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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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Bodcnrechtsreform

Bei der Entstehung irgendeines wirtschaftlichen Gutes wirken drei Faktoren
mit: Natur (Grund und Boden), Arbeit, Kapital, in deren Erträgnis -- Grundrente,
Lohn, Zins, -- sich drei Menschcnkategorien teilen: Grundbesitzer, Arbeiter und
Kapitalisten.

Durch das aus der Reaktion gegen den wirtschaftlichen Staatsabsolutismus
des achtzehnten Jahrhunderts entstandene let alone, das Gewährenlassen, des
ökonomischen Liberalismus (durch Adam Smith in seinem Werke: "Inquir^ into
tre imturs auel causes ok tue vealtli or rmtions" theoretisch begründet und die
Manchesterschule praktisch vertreten), durch die einsetzende Arbeitsteilung, die für
die Gliederung der Produktion in wirtschaftlicher wie technischer Hinsicht von
außerordentlicher Bedeutung ist, ist eine hohe Ergiebigkeit der menschlichen Arbeit,
ist eine vermehrte Produktion erreicht worden, die unausgesetzt und in steigend
raschem Maße fortschreitet. Es wird mehr produziert, als die Arbeiter zu ihrem
Lebensunterhalt und zur Fortsetzung ihrer Arbeit bedürfen, die Arbeit bringt also
soviel hervor, daß andere davon mitleben to.men. Da aber weder Arbeiter noch
Kapitalisten mit einem größeren Anteil an dem Ertrage der Volkswirtschaft parti-
zipieren, die arbeitenden Klassen von den Früchten der steigenden Produktivität
ausgeschlossen sind, d. h. ihre Arbeit als Ware behandelt und somit dem Gesetze
der "freien Konkurrenz" unterstellt wird, so folgt notwendigerweise daraus, daß
dem Grundbesitzer neben dem als Entgelt für die Aufwendung von Arbeit und
Kapital zu betrachtenden Ertrage der Produktion der ganze Gewinn zufällt.

Und die Tatsachen stimmen mit dieser Schlußfolgerung überein. So führt
u. a. der Nationalökonom Richard Calwer in den "sozialistischen Monatsheften"
(8. Heft 1908 S. 479) aus: "Der Nominallohn der in berufsgcnossenschaftlichen
Betrieben beschäftigten Vollarbciter ist seit 1895 um rund 37 bis 38 Prozent, das
WarcnpreiSniveau in derselben Zeit um rund 25 Prozent gestiegen. Die Differenz
zwischen beiden Steigerungsziffern gibt die Bewegung des Neallohnes an, der seit
1895 bis einschließlich 1906 um etwa 12 bis 13 Prozent oder im Durchschnitt
jährlich um 1 Prozent zugenommen hat." Rechnet man hierzu noch die außerhalb des
eigentlichen Lebensunterhaltes fallenden Ausgaben (Staats-, Kommunalabgaben usw.),
so finden wir, daß mit der Arbeit nicht viel zu verdienen ist. Und die Kapital-
rente? Konnte man vor hundert Jahren 12 Prozent Zins nehmen, so bringt heutigen¬
tags das Kapital nur 4 Prozent. Der Zins war also -- besonders stark in den
letzten Jahrzehnten -- stetig gesunken. Anders liegt es mit dem Grund und Boden.
War es vor hundert Jahren möglich, die Quadratmeile Saudbodens, auf der die
Stadt Berlin steht, für 200 Millionen Mark käuflick) zu erwerben, so heute für
10 Milliarden Mark. Der Grund und Boden war demnach mit dem sozialen
Fortschritt um Tausende von Prozent gestiegen.

Schlußfolgernd ersehen wir: Während weder Lohn noch Zins sich mit den
ökonomischen Fortschritten vermehren, vermehrt sich die Grundrente, steigen die
Bodenpreise und geben die ständige Begleiterscheinung des ökonomischen Fort¬
schrittes ab.

Aus der bloßen Tatsache des Besitzes von Boden -- denn in dem Begriff
der Rente liegt es, daß sie nicht die Entschädigung für ein von dem Bezieher ge¬
brachtes Opfer bildet -- resultiert das arbeitsfreie, d. h. das über den natür¬
lichen Wert der geleisteten Arbeit gehende Einkommen, das unentgeltlich bezogene
Einkommen, das wir als Boden- oder Grundrente bezeichnen.
" "




Der Boden hat die Eigentümlichkeit, daß er nicht vermehrbar ist. Er ist
für die einzelne Volkswirtschaft im wesentlichen eine gegebene Größe und gibt also
seinem Besitzer ein gewisses Monopol. Der Grund und Boden ist Monopolgut.
Diese Tatsache steht außerhalb jeder Diskussion. Während man Fabriken bauen
kann, so viel man will, ist etwa der Umfang der an eine Geschäftsstraße stoßenden
Grundstück" beschränkt.

