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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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Das Altern der Völker und Kulturen

von der geschlechtlichen Norm ebenso wie die künstliche Beschränkung der Kinder¬
zahl bei den Franzosen sind nicht sowohl Folgen des Alters als vielmehr gerade
die Ursachen des scheinbaren Alterns, die selber wieder anderswoher stammen.
Man nimmt eine zufällige Analogie auf einem Gebiete für den Beweis einer
gar nicht vorhandenen Gesamterscheinung, eben des Alterns. Die immerhin an-
erkennenswerte Tüchtigkeit der Franzosen in diesem Kriege dürfte das beweisen.
Wir können daher feststellen, daß nichts uns zwingt anzunehmen, die Rasse altere
mit Notwendigkeit von innen heraus.

Nicht einmal die Zufuhr neuen Blutes, die manche Theoretiker für not¬
wendig ansehen zur Verjüngung der Nasse, ist unerlüszlich. Auch dafür geben
Juden wie Chinesen die besten Belege. Gerade das Beispiel der Juden könnte
im Gegenteil eine Inzucht der Rasse als vorteilhaft erscheinen lassen, obwohl alle
derartigen Schlüsse nur mit Vorsicht zu handhaben sind. Daß z. B. eine "Ver¬
jüngung" Italiens in der Renaissancezeit die Folge des Zuschusses germanischen
Blutes gewesen sei, braucht man selbst dann nicht anzunehmen, wenn man das
germanische Element in jener Zeit als sehr bedeutsam ansieht. Denn sowohl in
Italien wie in Frankreich bringen die letzten Jahrhunderte eher ein Zurückdrängen
des blonden Typus durch den schwarzen Mittelmeertypus, was also eher auf ein
Erstarken der alten Nasse von innen heraus schließen läßt. Jedenfalls scheint es
uns. daß alle Tatsachen, die für ein Altern der Rasse als physiologische Er-
scheinung zu sprechen scheinen, auch anders zu deuten sind. Feststellen läßt sich
dagegen, daß -- wenigstens für die Zeiträume, mit denen unsere sogenannte
Weltgeschichte rechnet -- ein Altern der Völker als Gesamtheit nicht zu be-
weisen ist.




Ein ganz anderes Problem wird jedoch durch die Frage aufgerollt, ob es
nicht im Leben der Völker Erscheinungen gibt, die auffallende Analogien zu den
psychologischen Symptomen des AUerns, die wir bei Einzelmenschen finden, ab-
geben können. Neben den aufgeführten physiologischen Alterserscheinungen gibt
es nämlich im individuellen Leben seelische Tatsachen, die, zum Teil wenigstens,
unabhängig von jenen im fortschreitenden Alter aufzutreten pflegen.

Zählen wir diese psychologischen Merkmale der Alterspenode im Menschen¬
leben auf. so ergibt sich vor allem ein Zurücktreten des Gefühls- und Affektlebens
ebenso wie des Sinnenlebens zugunsten abstrakter Fähigkeiten, vor allem des
Denkens. Alle besonderen Kennzeichen lassen sich unter diese fundamentale Ver-
schiebung unterordnen. Die Ruhe und Gelassenheit des Alters ist nur eine Be¬
gleiterscheinung des erblassenden Gefühlslebens, und auch die geringere Lebhaftigkeit
der Phantasie hat hier ihre Wurzel. Das Zurücktreten des Sinneslebens beruht
Zum Teil auf einer Abstumpfung der Organe, zum Teil auch aus einem Über-
wuchern der aufgespeicherten Erfahrungen, die den Eindrücken den Reiz der Neuheit
nehmen und es gestatten, jedes neue Erlebnis zu klassifizieren und unter Begnfse
AU bringen'

Alle diese Merkmale sind zwar verknüpft mit einer gewissen Rückbildung
der physiologischen Organe, sind jedoch darum rein psychologisch keineswegs ohne
weiteres als Niedergangserscheinungen anzusehen. Mag physiologisch das Greisen,
alter dem Jünglings- und Mannesalter nachstehen, psychologisch bewahrt es fast
inmer die Oberhand. Die Leitung der Weltgeschicke ruht in der Regel in den
Händen alter Männer. Die neuesten politischen wie kriegerischen Ereignisse werden
auf beiden Seiten in der Hauptsache von Männern gelenkt, die die Siebzig hinter
s"h haben. Auch in Philosophie und Wissenschaft sind die hervorragendsten Leistungen
keineswegs ausschließlich von jungen Leuten erbracht worden. Und selbst die
Kunst, die doch zugestandenerweise hauptsächlich aus dem Gefühls- und Empfindungs-
leben quillt, braucht im Alter nicht zu versagen. Die Namen auf allen Kunst-
^bieten sind zahlreich, bei denen die Höchstleistungen gerade an hohen Lebens.
Mhren verknüpf sind Die Alterskunst Goethes, Beethovens. Ibsens. Tizians,


