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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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Der deutsch-russische Rückoersicherungsvcrtrag

land" und kennzeichnet mit diesem viel gebrauchten Schlagwort die Bedeutung,
die der Vertrag in der öffentlichen Meinung nach dem Ausscheiden des großen
Kanzlers gewonnen hat. Es macht den Eindruck, als ob der Verfasser den Inhalt
des Vertrages nicht näher kennt, aber seine amtliche Stellung hat ihm doch Ge¬
legenheit geboten, die mit der Auflösung des Vertrages verbundenen Folgen,
wirkliche wie vermutete, aus der Nähe zu beobachten, und er war bemüht, sich
danach ein Urteil über die Tragweite zu bilden, das man mit um so größerem
Interesse lesen wird, als ziemlich alles, was bisher öffentlich darüber gesagt worden
ist, von unzutreffender Voraussetzungen ausgeht. Dr. Hammann sagt uns in seinen
Darlegungen über diese Vorgänge eigentlich wenig Neues, und das auch nur
nebenbei, in unauffälliger Art. Er vermeidet, wie überhaupt auch sonst in seinem
Buch, alles, was sensationellen Anstrich hätte, obwohl er doch ohne Zweifel im¬
stande wäre, manches zu erzählen, was sein Werk für ein großes Publikum be¬
gehrter machen würde. Mancherlei kann man zwischen den Zeilen lesen, doch
dazu gehören Vorkenntnisse, über die nur ein beschränkter Kreis von Lesern verfügt.
Bei dem hier vorliegenden Gegenstande bedeutet es schon etwas, daß die üblichen
Irrtümer bezüglich bestimmter Tatsachen vermieden worden sind. An diese Tat¬
sachen knüpft Hermann dann in seiner Beurteilung gewisse Folgerungen, und er
kommt zu dem Schlüsse, daß der Wert des RückVersicherungsvertrages außer¬
ordentlich überschätzt worden sei.

Nachdem jetzt fast ein ganzes Menschenalier seit dem Erlöschen des Vertrages
verstrichen ist und unser politisches Verhältnis zu Rußland in keinem Zusammen¬
hange mehr damit steht, vielmehr auf ganz neuen Grundlagen aufgebaut werden
muß, ist es nützlich, über das Wesen, die Entstehung und Lösung des vielbesprochenen
Abkommens etwas mehr zu sagen, als bisher bekannt ist. Man muß zu diesem
Zweck etwas weiter in die Geschichte unserer Zeit zurückgreifen.

.Es ist ein Grundzug der gesamten Politik des großen Kanzlers gewesen,
die Beziehungen zu Nußland möglichst freundlich zu gestalten. Aber er war doch
ein zu scharfer Beobachter, um nicht zu sehen, daß diese Bemühungen auf der anderen
Seite keiner vollen Gegenseitigkeit begegneten. Um nicht weiter zurückzugehen, sei
auf die Begleitumstände des deutsch-französischen Krieges verwiesen. Wir waren
damals der wohlwollenden Haltung des russischen Kaisers, der tatsächlich die
Politik seines Reiches viel selbständiger leitete, als man gewöhnlich annimmt, so¬
weit sicher, daß wir das verdächtige Treiben des österreichischen Staatskanzlers
Grafen Beust mit Ruhe beobachten konnten, zumal es sich bald herausstellte, daß
d^r^aMarische Einfluß sich einem österreichisch-französischen Zusammengehen wieder¬
setzte. GrasliMrMrc^Hä^ unserer diplo¬
matischen Unterstützung quittiert, als Rußland in einer die Welt überraschenden
Weise sich der Verpflichtung, keine Kriegsschiffe auf dem Schwarzen Meere zu halten,
für ledig erklärte. Wie wir während des Krimkrieges Rußland vor einem West-
lichen Angriff bewahrt haben, dann während des polnischen Aufstandes im Gegen¬
satz zu der französisch-englischen Einmischung auf seine Seite getreten sind, so haben
wir auch in der Pontusfrage Rußland zu einem mühelosem Erfolge verholfen.
Man kann die Frage stellen, ob es angesichts solcher deutscher Dienste, denen
gegenüber die Demütigung von Olmütz stand, zweckmäßig war, jenen Dankbrief
zu schreiben, in dem Kaiser Wilhelm nach Beendigung des Krieges dem kaiserlichen
Neffen seine warme Erkenntlichkeit für die Unterstützung aussprach, die dieser uns
mit seiner freundschaftlichen Neutralität geleistet hatte. Denn schon damals wurde
offenbar, daß die Einigung und der kräftige Aufstieg Deutschlands in der russischen
Gesellschaft mit lebhaftem Unbehagen verfolgt wurde. Als Thiers seine Reise an
die Höfe der neutralen Großmächte ausführte, um deren Unterstützung gegen die
deutschen Friedensbedingungen zu gewinnen, berief er sich in der Unterhaltung mit
dem Zaren darauf, daß er überall in Petersburg lebhaften Sympathien für die
französische Sache begegnet sei, und er setzte sich damit der kaiserlichen Zurecht¬
weisung aus, daß die Politik ist. Rußland von.....dem Monarchen allein bestimmt
werde. Begann einmal diese hohe und entscheidende Stelle in ihrer Neigung zu