"Aller Grund und Boden der Kulturwelt hat seinen Eigentümer; Hunderte
von Millionen sind ohne Grund und Boden. Da sie ihn aber dringend, die


Bodcnrechtsreform

Bei der Entstehung irgendeines wirtschaftlichen Gutes wirken drei Faktoren
mit: Natur (Grund und Boden), Arbeit, Kapital, in deren Erträgnis — Grundrente,
Lohn, Zins, — sich drei Menschcnkategorien teilen: Grundbesitzer, Arbeiter und
Kapitalisten.

Durch das aus der Reaktion gegen den wirtschaftlichen Staatsabsolutismus
des achtzehnten Jahrhunderts entstandene let alone, das Gewährenlassen, des
ökonomischen Liberalismus (durch Adam Smith in seinem Werke: „Inquir^ into
tre imturs auel causes ok tue vealtli or rmtions" theoretisch begründet und die
Manchesterschule praktisch vertreten), durch die einsetzende Arbeitsteilung, die für
die Gliederung der Produktion in wirtschaftlicher wie technischer Hinsicht von
außerordentlicher Bedeutung ist, ist eine hohe Ergiebigkeit der menschlichen Arbeit,
ist eine vermehrte Produktion erreicht worden, die unausgesetzt und in steigend
raschem Maße fortschreitet. Es wird mehr produziert, als die Arbeiter zu ihrem
Lebensunterhalt und zur Fortsetzung ihrer Arbeit bedürfen, die Arbeit bringt also
soviel hervor, daß andere davon mitleben to.men. Da aber weder Arbeiter noch
Kapitalisten mit einem größeren Anteil an dem Ertrage der Volkswirtschaft parti-
zipieren, die arbeitenden Klassen von den Früchten der steigenden Produktivität
ausgeschlossen sind, d. h. ihre Arbeit als Ware behandelt und somit dem Gesetze
der „freien Konkurrenz" unterstellt wird, so folgt notwendigerweise daraus, daß
dem Grundbesitzer neben dem als Entgelt für die Aufwendung von Arbeit und
Kapital zu betrachtenden Ertrage der Produktion der ganze Gewinn zufällt.

Und die Tatsachen stimmen mit dieser Schlußfolgerung überein. So führt
u. a. der Nationalökonom Richard Calwer in den „sozialistischen Monatsheften"
(8. Heft 1908 S. 479) aus: „Der Nominallohn der in berufsgcnossenschaftlichen
Betrieben beschäftigten Vollarbciter ist seit 1895 um rund 37 bis 38 Prozent, das
WarcnpreiSniveau in derselben Zeit um rund 25 Prozent gestiegen. Die Differenz
zwischen beiden Steigerungsziffern gibt die Bewegung des Neallohnes an, der seit
1895 bis einschließlich 1906 um etwa 12 bis 13 Prozent oder im Durchschnitt
jährlich um 1 Prozent zugenommen hat." Rechnet man hierzu noch die außerhalb des
eigentlichen Lebensunterhaltes fallenden Ausgaben (Staats-, Kommunalabgaben usw.),
so finden wir, daß mit der Arbeit nicht viel zu verdienen ist. Und die Kapital-
rente? Konnte man vor hundert Jahren 12 Prozent Zins nehmen, so bringt heutigen¬
tags das Kapital nur 4 Prozent. Der Zins war also — besonders stark in den
letzten Jahrzehnten — stetig gesunken. Anders liegt es mit dem Grund und Boden.
War es vor hundert Jahren möglich, die Quadratmeile Saudbodens, auf der die
Stadt Berlin steht, für 200 Millionen Mark käuflick) zu erwerben, so heute für
10 Milliarden Mark. Der Grund und Boden war demnach mit dem sozialen
Fortschritt um Tausende von Prozent gestiegen.

Schlußfolgernd ersehen wir: Während weder Lohn noch Zins sich mit den
ökonomischen Fortschritten vermehren, vermehrt sich die Grundrente, steigen die
Bodenpreise und geben die ständige Begleiterscheinung des ökonomischen Fort¬
schrittes ab.

Aus der bloßen Tatsache des Besitzes von Boden — denn in dem Begriff
der Rente liegt es, daß sie nicht die Entschädigung für ein von dem Bezieher ge¬
brachtes Opfer bildet — resultiert das arbeitsfreie, d. h. das über den natür¬
lichen Wert der geleisteten Arbeit gehende Einkommen, das unentgeltlich bezogene
Einkommen, das wir als Boden- oder Grundrente bezeichnen.
» »




Der Boden hat die Eigentümlichkeit, daß er nicht vermehrbar ist. Er ist
für die einzelne Volkswirtschaft im wesentlichen eine gegebene Größe und gibt also
seinem Besitzer ein gewisses Monopol. Der Grund und Boden ist Monopolgut.
Diese Tatsache steht außerhalb jeder Diskussion. Während man Fabriken bauen
kann, so viel man will, ist etwa der Umfang der an eine Geschäftsstraße stoßenden
Grundstück« beschränkt.

