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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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Das preußische Zollgesetz vom 26, Mati 1,31,8

Übergang schon darin, daß der Zoll nicht mehr als Wert-, sondern als Gewichts-
zoll erhoben wurde. Freilich verzichtete man nunmehr im Grundsatz auch aus
den Schutz der einheimischen Produktion. Das Konsumenteninteresse wurde aus-
schlaggebend. Der Staatsrat rechnete geradezu damit, daß infolge des Überganges
vom Verbots- zum Freihandelssystem manche Arbeiter ihr Brot verlieren würden.
Indessen waren tatsächlich die Preußen niemals so radikal, wie etwa die Nassauer,
die im Jahre 1815 sämtliche Zölle aufhoben und alle Klagen der Gewerbetreibenden
mit dem Satze abwiesen: "Jeder Gewerbszweig, der sich nur durch Prämien oder
durch prohibitive Maßregeln, welche die Konkurrenz vermindern, erhalten kann,
ist eine Schmarotzerpflanze, die man auf Kosten nützlicher Gewächse nährt." *)
Um die Stimmung der Erzeuger zu schonen, behielt man sogar einen Ausfuhrzoll
bei und erhob beim-Eingang neben dem Zoll von durchschnittlich einem halben
Taler auf den Zentner von Fabrikaten noch eine Verbrauchssteuer, die in ungefähr
10 Prozent des Wertes angesetzt war. 1821 vereinigte man Zoll und Verbrauchs¬
steuer. So fand Preußen in der Tat einen vorzüglichen Mittelweg. Während
einerseits die Zulassung des Wettbewerbes, die Befreiung der Gewerbe und des
Handels von den Fesseln des Merkantilismus, aus der Vormundschaft des ewig
gängelnden Staates ein Fortschritt war, den gerade wir heute vornehmlich zu
schätzen wissen, genügte auf der anderen Seite der Tarif, um die sich emporringende
Industrie Preußens vor der weiter entwickelten des Auslandes einigermaßen
sicherzustellen. Es ist bezeichnend für den Tarif, daß er bei den Zolldebatten
von 1879 sowohl für den Schutzzoll als für den Freihandel in Anspruch genommen
werden konnte.

^
Wenn sich das Wirtschaftsleben in Preußen langsam aufrichtete, so lag das
allerdings zum besten Teil an der Beseitigung der Zollschranken im Innern des
Staates. Darin bestand eben nicht zuletzt die Bedeutung des neuen Gesetzes, daß
es wagte, geographisch getrenntes Land zu einem einheitlichen Wirtschaftsgebiet
zusammenzufassen. Anfangs stellte man zwar für den östlichen und westkchen
Teil verschiedene Tarife ans, weil man glaubte, auf die bisherige Grenzzollfrecheit
der Westprovinzen Rücksicht nehmen zu müssen. Seit 1821 aber fand eme Ver¬
einheitlichung und ein Ausgleich auf mittlerer Linie statt. Dadurch suchte man
der rheinisch-westfälischen Industrie in dem landwirtschaftlichen Osten guten Ersatz
für den verlorenen Markt im nichtdeutschen Ausland zu bieten. Freilich zeigte
sich hier deutlich die Unzulänglichkeit der geographischen Gestaltung Preußens.
Es konnte zwar den Waren des einen Landesteiles freie Ein- und Ausfuhr in
den anderen gewähren, vor den Durchgangszöllen der autzerpreußischen Staaten,
vornehmlich Hannovers und Kurhesseus, vermochte es sie nicht zu bewahren. So
mußte eine tätige preußische Politik darauf ausgehen, eine Brücke zu schaffen.
Waren die Mittel- und Kleinstaaten von dem Vorgehen Preußens abhangig, so
konnte auch Preußen deren Handelspolitik nicht ruhig zusehen. Es brauchte den
Zollverein wenigstens mit einem der zwischen seinem Gebiet Kegenden Staaten
notwendig als Ergänzung seines Zollgesetzes.

