Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.Tropenwirtschaft Neuernten der Produkte ohne stärkere Mitarbeit des Menschen gerechnet werden Ohne auf diese Dinge näher einzugehen, sei noch darauf hingewiesen, daß Tropenwirtschaft Neuernten der Produkte ohne stärkere Mitarbeit des Menschen gerechnet werden Ohne auf diese Dinge näher einzugehen, sei noch darauf hingewiesen, daß <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0168" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/333651"/> <fw type="header" place="top"> Tropenwirtschaft</fw><lb/> <p xml:id="ID_609" prev="#ID_608"> Neuernten der Produkte ohne stärkere Mitarbeit des Menschen gerechnet werden<lb/> kann. In vereinzelten Fällen erlauben auch Fischfang (so auf Wale) oder Jagd<lb/> (z. B. aus Elephanten, vielfach zugleich in Verbindung mit Sammeln des Elfen¬<lb/> beins früher verendeter Tiere) Erzielung hoher Werte unter Aufwendung geringer<lb/> Menschenkräfte. Weit weniger leicht kann man aber bei landwirtschaftlicher Be-<lb/> tätigung größere Überschüsse über den Eigenbedarf hinaus bekommen, wenn die<lb/> Volkszahl des betreffenden Gebietes gering ist. Am ehesten ist es noch in der<lb/> Viehzucht möglich, soweit natürliche Weideflächen vorhanden sind; da können in<lb/> der Tat mit wenigen Arbeitskräften große Viehherden gehalten werden, und die<lb/> Tatsache, daß das Vieh aus eigener Kraft selbst auf sehr schlechten Wegen riesige<lb/> Entfernungen zurücklegen kann, die Transportkosten also verhältnismäßig sehr<lb/> niedrig sind, bewirkt, daß Viehzüchtereien ost zeitlich und räumlich in geeigneten<lb/> Tropengegenden die ersten und äußersten Vorposten europäischer Wirtschaft dar¬<lb/> stellen. Hinsichtlich des Pflanzenbaues sind die Verhältnisse weit verwickelter.<lb/> Schon die vorbereitenden Arbeiten, die Rodung, erfordern ein recht verschiedenes<lb/> Maß von Arbeitskräften, je nach der Art des Pflanzenbaues: für die niedrigen<lb/> Stufen desselben (Pflanzstockbau, Grabstockbau und Hackbau im engeren Sinne)<lb/> erfordern sie weit weniger Arbeitskräfte, als für die höheren (trockene und nasse<lb/> Pflugkultur), weil nur im letzteren Fall ein Herausnehmen der Wurzelstocke not¬<lb/> wendig ist; da man aber bei ersteren meist keine Düngung anwendet, also bald<lb/> die gerodeten Flächen wieder brach liegen lassen muß, um an neuen Stellen Neu¬<lb/> anlagen zu machen, so wird schließlich bei ihnen im Laufe der Jahre doch mehr<lb/> Arbeit aufgewendet als beim Pflugbau, bei dem das einmal gerodete Feld für<lb/> lange Zeit oder dauernd in Benutzung bleiben kann. Die Bodenbearbeitung und<lb/> Aussaat an sich erfordern nur beim Pflanzstockbau wenig Arbeitskräfte, bei den<lb/> anderen aber bereits erhebliche, so daß im allgemeinen alle Kulturen, die alljährlich<lb/> oder, wie Zuckerrohr oder Baumwolle, innerhalb weniger Jahre neugepflanzt<lb/> werden müssen, mehr Arbeiter beanspruchen, als ausdauernde Strauch- und Baum¬<lb/> kulturen, die zwar bei der Anlage viele Arbeit erfordern, aber später im Kampf<lb/> gegen das in den Tropen besonders üppig aufschießende Unkraut leichter zu ver¬<lb/> teidigen sind als einjährige krautige Kulturen; hochragende Bäume, wie etwa<lb/> Kokospalmen, brauchen