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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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Aus "Frizchens Liederbuch"
[Beginn Spaltensatz] Ob Mittag oder Nacht es sey,
Das ist ihm alles einerley.
Er hört die Lerche singen früh,
Und fraget: warum singet sie? [Spaltenumbruch] Das weiß er nicht, daß sie entzükt
Der Dämmerung entgegenblikt,
Daß sie den jungen Tag begrüßt,
Der ihr so hoch willkommen ist. [Ende Spaltensatz] O blinder Mann, du weißt eS nicht,
Wie mir das Herz für Wehmut bricht I
Ich fühle meiner Sinne Glück
Und danke Gott mit nassem Blick.



Ganz erfüllt ist Frizchens Herz von' kindlicher, inniger Liebe zu Gott. Zu
ihm trägt er alle seine Wünsche, seine Sorgen und Freuden. Er weiß sich in
Gottes allmächtigen Schutz und nimmt aus seiner Vaterhand alles, was geschieht
voll gläubigen Vertrauens hin. Als vom lieben Gott gesandt sieht er auch das
Gewitter an und kennt darum keinerlei Furcht vor den elementaren Natur¬
ereignissen, die sich vor seinen Augen enthüllen:

Das Gewitter
[Beginn Spaltensatz] Ich vor dem Donner fürchten mich,
Und vor des Blizes Pracht?
Da müßt' ich schlecht erkennen dich,
Der Bliz und Donner macht. Der du vom Himmel Feuer Schilfe,
Du sendest auch den Thau,
Und Korn und Blume; du erquikst
den Hügel und die An. Der du die Wolken zittern machst,
Du giebst auch Sonnenschein.
Und'milde Frühlingsluft; du machst,
Daß Saat und Frucht gedeihn. Es hatten böse Dünste sich
Gezogen um uns her,
Die Luft war dick und schwefelich,
Der Atem gieng nur schwer. [Spaltenumbruch] Da sahen wir den Himmel an,
Und Gott verstand den Blick;
Mit einmal war es auch gethan,
Er schlug den Dampf zurück. Ein paarmal stand's; da war's vorbey
Gereinigt war die Lust,
Der Atem gieng nun wieder frey,
Das Land gab frischen Duft. Nur unsrer Eiche nah am See
Fiel das Gewitter schwer.
Doch that's ihr darum garnicht Weh;
Auch giebt's der Eichen mehr. Kann Gott es leiden, kann ich's auch,
Denk' ich, und damit gut!
Zudem, es war ein schöner Rauch,
Und schöne, helle Glut. [Ende Spaltensatz]



Am ergreifendsten äußert sich des Knaben^ tief gläubige Kinderseele in den
Abendgedanken, die ein rechtes Kindergebet sind:

Der Tag ist weg; und seht, die Augenlieder
Sind matt, und fallen zu.
Der schöne TagI -- Doch morgen tönt^rZwieder;
Ich eil' indeß zur Ruh.
Gespielet hab' ich heut, gelacht, gesungen;
Gewiß, das freut mich sehr.
Doch ist mir's auch im Lernen'wohlgelungen,
Und das, das freut mich mehr.
Ich habe meinen Aeltern viel Vergnügen
Mit meinen- Fleiß gemacht;
O schön I das soll mich süß in Schlummer wiegen
Und würzen mir die Nacht.
Mir wird von frommen, lieben Kindern träumen
Die nun im Himmel sind,
Und spielen unter schönen Aepfelbäumen
Komm, süßer Traum, geschwind I
Nein, komm noch nicht! Laß mich vor allen Dingen
Hinauf zum Himmel sehn,
Und meinen Dank dem lieben Gotte bringen,
Vor dem die Engel stehn.

Aus „Frizchens Liederbuch"
[Beginn Spaltensatz] Ob Mittag oder Nacht es sey,
Das ist ihm alles einerley.
Er hört die Lerche singen früh,
Und fraget: warum singet sie? [Spaltenumbruch] Das weiß er nicht, daß sie entzükt
Der Dämmerung entgegenblikt,
Daß sie den jungen Tag begrüßt,
Der ihr so hoch willkommen ist. [Ende Spaltensatz] O blinder Mann, du weißt eS nicht,
Wie mir das Herz für Wehmut bricht I
Ich fühle meiner Sinne Glück
Und danke Gott mit nassem Blick.



Ganz erfüllt ist Frizchens Herz von' kindlicher, inniger Liebe zu Gott. Zu
ihm trägt er alle seine Wünsche, seine Sorgen und Freuden. Er weiß sich in
Gottes allmächtigen Schutz und nimmt aus seiner Vaterhand alles, was geschieht
voll gläubigen Vertrauens hin. Als vom lieben Gott gesandt sieht er auch das
Gewitter an und kennt darum keinerlei Furcht vor den elementaren Natur¬
ereignissen, die sich vor seinen Augen enthüllen:

