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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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führcrn heranzuziehen. Der Wähler endlich kann dem Manne seines höchsten
Vertrauens seine Stimme geben und seinen wahren politischen Willen wirksam
zum Ausdruck bringen. Dadurch wächst bei ihm die Anteilnahme am politischen
Leben und zugleich das Verantwo-tungsgefühl und das Verständnis für staats¬
bürgerliche Aufgaben, dessen Darniederliegen gerade auch bei den Bessergestellten
in unserem Volke die letzte Ursache aller unserer unerfreulichen politischen Zu¬
stände ist.

Ani diese Wirkungen des neuen Verfahrens im einzelnen, soweit das möglich
ist, vorauszusehen und klarzulegen, bedarf es eingehender Überlegungen und Er¬
örterungen, für welche hier der Raum fehlt. Ich muh den Leser, der Genaueres
zu wissen wünscht, oesh.to auf die ausführliche Darstellung verweisen, welche ich
in meinem Ansatz: Alte und neue Wahlverfahren, Kritik und Reformvorschläge
("Zeitschrift für Politik", Band 11, Heft 1/2, 1918) gegeben habe. Dort habe
ich auch die Technik des neuen Verfahrens, die besonders bei Feststellung des
Wahlergebnisses von dem bisher üblichen abweicht, genauer erörtert. Dort ist
auch noch ein zweites Verfahren angegeben, welches dein gleichen Endzwecke in
freilich weniger vollkomen.ner Weise dient, dafür aber technisch dein Hergebrachten
näher steht und weniger Umdenken erfordert.

Hier sei n>r noch ein besonders wichtiger Punkt besprochen. Es gibt
Politiker, welche das unserer ganzen Überlegung zugrunde liegende Prinzip, daß
nämlich bei einem guten Wahlverfahreu das Wahlergebnis ein möglichst getreues
Spiegelbild des politischen Willens der Wühlerschaft sein soll, leugnen und viel¬
mehr behauvien, es sei besser, wenn nur die großen Parteien ihre Vertreter in
das Parlament entsenden. Andernfalls sei Paiteizersplitterung und damit
Schwächung der Macht des Parlamentes zu befürchten Tadel wird dann auf
das englische Zweiparteiensystem als das auch für uns erstrebenswerte Ideal hin¬
gewiesen, übersehen aber wird dabei die völlige Verschiedenheit der deutschen
und der englischen politisch n Verhältnisse. Wir haben nun einmal nicht zwei,
sondern mindestens ein halbes Dutzend große politische Parteien, und sie werben,
weil auf tiefgreifende Unterschiede des politischen DnkenS im deutschen Volte "ich
gründend, in absehbarer Zeit sich nicht zu zweien zusammenschweißen lassen.
Diele Verschiedenheit hängt bannt zusammen, daß das englische Volk eine jähe>
hundertealte politische Schulung besitzt, die uns abgeht. Ferner vertrat das
englische Parlament in den Zeiten seiner Blüte infolge der eigentümlichen, sehr
beschränkten Wahlberechtigung überliaupt nur einen kleinen Teil des Volkes;
England war in Wirklichkeit damals keine Demokratie, sondern eine Aristokraiw
mir hoher, altüberkommener politischer Bildung. Die englischen polnischen Ver¬
hältnisse sind gegenwärtig in einer tiefgreifenden Umwandlung begriffen, düren
Ende noch nicht abzuseilen ist; nur soviel scheint oeutlich, daß das alte Zwei¬
parteiensystem im Verschwinden begriffen oder schon verschwanden ist.

Dagegen sehen wir in Nordamerika ein Zweiparteiensystem in voller Kraft.
Aber auf dieses hinzuweisen hüten sich unsere deutschen Besürwoner dieses Systems
Wohl, obgleich dieses amerikanische Vorbild viel eher für die deutsche Zukunft
maßgebend sein könnte und sein würde. Gerade dieses Beispiel veranschau icht
nämlich aufs klarste die ungeheuren Gefahren, welche Volk und Staat taufen,
wenn die Parteien die Wähler und die Kandioaten und damit uidirett das Par¬
lament und den Staat beherrschen, Gefahren, welche uns in Deutschland wesent¬
lich deshalb noch nicht zum Bewußtsein gekommen sind, weil das Parliime^t bei
uns du-her nur eine verhältnismäßig bescheidene Rolle als politischer Machtsaklor
gespielt hat. Sie werden in dem Maße bedenklicher werden, in welchem der
Einfluß der Volksvertretungen zunimmt, und auf solche Zunahme drängt ja unsere
gegenwärtige innerpolttische Entwicklung unverkennbar und unaushaltbar hin.

