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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches "ab Unmaßgebliches

Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

Frankreich, Italien und die Kaisrrbegeg-
nung. Es gibt keinen besseren Maßstab
für den eigenen Erfolg, als den Ärger
unserer Feinde. An den Stimmen der Entente-
Presse aus den Tagen, nachdem die Erwei¬
terung und Vertiefung des deutsch-öster¬
reichischen Bündnisses vollzogen und vor aller
Welt bekundet worden war, läßt sich die Probe
darauf machen, daß die Begegnung der ver¬
bündeten Monarchen von Erfolg und Wirkung
gewesen ist. Der Ton in den feindlichen
Blättern ist völlig umgeschlagen. Österreich-
Ungarn, das sie bisherheimlich umschmeichelten,
weil sie glaubten, seine Treue, könnte wankend
werden, wird jetzt heftig gescholten, weil es
für diese Treue erneut Zeugnis abgelegt hat.
Bei den italienischen Blättern mag eine solche
Auffassung nicht weiter auffallend sein, den
Italienern geht es wie dem Verbrecher, der
sich einen Komplizen sucht, schon um nicht
mit seinem schlechten Gewissen allein zu sein.
Es ist ihnen Wohl das Gespenst des rumä¬
nischen Strafgerichtes erschienen, und seit der
Kaiserbegegnung wächst zusehends die Angst
vor der nächsten Schlacht, die nach den zwölf
Jsonzoschlachten gerade die dreizehnte ist (und
der Italiener ist sehr abergläubisch). -- Nach¬
dem die Ententepresse so oft versucht hat, das
gegenseitige Verhältnis zwischen dem Deut¬
schen Reich und Osterreich - Ungarn als ge¬
lockert und halb gelöst hinzustellen, und der
Regierung in Wien heimliche arti-deutsche
Politik anzudichten -- wobei der Wunsch der
Vater des Gedankens war --, fällt sie jetzt
in das andere Extrem; sie findet das Ver¬
hältnis bindender und drückender für Oster¬
reich, als es sich für einen souveränen Staat
gezieme, und behauptet, Osterreich dürfe nun
offenbar nur noch deutsche Politik machen.
Der "Temps" (2S. Mai) stellt fest, daß Öster-
reich "immer tiefer in die Abhängigkeit von
Deutschland gerät", der "GauloiS" (14. Mai),
daß es "die letzten Spuren seiner Unab¬
hängigkeit geopfert und Deutschland seine
militärische und wirtschaftliche Kraft ausge"
lief-rthat, daS"JournaldeSDöbats" (15.Mai)
gar, daß dies Bündnis "eine Verdoppelung
"er Knechtschaft für Osterreich" ergeben hat.

[Spaltenumbruch]

Ganz ähnlich das Echo aus Italien: der
"Carriere della sera" (17. Mai) spricht von
Scheinsouveränitäten, "Italia" (15. Mai) kon¬
statiert, Deutschland gehe darauf aus, Öster¬
reich-Ungarn "unter seine Faust" zu bringen.
"Popolo d'Italia" (16. Mai) läßt sich von
einem "VasallentumÖsterreichs" telegraphieren
und dies "Vasallentum" kehrt in der ganzen
Presse wieder.

"Hast du das von dir abgenommen?
Hast du diese stolze Anmerkung über dich
selbst gemacht?" könnte man hier die latei¬
nischen Schwestern fragen. Italien, das von
England Kohlen bekommt, wenn es Mann¬
schaften liefert, Frankreich, das den Kampf-
Platz bildet, auf dem England seine Welt¬
herrschaft versieht -- und man weiß, "Eng¬
land kämpft bis zum letzten Blutstropfen der
Franzosen" --, sie beide müssen wissen, daß
man ein Vasallentum "Bündnis" nennen
kann; und sie können sich's anscheinend gar
nicht anders denken und nennen darum
Österreichs Bündnis "Vasallentum". Von
besonderem Reiz ist dabei, daß die Entente-
Pressein gleichemAtem mit diesen Schmähungen
gegen Österreich-Ungarn "die Befestigung des
Blockes der Alliierten" fordert --, das hieße
logischerweise "die Verdoppelung ihrer eigenen
Knechtschaft".

