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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

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aufgäbe darin sehen werden, auch von Brest aus vor allen Dingen internationale
Bezieh ngen anzuknüpfen und auszubauen, die sie gegen uns verwenden würden.

Nachdem die Westmächte darauf verzichtet haben, auf dem Boden eines all¬
gemeinen Friedens ohne Gebietsabtretungen und Entschädigungen mit uns zu
verhandeln, geht es in Brest darum, eine Grundlage zu finden, auf der zwischen
den Mächten Mitteleuropas nebst Bulgarien und der Türkei einerseits und den
im Entstehen begriffenen russischen Staaten ein auf Treu und Glauben aufgebautes
Verhältnis errichtet und bestehen bleiben könnte. Für die russischen Vertreter
sollte es dabei im Augenblick darauf ankommen, alle kulturellen Kräfte des Landes
frei zu machen, um sie in den Dienst des inneren Wiederaufbaues ihres Landes
zu stellen, während unsere Vertreter darauf bedacht sein müssen, Mitteleuropa
vor einem übergreifen der russischen Krankheit, möge sie als anarchischer Sozia-
Iismus oder als Panslawismus oder sonstwie auftreten, zu behüten und doch alle
Brücken zu bauen, die einmal zur Verständigung der beiden ungleichen Staaten¬
komplexe sichren möchten. Wir wissen aus den Worten, die General Hoffmann
am 9. d. M. gesprochen hat, sowie aus vielfachen Erfahrungen an der Front, daß
die Russen den Waffenstillstand insofern für sich auszunutzen versuchten, als sie
in die Reihen unserer Truppen revolutionäre Propaganda hineinzutragen strebten.
Jetzt hören wir, daß der Leiter dieser P>opaganoa, Genosse Radek, zugleich Direktor
der staatlichen Se. Petersburger Telegraphen-Agentur ist. die die falschen Berichte
über den Verlauf der Verhandlungen in die Welt gesandt hatte. Solche Erfah¬
rungen erschweren eS naturgemäß unseren Unterhändlern, den Russen mit vollem Ver¬
trauen zu begegnen und zwingen sie, Sicherung gegen Attentate auf unsere
Staatseinrichtungen auf praktisch erprobten Wegen zu suchen. Die allgemeine
Aufgabe unserer Unterhändler im zweiten Abschnitt des Friedens von Brest, wenn
ein solcher zustande kommen sollte, wird sein, die politische Befestigung der Siche¬
rungen, die bisher die Armee geschaffen hat, unter allen Umständen herbeizuführen.

Die Aufgabe sieht angesichts des bei den Russen tatsächlich vorhandenen
Friedensbedürfwsses sehr einfach aus. Sie ist es aber durchaus nicht, denn sie ist
bepackt mit unsern Fehlern in Polen, mit den Fehlern de? ersten Verhandlungs-
abschnitts und darüber hinaus mit den historischen Voraussetzungen des deutsch-
österreichisch-ungarischen Bündnisses, hinter denen die alten politischen Kampfrufe:
Hie Großdeutsch! Hie Kleindeulsch! wieder laut werden. Dazu gesellen sich er-
schwerend die Nerven zerreibenden Stimmungen in Berlin, die aus mnerpolitischen
Gesichtspunkten von gewissen Kreisen wachgehalten werden. Von den Ukrainern aber
hören wir panslawistische Motive anschlagen, wenn sie in ihren Friedensgrundsätzcn
"das volle nationale Selbstbestimmungsiecht" "auch dem kleinsten Volke in jedem
Staate sichern" wollen. Wir gehen sicher nicht fehl, wenn wir annehmen, daß
dies mit der gleichen Absicht geschehen ist. wie jene Propaganda der Maxi-
malisten.

Von den Fehlern in Polen wollen wir ein andermal ausführlich sprechen.
Die Fehler des Herrn von Kühlmann? Herr Lloyd George hat unsern Chef der
Diplomatie jedenfalls aus recht peinlicher Lage befreit, als er nach Verstreichen
der Frist noch sein Friedensprogramm oder richtiger seine neue Kriegserklärung
gegen uns schleuderte. Herr von Kühlmann scheint von dieser Entlastung keinen
Gebrauch zu machen. Welche Gründe innen- und außenpolitischer Natur
man heranziehen möchte, um sich seine Art, vorzugehen, zu erklären, sie
verdient entschiedenste Zurückweisung, weil sie dem Gegner, überdies in einer
Form, die weder der tatsächlichen Machtstellung der Mittemächte, noch der
Würde der Unterhändler entsprach, die Wege offenbarte, die unsererseits im
Osten eingeschlagen werden sollten. Nur wenn Herr von Kühlmann die Berech¬
tigung hatte, zu glauben, durch Verständigung mit den Engländern über die
Formel vom Selbswestinnnuii gerecht der Nationalitäten zu einem Vertrage kommen
zu können, vielleicht, indem man sich gewisse Besitzrechte gegenseitig garantierte,
duifte er es wagen, den betretenen Weg zu gehen. Denn für so töricht konnte
er doch die Engländer nicht halten, daß sie seine unausgesprochenen Vorbehalte


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Brest« Litowff, Zweiter Akt

aufgäbe darin sehen werden, auch von Brest aus vor allen Dingen internationale
Bezieh ngen anzuknüpfen und auszubauen, die sie gegen uns verwenden würden.

