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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

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Deutsche Flurbereinigung

Schon im Frühjahr 1848 lassen sich diese Hauptgedankengänge aus dem
Gewirr diplomatischer Noten, aus Flugschriften und Aufsätzen, die alle die Lösung
der thüringischen Einheitsfrage vorbereiten wollen, herausschälen: Erhebung der
Kleinstaaten zum Reichsland mit republikanischer oder monarchischer Spitze, An¬
schluß Thüringens an einen neuen sächsischen Kreis unter den jüngeren Wettinern,
endlich innere Einigung Thüringens unter dem Führerstaat Weimar. Alle drei
Pläne aber -- das ist vor allem wichtig und fruchtbar -- spiegeln in ihrer staats¬
rechtlichen Begründung und in ihrem Schicksal zugleich die Probleme der deutschen
Einheitsfrage: Einheitsstaat, Staatenbund und Bundesstaat.

In das Gewirr der Verhandlungen und Meinungen, das ich auf Grund
neu erschlossener Quellen unlängst zu klären versuchte") kann hier nicht eingegangen
werden. Nur das Ergebnis sei in kurzen Zügen wiedergegeben.

Unter dem Druck des in Frankfurt aufsteigenden "Neichsterronsmus" schien
eine Zeitlang in der Tat die ganze Welt des kleinstaatlichen Wesens dem Unter¬
gange nahe. Im Herbst 1848 brachen allenthalben, vor allem in Altenburg, in
beiden Reuß und in der preußischen Provinz Sachsen, neue revolutionäre Unruhen
aus, die nur durch tatkräftiges Einschreiten der provisorischen Zentralgewalt unter¬
drückt werden konnten. Der Gedanke an eine "thüringische Republik" fiel damit
von selbst. Aber bis in den November hinein hielt sich die Hoffnung aus eine
freiwillige Liquidation der mindermächtigen Staaten zugunsten des Reiches. Als
am I.Oktober 1848 der letzte Fürst von Reuß-Ebersdorf abdankte, erwartete man
vielfach, daß dies Beispiel sehr bald bei den übrigen Regenten Nachahmung finden
würde. Das Reichsminifterium selbst erklärte, "daß eine gründliche Heilung nur
dadurch erfolgen werde, daß diese kleinen Souveränitäten aufgehoben und größere
Länderkomplexe hergestellt werden". Im Schoße der Erbkaiserpartei wurde die
Meinung laut, daß die Jmmediatisierung, die Gründung von unmittelbarem
Reichsland, ein fruchtbarer und folgenreicher Gedanke sei.

Wohl fiel auch diese Hoffnung sehr bald der neuen politischen Umgruppierung
zum Opfer, die sich aus dem Umschwung in den eng verknüpften Fragen der
österreichisch-deutschen und der preußisch-deutschen Einigung ergab. Erfolgreich
aber hatten die Unitarier mit ihrem Vorstoß die Mediatisierungsversuche des
Königreichs Sachsen zurückgewiesen, das seit den Märztagen durch dynastische und
durch demokratische Lockungen ein Großsachsen zwischen Elbe. Harz und Thüringer
Wald zu gewinnen suchte. Altenburg und beide Reuß, die von jeher von dem
mächtigen Nachbar wirtschaftlich völlig abhängig waren, zeigten sich zu weitgehen¬
dem Entgegenkommen bereit. Herzog Ernst der Zweite von Koburg-Goebel knüpfte
Verhandlungen über eine Militärkonvention an. Die thüringischen Fürsten wollten
damit der Gefahr entgehen, die ihnen die größte Demütigung schien, der Unter¬
ordnung unter einen Standesgenossen, den Weimarischen Großherzog.

In der Tat hatten dessen Hegemonieforderungen auch die wirksame Unter¬
stützung der Reichsgewalt gefunden, als der Gedanke an ein Reichsland im Herzen
des Reiches schwand. Unter der Leitung eines Reichskommissars berieten Mitte
Dezember 1848 und Anfang Januar 1849 Vertreter sämtlicher thüringischer Klein¬
staaten in Gotha über einen von Weimar vorgelegten Einigungsvertrag. Zur
Führung war danach die Gesamtheit der Fürsten und ein neu zu schaffender Ge-
samtlandtag berufen. Im Kerne aber drängte alles wie in der Reichsverfassung
der Paulskirche zur Ausbildung einer einheitlichen Spitze. Und anfangs schien
wie in Frankfurt so auch in Thüringen der Erfolg nahe. Der Entwurf der
Reichsverfassung selbst rechnete bereits mit einer gemeinsamen Vertretung Thü¬
ringens im Staatenhause. Erst die neue Krisis der Reichspolitik, in der Mitte
Dezember Heinrich von Gagern zum Führer der neuen, kleindeutschen Mehrheits¬
partei berufen wurde, bereitete den Niedergang auch der thüringischen Einigungs-



*) Thüringische Einigungsbestrebungen im Jahre 1343. Ein Beitrag zur Geschichte
der deutschen Einheitsbewegung. Jena, G. Fischer, 19t7.
Deutsche Flurbereinigung

