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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

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Lateinisch oder Katholisch l

Der französische Katholizismus hat sich seit 1871 stets äußerst rationalistisch
aufgeführt. Er fühlte sich geradezu zum Pfleger der Revanchestimmung berufen.
Von den innersten Gründen dieser Haltung wird weiter unten noch in kurzen
Worten die Rede sein. Sie sind an sich ehrenwert und hauptsächlich inner-
Politischer Natur. Die Katholiken waren nach dem Kriege von 1870 in Frankreich
nur kurze Zeit an der Macht, sonst in schärfster und nicht eben erfolgreicher Op¬
position gegen die ganze republikanisch-radikale Entwicklung des inneren Staats¬
lebens, deren Grundsätze ihnen verderblich für ihr Volk erscheinen mußten. Der
Glaube an einen spezifisch katholischen Beruf Frankreichs, der "ältesten Tochter
der Kirche", ist alt. Es ist nicht wunderbar, wenn er sich in den durch das un¬
aufhaltsame Vordringen des Radikalismus auf allen Gebieten des öffentlichen
Lebens der Nation bekümmerten Herzen der französischen Katholiken umkehrte in
den Glauben an einen spezifisch französischen Beruf des Katholizismus, "vieu et
Trance!" -- in dieser alten Formel vermag sich die ganze Stimmung des
Revanchekatholizismus auszudrücken. Die Katholiken glaubten, daß Frankreich
geistiger und sittlicher .Kräfte bedürfte, um seinen alten Rang gegenüber dem auf¬
steigenden Germanentum zu behaupten. Diese Kräfte sollte und konnte ihrer
Meinung nach nur der Katholizismus liefern. Was wunder, wenn in ent¬
schlossenen Gallierköpfen und leidenschaftlichen Franzosenherzen der Katholizismus
geradezu einen deutschfeindlichen Beruf bekam! Der französische Monarchist Charles
Maurus, der nicht einmal ein echter Gläubiger war, aber als geistiges Haupt
des rationalistisch-klerikalen Bundes der "Motion kran?use" einen tiefgehenden
Einfluß auf die französischen Katholiken ausübte, konnte ungestraft so weit gehen,
den "katholischen", d. y. allgemeinen Charakter der Kirche anzutasten, und sie als
ausgesprochen "lateinische" Institution gegen das germanische Prinzip auszuspielen.
Nicht erst während des Weltkriegs, sondern schon lange vorher sucht man in
diesem Lager, die katholische Kirche zu einer antigermanischen Macht zu stempeln
und die deutschen Katholiken als Parteigänger eines barbarischen und protestantisch-
kirchenfeindlichen Teutonismus um jeden katholischen Kredit zu bringen. Daß
eine derartige Propaganda in der Welt leicht einen gewissen Eindruck machen
kann, wird man ohne weiteres zugeben, wenn man daran denkt, das; doch auch
bei uns und zwar von entgegengesetzter protestantischer Seite mit der Unterstellung,
die katholische Kirche sei undeutsch, sei lateinisch, nicht ohne Erfolg gearbeitet
worden ist. Man'hat im Kulturkampf das Schlagwort vom "evangelischen" rom¬
feindlichen Kaisertum geprägt, das jetzt die Franzosen prompt gegen uns aus-
nutzen. Man hat die katholischen Politiker als national unzuverlässige "Röm-
linge" hingestellt und die Auseinandersetzung der liberalen Gedankenwelt mit der
katholischen als eine Phase des nationalen Kampfes der Germanen gegen die
Römer erscheinen lassen. Angesichts der Tatsache, daß das deutsche Volk alles in
allem zur Hälfte katholisch ist, war das eine ungeheuerliche Gedankenlosigkeit, die
leider nicht ungestraft bleibt. Nach meiner Kenntnis gab es bis zum Ausbruch
des Krieges noch genug, glücklicherweise allerdings meist nicht allzu ma߬
gebliche evangelische Kreise, die nur den Glauben der Reformation als echt deutsch
gelten lassen wollten. Manche Nationalisten bei uns waren also nicht frei von
der gleichen Kurzsichtigkeit, die die katholischen in Frankreich jetzt in der deutsch¬
feindlichen Propaganda betätigen. Bei der ungeheuren Wichtigkeit, die die zu¬
künftige Stimmung der Katholiken in ganz Europa besonders für unsere auf
Schaffung eines dauernden mitteleuropäischen Bundes hinzielende Politik hat, be¬
steht absolut kein wahres Interesse daran, wider den tatsächlichen Befund die
katholische Kirche als deutschfeindlich und lateinisch erscheinen zu lassen. Jeder,
der heute noch an einem solchen, sich antiultramontan gebärdenden deutschen
Nationalismus festhalten wollte, würde in Wahrheit seinem Vaterlande wider
seinen Willen einen schlechten Dienst erweisen. Die Abwehr, in der die deutschen
Katholiken sich heute gegen die Franzosen um Anerkennung ihres echt katholischen
Geistes befinden, ist zugleich ein Kampf im Dienste der vaterländischen Politik,
und ein Buch, wie das von Schrörs, muß auch vom nationalen Standpunkte


