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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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Randglossen zum Tage

Randglossen zum Tage

An den Herausgeber

se Ihnen der Unterschied zwischen der ersten Kriegszeit und der
Gegenwart ganz klar? In der ersten Zeit haben wir uns immer
abends mit dem Gedanken zu Bett gelegt: morgen ist vielleicht der
Krieg zu Ende. Damals haben uns die großen Ereignisse erregt
und wir haben darüber alle kleinen Unbequemlichkeiten vergessen.
Heute wissen wir, wenn wir schlafen gehen, genau, daß morgen
uicht zu Ende ist, auch nicht übermorgen. Wir nehmen die größten
Geschehnisse ruhig hin -- hören Sie einmal hin, wovon die Leute am meisten
sprechen. Ich sage es nicht, sonst finden Sie wieder, ich spräche zuviel vom Essen.
Jedenfalls hat uns die Entwicklung zum Warten erzogen, gegen gewaltige Ge¬
schehnisse abgestumpft und es dahin gebracht, daß wir nur noch vom --, ich will
es nicht erwähnen, wovon wir nur noch reden. Wir sind kleiner geworden, aber
ruhiger, weniger leicht begeistert, aber kaltblütiger, ausdauernder, auch wenn uicht
jeder Heeresbericht einen großen Sieg bringt, und so geduldig, daß wir stillhalten
würden, auch wenn uns die Neichsbcmk das Gold aus den Zähnen bohren lassen
würde. Es gab eine Zeit, da uns jemand, der in die Sommerfrische gehen wollte,
verächtlich erschien. Heute sind die Adressen von Hotels und Pensionen, wo man
noch "alles" bekommt, ein Anstauichanikel, der von Hand zu Hand geht. Ist es
ein Heruntersinken von einer Höhe, ist es eine eherne psycho-physiologische Not-
wendigkeit, ist es Materialismus oder gesunde Zeitphilosophie nach dem Grund¬
satz, daß, wer irgend kann, vom Standpunkt aller oder wenigstens seiner Um¬
gebung, vernünftig handelt, wenn er frische Kräfte sammelt und die Schlaraffen-
provinzen durch seine essende Anwesenheit schädigt? Jedenfalls ist es das
Zeitproblcm des Großstädters: Wie bekomme ich wo was zu essen, ohne
auf dem Wege dahin für den Fahrpreis zu opfern, was mir der Krieoswuchcr
daheim gerade noch übrig gelassen hat? Verschärft wird das Problem noch da¬
durch, daß die Dinge heute so liegen, daß uns auf dem Wege zum Bahnhof
und während des Wartens auf das Billet die allgemeine Preissteigerung oder die
rasche Einführung einer neuen Steuer den Betrag wegzunehmen droht, der uns
für einige langerwartete Wochen die eßbaren Lebensannehmlichkeiten des Land¬
bewohners verschaffen sollte. Schon hängt uns auch der geistige Brotkorb höher
und wenn wir auf des Dichters verschlungenen Pfaden verfolgen wollen, wie
Ludwig seine Minna kriegt, so erhebt der Verleger auf den Mitgenuß von Ludwigs
Sehnsucht unb Minnas Schmerzen höhere Gebühr. Die Kriegsgewinnler werden
bald ihre Reichtümer in Konversationslexiken, Reisebeschreibungen, Wörterbüchern,
Kriminalromanen und lyrischen Gedichtssammlungen verstecken können, im Volk
der Dichter und Denker werden die Dichter ihre Verse durch das Medium des
beschriebenen Papierkragens verewigen und die Denker ihre Gedanken für sich be¬
halten müssen. Das Essen und Trinken nimmt schon sehr wenig Zeit in An¬
spruch, die meisten Reiselustigen müssen sich mit einem Gang nach dem Bahnhof
und einem Blick auf die Landkarte begnügen, die Lektüre wird ein Vergnügen der
reichen Leute, der Besuch eines Restaurants ist heule schon gleichbedeutend mit
einer Finanzkatastrophe, bald wird für die freie Zeit nichts übrig bleiben, als
das Spazierengehen. Die Steuerbehörde braucht dann nur jedem von Staats
wegen ein Pedvmeter umzuhängen und eine Kilometergebühr zu erheben, um eine
allerliebste neue Abgabe zu erzielen, über die sich wirklich keine wirtschaftliche
Interessengruppe beklagen kann, was für eine Steuer alles möglich ist. So bleibt
niemand und nichts von der spezifischen Wirkung der Zeit verschont, und daß wir
an einer Zeitenwende stehen, zeigt sich nirgends deutlicher, als in den Schneider¬
ateliers, in denen alles, was eine Nadel führen und eine Schere schwingen kann,
von morgens bis abends damit beschäftigt ist, der männlichen Kundschaft das
Innere nach außen zu kehren. Ein gewendeter Gent ist auch ein Gent, wir
leben in einer demokratischen Zeit und wer gestern noch rechts stimmte, präsentiert


