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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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Bodenrechtsreform

Landleute als Produktionsmittel, die Gewerbetreibenden als Standfläche für ihre
Werkstätten und alle als Wohnstätte brauchen, sind die Nichtbesitzenden gezwungen,
den Besitzenden einen Monopolwert dafür zu bezahlen, der täglich wächst, und
zwar entweder als Kaufpreis oder als Leihepreis: Pacht oder Miete, oder als
Abzug von ihrem Arbeitslohn." So Dr. Franz Oppenheimer in seiner kritischen
Auseinandersetzung mit der marxistischen Theorie: "Die soziale Frage und der
Sozialismus" (Jena 1913, S. 13). Schon Zachariae sagte, die Grundrente ist
"ein Abzug von dem Lohne, welcher, wenn Grund und Boden keinen Eigentümer
hätte, dem Arbeiter ganz zufallen würde."

Bei solcher Machtstellung setzt der Monopolinhaber der Gewinntendenz nur
die in seinem eigenen Interesse liegenden Schranken.

So ist der Grund und Boden lediglich eine Frage der Grundrente ge¬
worden. Es hat sich ein gewisses Klassenmonopolverhältnis herausgebildet, das
gewissermaßen die "Voraussetzung der Entstehung des Mehrwertes der Grundrente
im großen" abgibt. Großgrundbesitzende Monopole einerseits, die der kapitalslosen
Masse die Teilnahme am Grund und Boden verhindern, stehen andererseits einem
verarmten, land- und somit heimatlosen Proletariat gegenüber. Während der
durch die Kulturaufwendungen der Gesamtheit (Kanäle, Eisenbahnen, Straßen
u. a. in.) erzeugte Bodenmehrwert als arbeitsloses Einkommen in die Hand einiger
weniger bevorzugter Bodenbesitzklassen fließt, ist die kapitalslose Masse durch unsere
Gesellschaftsordnung gezwungen, von ihren geschafften Werten den größten Teil
der erzielten Grundrente an die oberen Klassen abzugeben. Weder ohne jene
wirtschaftliche noch ohne diese rechtliche Vorbedingung wäre eine Statuierung des
Grundrenteneinkommens möglich. -- Es ist wunderbar, daß man immer von National¬
ökonomie spricht, aber tatsächlich nichts von ihr wissen will.

So drängt das Problem der Grundrente sich immer intensiver in den
Vordergrund aller sozialpolitischen Theorien und Praktiken, gewinnt immer mehr
an Bedeutung. Es bildet den eigentlichen Kern der sozialen Frage und .sucht nach
einem Ausgleich der eingetretenen anormal-sozialen Verhältnisse, zumal, nicht gar
letzten Endes, mit den ungesunden Bodenverhältnissen sozialpathologische Er¬
scheinungen parallel gehen, wie u. a. die reichlichere Kindersterblichkeit, die Pro"
stitution, der Pauperismus und das Wohnungselend.




Ein altes Wort sagt: "Die Wissenschaft soll die Magd sein, die mit der
Fackel der Erkenntnis der Praxis voran leuchtet." So lassen sich in unserer
Kulturwelt im wesentlichen zwei Weltauffassungen die Lösung der sozialen Frage
angelegen sein: die mammonistische und die kommunistische.

Während der Mammonismus, gestützt auf das Malthussche -- durch Darwin
als Biologe vertiefte -- Bevölkerungsgesetz und die Ricardosche Lohnfondstheorie,
das Elend der breiten Masse als etwas Unabänderliches hinstellt, gleichzeitig nur
das "Überleben des kräftigeren, besseren Individuums", die Negierung der Nächsten¬
moral: daß der Arbeiter sich mit möglichst niedrigem Lohn im Interesse der
Kapitalinvestierung begnügen solle, predigt, den Grund und Boden aber durch die
Proklamierung des radikalsten Subjektivismus zum Handelsobjekt macht und so
die stärkere Differenzierung des Klassenunterschiedes, die Konzentration des "rundes
und Bodens in der Hand einiger weniger Individuen in die Wege leitet, mit
anderen Worten, während der Mann'onismus -- allerdings gestützt auf das
gesetzlich festgelegte Eigentumsprinzip, wonach der Eigentümer mit seinem Eigen¬
tum "nach Belieben" (ß 903 B. G. B.), also auch nach den Zwecken niedrigsten
Eigennutzes und bar aller sozialen Pflichten verfahren kann -- die altgermanische
Rechtsauffassung, daß der Grund und Boden dem Stamme gehört, verlassen und
der Entwicklung von der Gemeineigentumsordnung zu einer Sondereigentums¬
ordnung, die nicht mehr dem ökonomischen Gesamtbedürfnis entspricht. Vorschub
geleistet hat, sucht der Kommunismus, durch eine Verwirklichung seiner allzu
radikalen wirtschaftssozialistischen Theorien, in der Ausschaltung oder Verringerung
des privaten Eigentums, der Abschaffung des Erbrechtes, in der Überführung aller