Der deutsch-russische Rückoersicherungsvcrtrag

land" und kennzeichnet mit diesem viel gebrauchten Schlagwort die Bedeutung,
die der Vertrag in der öffentlichen Meinung nach dem Ausscheiden des großen
Kanzlers gewonnen hat. Es macht den Eindruck, als ob der Verfasser den Inhalt
des Vertrages nicht näher kennt, aber seine amtliche Stellung hat ihm doch Ge¬
legenheit geboten, die mit der Auflösung des Vertrages verbundenen Folgen,
wirkliche wie vermutete, aus der Nähe zu beobachten, und er war bemüht, sich
danach ein Urteil über die Tragweite zu bilden, das man mit um so größerem
Interesse lesen wird, als ziemlich alles, was bisher öffentlich darüber gesagt worden
ist, von unzutreffender Voraussetzungen ausgeht. Dr. Hammann sagt uns in seinen
Darlegungen über diese Vorgänge eigentlich wenig Neues, und das auch nur
nebenbei, in unauffälliger Art. Er vermeidet, wie überhaupt auch sonst in seinem
Buch, alles, was sensationellen Anstrich hätte, obwohl er doch ohne Zweifel im¬
stande wäre, manches zu erzählen, was sein Werk für ein großes Publikum be¬
gehrter machen würde. Mancherlei kann man zwischen den Zeilen lesen, doch
dazu gehören Vorkenntnisse, über die nur ein beschränkter Kreis von Lesern verfügt.
Bei dem hier vorliegenden Gegenstande bedeutet es schon etwas, daß die üblichen
Irrtümer bezüglich bestimmter Tatsachen vermieden worden sind. An diese Tat¬
sachen knüpft Hermann dann in seiner Beurteilung gewisse Folgerungen, und er
kommt zu dem Schlüsse, daß der Wert des RückVersicherungsvertrages außer¬
ordentlich überschätzt worden sei.

Nachdem jetzt fast ein ganzes Menschenalier seit dem Erlöschen des Vertrages
verstrichen ist und unser politisches Verhältnis zu Rußland in keinem Zusammen¬
hange mehr damit steht, vielmehr auf ganz neuen Grundlagen aufgebaut werden
muß, ist es nützlich, über das Wesen, die Entstehung und Lösung des vielbesprochenen
Abkommens etwas mehr zu sagen, als bisher bekannt ist. Man muß zu diesem
Zweck etwas weiter in die Geschichte unserer Zeit zurückgreifen.

.Es ist ein Grundzug der gesamten Politik des großen Kanzlers gewesen,
die Beziehungen zu Nußland möglichst freundlich zu gestalten. Aber er war doch
ein zu scharfer Beobachter, um nicht zu sehen, daß diese Bemühungen auf der anderen
Seite keiner vollen Gegenseitigkeit begegneten. Um nicht weiter zurückzugehen, sei
auf die Begleitumstände des deutsch-französischen Krieges verwiesen. Wir waren
damals der wohlwollenden Haltung des russischen Kaisers, der tatsächlich die
Politik seines Reiches viel selbständiger leitete, als man gewöhnlich annimmt, so¬
weit sicher, daß wir das verdächtige Treiben des österreichischen Staatskanzlers
Grafen Beust mit Ruhe beobachten konnten, zumal es sich bald herausstellte, daß
d^r^aMarische Einfluß sich einem österreichisch-französischen Zusammengehen wieder¬
setzte. GrasliMrMrc^Hä^ unserer diplo¬
matischen Unterstützung quittiert, als Rußland in einer die Welt überraschenden
Weise sich der Verpflichtung, keine Kriegsschiffe auf dem Schwarzen Meere zu halten,
für ledig erklärte. Wie wir während des Krimkrieges Rußland vor einem West-
lichen Angriff bewahrt haben, dann während des polnischen Aufstandes im Gegen¬
satz zu der französisch-englischen Einmischung auf seine Seite getreten sind, so haben
wir auch in der Pontusfrage Rußland zu einem mühelosem Erfolge verholfen.
Man kann die Frage stellen, ob es angesichts solcher deutscher Dienste, denen
gegenüber die Demütigung von Olmütz stand, zweckmäßig war, jenen Dankbrief
zu schreiben, in dem Kaiser Wilhelm nach Beendigung des Krieges dem kaiserlichen
Neffen seine warme Erkenntlichkeit für die Unterstützung aussprach, die dieser uns
mit seiner freundschaftlichen Neutralität geleistet hatte. Denn schon damals wurde
offenbar, daß die Einigung und der kräftige Aufstieg Deutschlands in der russischen
Gesellschaft mit lebhaftem Unbehagen verfolgt wurde. Als Thiers seine Reise an
die Höfe der neutralen Großmächte ausführte, um deren Unterstützung gegen die
deutschen Friedensbedingungen zu gewinnen, berief er sich in der Unterhaltung mit
dem Zaren darauf, daß er überall in Petersburg lebhaften Sympathien für die
französische Sache begegnet sei, und er setzte sich damit der kaiserlichen Zurecht¬
weisung aus, daß die Politik ist. Rußland von.....dem Monarchen allein bestimmt
werde. Begann einmal diese hohe und entscheidende Stelle in ihrer Neigung zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/38>, abgerufen am 22.07.2024.