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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

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silentio folgern läßt, wird bei anderen sozialistischen Schriftstellern unverhüllt
ausgesprochen. "Hätte das deutsche Bürgertum im Jahre 1848 das parlmnen"
karische System durchgesetzt", -- sagt Paul Lensch, "Drei Jahre Weltrevolution"
"dem Aufsteigen der deutschen Arbeiterklasse wären noch ganz andere Hindernisse
in den Weg geschleudert worden, wie es Bismarck und die Bureaukratie nur je
vermocht haben-." Dem entspricht die charakteristische Forderung "dem Reichs¬
tage die entscheidende Kontrolle der Beamtenregierung zu sichern."

An Deutlichkeit der Meinung nicht mehr zu überbieten ist ein allerdings
nicht ohne Widerspruch gebliebener Aufsatz Heilmanns in der "Glocke", wo eS
heißt: "Unser Feind ist das Kapital, und seine Verkörperung ist viel eher das
..Berliner Tageblatt" als der König von Preußen, viel eher die parlamentarische
Bourgeoisrepublik als die preußische Beamtenverwaltung, die überwiegend geführt
wird von studierten Proletariern an Vermögen und Rittern nur in der Pflicht.
Wir müssen sozialistisch und vom Standpunkt der Arbeiterklasse aus denken und
die Losungen der Liberalen endlich dem "Berliner Tageblatt" und der "Vosstschen
Zeitung" überlassen, statt unsere Parteiblätter und unsere Parteitaktik zu einem
faden Aufguß oder knotigen Gebrüll ihrer Schlagworte zu machen. Was die
büreaukratische Ovrigkeilsregierung für die deutsche Sozialreform geleistet hat, ist
Zehnmal so viel wert wie das ganze Brimborium des parlamentarischen Regimes,
natürlich nicht für das "Berliner Tageblatt", wohl aber vom Standpunkt prole-
tarischer Klassenpolitik aus. Die Regierungsform hat für das Proletariat nur
gerade so viel Interesse, als es untersuchen will, welche Verfahrenweise Mit dem
höchsten Nutzeffekt für die breite Masse wirtschaftet. Das parlamentarische System
tut das sicherlich nicht. Darüber täuscht uns kein westeuropäisches Schlagwort
hinweg. Die Regierungsweise ist überhaupt nur das Gefäß, der Becher; was darin
Zum Trinken geboien wird, darauf kommt es den Arbeitern in erster Linie an.

Und damit ein Zeugnis vom äußersten Flügel nicht fehle: soeben beginnt
Julian Borchardt unter dem Titel "Demokratie und Freiheit" eme "Untersuchung
über das parlamentarische System und seine Wirkungen in den westlichen Kultur¬
staaten" mit einem Amerika gewidmeten Hefte, wo der zwar formell nicht par-
lamentarisch regierte, sich aber doch mit besonderem Pathos zu den "freien
Böllern rechnende Arete sein die trügerische Maske fallen lassen muß

Alles in allem ergeben sich bemerkenswerte Gruppierungen. Die beiden
Sozialdemokraten Lensch und Hellmann suchen die Freiheit mehr in der Ver¬
fassung als in der Verwaltung und berühren sich darin mit einem so konservativen
Staatsmann wie Verthold Niebuyr in schärfsten Gegensatze zu der Vorstellungs¬
welt des westlich orientierten Liberalismus, für den stets die Theorie der Regie-
wngsweise wichtiger war als die Praxis der ..aämlmstratlcm" (s. England I) Und
wenn Lensch vom sozialistischen Standpunkte für eine in ?eder Beziehung starke
Staatsgewalt eintritt, so kämpft er Seite an Seite mit den Vertretern des im
Kriege zu neuem Selbstbewußtsein erwachten deutschen Staatsgedankens, und der
gemeinsame Feind ist der Jndividualismus des Manchestertums in inmer wirt¬
schaftlichen und politischen Erscheinungsform. Der sozialistische Freiheitsbegriff
bei Lensch ist ein völlig anderer als der individualistische des liberale" Typus,
is-B. Hugo Preuß), wenn auch beide den Obrigkeitsstaat überwinden wollen!
Sehr charakteristisch für diese innere Fremdheit ist es, daß Preuß jüngst den eng-
"schen Soziologen Dawson auf die "Schwierigkeit des Problems" hinweist, "das
parlamentarische Regierungssystem mit einem hochentwickelten Sozialismus zu
vereinen."'')

Jedenfalls läßt sich von einer Einheitsfront in Sachen des Parlamentaris¬
mus angesichts dieses bunten Stimmeuchors bei den sogenannten Mehrheits¬
parteien nicht reden, wenn anch zugegeben werden soll, daß die Fortschrittler sich
Me mehr so in der Isolierung befinden wie ehedem, was aus der oben berührten
Haltung des Zentrums und eines Flügels der Nationalliberalen hervorgeht.