Glauben unsere Feinde wirklich, mit sol¬
chem plumpen Manöver auf unsere Ver¬
bündeten Eindruck zu machen? Glauben sie,
ein Bündnis, das mit genieinsam vergossenem
Blut gekittet ist, ließe sich durch solche An¬
würfe erschüttern? Glauben sie, Österreich
würde seinen Feinden mehr als seiner eigenen
Einsicht glauben, was seinen berechtigten
Interessen dient? Die Ausführungen der
Entente gleichen den Gedankengängen des
Liebhabers, wenn sich die Langumworbene
dem besseren Mann vermählt: "sie hat sich
eben weggeworfen. Die Brutalität hat wieder
einmal gesiegt". Solche Meditationen des
Verschmähten wirken immer etwas lächerlich.

Mit Recht schreibt Hoetzsch in der "Kreuz-
Zeitung" vom 22. Mai: "Auch der Bund,
der jetzt vertieft und ausgebaut werden soll,
bleibt der Bund zweier Souveränitäten, wie

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Maßgebliches »ab Unmaßgebliches

Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Frankreich, Italien und die Kaisrrbegeg-
nung. Es gibt keinen besseren Maßstab
für den eigenen Erfolg, als den Ärger
unserer Feinde. An den Stimmen der Entente-
Presse aus den Tagen, nachdem die Erwei¬
terung und Vertiefung des deutsch-öster¬
reichischen Bündnisses vollzogen und vor aller
Welt bekundet worden war, läßt sich die Probe
darauf machen, daß die Begegnung der ver¬
bündeten Monarchen von Erfolg und Wirkung
gewesen ist. Der Ton in den feindlichen
Blättern ist völlig umgeschlagen. Österreich-
Ungarn, das sie bisherheimlich umschmeichelten,
weil sie glaubten, seine Treue, könnte wankend
werden, wird jetzt heftig gescholten, weil es
für diese Treue erneut Zeugnis abgelegt hat.
Bei den italienischen Blättern mag eine solche
Auffassung nicht weiter auffallend sein, den
Italienern geht es wie dem Verbrecher, der
sich einen Komplizen sucht, schon um nicht
mit seinem schlechten Gewissen allein zu sein.
Es ist ihnen Wohl das Gespenst des rumä¬
nischen Strafgerichtes erschienen, und seit der
Kaiserbegegnung wächst zusehends die Angst
vor der nächsten Schlacht, die nach den zwölf
Jsonzoschlachten gerade die dreizehnte ist (und
der Italiener ist sehr abergläubisch). — Nach¬
dem die Ententepresse so oft versucht hat, das
gegenseitige Verhältnis zwischen dem Deut¬
schen Reich und Osterreich - Ungarn als ge¬
lockert und halb gelöst hinzustellen, und der
Regierung in Wien heimliche arti-deutsche
Politik anzudichten — wobei der Wunsch der
Vater des Gedankens war —, fällt sie jetzt
in das andere Extrem; sie findet das Ver¬
hältnis bindender und drückender für Oster¬
reich, als es sich für einen souveränen Staat
gezieme, und behauptet, Osterreich dürfe nun
offenbar nur noch deutsche Politik machen.
Der „Temps" (2S. Mai) stellt fest, daß Öster-
reich „immer tiefer in die Abhängigkeit von
Deutschland gerät", der „GauloiS" (14. Mai),
daß es „die letzten Spuren seiner Unab¬
hängigkeit geopfert und Deutschland seine
militärische und wirtschaftliche Kraft ausge»
lief-rthat, daS„JournaldeSDöbats" (15.Mai)
gar, daß dies Bündnis „eine Verdoppelung
»er Knechtschaft für Osterreich" ergeben hat.

