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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

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der Entthronung des Individuums aus seiner wirtschaftlichen Autonomie und
seiner völligen Versklavung an übergreifende Gesamtorganisaiionen entwickeln. Hier
wie auch sonst scheint uns Rathenau nicht sowohl neue Ziele zu verkündigen, als
vielmehr längst vorhandene Tendenzen des mechanistischen Zeitalters einseitig zu
betonen und gewissermaßen methodisch glücklich auszuprägen. Überall bleibt er
tiefer als er selber weiß in dem Geist befangen, den er revolutionieren will. Ins-
besondere ist es der überspannte Mivismus und Leistungsabsolutismus unserer
Zeit, von dem er nicht loskommt.

Daß unser moderner Technizismus gerade in seinen führenden Vertretern
zur Selbstbesinnung erwacht, ist lebhaft zu begrüßen. In diesem Sinne können
wir uns auch des durchschlagenden buchhändlerischen Erfolges dieses Buches
durchaus freuen. Das Aufkommen eines neuen Hungers in unserem überfallen
Großbürgerum, der Bruch mit der Selbstzufriedenheit der modernen Zivilisation
ist in der Tat die wesentlichste Voraussetzung für das Erwachsen einer deutschen
Zukunft, in der das Seelische wieder zu seinem ewigen Recht kommen soll, nach¬
dem die Reizung der Sinne so lange den Hauptinhalt großstädtischen Kultur-
machertums gebildet hat. Es steht außer Frage, daß die Entwicklung der
kommenden Dinge aus weite Strecken die Wege gehen wird, die Rathenau vor-
zeichnet. Daß die Gefahren seines Radikalismus überwunden werden, dafür wird
schon der natürliche TraditionalismuS des geschichtlichen Lebens Sorge tragen.
Daß wir von der hemmungslosen Durchführung der Mechanisierung nicht ohne
weiteres wie durch ein Wunder ihre Überwindung erhoffen, darf er uns am
wenigsten verargen. Es ist im Grunde genommen dieselbe Reflexion, die bei ihm
in Zutrauen, bei uns in abwartenden Zweifel ausmündet. p,ut diese auf irrationalen
Vorbehalten fußende Skepsis ist nicht die gegebene Grundlage, um im selben Maße,
wie Rathenau das tut, mit allen Überlieferungen zu brechen, um uns einer frag¬
würdigen Zukunft vertrauensselig in die Arme zu werfen.


Dr. M. H. Bochen




Allen Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung
nicht verbürgt werden kann.




Nachdruck sämtlicher Aufsätze nur mit ausdrücklicher Erkäntnis des Verlags gestattet.
Verantwortlich: der Herausgeber Georg Cleinow in Berlin-Lichterfelbe West. -- MannslrlPtsendungen und
Briefe werden erbeten unter der Adresse: An die "chriftlcitung der Grenzvotcn in Berlin SV 11, Tempelhofer Ufer Sö".
, Hexusprecher de" Herausgeber": Amt Ltchierf-lde 4S8, des Verlags und der Schriftl-itung: Amt Lätze"" Will,
"erlag: Verlag der "r-nzbot-n W.". b. H. in Berlin SV 11, Tempelhofer Ufer "6",
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der Entthronung des Individuums aus seiner wirtschaftlichen Autonomie und
seiner völligen Versklavung an übergreifende Gesamtorganisaiionen entwickeln. Hier
wie auch sonst scheint uns Rathenau nicht sowohl neue Ziele zu verkündigen, als
vielmehr längst vorhandene Tendenzen des mechanistischen Zeitalters einseitig zu
betonen und gewissermaßen methodisch glücklich auszuprägen. Überall bleibt er
tiefer als er selber weiß in dem Geist befangen, den er revolutionieren will. Ins-
besondere ist es der überspannte Mivismus und Leistungsabsolutismus unserer
Zeit, von dem er nicht loskommt.

Daß unser moderner Technizismus gerade in seinen führenden Vertretern
zur Selbstbesinnung erwacht, ist lebhaft zu begrüßen. In diesem Sinne können
wir uns auch des durchschlagenden buchhändlerischen Erfolges dieses Buches
durchaus freuen. Das Aufkommen eines neuen Hungers in unserem überfallen
Großbürgerum, der Bruch mit der Selbstzufriedenheit der modernen Zivilisation
ist in der Tat die wesentlichste Voraussetzung für das Erwachsen einer deutschen
Zukunft, in der das Seelische wieder zu seinem ewigen Recht kommen soll, nach¬
dem die Reizung der Sinne so lange den Hauptinhalt großstädtischen Kultur-
machertums gebildet hat. Es steht außer Frage, daß die Entwicklung der
kommenden Dinge aus weite Strecken die Wege gehen wird, die Rathenau vor-
zeichnet. Daß die Gefahren seines Radikalismus überwunden werden, dafür wird
schon der natürliche TraditionalismuS des geschichtlichen Lebens Sorge tragen.
Daß wir von der hemmungslosen Durchführung der Mechanisierung nicht ohne
weiteres wie durch ein Wunder ihre Überwindung erhoffen, darf er uns am
wenigsten verargen. Es ist im Grunde genommen dieselbe Reflexion, die bei ihm
in Zutrauen, bei uns in abwartenden Zweifel ausmündet. p,ut diese auf irrationalen
Vorbehalten fußende Skepsis ist nicht die gegebene Grundlage, um im selben Maße,
wie Rathenau das tut, mit allen Überlieferungen zu brechen, um uns einer frag¬
würdigen Zukunft vertrauensselig in die Arme zu werfen.


