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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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Zur römischen Frage

begründn des Kirchenstaates, derselbe Papst, der mit dem Rufe I^uori i barbari
die Franzosen bekämpfte, und doch sprach Machiavelli dem Papsttum das Urteil:
"Die Ursache, daß Italien nicht eine Republik oder einen Fürsten hat, der es
regiert, ist einzig die Kirche; denn obgleich sie hier ihren Sitz und eine weltliche
Herrschaft hatte, ist sie nie so kräftig und mächtig gewesen, daß sie den Rest von
Italien hätte erobern und beherrschen können, Sie ist nicht so schwach gewesen,
daß sie aus Furcht, ihre Besitzungen zu verlieren, nicht irgendeine Macht hätte
aufrufen können, die sie gegen den schützte, der etwa zu mächtig in Italien ge¬
worden war. Die Kirche bewirkte, daß Italien nie unter ein Haupt kam. daß es
vielmehr die Beute nicht allein der machtvollen Barbaren, sondern jedes An¬
greifers wurde" (Oiscorsi I, 12). Im Zeitalter der Reformation verschuldete
der Mediceer Clemens der Siebente (f 1W4) den grauenvollen Laeco all Koma des
Jahres 1527. Während Friedrich der Große die Folgen erörterte, die aus der
Einziehung des Kirchenstaates durch einen katholischen Fürsten sich ergeben
möchten, schrieb Goethe im Jahre 1786: "Der Staat deS Papstes scheint sich nur
zu erhalten, weil ihn die Erde nicht verschlingen will." Die Zeit der französischen
Revolution und Napoleons des Ersten brachte im Jahre. 1809 die erste Aufhebung des
Kirchenstaates, der Wiener Kongreß seine. Wiederherstellung in annähernd altem
Umfang. Das Drängen des italienischen Volkes nach staatlicher Einheit führte
zu neuen Entwürfen, Nation und Papsttum miteinander zu versöhnen. Die Idee
eines Staatenbundes mit dem Papst an seiner Spitze tauchte auf. Eine liberale
Verfassung im Kirchenstaat scheiterte am unüberbrückbaren Gegensatz zwischen
VvUswille und Theokratie. Die Kriege mit Osterreich und die Erhebung Italiens
zum Königreich verkleinerten den Kirchenstaat auf ein Drittel, und die Niederlage
Frankreichs im Jahre 1870 ließ das Heer Victor Emmanuels am 20. September
1870 durch die Bresche an der Portal Pia in Rom einziehen: Rom wuroe un¬
antastbar, nicht mehr als Sitz des Papstes, sondern als.Hauptstadt des weltlichen
Staates. Unversöhnt stehen Quirinal und Vatikan seitdem einander gegenüber,
trotz aller tatsächlichen Duldung, wie sie der Zwang der Verhältnisse mit sich
brachte. Wohl konnte und mußte das "Ion oxpeclit im Laufe der Zeit gemildert
werden, nicht aber jenes "Ion po8sumus, und uoch immer vermag kein Papst das
einseitig italienische Garcmtiegesetz vom 13. Mai 1871 als rechtsgültig anzusehen.
Benedikt der Fünfzehnte ersehnt seine Aufhebung, einenVertrag von neuer Art zwischen
Papsttum und Königreich, der aber das Andenken seiner Vorgänger nicht kränken,
seineu und seiner Nachfolger unverjährbaren Rechten keine Einbuße bringen soll.
Wird er je gelingen?

Unser aller Gedanken richten sich in diesen Tagen nach dem kampfdurch-
furchten Westen, wo die Entscheidung dieses Krieges fallen muß --, sie wird auch
über das Los des Papsttums und Italiens ihre Stimme abgeben. Wir Deutschen
erhoffen von der Kraft und von der Tapferkeit unserer Heere den Sieg über
unsere Feinde, der uns Luft schassen soll zum Atemholen in der Welt. Für den
Katholizismus ist die Klärung und Lösung der römischen Frage von nicht ge-
ringerer Bedeutung, weil sie die katholische Kirche zwingt, sich in die veränderte
Welt zu fügen, wie sie aus diesem Kriege der Völker und Kulturen sich ergeben
wird. Sie geht deu Katholiken und auch den Protestanten in unserem Volke an,
weil sie beide dazu berufen sind, aus der Saat des Krieges die Ernte des Frie¬
dens davonzutragen. Der katholische Glaube, der seinen Vekenner mit dem
Nachfolger Petri verbindet, muß für den Protestanten unverletzlich sein, dieser
aber darf fordern, daß über Rom nicht die irdische Heimat des deutschen Vater¬
landes vergessen werde, daß im Gefüge der universalen Kirche dem deutschen
Katholizismus der Platz eingeräumt werde, den er nach Eigenart, Geschichte und
Leistungen verdient. Die Zeit der religiösen Kämpfe und der kirchenpolitischen
Quertreibereien ist vorüber und muß es sein. Wer die Not des Papsttums in
dieser welterschütternden Zeit anerkennt, darf von seinem katholischen Volks¬
genossen erwarten, daß er die Not unseres Volkes für dringender erachte als die
des Papsttums. Was dieses seit Ausbruch des Krieges geleistet hat, ist seinem