i,^^.^
Freilich würden wir fehlgehen, wenn wir annahmen, daß bei den Urhebern
des Zollgesetzes diese klare Einsicht in die neue Aufgabe bestanden hatte. Zwar
stellte der 8 6 Handelsverträge auf gleicher Grundlage in Aussicht, aber in Wirk¬
lichkeit ließ sich Preußen auf keinen Abschluß mit den Nachbarstaaten ein. Maaßen
trat in den wirtschaftspolitischen Fragen zuucichst ganz zurück, wahreird Klewitz.
der neue Finanzminister, allzu ängstlich den kleinlichsten Vorteil und Nachteil ab¬
wog. Im Ministerium des Auswärtigen hätte man zwar, namentlich von dem
eifrigen Gesandten in Darmstadt, von Otterstedt, beeinflußt, gern zede Gelegenheit
benutzt, um durch Entgegenkommen die Verstimmung der deutschen Bundesstaaten
M beseitigen, es fehlte aber bei Bernstorff außer der erforderlichen Tatenlust auch
'ete Einsicht in das Wesen und die Bedingungen eines Zollvereins. Deshalb kam
Preußen zunächst über die Einbeziehung der Enklaven in seine ZolKme acht



*) "Rheinische Blätter", Wiesbaden 1816, Ur. 46 ff.
Das preußische Zollgesetz vom 26, Mati 1,31,8

Übergang schon darin, daß der Zoll nicht mehr als Wert-, sondern als Gewichts-
zoll erhoben wurde. Freilich verzichtete man nunmehr im Grundsatz auch aus
den Schutz der einheimischen Produktion. Das Konsumenteninteresse wurde aus-
schlaggebend. Der Staatsrat rechnete geradezu damit, daß infolge des Überganges
vom Verbots- zum Freihandelssystem manche Arbeiter ihr Brot verlieren würden.
Indessen waren tatsächlich die Preußen niemals so radikal, wie etwa die Nassauer,
die im Jahre 1815 sämtliche Zölle aufhoben und alle Klagen der Gewerbetreibenden
mit dem Satze abwiesen: „Jeder Gewerbszweig, der sich nur durch Prämien oder
durch prohibitive Maßregeln, welche die Konkurrenz vermindern, erhalten kann,
ist eine Schmarotzerpflanze, die man auf Kosten nützlicher Gewächse nährt." *)
Um die Stimmung der Erzeuger zu schonen, behielt man sogar einen Ausfuhrzoll
bei und erhob beim-Eingang neben dem Zoll von durchschnittlich einem halben
Taler auf den Zentner von Fabrikaten noch eine Verbrauchssteuer, die in ungefähr
10 Prozent des Wertes angesetzt war. 1821 vereinigte man Zoll und Verbrauchs¬
steuer. So fand Preußen in der Tat einen vorzüglichen Mittelweg. Während
einerseits die Zulassung des Wettbewerbes, die Befreiung der Gewerbe und des
Handels von den Fesseln des Merkantilismus, aus der Vormundschaft des ewig
gängelnden Staates ein Fortschritt war, den gerade wir heute vornehmlich zu
schätzen wissen, genügte auf der anderen Seite der Tarif, um die sich emporringende
Industrie Preußens vor der weiter entwickelten des Auslandes einigermaßen
sicherzustellen. Es ist bezeichnend für den Tarif, daß er bei den Zolldebatten
von 1879 sowohl für den Schutzzoll als für den Freihandel in Anspruch genommen
werden konnte.

