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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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eiterarische Politik

gültig woher er stammt, geschehen würde, wenn er nationale Taktlosigkeiten dieser
Art wagte, liegt nahe. Und man kann nur bei einem Literaten, der so wenig
unmittelbares Gefühl für die natürlichen Zusammenhänge offenbart, noch den
guten Glauben voraussetzen, wenn er ernstlich als "Kenner" der österreichischen
Verhältnisse behauptet, die österreichischen Slawen würden ehrliche Verbündete
eines mit Rußland verbündeten Deutschlands werden wollen, wenn man ihnen
nur innerhalb Österreichs hinreichende Selbstbestimmung gewährte. Sollten einzelne
slawische Politiker, wie z. B. der völlig allein stehende tschechische Sozialdemokrat
Smeral, dergleichen in Aussicht gestellt haben, so hätte wohl ein deutscher Politiker,
wenn es erlaubt ist, in diesem Zusammenhange diesen Begriff zu verwenden, die
Pflicht, sich zu allererst zu fragen, welche .Kräfte hinter solchen einzelnen stehen
und vor allem: wo bei ihnen die Taktik aufhört und die Überzeugung anfängt.
Es kann natürlich doch den slawischen Politikern kaum etwas willkommener sein
als die öffentliche Vertretung jener literarischen Gedankengänge, und um dieses
Vorteiles willen lohnt sich wohl auch ein ungefährliches Eingehen auf geistreiche
Theorien. Einem Kramarsch, der schon früher Hcirdens "Zukunft" zu ähnlichen
Zwecken zu benutzen verstand, konnte jedenfalls niemand gelegener kommen als
der Literat.

Geradezu eine Unterstützung der Ententepläne aber bedeuten die Gedanken¬
gänge unseres Literaten dort, wo er sich mit der innerpolitischen Auseinander¬
setzung zwischen Deutschen und Slawen in Osterreich beschäftigt. Auch hier
soll von der Frage der völkischen Zusammenhänge, die ihm gleichgültig sind,
ganz abgesehen werden. Man wird ihm bloß auf die Finger sehen müssen bei
seinen literarischen Taschenspielereien, bei denen er mit dem Begriff "die Deutsch-
Österreicher" jongliert. Er versteht unter ihnen je nach Bedarf bald die Ab¬
geordneten, bald einen Teil von ihnen, bald die Bevölkerung, bald nur die
Gebildeten in dieser. Diesem etwas unklar gebliebenen Gedankengebilde, "dem
Deutsch-Österreicher", wird nun mit dürren Worten in einer Zeit, in der die
deutsch ^ österreichischen Opfer- für das Bündnis und für den eigenen Staat über¬
menschlich geworden sind und in der die österreichischen Feinde des Bündnisses
alles daran setzen, offen zu den Feinden Deutschlands stoßen zu können, die
Schuld an der bisherigen unseligen innerpulitischen österreichischen Entwicklung
zugeschoben. Was die Sachkenner seit Jahrzehnten bemängeln: daß die Dentsch-
Qsterreicher durch das Bündnis gezwungen seien, für einen Staat einzutreten,
der Raubbau mit ihren Kräften treibt, wird hier in einem völlig "neuen Sinn",
der allerdings nur in einer deutschen Zeitung neu ist, aber auf slawischer Seite
oft genug zum Ausdruck kam, gedeutet. Die Deutsch-Österreicher haben selbst
schuld daran, daß sie in dieser Weise ausgebeutet worden sind. Sie haben die
"zwischenstaatlichen Stammesbeziehungen" "vernachlässigt und fast verleugnet"
(wörtlich I). Sie, die abgesehen von den russischen Deutschen, als die einzigen
Freunde ,des Deutschen Reiches außerhalb seiner Grenzen restlos treu geblieben
sind. Sie. hätten also nach unseres Literaten Auffassung besser daran getan,
wenn sie, statt Osterreich beim Bündnis zu erhalten, alle Irredentisten geworden
wären. Und sie haben zweitens den Fehler begangen, in einem Staate/ der mit
Osterreich verbündet war, und dessen offizielle Außenpolitik sie gegen die deutsch¬
feindlichen StaMgmofsen zu verteidigen hatten, sich als Staatsvolk zu fühlen.