Das Gewitter
[Beginn Spaltensatz] Ich vor dem Donner fürchten mich,
Und vor des Blizes Pracht?
Da müßt' ich schlecht erkennen dich,
Der Bliz und Donner macht. Der du vom Himmel Feuer Schilfe,
Du sendest auch den Thau,
Und Korn und Blume; du erquikst
den Hügel und die An. Der du die Wolken zittern machst,
Du giebst auch Sonnenschein.
Und'milde Frühlingsluft; du machst,
Daß Saat und Frucht gedeihn. Es hatten böse Dünste sich
Gezogen um uns her,
Die Luft war dick und schwefelich,
Der Atem gieng nur schwer. [Spaltenumbruch] Da sahen wir den Himmel an,
Und Gott verstand den Blick;
Mit einmal war es auch gethan,
Er schlug den Dampf zurück. Ein paarmal stand's; da war's vorbey
Gereinigt war die Lust,
Der Atem gieng nun wieder frey,
Das Land gab frischen Duft. Nur unsrer Eiche nah am See
Fiel das Gewitter schwer.
Doch that's ihr darum garnicht Weh;
Auch giebt's der Eichen mehr. Kann Gott es leiden, kann ich's auch,
Denk' ich, und damit gut!
Zudem, es war ein schöner Rauch,
Und schöne, helle Glut. [Ende Spaltensatz]



Am ergreifendsten äußert sich des Knaben^ tief gläubige Kinderseele in den
Abendgedanken, die ein rechtes Kindergebet sind:

Der Tag ist weg; und seht, die Augenlieder
Sind matt, und fallen zu.
Der schöne TagI — Doch morgen tönt^rZwieder;
Ich eil' indeß zur Ruh.
Gespielet hab' ich heut, gelacht, gesungen;
Gewiß, das freut mich sehr.
Doch ist mir's auch im Lernen'wohlgelungen,
Und das, das freut mich mehr.
Ich habe meinen Aeltern viel Vergnügen
Mit meinen- Fleiß gemacht;
O schön I das soll mich süß in Schlummer wiegen
Und würzen mir die Nacht.
Mir wird von frommen, lieben Kindern träumen
Die nun im Himmel sind,
Und spielen unter schönen Aepfelbäumen
Komm, süßer Traum, geschwind I
Nein, komm noch nicht! Laß mich vor allen Dingen
Hinauf zum Himmel sehn,
Und meinen Dank dem lieben Gotte bringen,
Vor dem die Engel stehn.

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[0321] Aus „Frizchens Liederbuch" Ob Mittag oder Nacht es sey, Das ist ihm alles einerley. Er hört die Lerche singen früh, Und fraget: warum singet sie? Das weiß er nicht, daß sie entzükt Der Dämmerung entgegenblikt, Daß sie den jungen Tag begrüßt, Der ihr so hoch willkommen ist. O blinder Mann, du weißt eS nicht, Wie mir das Herz für Wehmut bricht I Ich fühle meiner Sinne Glück Und danke Gott mit nassem Blick. Ganz erfüllt ist Frizchens Herz von' kindlicher, inniger Liebe zu Gott. Zu ihm trägt er alle seine Wünsche, seine Sorgen und Freuden. Er weiß sich in Gottes allmächtigen Schutz und nimmt aus seiner Vaterhand alles, was geschieht voll gläubigen Vertrauens hin. Als vom lieben Gott gesandt sieht er auch das Gewitter an und kennt darum keinerlei Furcht vor den elementaren Natur¬ ereignissen, die sich vor seinen Augen enthüllen: Das Gewitter Ich vor dem Donner fürchten mich, Und vor des Blizes Pracht? Da müßt' ich schlecht erkennen dich, Der Bliz und Donner macht. Der du vom Himmel Feuer Schilfe, Du sendest auch den Thau, Und Korn und Blume; du erquikst den Hügel und die An. Der du die Wolken zittern machst, Du giebst auch Sonnenschein. Und'milde Frühlingsluft; du machst, Daß Saat und Frucht gedeihn. Es hatten böse Dünste sich Gezogen um uns her, Die Luft war dick und schwefelich, Der Atem gieng nur schwer. Da sahen wir den Himmel an, Und Gott verstand den Blick; Mit einmal war es auch gethan, Er schlug den Dampf zurück. Ein paarmal stand's; da war's vorbey Gereinigt war die Lust, Der Atem gieng nun wieder frey, Das Land gab frischen Duft. Nur unsrer Eiche nah am See Fiel das Gewitter schwer. Doch that's ihr darum garnicht Weh; Auch giebt's der Eichen mehr. Kann Gott es leiden, kann ich's auch, Denk' ich, und damit gut! Zudem, es war ein schöner Rauch, Und schöne, helle Glut. Am ergreifendsten äußert sich des Knaben^ tief gläubige Kinderseele in den Abendgedanken, die ein rechtes Kindergebet sind: Der Tag ist weg; und seht, die Augenlieder Sind matt, und fallen zu. Der schöne TagI — Doch morgen tönt^rZwieder; Ich eil' indeß zur Ruh. Gespielet hab' ich heut, gelacht, gesungen; Gewiß, das freut mich sehr. Doch ist mir's auch im Lernen'wohlgelungen, Und das, das freut mich mehr. Ich habe meinen Aeltern viel Vergnügen Mit meinen- Fleiß gemacht; O schön I das soll mich süß in Schlummer wiegen Und würzen mir die Nacht. Mir wird von frommen, lieben Kindern träumen Die nun im Himmel sind, Und spielen unter schönen Aepfelbäumen Komm, süßer Traum, geschwind I Nein, komm noch nicht! Laß mich vor allen Dingen Hinauf zum Himmel sehn, Und meinen Dank dem lieben Gotte bringen, Vor dem die Engel stehn.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/321>, abgerufen am 25.08.2024.