Österreich-Ungarn und Bulgarien, ja selbst die Türkei haben offen anerkannt, daß Wien und Konstantinopel in erster Reihe auf den Wällen der Vogesen und in den Schützengräben der lothringischen Hochebene verteidigt werden müssen. Sie alle haben das größte Interesse daran, die Revanchehypothek Frankreichs, die durch das Zwittergebilde des „Reichslandes" verkörpert wird, endlich vom Hause Mitteleuropa herunter zu holen. Aber es gilt auch, diese Zeit auszunutzen, bevor ein neues Konzert der Weltmächte wieder ängstlich darüber wacht, daß nicht aus der elsaß-lothringischen Frage ein neuer Weltbrand entstehe. Es gilt, vor allein die dritte französische Republik von vornherein vor die vollendete Tatsache zu stellen, daß die Jahre der tastenden staatsrechtlichen Versuche am linken Rheinufer für Deutschland endgültig vorbei sind, daß wir dem Begriff des „Neichslcmdes" als eines geschlechtslosen Mitteldinges zwischen französisch gesinnten Pufferstaat und einer schwächlichen Bourgeoisherrschaft im lose gefügten deutschen Bnndesfiaat restlos entsagt haben, daß endlich die Giftpflanze der „Doppelkultur" ein für allemal ausgerottet ist. Nur auf sich selbst gestellt, kann sich das Deutsche Reich heute und in Zukunft die Achtung der Gegner und Neider bewahren, die auch fernerhin das Kernland Mitteleuropas umdrängen werden. Oder glaubt wirklich ein ernsthaft denkender Mensch daran, daß das verblendete Frankreich um den Preis der „Autonomie" Elsaß-Lothringens künftig jeder Feindschaft gegen den Sieger entsagen werde? Ein aus tausend und abertausend Wunden blutendes Frankreich, das seinen Kindern und Enkeln in krankhafter Verzückung noch jahr¬ zehntelang den ungeheuer breiten Verwüstungsgürtel von Pont-ä-Moussou über Reims und Amiens bis hinauf nach Arras und Lille als ein klassisches Zeugnis für die Schandtaten der „Boches" fast als ein heiliges Land unversehrt erhalten will? Allein von diesem, im wahrsten und eigentlichen Sinne des Wortes „nationalen" Standpunkte aus sind daher die verschiedenen Vorschläge für die Zukunft Elsaß-Lothringens zu betrachten und abzuwägen, die als einer der ersten Paul Laband übersichtlich zusammengestellt hat*): Einverleibung des „Reichs- landes" in Preußen, Verteilung an die angrenzenden Bundesstaaten und Erhebung zum selbständigen Bundesstaat. Gerade diese letzte Lösung aber bekämpft der Meister des Staatsrechts, der bis zu seinem Tode wie wenige das Eigenleben Elsaß und Lothringens zu schätzen wußte, aufs energischste. Und vor allem im Geist unserer ideengeschichtlichen Dar¬ stellung darf davon in der Tat insbesondere in unserem eigensten weltpolitischen und europäischen Interesse keine Rede sein. Die Erwähnung der „Autonomie" ") „Was wird aus iZlsaß-Lothringen?" in „Deutsche Revue", Juni 1917.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/121>, abgerufen am 22.07.2024.