Weiß der Literat wirklich nicht, welche Kräfte bis heute Österreich-Ungarn an der
Seite Deutschlands erhalten haben? Welche Kräfte andererseits schon Jahrzehnte
vor dem Kriege nicht nur mit dem neuerdings wieder "bündnisfähigen" Rußland,
sondern mit den ältesten und unerbittlichsten Feinden Deutschlands'sich verbündet
haben? Wenn er es nicht weiß, dann erwähle er für seine literarische Kunst,
nicht Stoffe, die er nicht beherrscht. Wenn er es aber weiß, dann bedeutet sein
geistreiches Spiel zum mindesten eine grobe Fahrlässigkeit gegenüber den Interessen
des Reiches, soweit sie durch Aufklärung oder Irreführung der Öffentlichkeit be-
einflußt werden können. Es bedeutet, baß er denen in den Rücken fällt, die nicht
"bloß" "Stammesgenossen", die nebenbei die einzige Stütze des Bündnisses sind;


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eiterarische Politik

gültig woher er stammt, geschehen würde, wenn er nationale Taktlosigkeiten dieser
Art wagte, liegt nahe. Und man kann nur bei einem Literaten, der so wenig
unmittelbares Gefühl für die natürlichen Zusammenhänge offenbart, noch den
guten Glauben voraussetzen, wenn er ernstlich als „Kenner" der österreichischen
Verhältnisse behauptet, die österreichischen Slawen würden ehrliche Verbündete
eines mit Rußland verbündeten Deutschlands werden wollen, wenn man ihnen
nur innerhalb Österreichs hinreichende Selbstbestimmung gewährte. Sollten einzelne
slawische Politiker, wie z. B. der völlig allein stehende tschechische Sozialdemokrat
Smeral, dergleichen in Aussicht gestellt haben, so hätte wohl ein deutscher Politiker,
wenn es erlaubt ist, in diesem Zusammenhange diesen Begriff zu verwenden, die
Pflicht, sich zu allererst zu fragen, welche .Kräfte hinter solchen einzelnen stehen
und vor allem: wo bei ihnen die Taktik aufhört und die Überzeugung anfängt.
Es kann natürlich doch den slawischen Politikern kaum etwas willkommener sein
als die öffentliche Vertretung jener literarischen Gedankengänge, und um dieses
Vorteiles willen lohnt sich wohl auch ein ungefährliches Eingehen auf geistreiche
Theorien. Einem Kramarsch, der schon früher Hcirdens „Zukunft" zu ähnlichen
Zwecken zu benutzen verstand, konnte jedenfalls niemand gelegener kommen als
der Literat.

