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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

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Deutsche Flurbereinigung

Ganz anders steht es im Südwesten des Reiches. In der Rheinprovinz,
wo der Wiener Kongreß Mecklenburg-Strelitz, Hessen-Homburg. Sachsen-Coburg
und Oldenburg "entschädigte", sind die Mehrzahl dieser Enklaven längst durch
Verkauf und Verzicht in Preußens Besitz übergegangen. Als ein versteinerter
Rest aus der letzten Blütezeit dynastischer Begehrlichkeiten aber fordert das Fürsten¬
tum Birkenfeld nachdrücklich eine gründliche Flurbereinigung, die es endgültig vom
fernen Oldenburg trennt. Umgekehrt empfindet Württemberg das preußische
Außengebiet der alten hohenzollernschen Lande als Störung seiner wirtschaftlichen
Einheit. Auch hier schienen die Märzflürme der deutschen Revolution anfangs
einigend zu wirken. Erst als die Reichsgewalt die unmittelbare Übernahme der
Fürstentümer in die Verwaltung des Reiches selbst ablehnen mußte, verzichtete
Fürst Karl Anton zugunsten Preußens auf seine Souveränität. 1866 aber und
1870 hofften in Württemberg Dynastie und Demokratie auf den Anschluß der
Enklaven. "Das Haus Hohenzollern hat aufgehört, in den Donaufürstentümern
Sigmaringen und Hechingen zu regieren", dekretierte der Stuttgarter "Beobachter",
das Organ der schwäbischen Volkspartei, als im Juli 1866 falsche Nachrichten
vom Siege Österreichs einliefen. Und den nach Versailles abgehenden Ministern
legte die Königin Olga die Forderung eines Gebietsaustausches mit Preußen
eifrig ans Herz.

Wie damals könnte in der Tat auch heute die endgültige Regelung der
staatsrechtlichen Zukunft Elsaß und Lothringens erwünschte Gelegenheit bieten,
Württemberg und Baden an der oberen Donau abzurunden. Zugleich würde die
Auflassung des Reichslandes die Stärkung der bayerischen Rheinpfalz durch Zu¬
teilung bestimmter Gebiete im nördlichen Elsaß und im östlichen Lothringen er¬
möglichen. Ist doch der Kreis Weißenburg, den Bismarck noch im Anfang des
Jahres 1871 den bayerischen Unterhändlern halb und halb zusicherte, zum großen
Teile altes fränkisch-pfälzisches Sprachgebiet I Wenn auch die alten Forderungen
der Wittelsbacher nach Herstellung einer Landbrücke zwischen Franken und Unter¬
pfalz über Hanau oder Heidelberg unerfüllbar geworden sind, so würde das Reich
Mit solcher Regelung doch zeigen^ daß es Verständnis besitzt für die territorialen
Eigenwünsche seines zweitgrößten Bundesstaates, dem es in anderen, rein poli¬
tischen, militärischen und' wirtschaftlichen Fragen bekanntlich sehr weitgehendes
Entgegenkommen zeigt. Vielleicht würde so am zweckmäßigsten der Weg zur
Regelung der staatsrechtlichen Zukunft Elsaß und Lothringens geebnet, die heute
SU einer der drängendsten Fragen unserer inneren Politik geworden ist.