^
Wenn sich das Wirtschaftsleben in Preußen langsam aufrichtete, so lag das
allerdings zum besten Teil an der Beseitigung der Zollschranken im Innern des
Staates. Darin bestand eben nicht zuletzt die Bedeutung des neuen Gesetzes, daß
es wagte, geographisch getrenntes Land zu einem einheitlichen Wirtschaftsgebiet
zusammenzufassen. Anfangs stellte man zwar für den östlichen und westkchen
Teil verschiedene Tarife ans, weil man glaubte, auf die bisherige Grenzzollfrecheit
der Westprovinzen Rücksicht nehmen zu müssen. Seit 1821 aber fand eme Ver¬
einheitlichung und ein Ausgleich auf mittlerer Linie statt. Dadurch suchte man
der rheinisch-westfälischen Industrie in dem landwirtschaftlichen Osten guten Ersatz
für den verlorenen Markt im nichtdeutschen Ausland zu bieten. Freilich zeigte
sich hier deutlich die Unzulänglichkeit der geographischen Gestaltung Preußens.
Es konnte zwar den Waren des einen Landesteiles freie Ein- und Ausfuhr in
den anderen gewähren, vor den Durchgangszöllen der autzerpreußischen Staaten,
vornehmlich Hannovers und Kurhesseus, vermochte es sie nicht zu bewahren. So
mußte eine tätige preußische Politik darauf ausgehen, eine Brücke zu schaffen.
Waren die Mittel- und Kleinstaaten von dem Vorgehen Preußens abhangig, so
konnte auch Preußen deren Handelspolitik nicht ruhig zusehen. Es brauchte den
Zollverein wenigstens mit einem der zwischen seinem Gebiet Kegenden Staaten
notwendig als Ergänzung seines Zollgesetzes.

i,^^.^
Freilich würden wir fehlgehen, wenn wir annahmen, daß bei den Urhebern
des Zollgesetzes diese klare Einsicht in die neue Aufgabe bestanden hatte. Zwar
stellte der 8 6 Handelsverträge auf gleicher Grundlage in Aussicht, aber in Wirk¬
lichkeit ließ sich Preußen auf keinen Abschluß mit den Nachbarstaaten ein. Maaßen
trat in den wirtschaftspolitischen Fragen zuucichst ganz zurück, wahreird Klewitz.
der neue Finanzminister, allzu ängstlich den kleinlichsten Vorteil und Nachteil ab¬
wog. Im Ministerium des Auswärtigen hätte man zwar, namentlich von dem
eifrigen Gesandten in Darmstadt, von Otterstedt, beeinflußt, gern zede Gelegenheit
benutzt, um durch Entgegenkommen die Verstimmung der deutschen Bundesstaaten
M beseitigen, es fehlte aber bei Bernstorff außer der erforderlichen Tatenlust auch
'ete Einsicht in das Wesen und die Bedingungen eines Zollvereins. Deshalb kam
Preußen zunächst über die Einbeziehung der Enklaven in seine ZolKme acht