Geradezu eine Unterstützung der Ententepläne aber bedeuten die Gedanken¬
gänge unseres Literaten dort, wo er sich mit der innerpolitischen Auseinander¬
setzung zwischen Deutschen und Slawen in Osterreich beschäftigt. Auch hier
soll von der Frage der völkischen Zusammenhänge, die ihm gleichgültig sind,
ganz abgesehen werden. Man wird ihm bloß auf die Finger sehen müssen bei
seinen literarischen Taschenspielereien, bei denen er mit dem Begriff „die Deutsch-
Österreicher" jongliert. Er versteht unter ihnen je nach Bedarf bald die Ab¬
geordneten, bald einen Teil von ihnen, bald die Bevölkerung, bald nur die
Gebildeten in dieser. Diesem etwas unklar gebliebenen Gedankengebilde, „dem
Deutsch-Österreicher", wird nun mit dürren Worten in einer Zeit, in der die
deutsch ^ österreichischen Opfer- für das Bündnis und für den eigenen Staat über¬
menschlich geworden sind und in der die österreichischen Feinde des Bündnisses
alles daran setzen, offen zu den Feinden Deutschlands stoßen zu können, die
Schuld an der bisherigen unseligen innerpulitischen österreichischen Entwicklung
zugeschoben. Was die Sachkenner seit Jahrzehnten bemängeln: daß die Dentsch-
Qsterreicher durch das Bündnis gezwungen seien, für einen Staat einzutreten,
der Raubbau mit ihren Kräften treibt, wird hier in einem völlig „neuen Sinn",
der allerdings nur in einer deutschen Zeitung neu ist, aber auf slawischer Seite
oft genug zum Ausdruck kam, gedeutet. Die Deutsch-Österreicher haben selbst
schuld daran, daß sie in dieser Weise ausgebeutet worden sind. Sie haben die
„zwischenstaatlichen Stammesbeziehungen" „vernachlässigt und fast verleugnet"
(wörtlich I). Sie, die abgesehen von den russischen Deutschen, als die einzigen
Freunde ,des Deutschen Reiches außerhalb seiner Grenzen restlos treu geblieben
sind. Sie. hätten also nach unseres Literaten Auffassung besser daran getan,
wenn sie, statt Osterreich beim Bündnis zu erhalten, alle Irredentisten geworden
wären. Und sie haben zweitens den Fehler begangen, in einem Staate/ der mit
Osterreich verbündet war, und dessen offizielle Außenpolitik sie gegen die deutsch¬
feindlichen StaMgmofsen zu verteidigen hatten, sich als Staatsvolk zu fühlen.
Weiß der Literat wirklich nicht, welche Kräfte bis heute Österreich-Ungarn an der
Seite Deutschlands erhalten haben? Welche Kräfte andererseits schon Jahrzehnte
vor dem Kriege nicht nur mit dem neuerdings wieder „bündnisfähigen" Rußland,
sondern mit den ältesten und unerbittlichsten Feinden Deutschlands'sich verbündet
haben? Wenn er es nicht weiß, dann erwähle er für seine literarische Kunst,
nicht Stoffe, die er nicht beherrscht. Wenn er es aber weiß, dann bedeutet sein
geistreiches Spiel zum mindesten eine grobe Fahrlässigkeit gegenüber den Interessen
des Reiches, soweit sie durch Aufklärung oder Irreführung der Öffentlichkeit be-
einflußt werden können. Es bedeutet, baß er denen in den Rücken fällt, die nicht
„bloß" „Stammesgenossen", die nebenbei die einzige Stütze des Bündnisses sind;


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[0119] eiterarische Politik gültig woher er stammt, geschehen würde, wenn er nationale Taktlosigkeiten dieser Art wagte, liegt nahe. Und man kann nur bei einem Literaten, der so wenig unmittelbares Gefühl für die natürlichen Zusammenhänge offenbart, noch den guten Glauben voraussetzen, wenn er ernstlich als „Kenner" der österreichischen Verhältnisse behauptet, die österreichischen Slawen würden ehrliche Verbündete eines mit Rußland verbündeten Deutschlands werden wollen, wenn man ihnen nur innerhalb Österreichs hinreichende Selbstbestimmung gewährte. Sollten einzelne slawische Politiker, wie z. B. der völlig allein stehende tschechische Sozialdemokrat Smeral, dergleichen in Aussicht gestellt haben, so