Damit wird das Problem der deutschen Flurbereinigung herausgehoben aus
der Erörterung rein territorialstaatlicher Interessen. Unsere geschichtlichen Erinne¬
rungen zeigten, daß die MediaMerungs- und Arrondierungsforderungen der Einzel-
staaten in den Krisen des neunzehnten Jahrhunderts vornehmlich von den Dynastien
vertreten wurden. Nur zaghaft drängten von innen heraus auch die Volksver-
tretungen und die Publizistik nach. Und doch werden auch die Wünsche der
Fürsten und Regierungen ganz wesentlich von der Notwendigkeit bedingt und ge¬
tragen, den Einzelstaat zu wirtschaftlich selbständiger und leistungsfähiger Einheit
Zu erheben. Wie eine schlechte Satire mutet es daher an, wenn die national¬
liberalen Wahlvereine für Mecklenburg-Strelitz trotzdem auch heute noch gegen
die "schwere Schädigung" Einspruch erheben, die dem Land aus einer Zusammen¬
legung mit Mecklenburg-Schwerin erwachsen. Die Berufung gar auf "das Selbst-
vestimmungsrecht der Völker als Rechtsgrundsatz für politische Abmachungen" und
seine Anwendung auf die "Neu-Strelitzer Nation" rufen Erinnerungen an die
unseligste Zeit deutscher Kleinstaaterei wach, die im Zeichen des ersten Krieges,
den das deutsche Volk in staatlicher Einheit führt, nicht aufkommen durften. Von
diesem Standpunkt aus wird marGm Gegenteil den Zufall preisen, der beide Meck¬
lenburg zum gemeinsamen Landtag auch einen gemeinsamen Herrscher beschert.

Aufs deutlichste zeigt sich diese innere Notwendigkeit, die heute stärker
nöt denn je eine Vereinheitlichung der in der Geinengelage liegenden Verwaltungs-
und Wirtschaftskörper fordert, im Bild der deutschen Großstädte, die aus der


Deutsche Flurbereinigung

Ganz anders steht es im Südwesten des Reiches. In der Rheinprovinz,
wo der Wiener Kongreß Mecklenburg-Strelitz, Hessen-Homburg. Sachsen-Coburg
und Oldenburg „entschädigte", sind die Mehrzahl dieser Enklaven längst durch
Verkauf und Verzicht in Preußens Besitz übergegangen. Als ein versteinerter
Rest aus der letzten Blütezeit dynastischer Begehrlichkeiten aber fordert das Fürsten¬
tum Birkenfeld nachdrücklich eine gründliche Flurbereinigung, die es endgültig vom
fernen Oldenburg trennt. Umgekehrt empfindet Württemberg das preußische
Außengebiet der alten hohenzollernschen Lande als Störung seiner wirtschaftlichen
Einheit. Auch hier schienen die Märzflürme der deutschen Revolution anfangs
einigend zu wirken. Erst als die Reichsgewalt die unmittelbare Übernahme der
Fürstentümer in die Verwaltung des Reiches selbst ablehnen mußte, verzichtete
Fürst Karl Anton zugunsten Preußens auf seine Souveränität. 1866 aber und
1870 hofften in Württemberg Dynastie und Demokratie auf den Anschluß der
Enklaven. „Das Haus Hohenzollern hat aufgehört, in den Donaufürstentümern
Sigmaringen und Hechingen zu regieren", dekretierte der Stuttgarter „Beobachter",
das Organ der schwäbischen Volkspartei, als im Juli 1866 falsche Nachrichten
vom Siege Österreichs einliefen. Und den nach Versailles abgehenden Ministern
legte die Königin Olga die Forderung eines Gebietsaustausches mit Preußen
eifrig ans Herz.

Wie damals könnte in der Tat auch heute die endgültige Regelung der
staatsrechtlichen Zukunft Elsaß und Lothringens erwünschte Gelegenheit bieten,
Württemberg und Baden an der oberen Donau abzurunden. Zugleich würde die
Auflassung des Reichslandes die Stärkung der bayerischen Rheinpfalz durch Zu¬
teilung bestimmter Gebiete im nördlichen Elsaß und im östlichen Lothringen er¬
möglichen. Ist doch der Kreis Weißenburg, den Bismarck noch im Anfang des
Jahres 1871 den bayerischen Unterhändlern halb und halb zusicherte, zum großen
Teile altes fränkisch-pfälzisches Sprachgebiet I Wenn auch die alten Forderungen
der Wittelsbacher nach Herstellung einer Landbrücke zwischen Franken und Unter¬
pfalz über Hanau oder Heidelberg unerfüllbar geworden sind, so würde das Reich
Mit solcher Regelung doch zeigen^ daß es Verständnis besitzt für die territorialen
Eigenwünsche seines zweitgrößten Bundesstaates, dem es in anderen, rein poli¬
tischen, militärischen und' wirtschaftlichen Fragen bekanntlich sehr weitgehendes
Entgegenkommen zeigt. Vielleicht würde so am zweckmäßigsten der Weg zur
Regelung der staatsrechtlichen Zukunft Elsaß und Lothringens geebnet, die heute
SU einer der drängendsten Fragen unserer inneren Politik geworden ist.