„Aller Grund und Boden der Kulturwelt hat seinen Eigentümer; Hunderte
von Millionen sind ohne Grund und Boden. Da sie ihn aber dringend, die


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[0046] Bodcnrechtsreform Bei der Entstehung irgendeines wirtschaftlichen Gutes wirken drei Faktoren mit: Natur (Grund und Boden), Arbeit, Kapital, in deren Erträgnis — Grundrente, Lohn, Zins, — sich drei Menschcnkategorien teilen: Grundbesitzer, Arbeiter und Kapitalisten. Durch das aus der Reaktion gegen den wirtschaftlichen Staatsabsolutismus des achtzehnten Jahrhunderts entstandene let alone, das Gewährenlassen, des ökonomischen Liberalismus (durch Adam Smith in seinem Werke: „Inquir^ into tre imturs auel causes ok tue vealtli or rmtions" theoretisch begründet und die Manchesterschule praktisch vertreten), durch die einsetzende Arbeitsteilung, die für die Gliederung der Produktion in wirtschaftlicher wie technischer Hinsicht von außerordentlicher Bedeutung ist, ist eine hohe Ergiebigkeit der menschlichen Arbeit, ist eine vermehrte Produktion erreicht worden, die unausgesetzt und in steigend raschem Maße fortschreitet. Es wird mehr produziert, als die Arbeiter zu ihrem Lebensunterhalt und zur Fortsetzung ihrer Arbeit bedürfen, die Arbeit bringt also soviel hervor, daß andere davon mitleben to.men. Da aber weder Arbeiter noch Kapitalisten mit einem größeren Anteil an dem Ertrage der Volkswirtschaft parti- zipieren, die arbeitenden Klassen von den Früchten der steigenden Produktivität ausgeschlossen sind, d. h. ihre Arbeit als Ware behandelt und somit dem Gesetze der „freien Konkurrenz" unterstellt wird, so folgt notwendigerweise daraus, daß dem Grundbesitzer neben dem als Entgelt für die Aufwendung von Arbeit und Kapital zu betrachtenden Ertrage der Produktion der ganze Gewinn zufällt. Und die Tatsachen stimmen mit dieser Schlußfolgerung überein. So führt u. a. der Nationalökonom Richard Calwer in den „sozialistischen Monatsheften" (8. Heft 1908 S. 479) aus: „Der Nominallohn der in berufsgcnossenschaftlichen Betrieben beschäftigten Vollarbciter ist seit 1895 um rund 37 bis 38 Prozent, das WarcnpreiSniveau in derselben Zeit um rund 25 Prozent gestiegen. Die Differenz zwischen beiden Steigerungsziffern gibt die Bewegung des Neallohnes an, der seit 1895 bis einschließlich 1906 um etwa 12 bis 13 Prozent oder im Durchschnitt jährlich um 1 Prozent zugenommen hat." Rechnet man hierzu noch die außerhalb des eigentlichen Lebensunterhaltes fallenden Ausgaben (Staats-, Kommunalabgaben usw.), so finden wir, daß mit der Arbeit nicht viel zu verdienen ist. Und die Kapital- rente? Konnte man vor hundert Jahren 12 Prozent Zins nehmen, so bringt heutigen¬ tags das Kapital nur 4 Prozent. Der Zins war also — besonders stark in den letzten Jahrzehnten — stetig gesunken. Anders liegt es mit dem Grund und Boden. War es vor hundert Jahren möglich, die Quadratmeile Saudbodens, auf der die Stadt Berlin steht, für 200 Millionen Mark käuflick) zu erwerben, so heute für 10 Milliarden Mark. Der Grund und Boden war demnach mit dem sozialen Fortschritt um Tausende von Prozent gestiegen. Schlußfolgernd ersehen wir: Während weder Lohn noch Zins sich mit den ökonomischen Fortschritten vermehren, vermehrt sich die Grundrente, steigen die Bodenpreise und geben die ständige Begleiterscheinung des ökonomischen Fort¬ schrittes ab. Aus der bloßen Tatsache des Besitzes von Boden — denn in dem Begriff der Rente liegt es, daß sie nicht die Entschädigung für ein von dem Bezieher ge¬ brachtes Opfer bildet — resultiert das arbeitsfreie, d. h. das über den natür¬ lichen Wert der geleisteten Arbeit gehende Einkommen, das unentgeltlich bezogene Einkommen, das wir als Boden- oder Grundrente bezeichnen. » » Der Boden hat die Eigentümlichkeit, daß er nicht vermehrbar ist. Er ist für die einzelne Volkswirtschaft im wesentlichen eine gegebene Größe und gibt also seinem Besitzer ein gewisses Monopol. Der Grund und Boden ist Monopolgut. Diese Tatsache steht außerhalb jeder Diskussion. Während man Fabriken bauen kann, so viel man will, ist etwa der Umfang der an eine Geschäftsstraße stoßenden Grundstück« beschränkt. „Aller Grund und Boden der Kulturwelt hat seinen Eigentümer; Hunderte von Millionen sind ohne Grund und Boden. Da sie ihn aber dringend, die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/46>, abgerufen am 23.07.2024.