Lateinisch oder Katholisch l

Der französische Katholizismus hat sich seit 1871 stets äußerst rationalistisch
aufgeführt. Er fühlte sich geradezu zum Pfleger der Revanchestimmung berufen.
Von den innersten Gründen dieser Haltung wird weiter unten noch in kurzen
Worten die Rede sein. Sie sind an sich ehrenwert und hauptsächlich inner-
Politischer Natur. Die Katholiken waren nach dem Kriege von 1870 in Frankreich
nur kurze Zeit an der Macht, sonst in schärfster und nicht eben erfolgreicher Op¬
position gegen die ganze republikanisch-radikale Entwicklung des inneren Staats¬
lebens, deren Grundsätze ihnen verderblich für ihr Volk erscheinen mußten. Der
Glaube an einen spezifisch katholischen Beruf Frankreichs, der „ältesten Tochter
der Kirche", ist alt. Es ist nicht wunderbar, wenn er sich in den durch das un¬
aufhaltsame Vordringen des Radikalismus auf allen Gebieten des öffentlichen
Lebens der Nation bekümmerten Herzen der französischen Katholiken umkehrte in
den Glauben an einen spezifisch französischen Beruf des Katholizismus, „vieu et
Trance!" — in dieser alten Formel vermag sich die ganze Stimmung des
Revanchekatholizismus auszudrücken. Die Katholiken glaubten, daß Frankreich
geistiger und sittlicher .Kräfte bedürfte, um seinen alten Rang gegenüber dem auf¬
steigenden Germanentum zu behaupten. Diese Kräfte sollte und konnte ihrer
Meinung nach nur der Katholizismus liefern. Was wunder, wenn in ent¬
schlossenen Gallierköpfen und leidenschaftlichen Franzosenherzen der Katholizismus
geradezu einen deutschfeindlichen Beruf bekam! Der französische Monarchist Charles
Maurus, der nicht einmal ein echter Gläubiger war, aber als geistiges Haupt
des rationalistisch-klerikalen Bundes der „Motion kran?use" einen tiefgehenden
Einfluß auf die französischen Katholiken ausübte, konnte ungestraft so weit gehen,
den „katholischen", d. y. allgemeinen Charakter der Kirche anzutasten, und sie als
ausgesprochen „lateinische" Institution gegen das germanische Prinzip auszuspielen.
Nicht erst während des Weltkriegs, sondern schon lange vorher sucht man in
diesem Lager, die katholische Kirche zu einer antigermanischen Macht zu stempeln
und die deutschen Katholiken als Parteigänger eines barbarischen und protestantisch-
kirchenfeindlichen Teutonismus um jeden katholischen Kredit zu bringen. Daß
eine derartige Propaganda in der Welt leicht einen gewissen Eindruck machen
kann, wird man ohne weiteres zugeben, wenn man daran denkt, das; doch auch
bei uns und zwar von entgegengesetzter protestantischer Seite mit der Unterstellung,
die katholische Kirche sei undeutsch, sei lateinisch, nicht ohne Erfolg gearbeitet
worden ist. Man'hat im Kulturkampf das Schlagwort vom „evangelischen" rom¬
feindlichen Kaisertum geprägt, das jetzt die Franzosen prompt gegen uns aus-
nutzen. Man hat die katholischen Politiker als national unzuverlässige „Röm-
linge" hingestellt und die Auseinandersetzung der liberalen Gedankenwelt mit der
katholischen als eine Phase des nationalen Kampfes der Germanen gegen die
Römer erscheinen lassen. Angesichts der Tatsache, daß das deutsche Volk alles in
allem zur Hälfte katholisch ist, war das eine ungeheuerliche Gedankenlosigkeit, die
leider nicht ungestraft bleibt. Nach meiner Kenntnis gab es bis zum Ausbruch
des Krieges noch genug, glücklicherweise allerdings meist nicht allzu ma߬
gebliche evangelische Kreise, die nur den Glauben der Reformation als echt deutsch
gelten lassen wollten. Manche Nationalisten bei uns waren also nicht frei von
der gleichen Kurzsichtigkeit, die die katholischen in Frankreich jetzt in der deutsch¬
feindlichen Propaganda betätigen. Bei der ungeheuren Wichtigkeit, die die zu¬
künftige Stimmung der Katholiken in ganz Europa besonders für unsere auf
Schaffung eines dauernden mitteleuropäischen Bundes hinzielende Politik hat, be¬
steht absolut kein wahres Interesse daran, wider den tatsächlichen Befund die
katholische Kirche als deutschfeindlich und lateinisch erscheinen zu lassen. Jeder,
der heute noch an einem solchen, sich antiultramontan gebärdenden deutschen
Nationalismus festhalten wollte, würde in Wahrheit seinem Vaterlande wider
seinen Willen einen schlechten Dienst erweisen. Die Abwehr, in der die deutschen
Katholiken sich heute gegen die Franzosen um Anerkennung ihres echt katholischen
Geistes befinden, ist zugleich ein Kampf im Dienste der vaterländischen Politik,
und ein Buch, wie das von Schrörs, muß auch vom nationalen Standpunkte


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[0255] Lateinisch oder Katholisch l Der französische Katholizismus hat sich seit 1871 stets äußerst rationalistisch aufgeführt. Er fühlte sich geradezu zum Pfleger der Revanchestimmung berufen. Von den innersten Gründen dieser Haltung wird weiter unten noch in kurzen Worten die Rede sein. Sie sind an sich ehrenwert und hauptsächlich inner- Politischer Natur. Die Katholiken waren nach dem Kriege von 1870 in Frankreich nur kurze Zeit an der Macht, sonst in schärfster und nicht eben erfolgreicher Op¬ position gegen die ganze republikanisch-radikale Entwicklung des inneren Staats¬ lebens, deren Grundsätze ihnen verderblich für ihr Volk erscheinen mußten. Der Glaube an einen spezifisch katholischen Beruf Frankreichs, der „ältesten Tochter der Kirche", ist alt. Es ist nicht wunderbar, wenn er sich in den durch das un¬ aufhaltsame Vordringen des Radikalismus auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens der Nation bekümmerten Herzen der französischen Katholiken umkehrte in den Glauben an einen spezifisch französischen Beruf des Katholizismus, „vieu et Trance!" — in dieser alten Formel vermag sich die ganze Stimmung des Revanchekatholizismus auszudrücken. Die Katholiken glaubten, daß Frankreich geistiger und sittlicher .Kräfte bedürfte, um seinen alten Rang gegenüber dem auf¬ steigenden Germanentum zu behaupten. Diese Kräfte sollte und konnte ihrer Meinung nach nur der Katholizismus liefern. Was wunder, wenn in ent¬ schlossenen Gallierköpfen und leidenschaftlichen Franzosenherzen der Katholizismus geradezu einen deutschfeindlichen Beruf bekam! Der französische Monarchist Charles Maurus, der nicht einmal ein echter Gläubiger war, aber als geistiges Haupt des rationalistisch-klerikalen Bundes der „Motion kran?use" einen tiefgehenden Einfluß auf die französischen Katholiken ausübte, konnte ungestraft so weit gehen, den „katholischen", d. y. allgemeinen Charakter der Kirche anzutasten, und sie als ausgesprochen „lateinische" Institution gegen das germanische Prinzip auszuspielen. Nicht erst während des Weltkriegs, sondern schon lange vorher sucht man in diesem Lager, die katholische Kirche zu einer antigermanischen Macht zu stempeln und die deutschen Katholiken als Parteigänger eines barbarischen und protestantisch- kirchenfeindlichen Teutonismus um jeden katholischen Kredit zu bringen. Daß eine derartige Propaganda in der Welt leicht einen gewissen Eindruck machen kann, wird man ohne weiteres zugeben, wenn man daran denkt, das; doch auch bei uns und zwar von entgegengesetzter protestantischer Seite mit der Unterstellung, die katholische Kirche sei undeutsch, sei lateinisch, nicht ohne Erfolg gearbeitet worden ist. Man'hat im Kulturkampf das Schlagwort vom „evangelischen" rom¬ feindlichen Kaisertum geprägt, das jetzt die Franzosen prompt gegen uns aus- nutzen. Man hat die katholischen Politiker als national unzuverlässige „Röm- linge" hingestellt und die Auseinandersetzung der liberalen Gedankenwelt mit der katholischen als eine Phase des nationalen Kampfes der Germanen gegen die Römer erscheinen lassen. Angesichts der Tatsache, daß das deutsche Volk alles in allem zur Hälfte katholisch ist, war das eine ungeheuerliche Gedankenlosigkeit, die leider nicht ungestraft bleibt. Nach meiner Kenntnis gab es bis zum Ausbruch des Krieges noch genug, glücklicherweise allerdings meist nicht allzu ma߬ gebliche evangelische Kreise, die nur den Glauben der Reformation als echt deutsch gelten lassen wollten. Manche Nationalisten bei uns waren also nicht frei von der gleichen Kurzsichtigkeit, die die katholischen in Frankreich jetzt in der deutsch¬ feindlichen Propaganda betätigen. Bei der ungeheuren Wichtigkeit, die die zu¬ künftige Stimmung der Katholiken in ganz Europa besonders für unsere auf Schaffung eines dauernden mitteleuropäischen Bundes hinzielende Politik hat, be¬ steht absolut kein wahres Interesse daran, wider den tatsächlichen Befund die katholische Kirche als deutschfeindlich und lateinisch erscheinen zu lassen. Jeder, der heute noch an einem solchen, sich antiultramontan gebärdenden deutschen Nationalismus festhalten wollte, würde in Wahrheit seinem Vaterlande wider seinen Willen einen schlechten Dienst erweisen. Die Abwehr, in der die deutschen Katholiken sich heute gegen die Franzosen um Anerkennung ihres echt katholischen Geistes befinden, ist zugleich ein Kampf im Dienste der vaterländischen Politik, und ein Buch, wie das von Schrörs, muß auch vom nationalen Standpunkte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/255>, abgerufen am 22.07.2024.