Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Aur baltischen ^iteraturgcschichtc

das in seinen letzten Werken gegen Ende seines Lebens oft vulkanisch hervorbricht.
Unter seinen Dramen steht das aus seiner letzten Zeit stammende "Jesus von
Nazareth" obenan, wenn es ihm auch so wenig wie anderen, die sich an diesem
Thema versucht haben, gelungen ist, allgemein zu befriedigen. Große Verdienste
hat er sich um die Popularisierung baltischer Dichterwerke erworben. Manche
Züge im Leben dieses Dichters erinnern an die des Grafen August von Platen.

Mit dem Beginn der zweiten Hälfte des Jahrhunderts tritt der bisher von
der deutschen auf die baltische Literatur geübte unmittelbare Einfluß langsam
zurück. Durch die von den Deutschen völlig verschiedenen politischen Zustände
werden hier andere Lebensaufgaben, andere Lebensanschauungen wachgerufen.
Politische Kämpfe, wie sie dort am Ausgang der ersten Jahrhunderthälfte statt¬
gefunden'hatten, regten hier die Gemüter nicht auf. Hier gab es keinen Verzicht
auf erträumte politische Ideale. Soziale und handelspolitische Forderungen standen
im Vordergrunde. Die Hebung der Landwirtschaft und vor allem des geistigen
Niveaus der Landbevölkerung waren die Angelpunkte, um die das geistige Leben
im Lande sich bewegte. Die schöngeistige Literatur trat gegen die politisch-wirt¬
schaftliche und gegen die fachwissenschaftliche erheblich zurück. Das Bedürfnis nach
jener deckte der immer mehr sich entwickelnde Buchhandel; für die mittleren Kreise
vornehmlich durch die deutschen illustrierten Zeitungen, wie die "Gartenlaube",
"Über Land und Meer", "Daheim" u. a. Daneben fanden natürlich die Werke
der hervorragenderen deutschen Dichter jener Zeit ihre Verehrer und ihre -- Nach-
ahmer. Das Theater, besonders das rigasche, stand in höchster Blüte.

So paradox eS klingen mag, je leichter und bequemer die Verbindung zu
Lande und zu Wasser zwischen hüben und drüben sich gestaltet, um so mehr er¬
lischt im Westen die Kenntnis vom baltischen Deutschtum und das Verständnis
für seine Ideale. Sie bleiben seit dem Erstehen Deutschlands zur Weltmacht nur
noch in einzelnen Gelehrten- und in einzelnen politischen Kreisen lebendig. Der
frühere geistige Verkehr weicht immer mehr einem rein geschäftlichen, und die
russische Regierung sorgte nach Möglichkeit dafür, die Annäherung zu verhindern
und zu erschweren.

Während die deutsche Literatur von der Tendenzpoefie der vierziger Jahre
in neue Bahnen lenkt, bleibt hier die klassisch-romantische Richtung noch lange in
Geltung, weil hier alle jene Voraussetzungen fehlten, die drüben die Wandlungen
hervorriefen. Erst im letzten Jahrzehnt des Jahrhunderts werden unter dem
Einflüsse der modernen Philosophie Strömungen bemerkbar, die eine größere
Neigung zum Naturalismus erkennen lassen. Die Lyrik steht natürlich voran.
Konnte doch nur in ihr den breitesten Niederschlag finden, was trotz des ab¬
weichenden Standpunktes des einzelnen im Leben doch in allen gleiche Begeiste¬
rung weckte: die Liebe zur Heimat, ihre anspruchslose "Schönheit in Feld und
Wald und Meer, ihr Leben, ihr Lieben. Und zum Singen und Sagen war viel
guter Wille da, der mit dem Können allerdings nicht immer gleichen Schritt hielt.
Das Schlegelsche Stichwort, "daß die Willkür des Dichters kein Gesetz über sich
Ade", hat hier oft mehr als billig seinen Einfluß geübt. Daher neben manchem
Bedeutenden und wahrhaft Schönen auch nicht wenig Unbedeutendes. Einige
Namen seien genannt.

