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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgeblich"s

Literaturgeschichte ist eben nicht bloße Geschichte der Literatur, sondern ist Jdeen-
und Geistesgeschichte im umfassendsten Sinne des Wortes,

Weiterhin aber ist auch für die Bildung der höheren Lehrer größere Einheit
zu erstreben. Denn auch bei ihnen sind, zum Teil infolge der heftigen Schul¬
kämpfe der letzten Jahrzehnte, tiefe Gegensatze entstanden. Einseitiges Fachwissen
und Fachegoismus haben dazu beigetragen, das Gefühl, einer gemeinsamen
Bildungsaufgabe zu dienen, immer mehr zu verflüchtigen. Und nur eine über
alle Einzelwissenschaften sich breitende pädagogische und philosophische Überzeugung
kann die Scheidung der Geister einigermaßen überwinden.

Was letzten Endes bei der ganzen Frage der einheitlichen Nationalbildung
auf dem Spiele sieht ist unser Nationalcharakter. Wie der Charakter des Einzel¬
menschen eine gewisse Einheit der Persönlichkeit erheischt, so ist auch National¬
charakter nicht möglich, ohne daß in grundlegenden Bestrebungen und Ideen des
Volkes wenigstens eine gemeinsame Richtung herrscht. Vielleicht ist unsere Nation
als politisches Wesen noch zu jung, um schon zu einer bestimmten Volkspersön¬
lichkeit gelangt zu sein. Jetzt aber dürfte die Zeit der Reife nahen und damit
der Augenblick gekommen sein, dem Ziele einer einheitlichen Nationalbildung und
einer wahrhaft deutschen Volkspersönlichkeit mit aller Kraft zuzustreben.




Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]
"Der neue Kurs", Erinnerungen von Otto
Hammann z Verlag von Reimar Hobbing in
Berlin 1918. Preis M. 8 u. 4.

Otto Hammann, Wirklicher Geheimer Lega¬
tionsrat, Exzellenz, war mehr als fünfund¬
zwanzig Jahre Leiter und zuletzt Direktor
der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes,
also ein Mann, der unter vier Kanzlern diente!
Er ist eine der wenigen Persönlichkeiten, die
das Heranreifen des Weltkrieges in Jahr¬
zehnten von hoher Warte und ausgerüstet
mit den gerade modernsten Bsobachiungs-
mitteln verfolgen konnte. Die Gründe liegen
auf der Hand, wenn Hammann dennoch
darauf verzichtete, eine Vorgeschichte deS Welt¬
krieges zu schreiben. Was er gibt, sind Ma¬
terialien zu einer solchen Vorgeschichte, die
zugleich die Geschichte der Regierungszeit
Kaiser Wilhelms des Zweiten ist. Es ist
vorwiegend von der Zeit des zweiten Reichs¬
kanzlers, General v. Caprivi, die Rede;
jene erschütternden Kämpfe werden beleuchtet,
unter denen sich die Regierung Wilhelms des
Zweiten aus dem Dunkel des Schattens des
Titanen Bismarck herauszuarbeiten strebte.
Meines Wissens ist es auch die erste Schrift,
die dem Wirken Cnprivis gerecht zu werden
versucht, wenn es auch nicht ihr ausge¬
sprochener Zweck ist.

[Spaltenumbruch]

Wer von dem langjährigen Beamten, in
dessen Bureau sich häufig genug die ge¬
heimsten Fäden der inneren Politik kreuzten,
Enthüllungen erwartet hat, wird durch die
Erinnerungen enttäuscht. Ihr Wert liegt
nicht in den neuen Einzelheiten. Die sie der
größeren Öffentlichkeit bringen, sondern in
der Zusammenstellung meist bekannter Tat¬
sachen durch den Kundigen. Das trifft
ebenso für die Vorgeschichte der Krüger¬
depesche zu, die sich bereits ausführlich bei
Reventlow findet, wie für die Preisgabe
des Rückversicherungsverirages mit Rußland.
Letztere bedarf in ihrer Darstellung ent¬
schieden einer Ergänzung. Von größtem
Interesse sind die Darstellungen der Ver¬
hältnisse hinter den Kulissen der Politik,
die sich an Persönlichkeiten wie Holstein
und Tausch knüpfen. Obwohl diese Dinge
zwanzig, und mehr Jahre zurückliegen
und der Weltkrieg zwischen jene Zeit und
die Gegenwart getreten ist, enthalten sie
manchen Fingerzeig für die Schwächen un¬
seres heutigen Politischen Apparates und für
Gefahren, denen wir dank der Organi-
satiouswut, die sich gegenwärtig auf dem
Gebiet der Presse bemerkbar macht, in naher
Zukunft entgegengehen. Aus diesem Grunde
sind wir für Hammanns Erinnerungen ganz

