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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

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Lateinisch oder Katholisch!

ausdrücklich Zustimmung finden. ES hat uns politisch viel Schaden gemacht, daß
das griechische Christentum von den Russen mit einem Scheine des Rechts als
slawische Rassenreligion hingestellt werden konnte. Der Schaden für die kom¬
menden europäischen Aufgaben der Deutschen als des führenden Kulturvolkes von
Mitteleuropa wäre noch unendlich viel größer, wenn es gelänge, den Katholizismus
als deutschfeindliche romanische Rassenreligion erscheinen zu lassen. Gewisse An¬
spielungen wegen unerwünschter Einflüsse der romanischen Leitung der katholischen
Kirche auf die deutsche Politik auf feiten jener Kriegszielpartei, der unsere Ant¬
wort auf den Friedensvorschlag des Papstes ein Dorn im Ange war,
waren, wenn man an die Notwendigkeiten der mitteleuropäischen Zu¬
kunft denkt, unverständig und bleiben bedauerlich. Der Papst wäre
nicht so neutral in dem jetzigen Weltkriege, wenn die deutschen Katho¬
liken weniger loyal gegen ihr kirchliches Oberhaupt wären. Die Kurie muß auch
im eigenen Interesse stets daran denken, daß die von ihr geleitete Kirche "katholisch"
und nicht "lateinisch" sein will, aber es ist gut, wenn die deutschen Katholiken
die nationalistischen Tendenzen der französischen Klerikalen als unkatholisch kenn¬
zeichnen und sich selbst als frei von solchen Bestrebungen erweisen können; und
es ist klug, wenn die gesamte öffentliche Meinung bei uns begreift, was diese
innerkatholische Auseinandersetzung für unsere europäische Politik bedeutet.

Eine gut beratene deutsche Politik wird leicht erkennen, daß wir in sehr
vielen Gegenden Europas mit der katholischen Kirche sehr gut ein Stück Weges
gemeinsam gehen können. In allen romanischen Ländern war es in erster Linie
das antikatholische politische Freimaurertum, das zum Kriege gegen uns gehetzt
hat. In Italien ist der Bruch mit uns mehr oder weniger gegen den Willen
der dem .Katholizismus näher stehenden konservativen Elemente beschlossen worden.
Aber sogar in Frankreich fällt die eigentliche Schuld am Kriege gar nicht auf die
Katholiken trotz ihres zur Schau getragenen Revanchenationalismus, sondern auf
die herrschenden Radikalen, die es vorher liebten, mit pazifistischen und sozialistischen
Redensarten um sich zu werfen. Poincarö und Clömenceau, Viviani und Briand,
und alle die Männer, auf die in Frankreich die Verantwortung von 1914 fällt,
sind ja doch keine Katholiken, sondern rote Radikale und Freimaurer. Soweit
wir die Ursachen der Entfesselung des Krieges nicht überhaupt in grob-materiellen
Beweggründen der herrschenden Männer suchen wollen, kann jedenfalls für sie der
katholische Nationalismus nicht in Frage kommen, sondern nur der Jakobinerhaß
gegen das unjakvbinische Deutschland, und das Vermächtnis von 1792, die Er-
rungenschaften der Revolution auch über den Rhein nach Deutschland zu tragen.
Die nationalistische Haltung der französischen Katholiken verdient in diesem Zu¬
sammenhange noch eine besondere Erklärung. Diese Erklärung wird uns dann
ein Urteil darüber ermöglichen, ob Frankreich in bezug auf die Behauptung, daß
die deutsche Politik fast allgemein in Europa ein Stück Weges mit dem Katholi¬
zismus zusammengehen könne, eine Ausnahme bildet oder nicht. Wenn wir die
ganze merkwürdige Kriegswut der Franzosen überhaupt verstehen wollen, dürfen
wir nicht vergessen, daß sich die ganze Weltlage vor dem Kriege in französischen
Köpfen anders malte als in unseren. Die Frauzosen haben seit alter Zeit nicht
Land uns Leute, nicht Reichtum und .Kultur an sich als wertvollsten nationalen
Besitz betrachtet, sondern jenes besondere Ansehen der "^ranäe nation" unter den
Völkern, das sie als ihr Prestige bezeichnen. Dieses Prestige war in den Augen
der Franzosen seit ihrer Niederlage von 1870 geschmälert. Weniger der Verlust
von Elsaß-Lothringen an sich, als vielmehr die Minderung des Prestiges war die
ewige Quelle des Nevanchebedürfnisses. DaS Prestige ist, wie Max Scheler sehr
richtig sagt*), eine Differenzkategorie. Jedes Aufsteigen einer anderen Macht
vermindert an sich schon den Vorsprung, den die Franzosen vor allen anderen
Völkern in Europa behaupten wollen, auch wenn dieses Aufsteigen gar nicht auf



*) In dem Aufsatz "DaS Nationale im Denken Frankreichs" "Krieg und Aufbau,
Leipzig 191", Seite 77 ff.)
Lateinisch oder Katholisch!