Zur römischen Frage

begründn des Kirchenstaates, derselbe Papst, der mit dem Rufe I^uori i barbari
die Franzosen bekämpfte, und doch sprach Machiavelli dem Papsttum das Urteil:
„Die Ursache, daß Italien nicht eine Republik oder einen Fürsten hat, der es
regiert, ist einzig die Kirche; denn obgleich sie hier ihren Sitz und eine weltliche
Herrschaft hatte, ist sie nie so kräftig und mächtig gewesen, daß sie den Rest von
Italien hätte erobern und beherrschen können, Sie ist nicht so schwach gewesen,
daß sie aus Furcht, ihre Besitzungen zu verlieren, nicht irgendeine Macht hätte
aufrufen können, die sie gegen den schützte, der etwa zu mächtig in Italien ge¬
worden war. Die Kirche bewirkte, daß Italien nie unter ein Haupt kam. daß es
vielmehr die Beute nicht allein der machtvollen Barbaren, sondern jedes An¬
greifers wurde" (Oiscorsi I, 12). Im Zeitalter der Reformation verschuldete
der Mediceer Clemens der Siebente (f 1W4) den grauenvollen Laeco all Koma des
Jahres 1527. Während Friedrich der Große die Folgen erörterte, die aus der
Einziehung des Kirchenstaates durch einen katholischen Fürsten sich ergeben
möchten, schrieb Goethe im Jahre 1786: „Der Staat deS Papstes scheint sich nur
zu erhalten, weil ihn die Erde nicht verschlingen will." Die Zeit der französischen
Revolution und Napoleons des Ersten brachte im Jahre. 1809 die erste Aufhebung des
Kirchenstaates, der Wiener Kongreß seine. Wiederherstellung in annähernd altem
Umfang. Das Drängen des italienischen Volkes nach staatlicher Einheit führte
zu neuen Entwürfen, Nation und Papsttum miteinander zu versöhnen. Die Idee
eines Staatenbundes mit dem Papst an seiner Spitze tauchte auf. Eine liberale
Verfassung im Kirchenstaat scheiterte am unüberbrückbaren Gegensatz zwischen
VvUswille und Theokratie. Die Kriege mit Osterreich und die Erhebung Italiens
zum Königreich verkleinerten den Kirchenstaat auf ein Drittel, und die Niederlage
Frankreichs im Jahre 1870 ließ das Heer Victor Emmanuels am 20. September
1870 durch die Bresche an der Portal Pia in Rom einziehen: Rom wuroe un¬
antastbar, nicht mehr als Sitz des Papstes, sondern als.Hauptstadt des weltlichen
Staates. Unversöhnt stehen Quirinal und Vatikan seitdem einander gegenüber,
trotz aller tatsächlichen Duldung, wie sie der Zwang der Verhältnisse mit sich
brachte. Wohl konnte und mußte das »Ion oxpeclit im Laufe der Zeit gemildert
werden, nicht aber jenes »Ion po8sumus, und uoch immer vermag kein Papst das
einseitig italienische Garcmtiegesetz vom 13. Mai 1871 als rechtsgültig anzusehen.
Benedikt der Fünfzehnte ersehnt seine Aufhebung, einenVertrag von neuer Art zwischen
Papsttum und Königreich, der aber das Andenken seiner Vorgänger nicht kränken,
seineu und seiner Nachfolger unverjährbaren Rechten keine Einbuße bringen soll.
Wird er je gelingen?

Unser aller Gedanken richten sich in diesen Tagen nach dem kampfdurch-
furchten Westen, wo die Entscheidung dieses Krieges fallen muß —, sie wird auch
über das Los des Papsttums und Italiens ihre Stimme abgeben. Wir Deutschen
erhoffen von der Kraft und von der Tapferkeit unserer Heere den Sieg über
unsere Feinde, der uns Luft schassen soll zum Atemholen in der Welt. Für den
Katholizismus ist die Klärung und Lösung der römischen Frage von nicht ge-
ringerer Bedeutung, weil sie die katholische Kirche zwingt, sich in die veränderte
Welt zu fügen, wie sie aus diesem Kriege der Völker und Kulturen sich ergeben
wird. Sie geht deu Katholiken und auch den Protestanten in unserem Volke an,
weil sie beide dazu berufen sind, aus der Saat des Krieges die Ernte des Frie¬
dens davonzutragen. Der katholische Glaube, der seinen Vekenner mit dem
Nachfolger Petri verbindet, muß für den Protestanten unverletzlich sein, dieser
aber darf fordern, daß über Rom nicht die irdische Heimat des deutschen Vater¬
landes vergessen werde, daß im Gefüge der universalen Kirche dem deutschen
Katholizismus der Platz eingeräumt werde, den er nach Eigenart, Geschichte und
Leistungen verdient. Die Zeit der religiösen Kämpfe und der kirchenpolitischen
Quertreibereien ist vorüber und muß es sein. Wer die Not des Papsttums in
dieser welterschütternden Zeit anerkennt, darf von seinem katholischen Volks¬
genossen erwarten, daß er die Not unseres Volkes für dringender erachte als die
des Papsttums. Was dieses seit Ausbruch des Krieges geleistet hat, ist seinem


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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/24>, abgerufen am 26.06.2024.