[Ende Spaltensatz]
Maßgebliches und Unmaßgeblich«s

Literaturgeschichte ist eben nicht bloße Geschichte der Literatur, sondern ist Jdeen-
und Geistesgeschichte im umfassendsten Sinne des Wortes,

Weiterhin aber ist auch für die Bildung der höheren Lehrer größere Einheit
zu erstreben. Denn auch bei ihnen sind, zum Teil infolge der heftigen Schul¬
kämpfe der letzten Jahrzehnte, tiefe Gegensatze entstanden. Einseitiges Fachwissen
und Fachegoismus haben dazu beigetragen, das Gefühl, einer gemeinsamen
Bildungsaufgabe zu dienen, immer mehr zu verflüchtigen. Und nur eine über
alle Einzelwissenschaften sich breitende pädagogische und philosophische Überzeugung
kann die Scheidung der Geister einigermaßen überwinden.

Was letzten Endes bei der ganzen Frage der einheitlichen Nationalbildung
auf dem Spiele sieht ist unser Nationalcharakter. Wie der Charakter des Einzel¬
menschen eine gewisse Einheit der Persönlichkeit erheischt, so ist auch National¬
charakter nicht möglich, ohne daß in grundlegenden Bestrebungen und Ideen des
Volkes wenigstens eine gemeinsame Richtung herrscht. Vielleicht ist unsere Nation
als politisches Wesen noch zu jung, um schon zu einer bestimmten Volkspersön¬
lichkeit gelangt zu sein. Jetzt aber dürfte die Zeit der Reife nahen und damit
der Augenblick gekommen sein, dem Ziele einer einheitlichen Nationalbildung und
einer wahrhaft deutschen Volkspersönlichkeit mit aller Kraft zuzustreben.




Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]
„Der neue Kurs", Erinnerungen von Otto
Hammann z Verlag von Reimar Hobbing in
Berlin 1918. Preis M. 8 u. 4.

Otto Hammann, Wirklicher Geheimer Lega¬
tionsrat, Exzellenz, war mehr als fünfund¬
zwanzig Jahre Leiter und zuletzt Direktor
der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes,
also ein Mann, der unter vier Kanzlern diente!
Er ist eine der wenigen Persönlichkeiten, die
das Heranreifen des Weltkrieges in Jahr¬
zehnten von hoher Warte und ausgerüstet
mit den gerade modernsten Bsobachiungs-
mitteln verfolgen konnte. Die Gründe liegen
auf der Hand, wenn Hammann dennoch
darauf verzichtete, eine Vorgeschichte deS Welt¬
krieges zu schreiben. Was er gibt, sind Ma¬
terialien zu einer solchen Vorgeschichte, die
zugleich die Geschichte der Regierungszeit
Kaiser Wilhelms des Zweiten ist. Es ist
vorwiegend von der Zeit des zweiten Reichs¬
kanzlers, General v. Caprivi, die Rede;
jene erschütternden Kämpfe werden beleuchtet,
unter denen sich die Regierung Wilhelms des
Zweiten aus dem Dunkel des Schattens des
Titanen Bismarck herauszuarbeiten strebte.
Meines Wissens ist es auch die erste Schrift,
die dem Wirken Cnprivis gerecht zu werden
versucht, wenn es auch nicht ihr ausge¬
sprochener Zweck ist.

[Spaltenumbruch]

Wer von dem langjährigen Beamten, in
dessen Bureau sich häufig genug die ge¬
heimsten Fäden der inneren Politik kreuzten,
Enthüllungen erwartet hat, wird durch die
Erinnerungen enttäuscht. Ihr Wert liegt
nicht in den neuen Einzelheiten. Die sie der
größeren Öffentlichkeit bringen, sondern in
der Zusammenstellung meist bekannter Tat¬
sachen durch den Kundigen. Das trifft
ebenso für die Vorgeschichte der Krüger¬
depesche zu, die sich bereits ausführlich bei
Reventlow findet, wie für die Preisgabe
des Rückversicherungsverirages mit Rußland.
Letztere bedarf in ihrer Darstellung ent¬
schieden einer Ergänzung. Von größtem
Interesse sind die Darstellungen der Ver¬
hältnisse hinter den Kulissen der Politik,
die sich an Persönlichkeiten wie Holstein
und Tausch knüpfen. Obwohl diese Dinge
zwanzig, und mehr Jahre zurückliegen
und der Weltkrieg zwischen jene Zeit und
die Gegenwart getreten ist, enthalten sie
manchen Fingerzeig für die Schwächen un¬
seres heutigen Politischen Apparates und für
Gefahren, denen wir dank der Organi-
satiouswut, die sich gegenwärtig auf dem
Gebiet der Presse bemerkbar macht, in naher
Zukunft entgegengehen. Aus diesem Grunde
sind wir für Hammanns Erinnerungen ganz