ausdrücklich Zustimmung finden. ES hat uns politisch viel Schaden gemacht, daß
das griechische Christentum von den Russen mit einem Scheine des Rechts als
slawische Rassenreligion hingestellt werden konnte. Der Schaden für die kom¬
menden europäischen Aufgaben der Deutschen als des führenden Kulturvolkes von
Mitteleuropa wäre noch unendlich viel größer, wenn es gelänge, den Katholizismus
als deutschfeindliche romanische Rassenreligion erscheinen zu lassen. Gewisse An¬
spielungen wegen unerwünschter Einflüsse der romanischen Leitung der katholischen
Kirche auf die deutsche Politik auf feiten jener Kriegszielpartei, der unsere Ant¬
wort auf den Friedensvorschlag des Papstes ein Dorn im Ange war,
waren, wenn man an die Notwendigkeiten der mitteleuropäischen Zu¬
kunft denkt, unverständig und bleiben bedauerlich. Der Papst wäre
nicht so neutral in dem jetzigen Weltkriege, wenn die deutschen Katho¬
liken weniger loyal gegen ihr kirchliches Oberhaupt wären. Die Kurie muß auch
im eigenen Interesse stets daran denken, daß die von ihr geleitete Kirche „katholisch"
und nicht „lateinisch" sein will, aber es ist gut, wenn die deutschen Katholiken
die nationalistischen Tendenzen der französischen Klerikalen als unkatholisch kenn¬
zeichnen und sich selbst als frei von solchen Bestrebungen erweisen können; und
es ist klug, wenn die gesamte öffentliche Meinung bei uns begreift, was diese
innerkatholische Auseinandersetzung für unsere europäische Politik bedeutet.

Eine gut beratene deutsche Politik wird leicht erkennen, daß wir in sehr
vielen Gegenden Europas mit der katholischen Kirche sehr gut ein Stück Weges
gemeinsam gehen können. In allen romanischen Ländern war es in erster Linie
das antikatholische politische Freimaurertum, das zum Kriege gegen uns gehetzt
hat. In Italien ist der Bruch mit uns mehr oder weniger gegen den Willen
der dem .Katholizismus näher stehenden konservativen Elemente beschlossen worden.
Aber sogar in Frankreich fällt die eigentliche Schuld am Kriege gar nicht auf die
Katholiken trotz ihres zur Schau getragenen Revanchenationalismus, sondern auf
die herrschenden Radikalen, die es vorher liebten, mit pazifistischen und sozialistischen
Redensarten um sich zu werfen. Poincarö und Clömenceau, Viviani und Briand,
und alle die Männer, auf die in Frankreich die Verantwortung von 1914 fällt,
sind ja doch keine Katholiken, sondern rote Radikale und Freimaurer. Soweit
wir die Ursachen der Entfesselung des Krieges nicht überhaupt in grob-materiellen
Beweggründen der herrschenden Männer suchen wollen, kann jedenfalls für sie der
katholische Nationalismus nicht in Frage kommen, sondern nur der Jakobinerhaß
gegen das unjakvbinische Deutschland, und das Vermächtnis von 1792, die Er-
rungenschaften der Revolution auch über den Rhein nach Deutschland zu tragen.
Die nationalistische Haltung der französischen Katholiken verdient in diesem Zu¬
sammenhange noch eine besondere Erklärung. Diese Erklärung wird uns dann
ein Urteil darüber ermöglichen, ob Frankreich in bezug auf die Behauptung, daß
die deutsche Politik fast allgemein in Europa ein Stück Weges mit dem Katholi¬
zismus zusammengehen könne, eine Ausnahme bildet oder nicht. Wenn wir die
ganze merkwürdige Kriegswut der Franzosen überhaupt verstehen wollen, dürfen
wir nicht vergessen, daß sich die ganze Weltlage vor dem Kriege in französischen
Köpfen anders malte als in unseren. Die Frauzosen haben seit alter Zeit nicht
Land uns Leute, nicht Reichtum und .Kultur an sich als wertvollsten nationalen
Besitz betrachtet, sondern jenes besondere Ansehen der „^ranäe nation" unter den
Völkern, das sie als ihr Prestige bezeichnen. Dieses Prestige war in den Augen
der Franzosen seit ihrer Niederlage von 1870 geschmälert. Weniger der Verlust
von Elsaß-Lothringen an sich, als vielmehr die Minderung des Prestiges war die
ewige Quelle des Nevanchebedürfnisses. DaS Prestige ist, wie Max Scheler sehr
richtig sagt*), eine Differenzkategorie. Jedes Aufsteigen einer anderen Macht
vermindert an sich schon den Vorsprung, den die Franzosen vor allen anderen
Völkern in Europa behaupten wollen, auch wenn dieses Aufsteigen gar nicht auf



