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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

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Deutsche Flurbereinigung

Dem neuen Mitteleuropa aber, das in unerhört heftigen Kriegsgewittern
zur Wirklichkeit wurde, sind bei seinem Aufbau die stärksten Klammern eingefügt
worden, durch die sich Staaten auf die Dauer allein binden lassen: die tiefsten
und höchsten persönlichsten Lebensinteressen seiner Völker. "Als schöpferischer
Zerstörer Hot der Krieg einen neuen Vierbund geschaffen, der nicht durch die zer-
reißbaren Fäden diplomatischer Verabredung, sondern, aus gemeinsamer Tat
geboren, durch die tiefsten inneren Notwendigkeiten aneinander geknüpft ist." Aber
es ist Kriegsarbeit, unter der Last äußeren Druckes zusammengefügt, was vor uns
liegt; und begreiflich regt sich der Wunsch, das gemeinsame Erlebnis auch im
Frieden auszuwerten, die Kriegsverträge den Bedürfnissen des freien wirtschaftlichen
und kulturellen Wettbewerbes anzupassen. Von Friedrich Naumanns "Mitteleuropa"
zu Onckens letzter Flugschrift schlingt sich daher eine schier unübersehbare Literatur,
die das Fundament des Bundes tief in die Seelen der Völker zu senken sucht.

Als wir Naumanns Buch im Hochsommer 1916 in den Trümmern von
Hooge lasen, erweckte es fast ebensoviel Anregung wie Widerspruch. Bewundernd
folgten wir den feinen, scharf geschliffenen Wendungen, die uns das mitteleuro¬
päische Wirtschaftsvolk vor die Seele zu zaubern, 0M militärischen Verteidigungs¬
bund zur inneren Gemeinschaft zu erheben suchten. Aber zugleich wurde auch
schärfster Widerspruch wach. In den kargen Kampfpausen, die uns gegönnt
waren, lastete in unerträglicher Schwere der ganze Fluch des Stellungs¬
krieges auf uns, die wir damals schon seit dreiviertel Jahren im flandrischen
Boden zur Untätigkeit verdammt waren. Voll grimmen Neith vernahmen
wir die Siegesnachrichten vom Osten, wo die Kameraden in anregendem
Bewegungskrieg von Festung zu Festung flogen. Selbst der einfachste Soldat
fühlte in alle" Fasern, daß nur äußerste Not den deutschen Offensivgeist, der alle
beseelte, in Fesseln legen dürfte. Und Naumann pries uns gleichzeitig den
"Schützengraben als die Grundform der Vaterlandsverteidigung", während wir,
die wir seit Monaten die neuen Waffen des Grabenkrieges handhaben mußten,
mit Sehnsucht des Tages harrten, der uns aus ihm erlöse! Heute ist über diese
einseitige Auffassung glücklicherweise kaum noch ein Wort zu verlieren. Schon in
den Tagen, da Naumann sein Buch abschloß, legte der Durchbruch von Gorlice
die erste Bresche nicht nur in den eisernen Gürtel, den die Entente dem alt-
neuen Mitteleuropa um die sich reckenden Glieder gelegt hatte. Er schob auch
die "wirtschaftlichen Schützengräben" weit genug vor, um Raum und Atem zu
gewinnen zu neuen Angriffen, die das Ziel der mililäriscken und der wirtschaft¬
lichen Kriegführung lebensvoller Völker lind Staaten bleiben müssen. Jahr für
Jahr hat'das deutsche Volksheer inzwischen den Beweis geliefert, daß es
als Führer des neuen Mitteleuropa durchaus nicht geneigt ist, sich mit dem
Raum innerhalb der Schützengräben zu begnügen, die ihm die Gegner auf¬
gezwungen haben.

Mitteleuropa muß, darin stimmen wir Naumann freudig zu, auch in
künftigen Zeiten der Haltepunkt der ihm angeschlossenen Völker bleiben. Und
freudig wird es gerade Deutschland begrüßen, wenn sich das Bündnis mit dein
Habsburger Staat in dem Sinne umgestalten läßt, wie es schon Bismarck 1879
wünschte: zu einem öffentlichen, verfassungsmäßigen Vertrage, der über mili¬
tärische Hilfeleistung hinauswerft zu immer engeren: Jneinanoereinlcben in Wirt¬
schaft, Recht und Kultur, Darüber aber dürfen wir die Mahnung nicht ver¬
gessen, die Onckens geschichtliche Darstellung von Bismarcks mitteleuropäischer
Politik eindringlich genug uns nahe legt: "Die staatlichen und nationalen In¬
dividualitäten sind in ihrem eigenkräftigen Sonderleben viel zu wertvoll, als daß
sie zugunsten künstlich abgeleiteter Begriffe verdrängt werden dürften. Seine
Individualität bereichert nur, wer sie behauptet, nicht, wer sie durch Anpassung
und Unterordnung auszudehnen vermeint."