Randglossen zum Tage

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An den Herausgeber

se Ihnen der Unterschied zwischen der ersten Kriegszeit und der
Gegenwart ganz klar? In der ersten Zeit haben wir uns immer
abends mit dem Gedanken zu Bett gelegt: morgen ist vielleicht der
Krieg zu Ende. Damals haben uns die großen Ereignisse erregt
und wir haben darüber alle kleinen Unbequemlichkeiten vergessen.
Heute wissen wir, wenn wir schlafen gehen, genau, daß morgen
uicht zu Ende ist, auch nicht übermorgen. Wir nehmen die größten
Geschehnisse ruhig hin — hören Sie einmal hin, wovon die Leute am meisten
sprechen. Ich sage es nicht, sonst finden Sie wieder, ich spräche zuviel vom Essen.
Jedenfalls hat uns die Entwicklung zum Warten erzogen, gegen gewaltige Ge¬
schehnisse abgestumpft und es dahin gebracht, daß wir nur noch vom —, ich will
es nicht erwähnen, wovon wir nur noch reden. Wir sind kleiner geworden, aber
ruhiger, weniger leicht begeistert, aber kaltblütiger, ausdauernder, auch wenn uicht
jeder Heeresbericht einen großen Sieg bringt, und so geduldig, daß wir stillhalten
würden, auch wenn uns die Neichsbcmk das Gold aus den Zähnen bohren lassen
würde. Es gab eine Zeit, da uns jemand, der in die Sommerfrische gehen wollte,
verächtlich erschien. Heute sind die Adressen von Hotels und Pensionen, wo man
noch „alles" bekommt, ein Anstauichanikel, der von Hand zu Hand geht. Ist es
ein Heruntersinken von einer Höhe, ist es eine eherne psycho-physiologische Not-
wendigkeit, ist es Materialismus oder gesunde Zeitphilosophie nach dem Grund¬
satz, daß, wer irgend kann, vom Standpunkt aller oder wenigstens seiner Um¬
gebung, vernünftig handelt, wenn er frische Kräfte sammelt und die Schlaraffen-
provinzen durch seine essende Anwesenheit schädigt? Jedenfalls ist es das
Zeitproblcm des Großstädters: Wie bekomme ich wo was zu essen, ohne
auf dem Wege dahin für den Fahrpreis zu opfern, was mir der Krieoswuchcr
daheim gerade noch übrig gelassen hat? Verschärft wird das Problem noch da¬
durch, daß die Dinge heute so liegen, daß uns auf dem Wege zum Bahnhof
und während des Wartens auf das Billet die allgemeine Preissteigerung oder die
rasche Einführung einer neuen Steuer den Betrag wegzunehmen droht, der uns
für einige langerwartete Wochen die eßbaren Lebensannehmlichkeiten des Land¬
bewohners verschaffen sollte. Schon hängt uns auch der geistige Brotkorb höher
und wenn wir auf des Dichters verschlungenen Pfaden verfolgen wollen, wie
Ludwig seine Minna kriegt, so erhebt der Verleger auf den Mitgenuß von Ludwigs
Sehnsucht unb Minnas Schmerzen höhere Gebühr. Die Kriegsgewinnler werden
bald ihre Reichtümer in Konversationslexiken, Reisebeschreibungen, Wörterbüchern,
Kriminalromanen und lyrischen Gedichtssammlungen verstecken können, im Volk
der Dichter und Denker werden die Dichter ihre Verse durch das Medium des
beschriebenen Papierkragens verewigen und die Denker ihre Gedanken für sich be¬
halten müssen. Das Essen und Trinken nimmt schon sehr wenig Zeit in An¬
spruch, die meisten Reiselustigen müssen sich mit einem Gang nach dem Bahnhof
und einem Blick auf die Landkarte begnügen, die Lektüre wird ein Vergnügen der
reichen Leute, der Besuch eines Restaurants ist heule schon gleichbedeutend mit
einer Finanzkatastrophe, bald wird für die freie Zeit nichts übrig bleiben, als
das Spazierengehen. Die Steuerbehörde braucht dann nur jedem von Staats
wegen ein Pedvmeter umzuhängen und eine Kilometergebühr zu erheben, um eine
allerliebste neue Abgabe zu erzielen, über die sich wirklich keine wirtschaftliche
Interessengruppe beklagen kann, was für eine Steuer alles möglich ist. So bleibt
niemand und nichts von der spezifischen Wirkung der Zeit verschont, und daß wir
an einer Zeitenwende stehen, zeigt sich nirgends deutlicher, als in den Schneider¬
ateliers, in denen alles, was eine Nadel führen und eine Schere schwingen kann,
von morgens bis abends damit beschäftigt ist, der männlichen Kundschaft das
Innere nach außen zu kehren. Ein gewendeter Gent ist auch ein Gent, wir
leben in einer demokratischen Zeit und wer gestern noch rechts stimmte, präsentiert