Nachdem die Westmächte darauf verzichtet haben, auf dem Boden eines all¬
gemeinen Friedens ohne Gebietsabtretungen und Entschädigungen mit uns zu
verhandeln, geht es in Brest darum, eine Grundlage zu finden, auf der zwischen
den Mächten Mitteleuropas nebst Bulgarien und der Türkei einerseits und den
im Entstehen begriffenen russischen Staaten ein auf Treu und Glauben aufgebautes
Verhältnis errichtet und bestehen bleiben könnte. Für die russischen Vertreter
sollte es dabei im Augenblick darauf ankommen, alle kulturellen Kräfte des Landes
frei zu machen, um sie in den Dienst des inneren Wiederaufbaues ihres Landes
zu stellen, während unsere Vertreter darauf bedacht sein müssen, Mitteleuropa
vor einem übergreifen der russischen Krankheit, möge sie als anarchischer Sozia-
Iismus oder als Panslawismus oder sonstwie auftreten, zu behüten und doch alle
Brücken zu bauen, die einmal zur Verständigung der beiden ungleichen Staaten¬
komplexe sichren möchten. Wir wissen aus den Worten, die General Hoffmann
am 9. d. M. gesprochen hat, sowie aus vielfachen Erfahrungen an der Front, daß
die Russen den Waffenstillstand insofern für sich auszunutzen versuchten, als sie
in die Reihen unserer Truppen revolutionäre Propaganda hineinzutragen strebten.
Jetzt hören wir, daß der Leiter dieser P>opaganoa, Genosse Radek, zugleich Direktor
der staatlichen Se. Petersburger Telegraphen-Agentur ist. die die falschen Berichte
über den Verlauf der Verhandlungen in die Welt gesandt hatte. Solche Erfah¬
rungen erschweren eS naturgemäß unseren Unterhändlern, den Russen mit vollem Ver¬
trauen zu begegnen und zwingen sie, Sicherung gegen Attentate auf unsere
Staatseinrichtungen auf praktisch erprobten Wegen zu suchen. Die allgemeine
Aufgabe unserer Unterhändler im zweiten Abschnitt des Friedens von Brest, wenn
ein solcher zustande kommen sollte, wird sein, die politische Befestigung der Siche¬
rungen, die bisher die Armee geschaffen hat, unter allen Umständen herbeizuführen.

Die Aufgabe sieht angesichts des bei den Russen tatsächlich vorhandenen
Friedensbedürfwsses sehr einfach aus. Sie ist es aber durchaus nicht, denn sie ist
bepackt mit unsern Fehlern in Polen, mit den Fehlern de? ersten Verhandlungs-
abschnitts und darüber hinaus mit den historischen Voraussetzungen des deutsch-
österreichisch-ungarischen Bündnisses, hinter denen die alten politischen Kampfrufe:
Hie Großdeutsch! Hie Kleindeulsch! wieder laut werden. Dazu gesellen sich er-
schwerend die Nerven zerreibenden Stimmungen in Berlin, die aus mnerpolitischen
Gesichtspunkten von gewissen Kreisen wachgehalten werden. Von den Ukrainern aber
hören wir panslawistische Motive anschlagen, wenn sie in ihren Friedensgrundsätzcn
„das volle nationale Selbstbestimmungsiecht" „auch dem kleinsten Volke in jedem
Staate sichern" wollen. Wir gehen sicher nicht fehl, wenn wir annehmen, daß
dies mit der gleichen Absicht geschehen ist. wie jene Propaganda der Maxi-
malisten.

Von den Fehlern in Polen wollen wir ein andermal ausführlich sprechen.
Die Fehler des Herrn von Kühlmann? Herr Lloyd George hat unsern Chef der
Diplomatie jedenfalls aus recht peinlicher Lage befreit, als er nach Verstreichen
der Frist noch sein Friedensprogramm oder richtiger seine neue Kriegserklärung
gegen uns schleuderte. Herr von Kühlmann scheint von dieser Entlastung keinen
Gebrauch zu machen. Welche Gründe innen- und außenpolitischer Natur
man heranziehen möchte, um sich seine Art, vorzugehen, zu erklären, sie
verdient entschiedenste Zurückweisung, weil sie dem Gegner, überdies in einer
Form, die weder der tatsächlichen Machtstellung der Mittemächte, noch der
Würde der Unterhändler entsprach, die Wege offenbarte, die unsererseits im
Osten eingeschlagen werden sollten. Nur wenn Herr von Kühlmann die Berech¬
tigung hatte, zu glauben, durch Verständigung mit den Engländern über die
Formel vom Selbswestinnnuii gerecht der Nationalitäten zu einem Vertrage kommen
zu können, vielleicht, indem man sich gewisse Besitzrechte gegenseitig garantierte,
duifte er es wagen, den betretenen Weg zu gehen. Denn für so töricht konnte
er doch die Engländer nicht halten, daß sie seine unausgesprochenen Vorbehalte