*) Im Märzh'est der .Neuen Rundschau" (S. Fischer).

silentio folgern läßt, wird bei anderen sozialistischen Schriftstellern unverhüllt
ausgesprochen. „Hätte das deutsche Bürgertum im Jahre 1848 das parlmnen»
karische System durchgesetzt", — sagt Paul Lensch, „Drei Jahre Weltrevolution"
»dem Aufsteigen der deutschen Arbeiterklasse wären noch ganz andere Hindernisse
in den Weg geschleudert worden, wie es Bismarck und die Bureaukratie nur je
vermocht haben-." Dem entspricht die charakteristische Forderung „dem Reichs¬
tage die entscheidende Kontrolle der Beamtenregierung zu sichern."

An Deutlichkeit der Meinung nicht mehr zu überbieten ist ein allerdings
nicht ohne Widerspruch gebliebener Aufsatz Heilmanns in der „Glocke", wo eS
heißt: „Unser Feind ist das Kapital, und seine Verkörperung ist viel eher das
..Berliner Tageblatt" als der König von Preußen, viel eher die parlamentarische
Bourgeoisrepublik als die preußische Beamtenverwaltung, die überwiegend geführt
wird von studierten Proletariern an Vermögen und Rittern nur in der Pflicht.
Wir müssen sozialistisch und vom Standpunkt der Arbeiterklasse aus denken und
die Losungen der Liberalen endlich dem „Berliner Tageblatt" und der „Vosstschen
Zeitung" überlassen, statt unsere Parteiblätter und unsere Parteitaktik zu einem
faden Aufguß oder knotigen Gebrüll ihrer Schlagworte zu machen. Was die
büreaukratische Ovrigkeilsregierung für die deutsche Sozialreform geleistet hat, ist
Zehnmal so viel wert wie das ganze Brimborium des parlamentarischen Regimes,
natürlich nicht für das „Berliner Tageblatt", wohl aber vom Standpunkt prole-
tarischer Klassenpolitik aus. Die Regierungsform hat für das Proletariat nur
gerade so viel Interesse, als es untersuchen will, welche Verfahrenweise Mit dem
höchsten Nutzeffekt für die breite Masse wirtschaftet. Das parlamentarische System
tut das sicherlich nicht. Darüber täuscht uns kein westeuropäisches Schlagwort
hinweg. Die Regierungsweise ist überhaupt nur das Gefäß, der Becher; was darin
Zum Trinken geboien wird, darauf kommt es den Arbeitern in erster Linie an.

Und damit ein Zeugnis vom äußersten Flügel nicht fehle: soeben beginnt
Julian Borchardt unter dem Titel „Demokratie und Freiheit" eme „Untersuchung
über das parlamentarische System und seine Wirkungen in den westlichen Kultur¬
staaten" mit einem Amerika gewidmeten Hefte, wo der zwar formell nicht par-
lamentarisch regierte, sich aber doch mit besonderem Pathos zu den „freien
Böllern rechnende Arete sein die trügerische Maske fallen lassen muß

Alles in allem ergeben sich bemerkenswerte Gruppierungen. Die beiden
Sozialdemokraten Lensch und Hellmann suchen die Freiheit mehr in der Ver¬
fassung als in der Verwaltung und berühren sich darin mit einem so konservativen
Staatsmann wie Verthold Niebuyr in schärfsten Gegensatze zu der Vorstellungs¬
welt des westlich orientierten Liberalismus, für den stets die Theorie der Regie-
wngsweise wichtiger war als die Praxis der ..aämlmstratlcm" (s. England I) Und
wenn Lensch vom sozialistischen Standpunkte für eine in ?eder Beziehung starke
Staatsgewalt eintritt, so kämpft er Seite an Seite mit den Vertretern des im
Kriege zu neuem Selbstbewußtsein erwachten deutschen Staatsgedankens, und der
gemeinsame Feind ist der Jndividualismus des Manchestertums in inmer wirt¬
schaftlichen und politischen Erscheinungsform. Der sozialistische Freiheitsbegriff
bei Lensch ist ein völlig anderer als der individualistische des liberale» Typus,
is-B. Hugo Preuß), wenn auch beide den Obrigkeitsstaat überwinden wollen!
Sehr charakteristisch für diese innere Fremdheit ist es, daß Preuß jüngst den eng-
"schen Soziologen Dawson auf die „Schwierigkeit des Problems" hinweist, „das
parlamentarische Regierungssystem mit einem hochentwickelten Sozialismus zu
vereinen."'')

Jedenfalls läßt sich von einer Einheitsfront in Sachen des Parlamentaris¬
mus angesichts dieses bunten Stimmeuchors bei den sogenannten Mehrheits¬
parteien nicht reden, wenn anch zugegeben werden soll, daß die Fortschrittler sich
Me mehr so in der Isolierung befinden wie ehedem, was aus der oben berührten
Haltung des Zentrums und eines Flügels der Nationalliberalen hervorgeht.