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[0220] Randglossen zum Tage Randglossen zum Tage An den Herausgeber se Ihnen der Unterschied zwischen der ersten Kriegszeit und der Gegenwart ganz klar? In der ersten Zeit haben wir uns immer abends mit dem Gedanken zu Bett gelegt: morgen ist vielleicht der Krieg zu Ende. Damals haben uns die großen Ereignisse erregt und wir haben darüber alle kleinen Unbequemlichkeiten vergessen. Heute wissen wir, wenn wir schlafen gehen, genau, daß morgen uicht zu Ende ist, auch nicht übermorgen. Wir nehmen die größten Geschehnisse ruhig hin — hören Sie einmal hin, wovon die Leute am meisten sprechen. Ich sage es nicht, sonst finden Sie wieder, ich spräche zuviel vom Essen. Jedenfalls hat uns die Entwicklung zum Warten erzogen, gegen gewaltige Ge¬ schehnisse abgestumpft und es dahin gebracht, daß wir nur noch vom —, ich will es nicht erwähnen, wovon wir nur noch reden. Wir sind kleiner geworden, aber ruhiger, weniger leicht begeistert, aber kaltblütiger, ausdauernder, auch wenn uicht jeder Heeresbericht einen großen Sieg bringt, und so geduldig, daß wir stillhalten würden, auch wenn uns die Neichsbcmk das Gold aus den Zähnen bohren lassen würde. Es gab eine Zeit, da uns jemand, der in die Sommerfrische gehen wollte, verächtlich erschien. Heute sind die Adressen von Hotels und Pensionen, wo man noch „alles" bekommt, ein Anstauichanikel, der von Hand zu Hand geht. Ist es ein Heruntersinken von einer Höhe, ist es eine eherne psycho-physiologische Not- wendigkeit, ist es Materialismus oder gesunde Zeitphilosophie nach dem Grund¬ satz, daß, wer irgend kann, vom Standpunkt aller oder wenigstens seiner Um¬ gebung, vernünftig handelt, wenn er frische Kräfte sammelt und die Schlaraffen- provinzen durch seine essende Anwesenheit schädigt? Jedenfalls ist es das Zeitproblcm des Großstädters: Wie bekomme ich wo was zu essen, ohne auf dem Wege dahin für den Fahrpreis zu opfern, was mir der Krieoswuchcr daheim gerade noch übrig gelassen hat? Verschärft wird das Problem noch da¬ durch, daß die Dinge heute so liegen, daß uns auf dem Wege zum Bahnhof und während des Wartens auf das Billet die allgemeine Preissteigerung oder die rasche Einführung einer neuen Steuer den Betrag wegzunehmen droht, der uns für einige langerwartete Wochen die eßbaren Lebensannehmlichkeiten des Land¬ bewohners verschaffen sollte. Schon hängt uns auch der geistige Brotkorb höher und wenn wir auf des Dichters verschlungenen Pfaden verfolgen wollen, wie Ludwig seine Minna kriegt, so erhebt der Verleger auf den Mitgenuß von Ludwigs Sehnsucht unb Minnas Schmerzen höhere Gebühr. Die Kriegsgewinnler werden bald ihre Reichtümer in Konversationslexiken, Reisebeschreibungen, Wörterbüchern, Kriminalromanen und lyrischen Gedichtssammlungen verstecken können, im Volk der Dichter und Denker werden die Dichter ihre Verse durch das Medium des beschriebenen Papierkragens verewigen und die Denker ihre Gedanken für sich be¬ halten müssen. Das Essen und Trinken nimmt schon sehr wenig Zeit in An¬ spruch, die meisten Reiselustigen müssen sich mit einem Gang nach dem Bahnhof und einem Blick auf die Landkarte begnügen, die Lektüre wird ein Vergnügen der reichen Leute, der Besuch eines Restaurants ist heule schon gleichbedeutend mit einer Finanzkatastrophe, bald wird für die freie Zeit nichts übrig bleiben, als das Spazierengehen. Die Steuerbehörde braucht dann nur jedem von Staats wegen ein Pedvmeter umzuhängen und eine Kilometergebühr zu erheben, um eine allerliebste neue Abgabe zu erzielen, über die sich wirklich keine wirtschaftliche Interessengruppe beklagen kann, was für eine Steuer alles möglich ist. So bleibt niemand und nichts von der spezifischen Wirkung der Zeit verschont, und daß wir an einer Zeitenwende stehen, zeigt sich nirgends deutlicher, als in den Schneider¬ ateliers, in denen alles, was eine Nadel führen und eine Schere schwingen kann, von morgens bis abends damit beschäftigt ist, der männlichen Kundschaft das Innere nach außen zu kehren. Ein gewendeter Gent ist auch ein Gent, wir leben in einer demokratischen Zeit und wer gestern noch rechts stimmte, präsentiert

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/220>, abgerufen am 01.10.2024.