Stärker als unter Bismarcks Regiment, das, den Übergang von der
nationalen, kontinentalen Politik der Großmächte seiner Zeit zum imperialistischen


Deutsche Flurbereinigung

Dem neuen Mitteleuropa aber, das in unerhört heftigen Kriegsgewittern
zur Wirklichkeit wurde, sind bei seinem Aufbau die stärksten Klammern eingefügt
worden, durch die sich Staaten auf die Dauer allein binden lassen: die tiefsten
und höchsten persönlichsten Lebensinteressen seiner Völker. „Als schöpferischer
Zerstörer Hot der Krieg einen neuen Vierbund geschaffen, der nicht durch die zer-
reißbaren Fäden diplomatischer Verabredung, sondern, aus gemeinsamer Tat
geboren, durch die tiefsten inneren Notwendigkeiten aneinander geknüpft ist." Aber
es ist Kriegsarbeit, unter der Last äußeren Druckes zusammengefügt, was vor uns
liegt; und begreiflich regt sich der Wunsch, das gemeinsame Erlebnis auch im
Frieden auszuwerten, die Kriegsverträge den Bedürfnissen des freien wirtschaftlichen
und kulturellen Wettbewerbes anzupassen. Von Friedrich Naumanns „Mitteleuropa"
zu Onckens letzter Flugschrift schlingt sich daher eine schier unübersehbare Literatur,
die das Fundament des Bundes tief in die Seelen der Völker zu senken sucht.

Als wir Naumanns Buch im Hochsommer 1916 in den Trümmern von
Hooge lasen, erweckte es fast ebensoviel Anregung wie Widerspruch. Bewundernd
folgten wir den feinen, scharf geschliffenen Wendungen, die uns das mitteleuro¬
päische Wirtschaftsvolk vor die Seele zu zaubern, 0M militärischen Verteidigungs¬
bund zur inneren Gemeinschaft zu erheben suchten. Aber zugleich wurde auch
schärfster Widerspruch wach. In den kargen Kampfpausen, die uns gegönnt
waren, lastete in unerträglicher Schwere der ganze Fluch des Stellungs¬
krieges auf uns, die wir damals schon seit dreiviertel Jahren im flandrischen
Boden zur Untätigkeit verdammt waren. Voll grimmen Neith vernahmen
wir die Siegesnachrichten vom Osten, wo die Kameraden in anregendem
Bewegungskrieg von Festung zu Festung flogen. Selbst der einfachste Soldat
fühlte in alle» Fasern, daß nur äußerste Not den deutschen Offensivgeist, der alle
beseelte, in Fesseln legen dürfte. Und Naumann pries uns gleichzeitig den
„Schützengraben als die Grundform der Vaterlandsverteidigung", während wir,
die wir seit Monaten die neuen Waffen des Grabenkrieges handhaben mußten,
mit Sehnsucht des Tages harrten, der uns aus ihm erlöse! Heute ist über diese
einseitige Auffassung glücklicherweise kaum noch ein Wort zu verlieren. Schon in
den Tagen, da Naumann sein Buch abschloß, legte der Durchbruch von Gorlice
die erste Bresche nicht nur in den eisernen Gürtel, den die Entente dem alt-
neuen Mitteleuropa um die sich reckenden Glieder gelegt hatte. Er schob auch
die „wirtschaftlichen Schützengräben" weit genug vor, um Raum und Atem zu
gewinnen zu neuen Angriffen, die das Ziel der mililäriscken und der wirtschaft¬
lichen Kriegführung lebensvoller Völker lind Staaten bleiben müssen. Jahr für
Jahr hat'das deutsche Volksheer inzwischen den Beweis geliefert, daß es
als Führer des neuen Mitteleuropa durchaus nicht geneigt ist, sich mit dem
Raum innerhalb der Schützengräben zu begnügen, die ihm die Gegner auf¬
gezwungen haben.

Mitteleuropa muß, darin stimmen wir Naumann freudig zu, auch in
künftigen Zeiten der Haltepunkt der ihm angeschlossenen Völker bleiben. Und
freudig wird es gerade Deutschland begrüßen, wenn sich das Bündnis mit dein
Habsburger Staat in dem Sinne umgestalten läßt, wie es schon Bismarck 1879
wünschte: zu einem öffentlichen, verfassungsmäßigen Vertrage, der über mili¬
tärische Hilfeleistung hinauswerft zu immer engeren: Jneinanoereinlcben in Wirt¬
schaft, Recht und Kultur, Darüber aber dürfen wir die Mahnung nicht ver¬
gessen, die Onckens geschichtliche Darstellung von Bismarcks mitteleuropäischer
Politik eindringlich genug uns nahe legt: „Die staatlichen und nationalen In¬
dividualitäten sind in ihrem eigenkräftigen Sonderleben viel zu wertvoll, als daß
sie zugunsten künstlich abgeleiteter Begriffe verdrängt werden dürften. Seine
Individualität bereichert nur, wer sie behauptet, nicht, wer sie durch Anpassung
und Unterordnung auszudehnen vermeint."