Machen wir uns diese Gefahren und ihre Ursachen klärt Jede Partei ist
ein Organismus, der zunächst einmal sich selbst im Kampf ums Dasein zu be¬
haupten strebt. Mögen die Gründer einer Partei auch noch so ideale Menschen
sein und ausschließlich das Wohl des großen Ganzen im Auge haben, mit der


Reform des !Vcchlverfcchrens

führcrn heranzuziehen. Der Wähler endlich kann dem Manne seines höchsten
Vertrauens seine Stimme geben und seinen wahren politischen Willen wirksam
zum Ausdruck bringen. Dadurch wächst bei ihm die Anteilnahme am politischen
Leben und zugleich das Verantwo-tungsgefühl und das Verständnis für staats¬
bürgerliche Aufgaben, dessen Darniederliegen gerade auch bei den Bessergestellten
in unserem Volke die letzte Ursache aller unserer unerfreulichen politischen Zu¬
stände ist.

Ani diese Wirkungen des neuen Verfahrens im einzelnen, soweit das möglich
ist, vorauszusehen und klarzulegen, bedarf es eingehender Überlegungen und Er¬
örterungen, für welche hier der Raum fehlt. Ich muh den Leser, der Genaueres
zu wissen wünscht, oesh.to auf die ausführliche Darstellung verweisen, welche ich
in meinem Ansatz: Alte und neue Wahlverfahren, Kritik und Reformvorschläge
(„Zeitschrift für Politik", Band 11, Heft 1/2, 1918) gegeben habe. Dort habe
ich auch die Technik des neuen Verfahrens, die besonders bei Feststellung des
Wahlergebnisses von dem bisher üblichen abweicht, genauer erörtert. Dort ist
auch noch ein zweites Verfahren angegeben, welches dein gleichen Endzwecke in
freilich weniger vollkomen.ner Weise dient, dafür aber technisch dein Hergebrachten
näher steht und weniger Umdenken erfordert.

Hier sei n>r noch ein besonders wichtiger Punkt besprochen. Es gibt
Politiker, welche das unserer ganzen Überlegung zugrunde liegende Prinzip, daß
nämlich bei einem guten Wahlverfahreu das Wahlergebnis ein möglichst getreues
Spiegelbild des politischen Willens der Wühlerschaft sein soll, leugnen und viel¬
mehr behauvien, es sei besser, wenn nur die großen Parteien ihre Vertreter in
das Parlament entsenden. Andernfalls sei Paiteizersplitterung und damit
Schwächung der Macht des Parlamentes zu befürchten Tadel wird dann auf
das englische Zweiparteiensystem als das auch für uns erstrebenswerte Ideal hin¬
gewiesen, übersehen aber wird dabei die völlige Verschiedenheit der deutschen
und der englischen politisch n Verhältnisse. Wir haben nun einmal nicht zwei,
sondern mindestens ein halbes Dutzend große politische Parteien, und sie werben,
weil auf tiefgreifende Unterschiede des politischen DnkenS im deutschen Volte «ich
gründend, in absehbarer Zeit sich nicht zu zweien zusammenschweißen lassen.
Diele Verschiedenheit hängt bannt zusammen, daß das englische Volk eine jähe>
hundertealte politische Schulung besitzt, die uns abgeht. Ferner vertrat das
englische Parlament in den Zeiten seiner Blüte infolge der eigentümlichen, sehr
beschränkten Wahlberechtigung überliaupt nur einen kleinen Teil des Volkes;
England war in Wirklichkeit damals keine Demokratie, sondern eine Aristokraiw
mir hoher, altüberkommener politischer Bildung. Die englischen polnischen Ver¬
hältnisse sind gegenwärtig in einer tiefgreifenden Umwandlung begriffen, düren
Ende noch nicht abzuseilen ist; nur soviel scheint oeutlich, daß das alte Zwei¬
parteiensystem im Verschwinden begriffen oder schon verschwanden ist.

Dagegen sehen wir in Nordamerika ein Zweiparteiensystem in voller Kraft.
Aber auf dieses hinzuweisen hüten sich unsere deutschen Besürwoner dieses Systems
Wohl, obgleich dieses amerikanische Vorbild viel eher für die deutsche Zukunft
maßgebend sein könnte und sein würde. Gerade dieses Beispiel veranschau icht
nämlich aufs klarste die ungeheuren Gefahren, welche Volk und Staat taufen,
wenn die Parteien die Wähler und die Kandioaten und damit uidirett das Par¬
lament und den Staat beherrschen, Gefahren, welche uns in Deutschland wesent¬
lich deshalb noch nicht zum Bewußtsein gekommen sind, weil das Parliime^t bei
uns du-her nur eine verhältnismäßig bescheidene Rolle als politischer Machtsaklor
gespielt hat. Sie werden in dem Maße bedenklicher werden, in welchem der
Einfluß der Volksvertretungen zunimmt, und auf solche Zunahme drängt ja unsere
gegenwärtige innerpolttische Entwicklung unverkennbar und unaushaltbar hin.