Unter den Lyrikern dieses Zeitraumes ist an erster Stelle Karl von Firth
SU nennen, dessen Dichtungen erst durch die Veröffentlichung von I. von Grotthus
weiteren Kreisen zugänglich geworden sind. Firth ist eine tief und fest um Boden
ewer reichen und eigenen Gemülswclt wurzelnde Dichtererscheinung, bei der es
Zweifelhaft scheinen kann, ob mehr die epische als die lyrische Gabe vorwiegt.
Aem Epos . Fergus" ist ein wuchtiges Heldengedicht, das sich ebenso durch die
Pracht der Schilderung wie durch die Schönheit der Sprache auszeichnet. --
Neben ihm sind der Livländer Alexis Adolphi. der sich an Geibel anlehnt, der
Revaler Christoph Mickwitz. dessen Dichtungen in der Mehrzahl psychologische,
anthologische und andere das Leben bewegende Fragen behandeln, und Maurice
von Eiern zu nennen der Sohn des liederbegabten Karl Walter von Stern, der
"


22
Aur baltischen ^iteraturgcschichtc

das in seinen letzten Werken gegen Ende seines Lebens oft vulkanisch hervorbricht.
Unter seinen Dramen steht das aus seiner letzten Zeit stammende „Jesus von
Nazareth" obenan, wenn es ihm auch so wenig wie anderen, die sich an diesem
Thema versucht haben, gelungen ist, allgemein zu befriedigen. Große Verdienste
hat er sich um die Popularisierung baltischer Dichterwerke erworben. Manche
Züge im Leben dieses Dichters erinnern an die des Grafen August von Platen.

Mit dem Beginn der zweiten Hälfte des Jahrhunderts tritt der bisher von
der deutschen auf die baltische Literatur geübte unmittelbare Einfluß langsam
zurück. Durch die von den Deutschen völlig verschiedenen politischen Zustände
werden hier andere Lebensaufgaben, andere Lebensanschauungen wachgerufen.
Politische Kämpfe, wie sie dort am Ausgang der ersten Jahrhunderthälfte statt¬
gefunden'hatten, regten hier die Gemüter nicht auf. Hier gab es keinen Verzicht
auf erträumte politische Ideale. Soziale und handelspolitische Forderungen standen
im Vordergrunde. Die Hebung der Landwirtschaft und vor allem des geistigen
Niveaus der Landbevölkerung waren die Angelpunkte, um die das geistige Leben
im Lande sich bewegte. Die schöngeistige Literatur trat gegen die politisch-wirt¬
schaftliche und gegen die fachwissenschaftliche erheblich zurück. Das Bedürfnis nach
jener deckte der immer mehr sich entwickelnde Buchhandel; für die mittleren Kreise
vornehmlich durch die deutschen illustrierten Zeitungen, wie die „Gartenlaube",
»Über Land und Meer", „Daheim" u. a. Daneben fanden natürlich die Werke
der hervorragenderen deutschen Dichter jener Zeit ihre Verehrer und ihre — Nach-
ahmer. Das Theater, besonders das rigasche, stand in höchster Blüte.

So paradox eS klingen mag, je leichter und bequemer die Verbindung zu
Lande und zu Wasser zwischen hüben und drüben sich gestaltet, um so mehr er¬
lischt im Westen die Kenntnis vom baltischen Deutschtum und das Verständnis
für seine Ideale. Sie bleiben seit dem Erstehen Deutschlands zur Weltmacht nur
noch in einzelnen Gelehrten- und in einzelnen politischen Kreisen lebendig. Der
frühere geistige Verkehr weicht immer mehr einem rein geschäftlichen, und die
russische Regierung sorgte nach Möglichkeit dafür, die Annäherung zu verhindern
und zu erschweren.

Während die deutsche Literatur von der Tendenzpoefie der vierziger Jahre
in neue Bahnen lenkt, bleibt hier die klassisch-romantische Richtung noch lange in
Geltung, weil hier alle jene Voraussetzungen fehlten, die drüben die Wandlungen
hervorriefen. Erst im letzten Jahrzehnt des Jahrhunderts werden unter dem
Einflüsse der modernen Philosophie Strömungen bemerkbar, die eine größere
Neigung zum Naturalismus erkennen lassen. Die Lyrik steht natürlich voran.
Konnte doch nur in ihr den breitesten Niederschlag finden, was trotz des ab¬
weichenden Standpunktes des einzelnen im Leben doch in allen gleiche Begeiste¬
rung weckte: die Liebe zur Heimat, ihre anspruchslose «Schönheit in Feld und
Wald und Meer, ihr Leben, ihr Lieben. Und zum Singen und Sagen war viel
guter Wille da, der mit dem Können allerdings nicht immer gleichen Schritt hielt.
Das Schlegelsche Stichwort, „daß die Willkür des Dichters kein Gesetz über sich
Ade", hat hier oft mehr als billig seinen Einfluß geübt. Daher neben manchem
Bedeutenden und wahrhaft Schönen auch nicht wenig Unbedeutendes. Einige
Namen seien genannt.