schließlich sehr wenig Beihilfe, während niedrigere, wie<lb/> Kafteebäume oder vollends Teesträucher, häufiger gründlicher Reinigungen un¬<lb/> bedingt bedürfen. Auch die Ernte- und Aufbereitungsarbeiten erfordern bei den<lb/> verschiedenen Kulturen sehr verschiedene Arbeitermengen: zur Teernte, um bei den<lb/> gleichen Beispielen zu bleiben, müssen sehr viele Arbeitskräfte angesetzt werden,<lb/> auch die Kaffeernte erfordert noch bedeutenden Arbeiteraufwand, während die<lb/> Kokosnußernte mit vergleichsweise wenigen Arbeitern bewältigt werden kann.<lb/> Maschinen werden bei der Aufbereitung zur Ersparung menschlicher Arbeitskräfte<lb/> schon vielfach benützt, aber bei den Kultur- und Erntearbeiten hat man sie erst<lb/> in bescheidenem Maße anwenden gelernt.</p><lb/> <p xml:id="ID_610" next="#ID_611"> Ohne auf diese Dinge näher einzugehen, sei noch darauf hingewiesen, daß<lb/> bei sehr vielen Kulturen zu bestimmten Zeiten, besonders bei der Vorbereitung zur<lb/> Saat oder Aufpflanzung oder bei der Ernte, eine außergewöhnlich hohe Zahl von<lb/> Arbeitern benötigt wird; von der Zahl der in solchen Zeiten verfügbaren Arbeits¬<lb/> kräfte hängt also die Ausdehnungsmöglichkeit der Kulturen in dem betreffenden<lb/> Gebiet ab, und der koloniale Wirtschaftspolitiker muß sich immer vor Augen<lb/> halten, daß in dünnbevölkerten Ländern die Anlage von Kulturen, die sehr viel<lb/> Arbeitskräfte erfordern (wie z. B. Teebau), eine Verschwendung wäre; solche<lb/> müssen dichter bevölkerten Gebieten vorbehalten bleiben, während man in dünn¬<lb/> bevölkerten auf wirtschaftliche Tätigkeiten sich beschränken sollte, die Verhältnis-<lb/> mätzig weniger Arbeiter erfordern, soweit man nicht (wie auf der Halbinsel<lb/> Jucatan mit ihrer intensiven Henequenkultur) dazu übergeht, die vorhandene Be¬<lb/> völkerung vorzugsweise zur Hervorbringung von Ausfuhrgütern zu verwenden<lb/> und ihr dafür Lebensmittel einzuführen. Zu den Kulturen, die viele Arbeit er¬<lb/> fordern, gehören leider auch die nassen Reiskulturen, so daß die großen Über-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0168]
Tropenwirtschaft
Neuernten der Produkte ohne stärkere Mitarbeit des Menschen gerechnet werden
kann. In vereinzelten Fällen erlauben auch Fischfang (so auf Wale) oder Jagd
(z. B. aus Elephanten, vielfach zugleich in Verbindung mit Sammeln des Elfen¬
beins früher verendeter Tiere) Erzielung hoher Werte unter Aufwendung geringer
Menschenkräfte. Weit weniger leicht kann man aber bei landwirtschaftlicher Be-
tätigung größere Überschüsse über den Eigenbedarf hinaus bekommen, wenn die
Volkszahl des betreffenden Gebietes gering ist. Am ehesten ist es noch in der
Viehzucht möglich, soweit natürliche Weideflächen vorhanden sind; da können in
der Tat mit wenigen Arbeitskräften große Viehherden gehalten werden, und die
Tatsache, daß das Vieh aus eigener Kraft selbst auf sehr schlechten Wegen riesige
Entfernungen zurücklegen kann, die Transportkosten also verhältnismäßig sehr
niedrig sind, bewirkt, daß Viehzüchtereien ost zeitlich und räumlich in geeigneten
Tropengegenden die ersten und äußersten Vorposten europäischer Wirtschaft dar¬
stellen. Hinsichtlich des Pflanzenbaues sind die Verhältnisse weit verwickelter.