Schon im Frühjahr 1848 lassen sich diese Hauptgedankengänge aus dem
Gewirr diplomatischer Noten, aus Flugschriften und Aufsätzen, die alle die Lösung
der thüringischen Einheitsfrage vorbereiten wollen, herausschälen: Erhebung der
Kleinstaaten zum Reichsland mit republikanischer oder monarchischer Spitze, An¬
schluß Thüringens an einen neuen sächsischen Kreis unter den jüngeren Wettinern,
endlich innere Einigung Thüringens unter dem Führerstaat Weimar. Alle drei
Pläne aber — das ist vor allem wichtig und fruchtbar — spiegeln in ihrer staats¬
rechtlichen Begründung und in ihrem Schicksal zugleich die Probleme der deutschen
Einheitsfrage: Einheitsstaat, Staatenbund und Bundesstaat.

In das Gewirr der Verhandlungen und Meinungen, das ich auf Grund
neu erschlossener Quellen unlängst zu klären versuchte") kann hier nicht eingegangen
werden. Nur das Ergebnis sei in kurzen Zügen wiedergegeben.

Unter dem Druck des in Frankfurt aufsteigenden „Neichsterronsmus" schien
eine Zeitlang in der Tat die ganze Welt des kleinstaatlichen Wesens dem Unter¬
gange nahe. Im Herbst 1848 brachen allenthalben, vor allem in Altenburg, in
beiden Reuß und in der preußischen Provinz Sachsen, neue revolutionäre Unruhen
aus, die nur durch tatkräftiges Einschreiten der provisorischen Zentralgewalt unter¬
drückt werden konnten. Der Gedanke an eine „thüringische Republik" fiel damit
von selbst. Aber bis in den November hinein hielt sich die Hoffnung aus eine
freiwillige Liquidation der mindermächtigen Staaten zugunsten des Reiches. Als
am I.Oktober 1848 der letzte Fürst von Reuß-Ebersdorf abdankte, erwartete man
vielfach, daß dies Beispiel sehr bald bei den übrigen Regenten Nachahmung finden
würde. Das Reichsminifterium selbst erklärte, „daß eine gründliche Heilung nur
dadurch erfolgen werde, daß diese kleinen Souveränitäten aufgehoben und größere
Länderkomplexe hergestellt werden". Im Schoße der Erbkaiserpartei wurde die
Meinung laut, daß die Jmmediatisierung, die Gründung von unmittelbarem
Reichsland, ein fruchtbarer und folgenreicher Gedanke sei.

Wohl fiel auch diese Hoffnung sehr bald der neuen politischen Umgruppierung
zum Opfer, die sich aus dem Umschwung in den eng verknüpften Fragen der
österreichisch-deutschen und der preußisch-deutschen Einigung ergab. Erfolgreich
aber hatten die Unitarier mit ihrem Vorstoß die Mediatisierungsversuche des
Königreichs Sachsen zurückgewiesen, das seit den Märztagen durch dynastische und
durch demokratische Lockungen ein Großsachsen zwischen Elbe. Harz und Thüringer
Wald zu gewinnen suchte. Altenburg und beide Reuß, die von jeher von dem
mächtigen Nachbar wirtschaftlich völlig abhängig waren, zeigten sich zu weitgehen¬
dem Entgegenkommen bereit. Herzog Ernst der Zweite von Koburg-Goebel knüpfte
Verhandlungen über eine Militärkonvention an. Die thüringischen Fürsten wollten
damit der Gefahr entgehen, die ihnen die größte Demütigung schien, der Unter¬
ordnung unter einen Standesgenossen, den Weimarischen Großherzog.

In der Tat hatten dessen Hegemonieforderungen auch die wirksame Unter¬
stützung der Reichsgewalt gefunden, als der Gedanke an ein Reichsland im Herzen
des Reiches schwand. Unter der Leitung eines Reichskommissars berieten Mitte
Dezember 1848 und Anfang Januar 1849 Vertreter sämtlicher thüringischer Klein¬
staaten in Gotha über einen von Weimar vorgelegten Einigungsvertrag. Zur
Führung war danach die Gesamtheit der Fürsten und ein neu zu schaffender Ge-
samtlandtag berufen. Im Kerne aber drängte alles wie in der Reichsverfassung
der Paulskirche zur Ausbildung einer einheitlichen Spitze. Und anfangs schien
wie in Frankfurt so auch in Thüringen der Erfolg nahe. Der Entwurf der
Reichsverfassung selbst rechnete bereits mit einer gemeinsamen Vertretung Thü¬
ringens im Staatenhause. Erst die neue Krisis der Reichspolitik, in der Mitte
Dezember Heinrich von Gagern zum Führer der neuen, kleindeutschen Mehrheits¬
partei berufen wurde, bereitete den Niedergang auch der thüringischen Einigungs-