Unter den Lyrikern dieses Zeitraumes ist an erster Stelle Karl von Firth
SU nennen, dessen Dichtungen erst durch die Veröffentlichung von I. von Grotthus
weiteren Kreisen zugänglich geworden sind. Firth ist eine tief und fest um Boden
ewer reichen und eigenen Gemülswclt wurzelnde Dichtererscheinung, bei der es
Zweifelhaft scheinen kann, ob mehr die epische als die lyrische Gabe vorwiegt.
Aem Epos . Fergus" ist ein wuchtiges Heldengedicht, das sich ebenso durch die
Pracht der Schilderung wie durch die Schönheit der Sprache auszeichnet. —
Neben ihm sind der Livländer Alexis Adolphi. der sich an Geibel anlehnt, der
Revaler Christoph Mickwitz. dessen Dichtungen in der Mehrzahl psychologische,
anthologische und andere das Leben bewegende Fragen behandeln, und Maurice
von Eiern zu nennen der Sohn des liederbegabten Karl Walter von Stern, der
"


22
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0295" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/333778"/>
          <fw type="header" place="top"> Aur baltischen ^iteraturgcschichtc</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1152" prev="#ID_1151"> das in seinen letzten Werken gegen Ende seines Lebens oft vulkanisch hervorbricht.<lb/>
Unter seinen Dramen steht das aus seiner letzten Zeit stammende &#x201E;Jesus von<lb/>
Nazareth" obenan, wenn es ihm auch so wenig wie anderen, die sich an diesem<lb/>
Thema versucht haben, gelungen ist, allgemein zu befriedigen. Große Verdienste<lb/>
hat er sich um die Popularisierung baltischer Dichterwerke erworben. Manche<lb/>
Züge im Leben dieses Dichters erinnern an die des Grafen August von Platen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1153"> Mit dem Beginn der zweiten Hälfte des Jahrhunderts tritt der bisher von<lb/>
der deutschen auf die baltische Literatur geübte unmittelbare Einfluß langsam<lb/>
zurück. Durch die von den Deutschen völlig verschiedenen politischen Zustände<lb/>
werden hier andere Lebensaufgaben, andere Lebensanschauungen wachgerufen.<lb/>
Politische Kämpfe, wie sie dort am Ausgang der ersten Jahrhunderthälfte statt¬<lb/>
gefunden'hatten, regten hier die Gemüter nicht auf. Hier gab es keinen Verzicht<lb/>
auf erträumte politische Ideale. Soziale und handelspolitische Forderungen standen<lb/>
im Vordergrunde. Die Hebung der Landwirtschaft und vor allem des geistigen<lb/>
Niveaus der Landbevölkerung waren die Angelpunkte, um die das geistige Leben<lb/>
im Lande sich bewegte. Die schöngeistige Literatur trat gegen die politisch-wirt¬<lb/>
schaftliche und gegen die fachwissenschaftliche erheblich zurück. Das Bedürfnis nach<lb/>
jener deckte der immer mehr sich entwickelnde Buchhandel; für die mittleren Kreise<lb/>
vornehmlich durch die deutschen illustrierten Zeitungen, wie die &#x201E;Gartenlaube",<lb/>
»Über Land und Meer", &#x201E;Daheim" u. a. Daneben fanden natürlich die Werke<lb/>
der hervorragenderen deutschen Dichter jener Zeit ihre Verehrer und ihre &#x2014; Nach-<lb/>
ahmer. Das Theater, besonders das rigasche, stand in höchster Blüte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1154"> So paradox eS klingen mag, je leichter und bequemer die Verbindung zu<lb/>
Lande und zu Wasser zwischen hüben und drüben sich gestaltet, um so mehr er¬<lb/>
lischt im Westen die Kenntnis vom baltischen Deutschtum und das Verständnis<lb/>
für seine Ideale. Sie bleiben seit dem Erstehen Deutschlands zur Weltmacht nur<lb/>
noch in einzelnen Gelehrten- und in einzelnen politischen Kreisen lebendig. Der<lb/>