hätte wohl ein deutscher Politiker, wenn es erlaubt ist, in diesem Zusammenhange diesen Begriff zu verwenden, die Pflicht, sich zu allererst zu fragen, welche .Kräfte hinter solchen einzelnen stehen und vor allem: wo bei ihnen die Taktik aufhört und die Überzeugung anfängt. Es kann natürlich doch den slawischen Politikern kaum etwas willkommener sein als die öffentliche Vertretung jener literarischen Gedankengänge, und um dieses Vorteiles willen lohnt sich wohl auch ein ungefährliches Eingehen auf geistreiche Theorien. Einem Kramarsch, der schon früher Hcirdens „Zukunft" zu ähnlichen Zwecken zu benutzen verstand, konnte jedenfalls niemand gelegener kommen als der Literat. Geradezu eine Unterstützung der Ententepläne aber bedeuten die Gedanken¬ gänge unseres Literaten dort, wo er sich mit der innerpolitischen Auseinander¬ setzung zwischen Deutschen und Slawen in Osterreich beschäftigt. Auch hier soll von der Frage der völkischen Zusammenhänge, die ihm gleichgültig sind, ganz abgesehen werden. Man wird ihm bloß auf die Finger sehen müssen bei seinen literarischen Taschenspielereien, bei denen er mit dem Begriff „die Deutsch- Österreicher" jongliert. Er versteht unter ihnen je nach Bedarf bald die Ab¬ geordneten, bald einen Teil von ihnen, bald die Bevölkerung, bald nur die Gebildeten in dieser. Diesem etwas unklar gebliebenen Gedankengebilde, „dem Deutsch-Österreicher", wird nun mit dürren Worten in einer Zeit, in der die deutsch ^ österreichischen Opfer- für das Bündnis und für den eigenen Staat über¬ menschlich geworden sind und in der die österreichischen Feinde des Bündnisses alles daran setzen, offen zu den Feinden Deutschlands stoßen zu können, die Schuld an der bisherigen unseligen innerpulitischen österreichischen Entwicklung zugeschoben. Was die Sachkenner seit Jahrzehnten bemängeln: daß die Dentsch- Qsterreicher durch das Bündnis gezwungen seien, für einen Staat einzutreten, der Raubbau mit ihren Kräften treibt, wird hier in einem völlig „neuen Sinn", der allerdings nur in einer deutschen Zeitung neu ist, aber auf slawischer Seite oft genug zum Ausdruck kam, gedeutet. Die Deutsch-Österreicher haben selbst schuld daran, daß sie in dieser Weise ausgebeutet worden sind. Sie haben die „zwischenstaatlichen Stammesbeziehungen" „vernachlässigt und fast verleugnet" (wörtlich I). Sie, die abgesehen von den russischen Deutschen, als die einzigen Freunde ,des Deutschen Reiches außerhalb seiner Grenzen restlos treu geblieben sind. Sie. hätten also nach unseres Literaten Auffassung besser daran getan, wenn sie, statt Osterreich beim Bündnis zu erhalten, alle Irredentisten geworden wären. Und sie haben zweitens den Fehler begangen, in einem Staate/ der mit Osterreich verbündet war, und dessen offizielle Außenpolitik sie gegen die deutsch¬ feindlichen StaMgmofsen zu verteidigen hatten, sich als Staatsvolk zu fühlen. Weiß der Literat wirklich nicht, welche Kräfte bis heute Österreich-Ungarn an der Seite Deutschlands erhalten haben? Welche Kräfte andererseits schon Jahrzehnte vor dem Kriege nicht nur mit dem neuerdings wieder „bündnisfähigen" Rußland, sondern mit den ältesten und unerbittlichsten Feinden Deutschlands'sich verbündet haben? Wenn er es nicht weiß, dann erwähle er für seine literarische Kunst, nicht Stoffe, die er nicht beherrscht. Wenn er es aber weiß, dann bedeutet sein geistreiches Spiel zum mindesten eine grobe Fahrlässigkeit gegenüber den Interessen des Reiches, soweit sie durch Aufklärung oder Irreführung der Öffentlichkeit be- einflußt werden können. Es bedeutet, baß er denen in den Rücken fällt, die nicht „bloß" „Stammesgenossen", die nebenbei die einzige Stütze des Bündnisses sind; 9*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/119>, abgerufen am 22.07.2024.