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[0087] Brest« Litowff, Zweiter Akt aufgäbe darin sehen werden, auch von Brest aus vor allen Dingen internationale Bezieh ngen anzuknüpfen und auszubauen, die sie gegen uns verwenden würden. Nachdem die Westmächte darauf verzichtet haben, auf dem Boden eines all¬ gemeinen Friedens ohne Gebietsabtretungen und Entschädigungen mit uns zu verhandeln, geht es in Brest darum, eine Grundlage zu finden, auf der zwischen den Mächten Mitteleuropas nebst Bulgarien und der Türkei einerseits und den im Entstehen begriffenen russischen Staaten ein auf Treu und Glauben aufgebautes Verhältnis errichtet und bestehen bleiben könnte. Für die russischen Vertreter sollte es dabei im Augenblick darauf ankommen, alle kulturellen Kräfte des Landes frei zu machen, um sie in den Dienst des inneren Wiederaufbaues ihres Landes zu stellen, während unsere Vertreter darauf bedacht sein müssen, Mitteleuropa vor einem übergreifen der russischen Krankheit, möge sie als anarchischer Sozia- Iismus oder als Panslawismus oder sonstwie auftreten, zu behüten und doch alle Brücken zu bauen, die einmal zur Verständigung der beiden ungleichen Staaten¬ komplexe sichren möchten. Wir wissen aus den Worten, die General Hoffmann am 9. d. M. gesprochen hat, sowie aus vielfachen Erfahrungen an der Front, daß die Russen den Waffenstillstand insofern für sich auszunutzen versuchten, als sie in die Reihen unserer Truppen revolutionäre Propaganda hineinzutragen strebten. Jetzt hören wir, daß der Leiter dieser P>opaganoa, Genosse Radek, zugleich Direktor der staatlichen Se. Petersburger Telegraphen-Agentur ist. die die falschen Berichte über den Verlauf der Verhandlungen in die Welt gesandt hatte. Solche Erfah¬ rungen erschweren eS naturgemäß unseren Unterhändlern, den Russen mit vollem Ver¬ trauen zu begegnen und zwingen sie, Sicherung gegen Attentate auf unsere Staatseinrichtungen auf praktisch erprobten Wegen zu suchen. Die allgemeine Aufgabe unserer Unterhändler im zweiten Abschnitt des Friedens von Brest, wenn ein solcher zustande kommen sollte, wird sein, die politische Befestigung der Siche¬ rungen, die bisher die Armee geschaffen hat, unter allen Umständen herbeizuführen. Die Aufgabe sieht angesichts des bei den Russen tatsächlich vorhandenen Friedensbedürfwsses sehr einfach aus. Sie ist es aber durchaus nicht, denn sie ist bepackt mit unsern Fehlern in Polen, mit den Fehlern de? ersten Verhandlungs- abschnitts und darüber hinaus mit den historischen Voraussetzungen des deutsch- österreichisch-ungarischen Bündnisses, hinter denen die alten politischen Kampfrufe: Hie Großdeutsch! Hie Kleindeulsch! wieder laut werden. Dazu gesellen sich er- schwerend die Nerven zerreibenden Stimmungen in Berlin, die aus mnerpolitischen Gesichtspunkten von gewissen Kreisen wachgehalten werden. Von den Ukrainern aber hören wir panslawistische Motive anschlagen, wenn sie in ihren Friedensgrundsätzcn „das volle nationale Selbstbestimmungsiecht" „auch dem kleinsten Volke in jedem Staate sichern" wollen. Wir gehen sicher nicht fehl, wenn wir annehmen, daß dies mit der gleichen Absicht geschehen ist. wie jene Propaganda der Maxi- malisten. Von den Fehlern in Polen wollen wir ein andermal ausführlich sprechen. Die Fehler des Herrn von Kühlmann? Herr Lloyd George hat unsern Chef der Diplomatie jedenfalls aus recht peinlicher Lage befreit, als er nach Verstreichen der Frist noch sein Friedensprogramm oder richtiger seine neue Kriegserklärung gegen uns schleuderte. Herr von Kühlmann scheint von dieser Entlastung keinen Gebrauch zu machen. Welche Gründe innen- und außenpolitischer Natur man heranziehen möchte, um sich seine Art, vorzugehen, zu erklären, sie verdient entschiedenste Zurückweisung, weil sie dem Gegner, überdies in einer Form, die weder der tatsächlichen Machtstellung der Mittemächte, noch der Würde der Unterhändler entsprach, die Wege offenbarte, die unsererseits im Osten eingeschlagen werden sollten. Nur wenn Herr von Kühlmann die Berech¬ tigung hatte, zu glauben, durch Verständigung mit den Engländern über die Formel vom Selbswestinnnuii gerecht der Nationalitäten zu einem Vertrage kommen zu können, vielleicht, indem man sich gewisse Besitzrechte gegenseitig garantierte, duifte er es wagen, den betretenen Weg zu gehen. Denn für so töricht konnte er doch die Engländer nicht halten, daß sie seine unausgesprochenen Vorbehalte ö-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/87>, abgerufen am 22.07.2024.