*) Thüringische Einigungsbestrebungen im Jahre 1343. Ein Beitrag zur Geschichte
der deutschen Einheitsbewegung. Jena, G. Fischer, 19t7.
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[0284] Deutsche Flurbereinigung Schon im Frühjahr 1848 lassen sich diese Hauptgedankengänge aus dem Gewirr diplomatischer Noten, aus Flugschriften und Aufsätzen, die alle die Lösung der thüringischen Einheitsfrage vorbereiten wollen, herausschälen: Erhebung der Kleinstaaten zum Reichsland mit republikanischer oder monarchischer Spitze, An¬ schluß Thüringens an einen neuen sächsischen Kreis unter den jüngeren Wettinern, endlich innere Einigung Thüringens unter dem Führerstaat Weimar. Alle drei Pläne aber — das ist vor allem wichtig und fruchtbar — spiegeln in ihrer staats¬ rechtlichen Begründung und in ihrem Schicksal zugleich die Probleme der deutschen Einheitsfrage: Einheitsstaat, Staatenbund und Bundesstaat. In das Gewirr der Verhandlungen und Meinungen, das ich auf Grund neu erschlossener Quellen unlängst zu klären versuchte") kann hier nicht eingegangen werden. Nur das Ergebnis sei in kurzen Zügen wiedergegeben. Unter dem Druck des in Frankfurt aufsteigenden „Neichsterronsmus" schien eine Zeitlang in der Tat die ganze Welt des kleinstaatlichen Wesens dem Unter¬ gange nahe. Im Herbst 1848 brachen allenthalben, vor allem in Altenburg, in beiden Reuß und in der preußischen Provinz Sachsen, neue revolutionäre Unruhen aus, die nur durch tatkräftiges Einschreiten der provisorischen Zentralgewalt unter¬ drückt werden konnten. Der Gedanke an eine „thüringische Republik" fiel damit von selbst. Aber bis in den November hinein hielt sich die Hoffnung aus eine freiwillige Liquidation der mindermächtigen Staaten zugunsten des Reiches. Als am I.Oktober 1848 der letzte Fürst von Reuß-Ebersdorf abdankte, erwartete man vielfach, daß dies Beispiel sehr bald bei den übrigen Regenten Nachahmung finden würde. Das Reichsminifterium selbst erklärte, „daß eine gründliche Heilung nur dadurch erfolgen werde, daß diese kleinen Souveränitäten aufgehoben und größere Länderkomplexe hergestellt werden". Im Schoße der Erbkaiserpartei wurde die Meinung laut, daß die Jmmediatisierung, die Gründung von unmittelbarem Reichsland, ein fruchtbarer und folgenreicher Gedanke sei. Wohl fiel auch diese Hoffnung sehr bald der neuen politischen Umgruppierung zum Opfer, die sich aus dem Umschwung in den eng verknüpften Fragen der österreichisch-deutschen und der preußisch-deutschen Einigung ergab. Erfolgreich aber hatten die Unitarier mit ihrem Vorstoß die Mediatisierungsversuche des Königreichs Sachsen zurückgewiesen, das seit den Märztagen durch dynastische und durch demokratische Lockungen ein Großsachsen zwischen Elbe. Harz und Thüringer Wald zu gewinnen suchte. Altenburg und beide Reuß, die von jeher von dem mächtigen Nachbar wirtschaftlich völlig abhängig waren, zeigten sich zu weitgehen¬ dem Entgegenkommen bereit. Herzog Ernst der Zweite von Koburg-Goebel knüpfte Verhandlungen über eine Militärkonvention an. Die thüringischen Fürsten wollten damit der Gefahr entgehen, die ihnen die größte Demütigung schien, der Unter¬ ordnung unter einen Standesgenossen, den Weimarischen Großherzog. In der Tat hatten dessen Hegemonieforderungen auch die wirksame Unter¬ stützung der Reichsgewalt gefunden, als der Gedanke an ein Reichsland im Herzen des Reiches schwand. Unter der Leitung eines Reichskommissars berieten Mitte Dezember 1848 und Anfang Januar 1849 Vertreter sämtlicher thüringischer Klein¬ staaten in Gotha über einen von Weimar vorgelegten Einigungsvertrag. Zur Führung war danach die Gesamtheit der Fürsten und ein neu zu schaffender Ge- samtlandtag berufen. Im Kerne aber drängte alles wie in der Reichsverfassung der Paulskirche zur Ausbildung einer einheitlichen Spitze. Und anfangs schien wie in Frankfurt so auch in Thüringen der Erfolg nahe. Der Entwurf der Reichsverfassung selbst rechnete bereits mit einer gemeinsamen Vertretung Thü¬ ringens im Staatenhause. Erst die neue Krisis der Reichspolitik, in der Mitte Dezember Heinrich von Gagern zum Führer der neuen, kleindeutschen Mehrheits¬ partei berufen wurde, bereitete den Niedergang auch der thüringischen Einigungs- *) Thüringische Einigungsbestrebungen im Jahre 1343. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Einheitsbewegung. Jena, G. Fischer, 19t7.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/284>, abgerufen am 22.07.2024.