Bodenrechtsreform

Landleute als Produktionsmittel, die Gewerbetreibenden als Standfläche für ihre
Werkstätten und alle als Wohnstätte brauchen, sind die Nichtbesitzenden gezwungen,
den Besitzenden einen Monopolwert dafür zu bezahlen, der täglich wächst, und
zwar entweder als Kaufpreis oder als Leihepreis: Pacht oder Miete, oder als
Abzug von ihrem Arbeitslohn." So Dr. Franz Oppenheimer in seiner kritischen
Auseinandersetzung mit der marxistischen Theorie: „Die soziale Frage und der
Sozialismus" (Jena 1913, S. 13). Schon Zachariae sagte, die Grundrente ist
„ein Abzug von dem Lohne, welcher, wenn Grund und Boden keinen Eigentümer
hätte, dem Arbeiter ganz zufallen würde."

Bei solcher Machtstellung setzt der Monopolinhaber der Gewinntendenz nur
die in seinem eigenen Interesse liegenden Schranken.

So ist der Grund und Boden lediglich eine Frage der Grundrente ge¬
worden. Es hat sich ein gewisses Klassenmonopolverhältnis herausgebildet, das
gewissermaßen die „Voraussetzung der Entstehung des Mehrwertes der Grundrente
im großen" abgibt. Großgrundbesitzende Monopole einerseits, die der kapitalslosen
Masse die Teilnahme am Grund und Boden verhindern, stehen andererseits einem
verarmten, land- und somit heimatlosen Proletariat gegenüber. Während der
durch die Kulturaufwendungen der Gesamtheit (Kanäle, Eisenbahnen, Straßen
u. a. in.) erzeugte Bodenmehrwert als arbeitsloses Einkommen in die Hand einiger
weniger bevorzugter Bodenbesitzklassen fließt, ist die kapitalslose Masse durch unsere
Gesellschaftsordnung gezwungen, von ihren geschafften Werten den größten Teil
der erzielten Grundrente an die oberen Klassen abzugeben. Weder ohne jene
wirtschaftliche noch ohne diese rechtliche Vorbedingung wäre eine Statuierung des
Grundrenteneinkommens möglich. — Es ist wunderbar, daß man immer von National¬
ökonomie spricht, aber tatsächlich nichts von ihr wissen will.

So drängt das Problem der Grundrente sich immer intensiver in den
Vordergrund aller sozialpolitischen Theorien und Praktiken, gewinnt immer mehr
an Bedeutung. Es bildet den eigentlichen Kern der sozialen Frage und .sucht nach
einem Ausgleich der eingetretenen anormal-sozialen Verhältnisse, zumal, nicht gar
letzten Endes, mit den ungesunden Bodenverhältnissen sozialpathologische Er¬
scheinungen parallel gehen, wie u. a. die reichlichere Kindersterblichkeit, die Pro«
stitution, der Pauperismus und das Wohnungselend.




Ein altes Wort sagt: „Die Wissenschaft soll die Magd sein, die mit der
Fackel der Erkenntnis der Praxis voran leuchtet." So lassen sich in unserer
Kulturwelt im wesentlichen zwei Weltauffassungen die Lösung der sozialen Frage
angelegen sein: die mammonistische und die kommunistische.

Während der Mammonismus, gestützt auf das Malthussche — durch Darwin
als Biologe vertiefte — Bevölkerungsgesetz und die Ricardosche Lohnfondstheorie,
das Elend der breiten Masse als etwas Unabänderliches hinstellt, gleichzeitig nur
das „Überleben des kräftigeren, besseren Individuums", die Negierung der Nächsten¬
moral: daß der Arbeiter sich mit möglichst niedrigem Lohn im Interesse der
Kapitalinvestierung begnügen solle, predigt, den Grund und Boden aber durch die
Proklamierung des radikalsten Subjektivismus zum Handelsobjekt macht und so
die stärkere Differenzierung des Klassenunterschiedes, die Konzentration des »rundes
und Bodens in der Hand einiger weniger Individuen in die Wege leitet, mit
anderen Worten, während der Mann'onismus — allerdings gestützt auf das
gesetzlich festgelegte Eigentumsprinzip, wonach der Eigentümer mit seinem Eigen¬
tum „nach Belieben" (ß 903 B. G. B.), also auch nach den Zwecken niedrigsten
Eigennutzes und bar aller sozialen Pflichten verfahren kann — die altgermanische
Rechtsauffassung, daß der Grund und Boden dem Stamme gehört, verlassen und
der Entwicklung von der Gemeineigentumsordnung zu einer Sondereigentums¬
ordnung, die nicht mehr dem ökonomischen Gesamtbedürfnis entspricht. Vorschub
geleistet hat, sucht der Kommunismus, durch eine Verwirklichung seiner allzu
radikalen wirtschaftssozialistischen Theorien, in der Ausschaltung oder Verringerung
des privaten Eigentums, der Abschaffung des Erbrechtes, in der Überführung aller