[Spaltenumbruch]

Ganz ähnlich das Echo aus Italien: der
„Carriere della sera" (17. Mai) spricht von
Scheinsouveränitäten, „Italia" (15. Mai) kon¬
statiert, Deutschland gehe darauf aus, Öster¬
reich-Ungarn „unter seine Faust" zu bringen.
„Popolo d'Italia" (16. Mai) läßt sich von
einem „VasallentumÖsterreichs" telegraphieren
und dies „Vasallentum" kehrt in der ganzen
Presse wieder.

„Hast du das von dir abgenommen?
Hast du diese stolze Anmerkung über dich
selbst gemacht?" könnte man hier die latei¬
nischen Schwestern fragen. Italien, das von
England Kohlen bekommt, wenn es Mann¬
schaften liefert, Frankreich, das den Kampf-
Platz bildet, auf dem England seine Welt¬
herrschaft versieht — und man weiß, „Eng¬
land kämpft bis zum letzten Blutstropfen der
Franzosen" —, sie beide müssen wissen, daß
man ein Vasallentum „Bündnis" nennen
kann; und sie können sich's anscheinend gar
nicht anders denken und nennen darum
Österreichs Bündnis „Vasallentum". Von
besonderem Reiz ist dabei, daß die Entente-
Pressein gleichemAtem mit diesen Schmähungen
gegen Österreich-Ungarn „die Befestigung des
Blockes der Alliierten" fordert —, das hieße
logischerweise „die Verdoppelung ihrer eigenen
Knechtschaft".

Glauben unsere Feinde wirklich, mit sol¬
chem plumpen Manöver auf unsere Ver¬
bündeten Eindruck zu machen? Glauben sie,
ein Bündnis, das mit genieinsam vergossenem
Blut gekittet ist, ließe sich durch solche An¬
würfe erschüttern? Glauben sie, Österreich
würde seinen Feinden mehr als seiner eigenen
Einsicht glauben, was seinen berechtigten
Interessen dient? Die Ausführungen der
Entente gleichen den Gedankengängen des
Liebhabers, wenn sich die Langumworbene
dem besseren Mann vermählt: „sie hat sich
eben weggeworfen. Die Brutalität hat wieder
einmal gesiegt". Solche Meditationen des
Verschmähten wirken immer etwas lächerlich.

Mit Recht schreibt Hoetzsch in der „Kreuz-
Zeitung" vom 22. Mai: „Auch der Bund,
der jetzt vertieft und ausgebaut werden soll,
bleibt der Bund zweier Souveränitäten, wie