*) In dem Aufsatz „DaS Nationale im Denken Frankreichs" «Krieg und Aufbau,
Leipzig 191», Seite 77 ff.)
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[0256] Lateinisch oder Katholisch! ausdrücklich Zustimmung finden. ES hat uns politisch viel Schaden gemacht, daß das griechische Christentum von den Russen mit einem Scheine des Rechts als slawische Rassenreligion hingestellt werden konnte. Der Schaden für die kom¬ menden europäischen Aufgaben der Deutschen als des führenden Kulturvolkes von Mitteleuropa wäre noch unendlich viel größer, wenn es gelänge, den Katholizismus als deutschfeindliche romanische Rassenreligion erscheinen zu lassen. Gewisse An¬ spielungen wegen unerwünschter Einflüsse der romanischen Leitung der katholischen Kirche auf die deutsche Politik auf feiten jener Kriegszielpartei, der unsere Ant¬ wort auf den Friedensvorschlag des Papstes ein Dorn im Ange war, waren, wenn man an die Notwendigkeiten der mitteleuropäischen Zu¬ kunft denkt, unverständig und bleiben bedauerlich. Der Papst wäre nicht so neutral in dem jetzigen Weltkriege, wenn die deutschen Katho¬ liken weniger loyal gegen ihr kirchliches Oberhaupt wären. Die Kurie muß auch im eigenen Interesse stets daran denken, daß die von ihr geleitete Kirche „katholisch" und nicht „lateinisch" sein will, aber es ist gut, wenn die deutschen Katholiken die nationalistischen Tendenzen der französischen Klerikalen als unkatholisch kenn¬ zeichnen und sich selbst als frei von solchen Bestrebungen erweisen können; und es ist klug, wenn die gesamte öffentliche Meinung bei uns begreift, was diese innerkatholische Auseinandersetzung für unsere europäische Politik bedeutet. Eine gut beratene deutsche Politik wird leicht erkennen, daß wir in sehr vielen Gegenden Europas mit der katholischen Kirche sehr gut ein Stück Weges gemeinsam gehen können. In allen romanischen Ländern war es in erster Linie das antikatholische politische Freimaurertum, das zum Kriege gegen uns gehetzt hat. In Italien ist der Bruch mit uns mehr oder weniger gegen den Willen der dem .Katholizismus näher stehenden konservativen Elemente beschlossen worden. Aber sogar in Frankreich fällt die eigentliche Schuld am Kriege gar nicht auf die Katholiken trotz ihres zur Schau getragenen Revanchenationalismus, sondern auf die herrschenden Radikalen, die es vorher liebten, mit pazifistischen und sozialistischen Redensarten um sich zu werfen. Poincarö und Clömenceau, Viviani und Briand, und alle die Männer, auf die in Frankreich die Verantwortung von 1914 fällt, sind ja doch keine Katholiken, sondern rote Radikale und Freimaurer. Soweit wir die Ursachen der Entfesselung des Krieges nicht überhaupt in grob-materiellen Beweggründen der herrschenden Männer suchen wollen, kann jedenfalls für sie der katholische Nationalismus nicht in Frage kommen, sondern nur der Jakobinerhaß gegen das unjakvbinische Deutschland, und das Vermächtnis von 1792, die Er- rungenschaften der Revolution auch über den Rhein nach Deutschland zu tragen. Die nationalistische Haltung der französischen Katholiken verdient in diesem Zu¬ sammenhange noch eine besondere Erklärung. Diese Erklärung wird uns dann ein Urteil darüber ermöglichen, ob Frankreich in bezug auf die Behauptung, daß die deutsche Politik fast allgemein in Europa ein Stück Weges mit dem Katholi¬ zismus zusammengehen könne, eine Ausnahme bildet oder nicht. Wenn wir die ganze merkwürdige Kriegswut der Franzosen überhaupt verstehen wollen, dürfen wir nicht vergessen, daß sich die ganze Weltlage vor dem Kriege in französischen Köpfen anders malte als in unseren. Die Frauzosen haben seit alter Zeit nicht Land uns Leute, nicht Reichtum und .Kultur an sich als wertvollsten nationalen Besitz betrachtet, sondern jenes besondere Ansehen der „^ranäe nation" unter den Völkern, das sie als ihr Prestige bezeichnen. Dieses Prestige war in den Augen der Franzosen seit ihrer Niederlage von 1870 geschmälert. Weniger der Verlust von Elsaß-Lothringen an sich, als vielmehr die Minderung des Prestiges war die ewige Quelle des Nevanchebedürfnisses. DaS Prestige ist, wie Max Scheler sehr richtig sagt*), eine Differenzkategorie. Jedes Aufsteigen einer anderen Macht vermindert an sich schon den Vorsprung, den die Franzosen vor allen anderen Völkern in Europa behaupten wollen, auch wenn dieses Aufsteigen gar nicht auf *) In dem Aufsatz „DaS Nationale im Denken Frankreichs" «Krieg und Aufbau, Leipzig 191», Seite 77 ff.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/256>, abgerufen am 22.07.2024.