frühere geistige Verkehr weicht immer mehr einem rein geschäftlichen, und die<lb/>
russische Regierung sorgte nach Möglichkeit dafür, die Annäherung zu verhindern<lb/>
und zu erschweren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1155"> Während die deutsche Literatur von der Tendenzpoefie der vierziger Jahre<lb/>
in neue Bahnen lenkt, bleibt hier die klassisch-romantische Richtung noch lange in<lb/>
Geltung, weil hier alle jene Voraussetzungen fehlten, die drüben die Wandlungen<lb/>
hervorriefen. Erst im letzten Jahrzehnt des Jahrhunderts werden unter dem<lb/>
Einflüsse der modernen Philosophie Strömungen bemerkbar, die eine größere<lb/>
Neigung zum Naturalismus erkennen lassen. Die Lyrik steht natürlich voran.<lb/>
Konnte doch nur in ihr den breitesten Niederschlag finden, was trotz des ab¬<lb/>
weichenden Standpunktes des einzelnen im Leben doch in allen gleiche Begeiste¬<lb/>
rung weckte: die Liebe zur Heimat, ihre anspruchslose «Schönheit in Feld und<lb/>
Wald und Meer, ihr Leben, ihr Lieben. Und zum Singen und Sagen war viel<lb/>
guter Wille da, der mit dem Können allerdings nicht immer gleichen Schritt hielt.<lb/>
Das Schlegelsche Stichwort, &#x201E;daß die Willkür des Dichters kein Gesetz über sich<lb/>
Ade", hat hier oft mehr als billig seinen Einfluß geübt. Daher neben manchem<lb/>
Bedeutenden und wahrhaft Schönen auch nicht wenig Unbedeutendes. Einige<lb/>
Namen seien genannt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1156" next="#ID_1157"> Unter den Lyrikern dieses Zeitraumes ist an erster Stelle Karl von Firth<lb/>
SU nennen, dessen Dichtungen erst durch die Veröffentlichung von I. von Grotthus<lb/>
weiteren Kreisen zugänglich geworden sind. Firth ist eine tief und fest um Boden<lb/>
ewer reichen und eigenen Gemülswclt wurzelnde Dichtererscheinung, bei der es<lb/>
Zweifelhaft scheinen kann, ob mehr die epische als die lyrische Gabe vorwiegt.<lb/>
Aem Epos . Fergus" ist ein wuchtiges Heldengedicht, das sich ebenso durch die<lb/>
Pracht der Schilderung wie durch die Schönheit der Sprache auszeichnet. &#x2014;<lb/>
Neben ihm sind der Livländer Alexis Adolphi. der sich an Geibel anlehnt, der<lb/>
Revaler Christoph Mickwitz. dessen Dichtungen in der Mehrzahl psychologische,<lb/>
anthologische und andere das Leben bewegende Fragen behandeln, und Maurice<lb/>
von Eiern zu nennen der Sohn des liederbegabten Karl Walter von Stern, der<lb/>
"</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 22</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0295] Aur baltischen ^iteraturgcschichtc das in seinen letzten Werken gegen Ende seines Lebens oft vulkanisch hervorbricht. Unter seinen Dramen steht das aus seiner letzten Zeit stammende „Jesus von Nazareth" obenan, wenn es ihm auch so wenig wie anderen, die sich an diesem Thema versucht haben, gelungen ist, allgemein zu befriedigen. Große Verdienste hat er sich um die Popularisierung baltischer Dichterwerke erworben. Manche Züge im Leben dieses Dichters erinnern an die des Grafen August von Platen. Mit dem Beginn der zweiten Hälfte des Jahrhunderts tritt der bisher von der deutschen auf die baltische Literatur geübte unmittelbare Einfluß langsam zurück. Durch die von den Deutschen völlig verschiedenen politischen Zustände werden hier andere Lebensaufgaben, andere Lebensanschauungen wachgerufen. Politische Kämpfe, wie sie dort am Ausgang der ersten Jahrhunderthälfte statt¬ gefunden'hatten, regten hier die Gemüter nicht auf. Hier gab es keinen Verzicht auf erträumte politische Ideale. Soziale und handelspolitische Forderungen standen im Vordergrunde. Die Hebung der Landwirtschaft und vor allem des geistigen Niveaus der Landbevölkerung waren die Angelpunkte, um die das geistige Leben im Lande sich bewegte. Die schöngeistige Literatur trat gegen die politisch-wirt¬ schaftliche und gegen die fachwissenschaftliche erheblich zurück. Das Bedürfnis nach jener deckte der immer mehr sich entwickelnde Buchhandel; für die mittleren Kreise vornehmlich durch die deutschen illustrierten Zeitungen, wie die „Gartenlaube", »Über Land und Meer", „Daheim" u. a. Daneben fanden natürlich die Werke der hervorragenderen deutschen Dichter jener Zeit ihre Verehrer und ihre — Nach- ahmer. Das Theater, besonders das rigasche, stand in höchster Blüte. So paradox eS klingen mag, je leichter und bequemer die Verbindung zu Lande und zu Wasser zwischen hüben und drüben sich gestaltet, um so mehr er¬ lischt im Westen die Kenntnis vom baltischen Deutschtum und das Verständnis für seine Ideale. Sie bleiben seit dem Erstehen Deutschlands zur Weltmacht nur noch in einzelnen Gelehrten- und in einzelnen politischen Kreisen lebendig. Der frühere geistige Verkehr weicht immer mehr einem rein geschäftlichen, und die russische Regierung sorgte nach Möglichkeit dafür, die Annäherung zu verhindern und zu erschweren. Während die deutsche Literatur von der Tendenzpoefie der vierziger Jahre in neue Bahnen lenkt, bleibt hier die klassisch-romantische Richtung noch lange in Geltung, weil hier alle jene Voraussetzungen fehlten, die drüben die Wandlungen hervorriefen. Erst im letzten Jahrzehnt des Jahrhunderts werden unter dem Einflüsse der modernen Philosophie Strömungen bemerkbar, die eine größere Neigung zum Naturalismus erkennen lassen. Die Lyrik steht natürlich voran. Konnte doch nur in ihr den breitesten Niederschlag finden, was trotz des ab¬ weichenden Standpunktes des einzelnen im Leben doch in allen gleiche Begeiste¬ rung weckte: die Liebe zur Heimat, ihre anspruchslose «Schönheit in Feld und Wald und Meer, ihr Leben, ihr Lieben. Und zum Singen und Sagen war viel guter Wille da, der mit dem Können allerdings nicht immer gleichen Schritt hielt. Das Schlegelsche Stichwort, „daß die Willkür des Dichters kein Gesetz über sich Ade", hat hier oft mehr als billig seinen Einfluß geübt. Daher neben manchem Bedeutenden und wahrhaft Schönen auch nicht wenig Unbedeutendes. Einige Namen seien genannt. Unter den Lyrikern dieses Zeitraumes ist an erster Stelle Karl von Firth SU nennen, dessen Dichtungen erst durch die Veröffentlichung von I. von Grotthus weiteren Kreisen zugänglich geworden sind. Firth ist eine tief und fest um Boden ewer reichen und eigenen Gemülswclt wurzelnde Dichtererscheinung, bei der es Zweifelhaft scheinen kann, ob mehr die epische als die lyrische Gabe vorwiegt. Aem Epos . Fergus" ist ein wuchtiges Heldengedicht, das sich ebenso durch die Pracht der Schilderung wie durch die Schönheit der Sprache auszeichnet. — Neben ihm sind der Livländer Alexis Adolphi. der sich an Geibel anlehnt, der Revaler Christoph Mickwitz. dessen Dichtungen in der Mehrzahl psychologische, anthologische und andere das Leben bewegende Fragen behandeln, und Maurice von Eiern zu nennen der Sohn des liederbegabten Karl Walter von Stern, der " 22

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/295
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/295>, abgerufen am 22.07.2024.