Machen wir uns diese Gefahren und ihre Ursachen klärt Jede Partei ist
ein Organismus, der zunächst einmal sich selbst im Kampf ums Dasein zu be¬
haupten strebt. Mögen die Gründer einer Partei auch noch so ideale Menschen
sein und ausschließlich das Wohl des großen Ganzen im Auge haben, mit der


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[0242] Reform des !Vcchlverfcchrens führcrn heranzuziehen. Der Wähler endlich kann dem Manne seines höchsten Vertrauens seine Stimme geben und seinen wahren politischen Willen wirksam zum Ausdruck bringen. Dadurch wächst bei ihm die Anteilnahme am politischen Leben und zugleich das Verantwo-tungsgefühl und das Verständnis für staats¬ bürgerliche Aufgaben, dessen Darniederliegen gerade auch bei den Bessergestellten in unserem Volke die letzte Ursache aller unserer unerfreulichen politischen Zu¬ stände ist. Ani diese Wirkungen des neuen Verfahrens im einzelnen, soweit das möglich ist, vorauszusehen und klarzulegen, bedarf es eingehender Überlegungen und Er¬ örterungen, für welche hier der Raum fehlt. Ich muh den Leser, der Genaueres zu wissen wünscht, oesh.to auf die ausführliche Darstellung verweisen, welche ich in meinem Ansatz: Alte und neue Wahlverfahren, Kritik und Reformvorschläge („Zeitschrift für Politik", Band 11, Heft 1/2, 1918) gegeben habe. Dort habe ich auch die Technik des neuen Verfahrens, die besonders bei Feststellung des Wahlergebnisses von dem bisher üblichen abweicht, genauer erörtert. Dort ist auch noch ein zweites Verfahren angegeben, welches dein gleichen Endzwecke in freilich weniger vollkomen.ner Weise dient, dafür aber technisch dein Hergebrachten näher steht und weniger Umdenken erfordert. Hier sei n>r noch ein besonders wichtiger Punkt besprochen. Es gibt Politiker, welche das unserer ganzen Überlegung zugrunde liegende Prinzip, daß nämlich bei einem guten Wahlverfahreu das Wahlergebnis ein möglichst getreues Spiegelbild des politischen Willens der Wühlerschaft sein soll, leugnen und viel¬ mehr behauvien, es sei besser, wenn nur die großen Parteien ihre Vertreter in das Parlament entsenden. Andernfalls sei Paiteizersplitterung und damit Schwächung der Macht des Parlamentes zu befürchten Tadel wird dann auf das englische Zweiparteiensystem als das auch für uns erstrebenswerte Ideal hin¬ gewiesen, übersehen aber wird dabei die völlige Verschiedenheit der deutschen und der englischen politisch n Verhältnisse. Wir haben nun einmal nicht zwei, sondern mindestens ein halbes Dutzend große politische Parteien, und sie werben, weil auf tiefgreifende Unterschiede des politischen DnkenS im deutschen Volte «ich gründend, in absehbarer Zeit sich nicht zu zweien zusammenschweißen lassen. Diele Verschiedenheit hängt bannt zusammen, daß das englische Volk eine jähe> hundertealte politische Schulung besitzt, die uns abgeht. Ferner vertrat das englische Parlament in den Zeiten seiner Blüte infolge der eigentümlichen, sehr beschränkten Wahlberechtigung überliaupt nur einen kleinen Teil des Volkes; England war in Wirklichkeit damals keine Demokratie, sondern eine Aristokraiw mir hoher, altüberkommener politischer Bildung. Die englischen polnischen Ver¬ hältnisse sind gegenwärtig in einer tiefgreifenden Umwandlung begriffen, düren Ende noch nicht abzuseilen ist; nur soviel scheint oeutlich, daß das alte Zwei¬ parteiensystem im Verschwinden begriffen oder schon verschwanden ist. Dagegen sehen wir in Nordamerika ein Zweiparteiensystem in voller Kraft. Aber auf dieses hinzuweisen hüten sich unsere deutschen Besürwoner dieses Systems Wohl, obgleich dieses amerikanische Vorbild viel eher für die deutsche Zukunft maßgebend sein könnte und sein würde. Gerade dieses Beispiel veranschau icht nämlich aufs klarste die ungeheuren Gefahren, welche Volk und Staat taufen, wenn die Parteien die Wähler und die Kandioaten und damit uidirett das Par¬ lament und den Staat beherrschen, Gefahren, welche uns in Deutschland wesent¬ lich deshalb noch nicht zum Bewußtsein gekommen sind, weil das Parliime^t bei uns du-her nur eine verhältnismäßig bescheidene Rolle als politischer Machtsaklor gespielt hat. Sie werden in dem Maße bedenklicher werden, in welchem der Einfluß der Volksvertretungen zunimmt, und auf solche Zunahme drängt ja unsere gegenwärtige innerpolttische Entwicklung unverkennbar und unaushaltbar hin. Machen wir uns diese Gefahren und ihre Ursachen klärt Jede Partei ist ein Organismus, der zunächst einmal sich selbst im Kampf ums Dasein zu be¬ haupten strebt. Mögen die Gründer einer Partei auch noch so ideale Menschen sein und ausschließlich das Wohl des großen Ganzen im Auge haben, mit der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/242>, abgerufen am 03.07.2024.