*) „Rheinische Blätter", Wiesbaden 1816, Ur. 46 ff.
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[0189] Das preußische Zollgesetz vom 26, Mati 1,31,8 Übergang schon darin, daß der Zoll nicht mehr als Wert-, sondern als Gewichts- zoll erhoben wurde. Freilich verzichtete man nunmehr im Grundsatz auch aus den Schutz der einheimischen Produktion. Das Konsumenteninteresse wurde aus- schlaggebend. Der Staatsrat rechnete geradezu damit, daß infolge des Überganges vom Verbots- zum Freihandelssystem manche Arbeiter ihr Brot verlieren würden. Indessen waren tatsächlich die Preußen niemals so radikal, wie etwa die Nassauer, die im Jahre 1815 sämtliche Zölle aufhoben und alle Klagen der Gewerbetreibenden mit dem Satze abwiesen: „Jeder Gewerbszweig, der sich nur durch Prämien oder durch prohibitive Maßregeln, welche die Konkurrenz vermindern, erhalten kann, ist eine Schmarotzerpflanze, die man auf Kosten nützlicher Gewächse nährt." *) Um die Stimmung der Erzeuger zu schonen, behielt man sogar einen Ausfuhrzoll bei und erhob beim-Eingang neben dem Zoll von durchschnittlich einem halben Taler auf den Zentner von Fabrikaten noch eine Verbrauchssteuer, die in ungefähr 10 Prozent des Wertes angesetzt war. 1821 vereinigte man Zoll und Verbrauchs¬ steuer. So fand Preußen in der Tat einen vorzüglichen Mittelweg. Während einerseits die Zulassung des Wettbewerbes, die Befreiung der Gewerbe und des Handels von den Fesseln des Merkantilismus, aus der Vormundschaft des ewig gängelnden Staates ein Fortschritt war, den gerade wir heute vornehmlich zu schätzen wissen, genügte auf der anderen Seite der Tarif, um die sich emporringende Industrie Preußens vor der weiter entwickelten des Auslandes einigermaßen sicherzustellen. Es ist bezeichnend für den Tarif, daß er bei den Zolldebatten von 1879 sowohl für den Schutzzoll als für den Freihandel in Anspruch genommen werden konnte. ^ Wenn sich das Wirtschaftsleben in Preußen langsam aufrichtete, so lag das allerdings zum besten Teil an der Beseitigung der Zollschranken im Innern des Staates. Darin bestand eben nicht zuletzt die Bedeutung des neuen Gesetzes, daß es wagte, geographisch getrenntes Land zu einem einheitlichen Wirtschaftsgebiet zusammenzufassen. Anfangs stellte man zwar für den östlichen und westkchen Teil verschiedene Tarife ans, weil man glaubte, auf die bisherige Grenzzollfrecheit der Westprovinzen Rücksicht nehmen zu müssen. Seit 1821 aber fand eme Ver¬ einheitlichung und ein Ausgleich auf mittlerer Linie statt. Dadurch suchte man der rheinisch-westfälischen Industrie in dem landwirtschaftlichen Osten guten Ersatz für den verlorenen Markt im nichtdeutschen Ausland zu bieten. Freilich zeigte sich hier deutlich die Unzulänglichkeit der geographischen Gestaltung Preußens. Es konnte zwar den Waren des einen Landesteiles freie Ein- und Ausfuhr in den anderen gewähren, vor den Durchgangszöllen der autzerpreußischen Staaten, vornehmlich Hannovers und Kurhesseus, vermochte es sie nicht zu bewahren. So mußte eine tätige preußische Politik darauf ausgehen, eine Brücke zu schaffen. Waren die Mittel- und Kleinstaaten von dem Vorgehen Preußens abhangig, so konnte auch Preußen deren Handelspolitik nicht ruhig zusehen. Es brauchte den Zollverein wenigstens mit einem der zwischen seinem Gebiet Kegenden Staaten notwendig als Ergänzung seines Zollgesetzes. i,^^.^ Freilich würden wir fehlgehen, wenn wir annahmen, daß bei den Urhebern des Zollgesetzes diese klare Einsicht in die neue Aufgabe bestanden hatte. Zwar stellte der 8 6 Handelsverträge auf gleicher Grundlage in Aussicht, aber in Wirk¬ lichkeit ließ sich Preußen auf keinen Abschluß mit den Nachbarstaaten ein. Maaßen trat in den wirtschaftspolitischen Fragen zuucichst ganz zurück, wahreird Klewitz. der neue Finanzminister, allzu ängstlich den kleinlichsten Vorteil und Nachteil ab¬ wog. Im Ministerium des Auswärtigen hätte man zwar, namentlich von dem eifrigen Gesandten in Darmstadt, von Otterstedt, beeinflußt, gern zede Gelegenheit benutzt, um durch Entgegenkommen die Verstimmung der deutschen Bundesstaaten M beseitigen, es fehlte aber bei Bernstorff außer der erforderlichen Tatenlust auch 'ete Einsicht in das Wesen und die Bedingungen eines Zollvereins. Deshalb kam Preußen zunächst über die Einbeziehung der Enklaven in seine ZolKme acht *) „Rheinische Blätter", Wiesbaden 1816, Ur. 46 ff.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/189>, abgerufen am 26.06.2024.