Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.Zur litauischen Frage einen vollständigen Überblick über die deutsche Arbeit in diesen Landstrichen". Nationallitauer, die in deutscher Sprache über Litauen schreiben, tun eS fast Paulukat. dessen "Litauische Hoffnungen (Halle 1915; Vaya-Verlag) ihn Zur litauischen Frage einen vollständigen Überblick über die deutsche Arbeit in diesen Landstrichen". Nationallitauer, die in deutscher Sprache über Litauen schreiben, tun eS fast Paulukat. dessen „Litauische Hoffnungen (Halle 1915; Vaya-Verlag) ihn <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0289" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/333386"/> <fw type="header" place="top"> Zur litauischen Frage</fw><lb/> <p xml:id="ID_1056" prev="#ID_1055"> einen vollständigen Überblick über die deutsche Arbeit in diesen Landstrichen".<lb/> Um den wissenschaftlichen Wert des Buches zu erhöhen, ist ein wertvoller statistischer<lb/> Anhang, ein Sachregister und ein möglichst vollständiges Literaturverzeichnis über<lb/> das gesamte Gebiet, das die drei Militärverwaltungen Kurland, Litauen Nord und<lb/> Süd mit 109000 Quadratkilometern Bodenfläche und (Ende 1916) 2.9 Millionen<lb/> Einwohnern umfaßt, angefügt. Um die Vielseitigkeit des Inhalts anzudeuten,<lb/> seien die Überschriften der Hauptabschnitte: Volk und Geschichte; Das Heer als<lb/> Verwalter-, Verkehr; Landeskultur; Handel und Gewerbe; Kirche, Schule. Kunst<lb/> und Wissenschaft, angegeben. In Summa: Ein Werk, das jeder gelesen haben<lb/> müßte, und an dem jeder, der es liest, seine Freude hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1057"> Nationallitauer, die in deutscher Sprache über Litauen schreiben, tun eS fast<lb/> durchgängig mit der Tendenz, ihrem Volke unsere Sympathien zu erwerben und<lb/> die öffentliche Meinung Deutschlands für den Gedanken des autonomen litauischen<lb/> Staates zu gewinnen. Ihnen allen ist ein gewisser Optimismus und die Unter-<lb/> schätzung der Schwierigkeiten des Auf- und Ausbaues dieses Staates aus eigener<lb/> Kraft eigen, wofern diese nicht etwa aus taktischen Erwägungen zur Schau ge¬<lb/> tragen werden. Wenn es deshalb geboten ist. auf der Hut zu sem und das Für<lb/> und Wider ihrer Forderungen recht gründlich durchzudenken, so ist andererseits<lb/> unverkennbar, daß sie, mit ihrem Thema von Jugend auf vertraut, aus dem<lb/> Vollen schöpfen und uns unvergleichlich mehr zu sagen haben als Deutsche, die<lb/> nur vorübergehend dort verweilen und nicht sonderlich viel wahrzunehmen ver¬<lb/> mögen. Stimmen sie auch im Stoff und Gedankengang vielfach ub^ein, so hat<lb/> doch jeder von ihnen seine persönliche Note und sein Steckenpferd. ^ ^"</p><lb/> <p xml:id="ID_1058" next="#ID_1059"> Paulukat. dessen „Litauische Hoffnungen (Halle 1915; Vaya-Verlag) ihn<lb/> als einen feinfühligen Ästheten von ungewöhnlich ausgebreiteter Kenntnis moderner<lb/> Literaturen verraten, gewährt uns tiefe Einblicke in die litauische Volksseele, in<lb/> der. trotz des korrekten römischen Katholizismus, das alte Heidentum noch immer<lb/> lebendig und mächtig ist; er ist so wenig Politiker, daß er — euie Merkwürdigkeit<lb/> unter seinen Landsleuten — an die Möglichkeit ihres friedlichen Zusammenlebens<lb/> mit der polnischen Herrenschicht glaubt. Vidunas, der in seinem „Litauen in<lb/> Vergangenheit und Gegenwart" (Tilsit 1913; Buchdruckerei Lituama) mit offenem<lb/> Visier für sein Volkstum eintritt, hat dadurch — für rhn em gutes Zeichen — den<lb/> Zorn eines streitbaren Allpolen erregt, dem das selbständige Litauen seit,e em<lb/> Dorn im Auge ist und der es für geschmackvoll halt, die litauische Sprache zu<lb/> verhöhnen. Werbelis, dessen ..Russisch-Litauen" (Stuttgart 1916; ^. Schrader) ich<lb/> in Nummer 34 der „Grenzboten" 1917 eingehend gewürdigt habe, stellt an der<lb/> Hand statistisch-ethnographischer Forschung mit nicht zu ermüdender Gründlichkeit<lb/> das heutige und das ehemalige, nach Süden und Osten erheblich weiter reichende<lb/> Sprachgebiet der Litauer fest und legt ihr nationales Erwachen und ihren auf¬<lb/> fallend raschen kulturellen Aufstieg, namentlich seit 1905. unwiderleglich dar; er<lb/> fordert voll seinem Leser ein scharf gespanntes Aufmerken, gewahrt ihm dafür<lb/> aber einen außerordentlich reichen Ertrag an Einsicht und Kenntnissen. Dr. Gai-<lb/> galat. Pfarrer und preußischer Landtagsabgeordneter, der der ..Grenzboten"gemeinte<lb/> durch seine Abhandlung „Die litauisch-baltische Frage" (1915) bekannt ist. hat<lb/> neuerdings in einer umfangreicheren Schrift „Litauen" (Memel 1917; Sandora-<lb/> Buchhandlung) das litauische Problem von allen möglichen Seiten angefaßt und<lb/> erschöpfend behandelt; ihm ist es darum zu tun, einen möglichst großen Leserkreis<lb/> Zu fesseln und für seine Ansichten zu gewinnen, was ihm, ich meine das erste,<lb/> gelingen dürfte; er schreibt klar, anschaulich und leicht verständlich. Tatsachen und<lb/> Zahlen beweisen; von beiden bringt er eine erhebliche Masse bei. die in mancher<lb/> Hinsicht das reichhaltige Material von Werbelis ergänzt; von besonderem Interesse<lb/> waren für mich die Abschnitte ..Der Protestantismus in Litauen" und „Litauische<lb/> Kunst", die als litauische Volkskunst bereits die Aufmerksamkeit vieler Deutschen<lb/> auf sich gelenkt hat. und als litauische Kulturkunst zwar noch jung ist, aber viel<lb/> verspricht. Zwölf Abbildungen und eine ethnographische Karte von Litauen er¬<lb/> höhen den Wert des Werkes. Kürzer in der Fassung, aber gleichfalls inhaltsreich</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0289]
Zur litauischen Frage
einen vollständigen Überblick über die deutsche Arbeit in diesen Landstrichen".
Um den wissenschaftlichen Wert des Buches zu erhöhen, ist ein wertvoller statistischer
Anhang, ein Sachregister und ein möglichst vollständiges Literaturverzeichnis über
das gesamte Gebiet, das die drei Militärverwaltungen Kurland, Litauen Nord und
Süd mit 109000 Quadratkilometern Bodenfläche und (Ende 1916) 2.9 Millionen
Einwohnern umfaßt, angefügt. Um die Vielseitigkeit des Inhalts anzudeuten,
seien die Überschriften der Hauptabschnitte: Volk und Geschichte; Das Heer als
Verwalter-, Verkehr; Landeskultur; Handel und Gewerbe; Kirche, Schule. Kunst
und Wissenschaft, angegeben. In Summa: Ein Werk, das jeder gelesen haben
müßte, und an dem jeder, der es liest, seine Freude hat.
Nationallitauer, die in deutscher Sprache über Litauen schreiben, tun eS fast
durchgängig mit der Tendenz, ihrem Volke unsere Sympathien zu erwerben und
die öffentliche Meinung Deutschlands für den Gedanken des autonomen litauischen
Staates zu gewinnen. Ihnen allen ist ein gewisser Optimismus und die Unter-
schätzung der Schwierigkeiten des Auf- und Ausbaues dieses Staates aus eigener
Kraft eigen, wofern diese nicht etwa aus taktischen Erwägungen zur Schau ge¬
tragen werden. Wenn es deshalb geboten ist. auf der Hut zu sem und das Für
und Wider ihrer Forderungen recht gründlich durchzudenken, so ist andererseits
unverkennbar, daß sie, mit ihrem Thema von Jugend auf vertraut, aus dem
Vollen schöpfen und uns unvergleichlich mehr zu sagen haben als Deutsche, die
nur vorübergehend dort verweilen und nicht sonderlich viel wahrzunehmen ver¬
mögen. Stimmen sie auch im Stoff und Gedankengang vielfach ub^ein, so hat
doch jeder von ihnen seine persönliche Note und sein Steckenpferd. ^ ^"
Paulukat. dessen „Litauische Hoffnungen (Halle 1915; Vaya-Verlag) ihn
als einen feinfühligen Ästheten von ungewöhnlich ausgebreiteter Kenntnis moderner
Literaturen verraten, gewährt uns tiefe Einblicke in die litauische Volksseele, in
der. trotz des korrekten römischen Katholizismus, das alte Heidentum noch immer
lebendig und mächtig ist; er ist so wenig Politiker, daß er — euie Merkwürdigkeit
unter seinen Landsleuten — an die Möglichkeit ihres friedlichen Zusammenlebens
mit der polnischen Herrenschicht glaubt. Vidunas, der in seinem „Litauen in
Vergangenheit und Gegenwart" (Tilsit 1913; Buchdruckerei Lituama) mit offenem
Visier für sein Volkstum eintritt, hat dadurch — für rhn em gutes Zeichen — den
Zorn eines streitbaren Allpolen erregt, dem das selbständige Litauen seit,e em
Dorn im Auge ist und der es für geschmackvoll halt, die litauische Sprache zu
verhöhnen. Werbelis, dessen ..Russisch-Litauen" (Stuttgart 1916; ^. Schrader) ich
in Nummer 34 der „Grenzboten" 1917 eingehend gewürdigt habe, stellt an der
Hand statistisch-ethnographischer Forschung mit nicht zu ermüdender Gründlichkeit
das heutige und das ehemalige, nach Süden und Osten erheblich weiter reichende
Sprachgebiet der Litauer fest und legt ihr nationales Erwachen und ihren auf¬
fallend raschen kulturellen Aufstieg, namentlich seit 1905. unwiderleglich dar; er
fordert voll seinem Leser ein scharf gespanntes Aufmerken, gewahrt ihm dafür
aber einen außerordentlich reichen Ertrag an Einsicht und Kenntnissen. Dr. Gai-
galat. Pfarrer und preußischer Landtagsabgeordneter, der der ..Grenzboten"gemeinte
durch seine Abhandlung „Die litauisch-baltische Frage" (1915) bekannt ist. hat
neuerdings in einer umfangreicheren Schrift „Litauen" (Memel 1917; Sandora-
Buchhandlung) das litauische Problem von allen möglichen Seiten angefaßt und
erschöpfend behandelt; ihm ist es darum zu tun, einen möglichst großen Leserkreis
Zu fesseln und für seine Ansichten zu gewinnen, was ihm, ich meine das erste,
gelingen dürfte; er schreibt klar, anschaulich und leicht verständlich. Tatsachen und
Zahlen beweisen; von beiden bringt er eine erhebliche Masse bei. die in mancher
Hinsicht das reichhaltige Material von Werbelis ergänzt; von besonderem Interesse
waren für mich die Abschnitte ..Der Protestantismus in Litauen" und „Litauische
Kunst", die als litauische Volkskunst bereits die Aufmerksamkeit vieler Deutschen
auf sich gelenkt hat. und als litauische Kulturkunst zwar noch jung ist, aber viel
verspricht. Zwölf Abbildungen und eine ethnographische Karte von Litauen er¬
höhen den Wert des Werkes. Kürzer in der Fassung, aber gleichfalls inhaltsreich
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