Stärker als unter Bismarcks Regiment, das, den Übergang von der
nationalen, kontinentalen Politik der Großmächte seiner Zeit zum imperialistischen


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[0368] Deutsche Flurbereinigung Dem neuen Mitteleuropa aber, das in unerhört heftigen Kriegsgewittern zur Wirklichkeit wurde, sind bei seinem Aufbau die stärksten Klammern eingefügt worden, durch die sich Staaten auf die Dauer allein binden lassen: die tiefsten und höchsten persönlichsten Lebensinteressen seiner Völker. „Als schöpferischer Zerstörer Hot der Krieg einen neuen Vierbund geschaffen, der nicht durch die zer- reißbaren Fäden diplomatischer Verabredung, sondern, aus gemeinsamer Tat geboren, durch die tiefsten inneren Notwendigkeiten aneinander geknüpft ist." Aber es ist Kriegsarbeit, unter der Last äußeren Druckes zusammengefügt, was vor uns liegt; und begreiflich regt sich der Wunsch, das gemeinsame Erlebnis auch im Frieden auszuwerten, die Kriegsverträge den Bedürfnissen des freien wirtschaftlichen und kulturellen Wettbewerbes anzupassen. Von Friedrich Naumanns „Mitteleuropa" zu Onckens letzter Flugschrift schlingt sich daher eine schier unübersehbare Literatur, die das Fundament des Bundes tief in die Seelen der Völker zu senken sucht. Als wir Naumanns Buch im Hochsommer 1916 in den Trümmern von Hooge lasen, erweckte es fast ebensoviel Anregung wie Widerspruch. Bewundernd folgten wir den feinen, scharf geschliffenen Wendungen, die uns das mitteleuro¬ päische Wirtschaftsvolk vor die Seele zu zaubern, 0M militärischen Verteidigungs¬ bund zur inneren Gemeinschaft zu erheben suchten. Aber zugleich wurde auch schärfster Widerspruch wach. In den kargen Kampfpausen, die uns gegönnt waren, lastete in unerträglicher Schwere der ganze Fluch des Stellungs¬ krieges auf uns, die wir damals schon seit dreiviertel Jahren im flandrischen Boden zur Untätigkeit verdammt waren. Voll grimmen Neith vernahmen wir die Siegesnachrichten vom Osten, wo die Kameraden in anregendem Bewegungskrieg von Festung zu Festung flogen. Selbst der einfachste Soldat fühlte in alle» Fasern, daß nur äußerste Not den deutschen Offensivgeist, der alle beseelte, in Fesseln legen dürfte. Und Naumann pries uns gleichzeitig den „Schützengraben als die Grundform der Vaterlandsverteidigung", während wir, die wir seit Monaten die neuen Waffen des Grabenkrieges handhaben mußten, mit Sehnsucht des Tages harrten, der uns aus ihm erlöse! Heute ist über diese einseitige Auffassung glücklicherweise kaum noch ein Wort zu verlieren. Schon in den Tagen, da Naumann sein Buch abschloß, legte der Durchbruch von Gorlice die erste Bresche nicht nur in den eisernen Gürtel, den die Entente dem alt- neuen Mitteleuropa um die sich reckenden Glieder gelegt hatte. Er schob auch die „wirtschaftlichen Schützengräben" weit genug vor, um Raum und Atem zu gewinnen zu neuen Angriffen, die das Ziel der mililäriscken und der wirtschaft¬ lichen Kriegführung lebensvoller Völker lind Staaten bleiben müssen. Jahr für Jahr hat'das deutsche Volksheer inzwischen den Beweis geliefert, daß es als Führer des neuen Mitteleuropa durchaus nicht geneigt ist, sich mit dem Raum innerhalb der Schützengräben zu begnügen, die ihm die Gegner auf¬ gezwungen haben. Mitteleuropa muß, darin stimmen wir Naumann freudig zu, auch in künftigen Zeiten der Haltepunkt der ihm angeschlossenen Völker bleiben. Und freudig wird es gerade Deutschland begrüßen, wenn sich das Bündnis mit dein Habsburger Staat in dem Sinne umgestalten läßt, wie es schon Bismarck 1879 wünschte: zu einem öffentlichen, verfassungsmäßigen Vertrage, der über mili¬ tärische Hilfeleistung hinauswerft zu immer engeren: Jneinanoereinlcben in Wirt¬ schaft, Recht und Kultur, Darüber aber dürfen wir die Mahnung nicht ver¬ gessen, die Onckens geschichtliche Darstellung von Bismarcks mitteleuropäischer Politik eindringlich genug uns nahe legt: „Die staatlichen und nationalen In¬ dividualitäten sind in ihrem eigenkräftigen Sonderleben viel zu wertvoll, als daß sie zugunsten künstlich abgeleiteter Begriffe verdrängt werden dürften. Seine Individualität bereichert nur, wer sie behauptet, nicht, wer sie durch Anpassung und Unterordnung auszudehnen vermeint." Stärker als unter Bismarcks Regiment, das, den Übergang von der nationalen, kontinentalen Politik der Großmächte seiner Zeit zum imperialistischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/368>, abgerufen am 22.07.2024.