Damit wird das Problem der deutschen Flurbereinigung herausgehoben aus
der Erörterung rein territorialstaatlicher Interessen. Unsere geschichtlichen Erinne¬
rungen zeigten, daß die MediaMerungs- und Arrondierungsforderungen der Einzel-
staaten in den Krisen des neunzehnten Jahrhunderts vornehmlich von den Dynastien
vertreten wurden. Nur zaghaft drängten von innen heraus auch die Volksver-
tretungen und die Publizistik nach. Und doch werden auch die Wünsche der
Fürsten und Regierungen ganz wesentlich von der Notwendigkeit bedingt und ge¬
tragen, den Einzelstaat zu wirtschaftlich selbständiger und leistungsfähiger Einheit
Zu erheben. Wie eine schlechte Satire mutet es daher an, wenn die national¬
liberalen Wahlvereine für Mecklenburg-Strelitz trotzdem auch heute noch gegen
die „schwere Schädigung" Einspruch erheben, die dem Land aus einer Zusammen¬
legung mit Mecklenburg-Schwerin erwachsen. Die Berufung gar auf „das Selbst-
vestimmungsrecht der Völker als Rechtsgrundsatz für politische Abmachungen" und
seine Anwendung auf die „Neu-Strelitzer Nation" rufen Erinnerungen an die
unseligste Zeit deutscher Kleinstaaterei wach, die im Zeichen des ersten Krieges,
den das deutsche Volk in staatlicher Einheit führt, nicht aufkommen durften. Von
diesem Standpunkt aus wird marGm Gegenteil den Zufall preisen, der beide Meck¬
lenburg zum gemeinsamen Landtag auch einen gemeinsamen Herrscher beschert.

Aufs deutlichste zeigt sich diese innere Notwendigkeit, die heute stärker
nöt denn je eine Vereinheitlichung der in der Geinengelage liegenden Verwaltungs-
und Wirtschaftskörper fordert, im Bild der deutschen Großstädte, die aus der