Schon die vorbereitenden Arbeiten, die Rodung, erfordern ein recht verschiedenes
Maß von Arbeitskräften, je nach der Art des Pflanzenbaues: für die niedrigen
Stufen desselben (Pflanzstockbau, Grabstockbau und Hackbau im engeren Sinne)
erfordern sie weit weniger Arbeitskräfte, als für die höheren (trockene und nasse
Pflugkultur), weil nur im letzteren Fall ein Herausnehmen der Wurzelstocke not¬
wendig ist; da man aber bei ersteren meist keine Düngung anwendet, also bald
die gerodeten Flächen wieder brach liegen lassen muß, um an neuen Stellen Neu¬
anlagen zu machen, so wird schließlich bei ihnen im Laufe der Jahre doch mehr
Arbeit aufgewendet als beim Pflugbau, bei dem das einmal gerodete Feld für
lange Zeit oder dauernd in Benutzung bleiben kann. Die Bodenbearbeitung und
Aussaat an sich erfordern nur beim Pflanzstockbau wenig Arbeitskräfte, bei den
anderen aber bereits erhebliche, so daß im allgemeinen alle Kulturen, die alljährlich
oder, wie Zuckerrohr oder Baumwolle, innerhalb weniger Jahre neugepflanzt
werden müssen, mehr Arbeiter beanspruchen, als ausdauernde Strauch- und Baum¬
kulturen, die zwar bei der Anlage viele Arbeit erfordern, aber später im Kampf
gegen das in den Tropen besonders üppig aufschießende Unkraut leichter zu ver¬
teidigen sind als einjährige krautige Kulturen; hochragende Bäume, wie etwa
Kokospalmen, brauchen schließlich sehr wenig Beihilfe, während niedrigere, wie
Kafteebäume oder vollends Teesträucher, häufiger gründlicher Reinigungen un¬
bedingt bedürfen. Auch die Ernte- und Aufbereitungsarbeiten erfordern bei den
verschiedenen Kulturen sehr verschiedene Arbeitermengen: zur Teernte, um bei den
gleichen Beispielen zu bleiben, müssen sehr viele Arbeitskräfte angesetzt werden,
auch die Kaffeernte erfordert noch bedeutenden Arbeiteraufwand, während die
Kokosnußernte mit vergleichsweise wenigen Arbeitern bewältigt werden kann.
Maschinen werden bei der Aufbereitung zur Ersparung menschlicher Arbeitskräfte
schon vielfach benützt, aber bei den Kultur- und Erntearbeiten hat man sie erst
in bescheidenem Maße anwenden gelernt.
Ohne auf diese Dinge näher einzugehen, sei noch darauf hingewiesen, daß
bei sehr vielen Kulturen zu bestimmten Zeiten, besonders bei der Vorbereitung zur
Saat oder Aufpflanzung oder bei der Ernte, eine außergewöhnlich hohe Zahl von
Arbeitern benötigt wird; von der Zahl der in solchen Zeiten verfügbaren Arbeits¬
kräfte hängt also die Ausdehnungsmöglichkeit der Kulturen in dem betreffenden
Gebiet ab, und der koloniale Wirtschaftspolitiker muß sich immer vor Augen
halten, daß in dünnbevölkerten Ländern die Anlage von Kulturen, die sehr viel
Arbeitskräfte erfordern (wie z. B. Teebau), eine Verschwendung wäre; solche
müssen dichter bevölkerten Gebieten vorbehalten bleiben, während man in dünn¬
bevölkerten auf wirtschaftliche Tätigkeiten sich beschränken sollte, die Verhältnis-
mätzig weniger Arbeiter erfordern, soweit man nicht (wie auf der Halbinsel
Jucatan mit ihrer intensiven Henequenkultur) dazu übergeht, die vorhandene Be¬
völkerung vorzugsweise zur Hervorbringung von Ausfuhrgütern zu verwenden
und ihr dafür Lebensmittel einzuführen. Zu den Kulturen, die viele Arbeit er¬
fordern, gehören leider auch die nassen Reiskulturen, so daß die großen Über-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |