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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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Der Traum vom Ewigen Frieden

können glaubt, bleibe der Aufgabe lieber fern. Man lese Weihers Buch, auch das
was er über die "^Ilianco krÄN?inse" und ihre Beziehungen zum Staat, über
den mit ihr schwer vergleichbaren "Verein für das Deutschtum im Ausland", über
die angelsächsischen Kulturwerbemittel sagt, und man wird begreifen, daß es sich
hier um mindestens so neue und so große, den ganzen Menschen fordernde Auf¬
gaben handelt, wie bei all den zahlreichen als Frucht des Weltkrieges erwarteten
innerpolitischen Wandlungen. Wehe, wenn man versuchen wollte, diese unpoli¬
tischen Außenaufgaben, die "nur" das deutsche Volk angehen, von irgendwelchen
innerpolitischen "Konjunkturen" abhängig zu machen. Wenn nicht jene engen
Kreise, die bisher allein die Sache des deutschen Volkes außerhalb der Reichs¬
grenzen vertraten, zu einem das ganze Volk umfassenden Kreis gemeinsamen
Strebens anwachsen.*) Wir wären dann nach vier Jahren glorreichen Ringens
mit der Welt noch immer nicht reif, ein Weltvolk zu werden.




Der Traum vom Ewigen Frieden
Professor Dr. Theobald Ziegler von

s reden und träumen die Menschen viel
^Von besseren künftigen Tagen --,

Mund nie tun sie dies mehr als in schweren Zeiten, wie wir sie jetzt
durchleben; nie reden sie mehr vom Frieden als im Krieg, von
j dem nächsten diesem Krieg ein Ende machenden Frieden, und nie
träumen sie mehr "is im Krieg von einem dem Krieg überhaupt,
allem Krieg ein Ende machenden Ewigen Frieden. So natürlich auch heute; und
zunächst find wir alle geneigt, diesen Traum mitzuträumen und uns in einen
solchen ewigen Friedenszustand hineinzu--fühlen und zu sehnen mehr, als hinein¬
zudenken., Der Unterschied wird nur der sein, daß die einen einen solchen para¬
diesischen Zustand nur wünschen, die anderen an ihn als einen kommenden mög¬
lichen auch glauben: dort ein frommer Wunsch, hier ein Glaube und aus dem
Glauben heraus allerlei positive und praktische Vorschläge, einen solchen all¬
gemeinen Weltfrieden herbeizuführen. So entstanden ernsthafte Traktate und
Projekte "zum Ewigen Frieden" -- und zwar im achtzehnten Jahrhundert gleich
ihrer mehrere: von einem französischen Abb6 Castel de Se. Pierre im Jahre des
Friedensschlusses von Utrecht 1713, also während Europa von zwei Weltkriegen
im Westen und im Osten durchtobt war. dem spanischen Erbfolgekrieg und dem
nordischen Krieg. Und seine Gedanken griff dann natürlich Rousseau, der Ver¬
herrlicher eines idyllischen und durchaus glücklichen Naturzustandes, auf und wieder¬
holte sie während des siebenjährigen Krieges im Jahre 1760; und in diesem Kriege
hat noch ein anderer, ein Herr von Palthen, ein solches Projekt "einen immer¬
währenden Frieden zu unterhalten" veröffentlicht. Das Merkwürdigste aber ist
doch, daß unser großer deutscher Philosoph Kant im Jahre 1795, also in der
Zeit der beginnenden Napoleonischen Kriege, eine Schrift "zum Ewigen Frieden"



*) Weiser fordert einen "Deutschen Bund", den er sich aus dem Verein für da"
Deutschtum im Ausland hervorgehend denkt, als Gegenstück zur ^I1i"une er"n?aise. .
Der Traum vom Ewigen Frieden

können glaubt, bleibe der Aufgabe lieber fern. Man lese Weihers Buch, auch das
was er über die „^Ilianco krÄN?inse« und ihre Beziehungen zum Staat, über
den mit ihr schwer vergleichbaren „Verein für das Deutschtum im Ausland", über
die angelsächsischen Kulturwerbemittel sagt, und man wird begreifen, daß es sich
hier um mindestens so neue und so große, den ganzen Menschen fordernde Auf¬
gaben handelt, wie bei all den zahlreichen als Frucht des Weltkrieges erwarteten
innerpolitischen Wandlungen. Wehe, wenn man versuchen wollte, diese unpoli¬
tischen Außenaufgaben, die „nur" das deutsche Volk angehen, von irgendwelchen
innerpolitischen „Konjunkturen" abhängig zu machen. Wenn nicht jene engen
Kreise, die bisher allein die Sache des deutschen Volkes außerhalb der Reichs¬
grenzen vertraten, zu einem das ganze Volk umfassenden Kreis gemeinsamen
Strebens anwachsen.*) Wir wären dann nach vier Jahren glorreichen Ringens
mit der Welt noch immer nicht reif, ein Weltvolk zu werden.




Der Traum vom Ewigen Frieden
Professor Dr. Theobald Ziegler von

s reden und träumen die Menschen viel
^Von besseren künftigen Tagen —,

Mund nie tun sie dies mehr als in schweren Zeiten, wie wir sie jetzt
durchleben; nie reden sie mehr vom Frieden als im Krieg, von
j dem nächsten diesem Krieg ein Ende machenden Frieden, und nie
träumen sie mehr «is im Krieg von einem dem Krieg überhaupt,
allem Krieg ein Ende machenden Ewigen Frieden. So natürlich auch heute; und
zunächst find wir alle geneigt, diesen Traum mitzuträumen und uns in einen
solchen ewigen Friedenszustand hineinzu—fühlen und zu sehnen mehr, als hinein¬
zudenken., Der Unterschied wird nur der sein, daß die einen einen solchen para¬
diesischen Zustand nur wünschen, die anderen an ihn als einen kommenden mög¬
lichen auch glauben: dort ein frommer Wunsch, hier ein Glaube und aus dem
Glauben heraus allerlei positive und praktische Vorschläge, einen solchen all¬
gemeinen Weltfrieden herbeizuführen. So entstanden ernsthafte Traktate und
Projekte „zum Ewigen Frieden" — und zwar im achtzehnten Jahrhundert gleich
ihrer mehrere: von einem französischen Abb6 Castel de Se. Pierre im Jahre des
Friedensschlusses von Utrecht 1713, also während Europa von zwei Weltkriegen
im Westen und im Osten durchtobt war. dem spanischen Erbfolgekrieg und dem
nordischen Krieg. Und seine Gedanken griff dann natürlich Rousseau, der Ver¬
herrlicher eines idyllischen und durchaus glücklichen Naturzustandes, auf und wieder¬
holte sie während des siebenjährigen Krieges im Jahre 1760; und in diesem Kriege
hat noch ein anderer, ein Herr von Palthen, ein solches Projekt „einen immer¬
währenden Frieden zu unterhalten" veröffentlicht. Das Merkwürdigste aber ist
doch, daß unser großer deutscher Philosoph Kant im Jahre 1795, also in der
Zeit der beginnenden Napoleonischen Kriege, eine Schrift „zum Ewigen Frieden"



*) Weiser fordert einen „Deutschen Bund", den er sich aus dem Verein für da»
Deutschtum im Ausland hervorgehend denkt, als Gegenstück zur ^I1i»une er»n?aise. .
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/104>, abgerufen am 22.07.2024.