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[0333] Deutsche Flurbereinigung Ganz anders steht es im Südwesten des Reiches. In der Rheinprovinz, wo der Wiener Kongreß Mecklenburg-Strelitz, Hessen-Homburg. Sachsen-Coburg und Oldenburg „entschädigte", sind die Mehrzahl dieser Enklaven längst durch Verkauf und Verzicht in Preußens Besitz übergegangen. Als ein versteinerter Rest aus der letzten Blütezeit dynastischer Begehrlichkeiten aber fordert das Fürsten¬ tum Birkenfeld nachdrücklich eine gründliche Flurbereinigung, die es endgültig vom fernen Oldenburg trennt. Umgekehrt empfindet Württemberg das preußische Außengebiet der alten hohenzollernschen Lande als Störung seiner wirtschaftlichen Einheit. Auch hier schienen die Märzflürme der deutschen Revolution anfangs einigend zu wirken. Erst als die Reichsgewalt die unmittelbare Übernahme der Fürstentümer in die Verwaltung des Reiches selbst ablehnen mußte, verzichtete Fürst Karl Anton zugunsten Preußens auf seine Souveränität. 1866 aber und 1870 hofften in Württemberg Dynastie und Demokratie auf den Anschluß der Enklaven. „Das Haus Hohenzollern hat aufgehört, in den Donaufürstentümern Sigmaringen und Hechingen zu regieren", dekretierte der Stuttgarter „Beobachter", das Organ der schwäbischen Volkspartei, als im Juli 1866 falsche Nachrichten vom Siege Österreichs einliefen. Und den nach Versailles abgehenden Ministern legte die Königin Olga die Forderung eines Gebietsaustausches mit Preußen eifrig ans Herz. Wie damals könnte in der Tat auch heute die endgültige Regelung der staatsrechtlichen Zukunft Elsaß und Lothringens erwünschte Gelegenheit bieten, Württemberg und Baden an der oberen Donau abzurunden. Zugleich würde die Auflassung des Reichslandes die Stärkung der bayerischen Rheinpfalz durch Zu¬ teilung bestimmter Gebiete im nördlichen Elsaß und im östlichen Lothringen er¬ möglichen. Ist doch der Kreis Weißenburg, den Bismarck noch im Anfang des Jahres 1871 den bayerischen Unterhändlern halb und halb zusicherte, zum großen Teile altes fränkisch-pfälzisches Sprachgebiet I Wenn auch die alten Forderungen der Wittelsbacher nach Herstellung einer Landbrücke zwischen Franken und Unter¬ pfalz über Hanau oder Heidelberg unerfüllbar geworden sind, so würde das Reich Mit solcher Regelung doch zeigen^ daß es Verständnis besitzt für die territorialen Eigenwünsche seines zweitgrößten Bundesstaates, dem es in anderen, rein poli¬ tischen, militärischen und' wirtschaftlichen Fragen bekanntlich sehr weitgehendes Entgegenkommen zeigt. Vielleicht würde so am zweckmäßigsten der Weg zur Regelung der staatsrechtlichen Zukunft Elsaß und Lothringens geebnet, die heute SU einer der drängendsten Fragen unserer inneren Politik geworden ist. Damit wird das Problem der deutschen Flurbereinigung herausgehoben aus der Erörterung rein territorialstaatlicher Interessen. Unsere geschichtlichen Erinne¬ rungen zeigten, daß die MediaMerungs- und Arrondierungsforderungen der Einzel- staaten in den Krisen des neunzehnten Jahrhunderts vornehmlich von den Dynastien vertreten wurden. Nur zaghaft drängten von innen heraus auch die Volksver- tretungen und die Publizistik nach. Und doch werden auch die Wünsche der Fürsten und Regierungen ganz wesentlich von der Notwendigkeit bedingt und ge¬ tragen, den Einzelstaat zu wirtschaftlich selbständiger und leistungsfähiger Einheit Zu erheben. Wie eine schlechte Satire mutet es daher an, wenn die national¬ liberalen Wahlvereine für Mecklenburg-Strelitz trotzdem auch heute noch gegen die „schwere Schädigung" Einspruch erheben, die dem Land aus einer Zusammen¬ legung mit Mecklenburg-Schwerin erwachsen. Die Berufung gar auf „das Selbst- vestimmungsrecht der Völker als Rechtsgrundsatz für politische Abmachungen" und seine Anwendung auf die „Neu-Strelitzer Nation" rufen Erinnerungen an die unseligste Zeit deutscher Kleinstaaterei wach, die im Zeichen des ersten Krieges, den das deutsche Volk in staatlicher Einheit führt, nicht aufkommen durften. Von diesem Standpunkt aus wird marGm Gegenteil den Zufall preisen, der beide Meck¬ lenburg zum gemeinsamen Landtag auch einen gemeinsamen Herrscher beschert. Aufs deutlichste zeigt sich diese innere Notwendigkeit, die heute stärker nöt denn je eine Vereinheitlichung der in der Geinengelage liegenden Verwaltungs- und Wirtschaftskörper fordert, im Bild der deutschen Großstädte, die aus der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/333>, abgerufen am 24.08.2024.