*) Im Märzh'est der .Neuen Rundschau" (S. Fischer).
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[0321] silentio folgern läßt, wird bei anderen sozialistischen Schriftstellern unverhüllt ausgesprochen. „Hätte das deutsche Bürgertum im Jahre 1848 das parlmnen» karische System durchgesetzt", — sagt Paul Lensch, „Drei Jahre Weltrevolution" »dem Aufsteigen der deutschen Arbeiterklasse wären noch ganz andere Hindernisse in den Weg geschleudert worden, wie es Bismarck und die Bureaukratie nur je vermocht haben-." Dem entspricht die charakteristische Forderung „dem Reichs¬ tage die entscheidende Kontrolle der Beamtenregierung zu sichern." An Deutlichkeit der Meinung nicht mehr zu überbieten ist ein allerdings nicht ohne Widerspruch gebliebener Aufsatz Heilmanns in der „Glocke", wo eS heißt: „Unser Feind ist das Kapital, und seine Verkörperung ist viel eher das ..Berliner Tageblatt" als der König von Preußen, viel eher die parlamentarische Bourgeoisrepublik als die preußische Beamtenverwaltung, die überwiegend geführt wird von studierten Proletariern an Vermögen und Rittern nur in der Pflicht. Wir müssen sozialistisch und vom Standpunkt der Arbeiterklasse aus denken und die Losungen der Liberalen endlich dem „Berliner Tageblatt" und der „Vosstschen Zeitung" überlassen, statt unsere Parteiblätter und unsere Parteitaktik zu einem faden Aufguß oder knotigen Gebrüll ihrer Schlagworte zu machen. Was die büreaukratische Ovrigkeilsregierung für die deutsche Sozialreform geleistet hat, ist Zehnmal so viel wert wie das ganze Brimborium des parlamentarischen Regimes, natürlich nicht für das „Berliner Tageblatt", wohl aber vom Standpunkt prole- tarischer Klassenpolitik aus. Die Regierungsform hat für das Proletariat nur gerade so viel Interesse, als es untersuchen will, welche Verfahrenweise Mit dem höchsten Nutzeffekt für die breite Masse wirtschaftet. Das parlamentarische System tut das sicherlich nicht. Darüber täuscht uns kein westeuropäisches Schlagwort hinweg. Die Regierungsweise ist überhaupt nur das Gefäß, der Becher; was darin Zum Trinken geboien wird, darauf kommt es den Arbeitern in erster Linie an. Und damit ein Zeugnis vom äußersten Flügel nicht fehle: soeben beginnt Julian Borchardt unter dem Titel „Demokratie und Freiheit" eme „Untersuchung über das parlamentarische System und seine Wirkungen in den westlichen Kultur¬ staaten" mit einem Amerika gewidmeten Hefte, wo der zwar formell nicht par- lamentarisch regierte, sich aber doch mit besonderem Pathos zu den „freien Böllern rechnende Arete sein die trügerische Maske fallen lassen muß Alles in allem ergeben sich bemerkenswerte Gruppierungen. Die beiden Sozialdemokraten Lensch und Hellmann suchen die Freiheit mehr in der Ver¬ fassung als in der Verwaltung und berühren sich darin mit einem so konservativen Staatsmann wie Verthold Niebuyr in schärfsten Gegensatze zu der Vorstellungs¬ welt des westlich orientierten Liberalismus, für den stets die Theorie der Regie- wngsweise wichtiger war als die Praxis der ..aämlmstratlcm" (s. England I) Und wenn Lensch vom sozialistischen Standpunkte für eine in ?eder Beziehung starke Staatsgewalt eintritt, so kämpft er Seite an Seite mit den Vertretern des im Kriege zu neuem Selbstbewußtsein erwachten deutschen Staatsgedankens, und der gemeinsame Feind ist der Jndividualismus des Manchestertums in inmer wirt¬ schaftlichen und politischen Erscheinungsform. Der sozialistische Freiheitsbegriff bei Lensch ist ein völlig anderer als der individualistische des liberale» Typus, is-B. Hugo Preuß), wenn auch beide den Obrigkeitsstaat überwinden wollen! Sehr charakteristisch für diese innere Fremdheit ist es, daß Preuß jüngst den eng- "schen Soziologen Dawson auf die „Schwierigkeit des Problems" hinweist, „das parlamentarische Regierungssystem mit einem hochentwickelten Sozialismus zu vereinen."'') Jedenfalls läßt sich von einer Einheitsfront in Sachen des Parlamentaris¬ mus angesichts dieses bunten Stimmeuchors bei den sogenannten Mehrheits¬ parteien nicht reden, wenn anch zugegeben werden soll, daß die Fortschrittler sich Me mehr so in der Isolierung befinden wie ehedem, was aus der oben berührten Haltung des Zentrums und eines Flügels der Nationalliberalen hervorgeht. *) Im Märzh'est der .Neuen Rundschau" (S. Fischer).

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/321>, abgerufen am 22.07.2024.