Das Altern der Völker und Kulturen

von der geschlechtlichen Norm ebenso wie die künstliche Beschränkung der Kinder¬
zahl bei den Franzosen sind nicht sowohl Folgen des Alters als vielmehr gerade
die Ursachen des scheinbaren Alterns, die selber wieder anderswoher stammen.
Man nimmt eine zufällige Analogie auf einem Gebiete für den Beweis einer
gar nicht vorhandenen Gesamterscheinung, eben des Alterns. Die immerhin an-
erkennenswerte Tüchtigkeit der Franzosen in diesem Kriege dürfte das beweisen.
Wir können daher feststellen, daß nichts uns zwingt anzunehmen, die Rasse altere
mit Notwendigkeit von innen heraus.

Nicht einmal die Zufuhr neuen Blutes, die manche Theoretiker für not¬
wendig ansehen zur Verjüngung der Nasse, ist unerlüszlich. Auch dafür geben
Juden wie Chinesen die besten Belege. Gerade das Beispiel der Juden könnte
im Gegenteil eine Inzucht der Rasse als vorteilhaft erscheinen lassen, obwohl alle
derartigen Schlüsse nur mit Vorsicht zu handhaben sind. Daß z. B. eine „Ver¬
jüngung" Italiens in der Renaissancezeit die Folge des Zuschusses germanischen
Blutes gewesen sei, braucht man selbst dann nicht anzunehmen, wenn man das
germanische Element in jener Zeit als sehr bedeutsam ansieht. Denn sowohl in
Italien wie in Frankreich bringen die letzten Jahrhunderte eher ein Zurückdrängen
des blonden Typus durch den schwarzen Mittelmeertypus, was also eher auf ein
Erstarken der alten Nasse von innen heraus schließen läßt. Jedenfalls scheint es
uns. daß alle Tatsachen, die für ein Altern der Rasse als physiologische Er-
scheinung zu sprechen scheinen, auch anders zu deuten sind. Feststellen läßt sich
dagegen, daß — wenigstens für die Zeiträume, mit denen unsere sogenannte
Weltgeschichte rechnet — ein Altern der Völker als Gesamtheit nicht zu be-
weisen ist.




Ein ganz anderes Problem wird jedoch durch die Frage aufgerollt, ob es
nicht im Leben der Völker Erscheinungen gibt, die auffallende Analogien zu den
psychologischen Symptomen des AUerns, die wir bei Einzelmenschen finden, ab-
geben können. Neben den aufgeführten physiologischen Alterserscheinungen gibt
es nämlich im individuellen Leben seelische Tatsachen, die, zum Teil wenigstens,
unabhängig von jenen im fortschreitenden Alter aufzutreten pflegen.

Zählen wir diese psychologischen Merkmale der Alterspenode im Menschen¬
leben auf. so ergibt sich vor allem ein Zurücktreten des Gefühls- und Affektlebens
ebenso wie des Sinnenlebens zugunsten abstrakter Fähigkeiten, vor allem des
Denkens. Alle besonderen Kennzeichen lassen sich unter diese fundamentale Ver-
schiebung unterordnen. Die Ruhe und Gelassenheit des Alters ist nur eine Be¬
gleiterscheinung des erblassenden Gefühlslebens, und auch die geringere Lebhaftigkeit
der Phantasie hat hier ihre Wurzel. Das Zurücktreten des Sinneslebens beruht
Zum Teil auf einer Abstumpfung der Organe, zum Teil auch aus einem Über-
wuchern der aufgespeicherten Erfahrungen, die den Eindrücken den Reiz der Neuheit
nehmen und es gestatten, jedes neue Erlebnis zu klassifizieren und unter Begnfse
AU bringen'

Alle diese Merkmale sind zwar verknüpft mit einer gewissen Rückbildung
der physiologischen Organe, sind jedoch darum rein psychologisch keineswegs ohne
weiteres als Niedergangserscheinungen anzusehen. Mag physiologisch das Greisen,
alter dem Jünglings- und Mannesalter nachstehen, psychologisch bewahrt es fast
inmer die Oberhand. Die Leitung der Weltgeschicke ruht in der Regel in den
Händen alter Männer. Die neuesten politischen wie kriegerischen Ereignisse werden
auf beiden Seiten in der Hauptsache von Männern gelenkt, die die Siebzig hinter
s"h haben. Auch in Philosophie und Wissenschaft sind die hervorragendsten Leistungen
keineswegs ausschließlich von jungen Leuten erbracht worden. Und selbst die
Kunst, die doch zugestandenerweise hauptsächlich aus dem Gefühls- und Empfindungs-
leben quillt, braucht im Alter nicht zu versagen. Die Namen auf allen Kunst-
^bieten sind zahlreich, bei denen die Höchstleistungen gerade an hohen Lebens.
Mhren verknüpf sind Die Alterskunst Goethes, Beethovens. Ibsens. Tizians,


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[0259] Das Altern der Völker und Kulturen von der geschlechtlichen Norm ebenso wie die künstliche Beschränkung der Kinder¬ zahl bei den Franzosen sind nicht sowohl Folgen des Alters als vielmehr gerade die Ursachen des scheinbaren Alterns, die selber wieder anderswoher stammen. Man nimmt eine zufällige Analogie auf einem Gebiete für den Beweis einer gar nicht vorhandenen Gesamterscheinung, eben des Alterns. Die immerhin an- erkennenswerte Tüchtigkeit der Franzosen in diesem Kriege dürfte das beweisen. Wir können daher feststellen, daß nichts uns zwingt anzunehmen, die Rasse altere mit Notwendigkeit von innen heraus. Nicht einmal die Zufuhr neuen Blutes, die manche Theoretiker für not¬ wendig ansehen zur Verjüngung der Nasse, ist unerlüszlich. Auch dafür geben Juden wie Chinesen die besten Belege. Gerade das Beispiel der Juden könnte im Gegenteil eine Inzucht der Rasse als vorteilhaft erscheinen lassen, obwohl alle derartigen Schlüsse nur mit Vorsicht zu handhaben sind. Daß z. B. eine „Ver¬ jüngung" Italiens in der Renaissancezeit die Folge des Zuschusses germanischen Blutes gewesen sei, braucht man selbst dann nicht anzunehmen, wenn man das germanische Element in jener Zeit als sehr bedeutsam ansieht. Denn sowohl in Italien wie in Frankreich bringen die letzten Jahrhunderte eher ein Zurückdrängen des blonden Typus durch den schwarzen Mittelmeertypus, was also eher auf ein Erstarken der alten Nasse von innen heraus schließen läßt. Jedenfalls scheint es uns. daß alle Tatsachen, die für ein Altern der Rasse als physiologische Er- scheinung zu sprechen scheinen, auch anders zu deuten sind. Feststellen läßt sich dagegen, daß — wenigstens für die Zeiträume, mit denen unsere sogenannte Weltgeschichte rechnet — ein Altern der Völker als Gesamtheit nicht zu be- weisen ist. Ein ganz anderes Problem wird jedoch durch die Frage aufgerollt, ob es nicht im Leben der Völker Erscheinungen gibt, die auffallende Analogien zu den psychologischen Symptomen des AUerns, die wir bei Einzelmenschen finden, ab- geben können. Neben den aufgeführten physiologischen Alterserscheinungen gibt es nämlich im individuellen Leben seelische Tatsachen, die, zum Teil wenigstens, unabhängig von jenen im fortschreitenden Alter aufzutreten pflegen. Zählen wir diese psychologischen Merkmale der Alterspenode im Menschen¬ leben auf. so ergibt sich vor allem ein Zurücktreten des Gefühls- und Affektlebens ebenso wie des Sinnenlebens zugunsten abstrakter Fähigkeiten, vor allem des Denkens. Alle besonderen Kennzeichen lassen sich unter diese fundamentale Ver- schiebung unterordnen. Die Ruhe und Gelassenheit des Alters ist nur eine Be¬ gleiterscheinung des erblassenden Gefühlslebens, und auch die geringere Lebhaftigkeit der Phantasie hat hier ihre Wurzel. Das Zurücktreten des Sinneslebens beruht Zum Teil auf einer Abstumpfung der Organe, zum Teil auch aus einem Über- wuchern der aufgespeicherten Erfahrungen, die den Eindrücken den Reiz der Neuheit nehmen und es gestatten, jedes neue Erlebnis zu klassifizieren und unter Begnfse AU bringen' Alle diese Merkmale sind zwar verknüpft mit einer gewissen Rückbildung der physiologischen Organe, sind jedoch darum rein psychologisch keineswegs ohne weiteres als Niedergangserscheinungen anzusehen. Mag physiologisch das Greisen, alter dem Jünglings- und Mannesalter nachstehen, psychologisch bewahrt es fast inmer die Oberhand. Die Leitung der Weltgeschicke ruht in der Regel in den Händen alter Männer. Die neuesten politischen wie kriegerischen Ereignisse werden auf beiden Seiten in der Hauptsache von Männern gelenkt, die die Siebzig hinter s"h haben. Auch in Philosophie und Wissenschaft sind die hervorragendsten Leistungen keineswegs ausschließlich von jungen Leuten erbracht worden. Und selbst die Kunst, die doch zugestandenerweise hauptsächlich aus dem Gefühls- und Empfindungs- leben quillt, braucht im Alter nicht zu versagen. Die Namen auf allen Kunst- ^bieten sind zahlreich, bei denen die Höchstleistungen gerade an hohen Lebens. Mhren verknüpf sind Die Alterskunst Goethes, Beethovens. Ibsens. Tizians,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/259>, abgerufen am 03.07.2024.