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[0047] Bodenrechtsreform Landleute als Produktionsmittel, die Gewerbetreibenden als Standfläche für ihre Werkstätten und alle als Wohnstätte brauchen, sind die Nichtbesitzenden gezwungen, den Besitzenden einen Monopolwert dafür zu bezahlen, der täglich wächst, und zwar entweder als Kaufpreis oder als Leihepreis: Pacht oder Miete, oder als Abzug von ihrem Arbeitslohn." So Dr. Franz Oppenheimer in seiner kritischen Auseinandersetzung mit der marxistischen Theorie: „Die soziale Frage und der Sozialismus" (Jena 1913, S. 13). Schon Zachariae sagte, die Grundrente ist „ein Abzug von dem Lohne, welcher, wenn Grund und Boden keinen Eigentümer hätte, dem Arbeiter ganz zufallen würde." Bei solcher Machtstellung setzt der Monopolinhaber der Gewinntendenz nur die in seinem eigenen Interesse liegenden Schranken. So ist der Grund und Boden lediglich eine Frage der Grundrente ge¬ worden. Es hat sich ein gewisses Klassenmonopolverhältnis herausgebildet, das gewissermaßen die „Voraussetzung der Entstehung des Mehrwertes der Grundrente im großen" abgibt. Großgrundbesitzende Monopole einerseits, die der kapitalslosen Masse die Teilnahme am Grund und Boden verhindern, stehen andererseits einem verarmten, land- und somit heimatlosen Proletariat gegenüber. Während der durch die Kulturaufwendungen der Gesamtheit (Kanäle, Eisenbahnen, Straßen u. a. in.) erzeugte Bodenmehrwert als arbeitsloses Einkommen in die Hand einiger weniger bevorzugter Bodenbesitzklassen fließt, ist die kapitalslose Masse durch unsere Gesellschaftsordnung gezwungen, von ihren geschafften Werten den größten Teil der erzielten Grundrente an die oberen Klassen abzugeben. Weder ohne jene wirtschaftliche noch ohne diese rechtliche Vorbedingung wäre eine Statuierung des Grundrenteneinkommens möglich. — Es ist wunderbar, daß man immer von National¬ ökonomie spricht, aber tatsächlich nichts von ihr wissen will. So drängt das Problem der Grundrente sich immer intensiver in den Vordergrund aller sozialpolitischen Theorien und Praktiken, gewinnt immer mehr an Bedeutung. Es bildet den eigentlichen Kern der sozialen Frage und .sucht nach einem Ausgleich der eingetretenen anormal-sozialen Verhältnisse, zumal, nicht gar letzten Endes, mit den ungesunden Bodenverhältnissen sozialpathologische Er¬ scheinungen parallel gehen, wie u. a. die reichlichere Kindersterblichkeit, die Pro« stitution, der Pauperismus und das Wohnungselend. Ein altes Wort sagt: „Die Wissenschaft soll die Magd sein, die mit der Fackel der Erkenntnis der Praxis voran leuchtet." So lassen sich in unserer Kulturwelt im wesentlichen zwei Weltauffassungen die Lösung der sozialen Frage angelegen sein: die mammonistische und die kommunistische. Während der Mammonismus, gestützt auf das Malthussche — durch Darwin als Biologe vertiefte — Bevölkerungsgesetz und die Ricardosche Lohnfondstheorie, das Elend der breiten Masse als etwas Unabänderliches hinstellt, gleichzeitig nur das „Überleben des kräftigeren, besseren Individuums", die Negierung der Nächsten¬ moral: daß der Arbeiter sich mit möglichst niedrigem Lohn im Interesse der Kapitalinvestierung begnügen solle, predigt, den Grund und Boden aber durch die Proklamierung des radikalsten Subjektivismus zum Handelsobjekt macht und so die stärkere Differenzierung des Klassenunterschiedes, die Konzentration des »rundes und Bodens in der Hand einiger weniger Individuen in die Wege leitet, mit anderen Worten, während der Mann'onismus — allerdings gestützt auf das gesetzlich festgelegte Eigentumsprinzip, wonach der Eigentümer mit seinem Eigen¬ tum „nach Belieben" (ß 903 B. G. B.), also auch nach den Zwecken niedrigsten Eigennutzes und bar aller sozialen Pflichten verfahren kann — die altgermanische Rechtsauffassung, daß der Grund und Boden dem Stamme gehört, verlassen und der Entwicklung von der Gemeineigentumsordnung zu einer Sondereigentums¬ ordnung, die nicht mehr dem ökonomischen Gesamtbedürfnis entspricht. Vorschub geleistet hat, sucht der Kommunismus, durch eine Verwirklichung seiner allzu radikalen wirtschaftssozialistischen Theorien, in der Ausschaltung oder Verringerung des privaten Eigentums, der Abschaffung des Erbrechtes, in der Überführung aller

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/47>, abgerufen am 23.07.2024.