[Ende Spaltensatz]
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[0033] Maßgebliches und Unmaßgeblich«s Literaturgeschichte ist eben nicht bloße Geschichte der Literatur, sondern ist Jdeen- und Geistesgeschichte im umfassendsten Sinne des Wortes, Weiterhin aber ist auch für die Bildung der höheren Lehrer größere Einheit zu erstreben. Denn auch bei ihnen sind, zum Teil infolge der heftigen Schul¬ kämpfe der letzten Jahrzehnte, tiefe Gegensatze entstanden. Einseitiges Fachwissen und Fachegoismus haben dazu beigetragen, das Gefühl, einer gemeinsamen Bildungsaufgabe zu dienen, immer mehr zu verflüchtigen. Und nur eine über alle Einzelwissenschaften sich breitende pädagogische und philosophische Überzeugung kann die Scheidung der Geister einigermaßen überwinden. Was letzten Endes bei der ganzen Frage der einheitlichen Nationalbildung auf dem Spiele sieht ist unser Nationalcharakter. Wie der Charakter des Einzel¬ menschen eine gewisse Einheit der Persönlichkeit erheischt, so ist auch National¬ charakter nicht möglich, ohne daß in grundlegenden Bestrebungen und Ideen des Volkes wenigstens eine gemeinsame Richtung herrscht. Vielleicht ist unsere Nation als politisches Wesen noch zu jung, um schon zu einer bestimmten Volkspersön¬ lichkeit gelangt zu sein. Jetzt aber dürfte die Zeit der Reife nahen und damit der Augenblick gekommen sein, dem Ziele einer einheitlichen Nationalbildung und einer wahrhaft deutschen Volkspersönlichkeit mit aller Kraft zuzustreben. Maßgebliches und Unmaßgebliches „Der neue Kurs", Erinnerungen von Otto Hammann z Verlag von Reimar Hobbing in Berlin 1918. Preis M. 8 u. 4. Otto Hammann, Wirklicher Geheimer Lega¬ tionsrat, Exzellenz, war mehr als fünfund¬ zwanzig Jahre Leiter und zuletzt Direktor der Presseabteilung des Auswärtigen Amtes, also ein Mann, der unter vier Kanzlern diente! Er ist eine der wenigen Persönlichkeiten, die das Heranreifen des Weltkrieges in Jahr¬ zehnten von hoher Warte und ausgerüstet mit den gerade modernsten Bsobachiungs- mitteln verfolgen konnte. Die Gründe liegen auf der Hand, wenn Hammann dennoch darauf verzichtete, eine Vorgeschichte deS Welt¬ krieges zu schreiben. Was er gibt, sind Ma¬ terialien zu einer solchen Vorgeschichte, die zugleich die Geschichte der Regierungszeit Kaiser Wilhelms des Zweiten ist. Es ist vorwiegend von der Zeit des zweiten Reichs¬ kanzlers, General v. Caprivi, die Rede; jene erschütternden Kämpfe werden beleuchtet, unter denen sich die Regierung Wilhelms des Zweiten aus dem Dunkel des Schattens des Titanen Bismarck herauszuarbeiten strebte. Meines Wissens ist es auch die erste Schrift, die dem Wirken Cnprivis gerecht zu werden versucht, wenn es auch nicht ihr ausge¬ sprochener Zweck ist. Wer von dem langjährigen Beamten, in dessen Bureau sich häufig genug die ge¬ heimsten Fäden der inneren Politik kreuzten, Enthüllungen erwartet hat, wird durch die Erinnerungen enttäuscht. Ihr Wert liegt nicht in den neuen Einzelheiten. Die sie der größeren Öffentlichkeit bringen, sondern in der Zusammenstellung meist bekannter Tat¬ sachen durch den Kundigen. Das trifft ebenso für die Vorgeschichte der Krüger¬ depesche zu, die sich bereits ausführlich bei Reventlow findet, wie für die Preisgabe des Rückversicherungsverirages mit Rußland. Letztere bedarf in ihrer Darstellung ent¬ schieden einer Ergänzung. Von größtem Interesse sind die Darstellungen der Ver¬ hältnisse hinter den Kulissen der Politik, die sich an Persönlichkeiten wie Holstein und Tausch knüpfen. Obwohl diese Dinge zwanzig, und mehr Jahre zurückliegen und der Weltkrieg zwischen jene Zeit und die Gegenwart getreten ist, enthalten sie manchen Fingerzeig für die Schwächen un¬ seres heutigen Politischen Apparates und für Gefahren, denen wir dank der Organi- satiouswut, die sich gegenwärtig auf dem Gebiet der Presse bemerkbar macht, in naher Zukunft entgegengehen. Aus diesem Grunde sind wir für Hammanns Erinnerungen ganz

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/33>, abgerufen am 22.07.2024.