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[0274] Maßgebliches »ab Unmaßgebliches Maßgebliches und Unmaßgebliches Frankreich, Italien und die Kaisrrbegeg- nung. Es gibt keinen besseren Maßstab für den eigenen Erfolg, als den Ärger unserer Feinde. An den Stimmen der Entente- Presse aus den Tagen, nachdem die Erwei¬ terung und Vertiefung des deutsch-öster¬ reichischen Bündnisses vollzogen und vor aller Welt bekundet worden war, läßt sich die Probe darauf machen, daß die Begegnung der ver¬ bündeten Monarchen von Erfolg und Wirkung gewesen ist. Der Ton in den feindlichen Blättern ist völlig umgeschlagen. Österreich- Ungarn, das sie bisherheimlich umschmeichelten, weil sie glaubten, seine Treue, könnte wankend werden, wird jetzt heftig gescholten, weil es für diese Treue erneut Zeugnis abgelegt hat. Bei den italienischen Blättern mag eine solche Auffassung nicht weiter auffallend sein, den Italienern geht es wie dem Verbrecher, der sich einen Komplizen sucht, schon um nicht mit seinem schlechten Gewissen allein zu sein. Es ist ihnen Wohl das Gespenst des rumä¬ nischen Strafgerichtes erschienen, und seit der Kaiserbegegnung wächst zusehends die Angst vor der nächsten Schlacht, die nach den zwölf Jsonzoschlachten gerade die dreizehnte ist (und der Italiener ist sehr abergläubisch). — Nach¬ dem die Ententepresse so oft versucht hat, das gegenseitige Verhältnis zwischen dem Deut¬ schen Reich und Osterreich - Ungarn als ge¬ lockert und halb gelöst hinzustellen, und der Regierung in Wien heimliche arti-deutsche Politik anzudichten — wobei der Wunsch der Vater des Gedankens war —, fällt sie jetzt in das andere Extrem; sie findet das Ver¬ hältnis bindender und drückender für Oster¬ reich, als es sich für einen souveränen Staat gezieme, und behauptet, Osterreich dürfe nun offenbar nur noch deutsche Politik machen. Der „Temps" (2S. Mai) stellt fest, daß Öster- reich „immer tiefer in die Abhängigkeit von Deutschland gerät", der „GauloiS" (14. Mai), daß es „die letzten Spuren seiner Unab¬ hängigkeit geopfert und Deutschland seine militärische und wirtschaftliche Kraft ausge» lief-rthat, daS„JournaldeSDöbats" (15.Mai) gar, daß dies Bündnis „eine Verdoppelung »er Knechtschaft für Osterreich" ergeben hat. Ganz ähnlich das Echo aus Italien: der „Carriere della sera" (17. Mai) spricht von Scheinsouveränitäten, „Italia" (15. Mai) kon¬ statiert, Deutschland gehe darauf aus, Öster¬ reich-Ungarn „unter seine Faust" zu bringen. „Popolo d'Italia" (16. Mai) läßt sich von einem „VasallentumÖsterreichs" telegraphieren und dies „Vasallentum" kehrt in der ganzen Presse wieder. „Hast du das von dir abgenommen? Hast du diese stolze Anmerkung über dich selbst gemacht?" könnte man hier die latei¬ nischen Schwestern fragen. Italien, das von England Kohlen bekommt, wenn es Mann¬ schaften liefert, Frankreich, das den Kampf- Platz bildet, auf dem England seine Welt¬ herrschaft versieht — und man weiß, „Eng¬ land kämpft bis zum letzten Blutstropfen der Franzosen" —, sie beide müssen wissen, daß man ein Vasallentum „Bündnis" nennen kann; und sie können sich's anscheinend gar nicht anders denken und nennen darum Österreichs Bündnis „Vasallentum". Von besonderem Reiz ist dabei, daß die Entente- Pressein gleichemAtem mit diesen Schmähungen gegen Österreich-Ungarn „die Befestigung des Blockes der Alliierten" fordert —, das hieße logischerweise „die Verdoppelung ihrer eigenen Knechtschaft". Glauben unsere Feinde wirklich, mit sol¬ chem plumpen Manöver auf unsere Ver¬ bündeten Eindruck zu machen? Glauben sie, ein Bündnis, das mit genieinsam vergossenem Blut gekittet ist, ließe sich durch solche An¬ würfe erschüttern? Glauben sie, Österreich würde seinen Feinden mehr als seiner eigenen Einsicht glauben, was seinen berechtigten Interessen dient? Die Ausführungen der Entente gleichen den Gedankengängen des Liebhabers, wenn sich die Langumworbene dem besseren Mann vermählt: „sie hat sich eben weggeworfen. Die Brutalität hat wieder einmal gesiegt". Solche Meditationen des Verschmähten wirken immer etwas lächerlich. Mit Recht schreibt Hoetzsch in der „Kreuz- Zeitung" vom 22. Mai: „Auch der Bund, der jetzt vertieft und ausgebaut werden soll, bleibt der Bund zweier Souveränitäten, wie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/274>, abgerufen am 23.07.2024.