Dr. M. H. Bochen




Allen Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung
nicht verbürgt werden kann.




Nachdruck sämtlicher Aufsätze nur mit ausdrücklicher Erkäntnis des Verlags gestattet.
Verantwortlich: der Herausgeber Georg Cleinow in Berlin-Lichterfelbe West. — MannslrlPtsendungen und
Briefe werden erbeten unter der Adresse: An die «chriftlcitung der Grenzvotcn in Berlin SV 11, Tempelhofer Ufer Sö».
, Hexusprecher de» Herausgeber»: Amt Ltchierf-lde 4S8, des Verlags und der Schriftl-itung: Amt Lätze»» Will,
»erlag: Verlag der «r-nzbot-n W.«. b. H. in Berlin SV 11, Tempelhofer Ufer »6»,
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[0244] ^cur Rücher der Entthronung des Individuums aus seiner wirtschaftlichen Autonomie und seiner völligen Versklavung an übergreifende Gesamtorganisaiionen entwickeln. Hier wie auch sonst scheint uns Rathenau nicht sowohl neue Ziele zu verkündigen, als vielmehr längst vorhandene Tendenzen des mechanistischen Zeitalters einseitig zu betonen und gewissermaßen methodisch glücklich auszuprägen. Überall bleibt er tiefer als er selber weiß in dem Geist befangen, den er revolutionieren will. Ins- besondere ist es der überspannte Mivismus und Leistungsabsolutismus unserer Zeit, von dem er nicht loskommt. Daß unser moderner Technizismus gerade in seinen führenden Vertretern zur Selbstbesinnung erwacht, ist lebhaft zu begrüßen. In diesem Sinne können wir uns auch des durchschlagenden buchhändlerischen Erfolges dieses Buches durchaus freuen. Das Aufkommen eines neuen Hungers in unserem überfallen Großbürgerum, der Bruch mit der Selbstzufriedenheit der modernen Zivilisation ist in der Tat die wesentlichste Voraussetzung für das Erwachsen einer deutschen Zukunft, in der das Seelische wieder zu seinem ewigen Recht kommen soll, nach¬ dem die Reizung der Sinne so lange den Hauptinhalt großstädtischen Kultur- machertums gebildet hat. Es steht außer Frage, daß die Entwicklung der kommenden Dinge aus weite Strecken die Wege gehen wird, die Rathenau vor- zeichnet. Daß die Gefahren seines Radikalismus überwunden werden, dafür wird schon der natürliche TraditionalismuS des geschichtlichen Lebens Sorge tragen. Daß wir von der hemmungslosen Durchführung der Mechanisierung nicht ohne weiteres wie durch ein Wunder ihre Überwindung erhoffen, darf er uns am wenigsten verargen. Es ist im Grunde genommen dieselbe Reflexion, die bei ihm in Zutrauen, bei uns in abwartenden Zweifel ausmündet. p,ut diese auf irrationalen Vorbehalten fußende Skepsis ist nicht die gegebene Grundlage, um im selben Maße, wie Rathenau das tut, mit allen Überlieferungen zu brechen, um uns einer frag¬ würdigen Zukunft vertrauensselig in die Arme zu werfen. Dr. M. H. Bochen Allen Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung nicht verbürgt werden kann. Nachdruck sämtlicher Aufsätze nur mit ausdrücklicher Erkäntnis des Verlags gestattet. Verantwortlich: der Herausgeber Georg Cleinow in Berlin-Lichterfelbe West. — MannslrlPtsendungen und Briefe werden erbeten unter der Adresse: An die «chriftlcitung der Grenzvotcn in Berlin SV 11, Tempelhofer Ufer Sö». , Hexusprecher de» Herausgeber»: Amt Ltchierf-lde 4S8, des Verlags und der Schriftl-itung: Amt Lätze»» Will, »erlag: Verlag der «r-nzbot-n W.«. b. H. in Berlin SV 11, Tempelhofer Ufer »6», 5>in«: „»er R«des»»«te" «, «. », H. in »e«Un SV 11, Dessau« «traije «S/»7,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/244>, abgerufen am 25.08.2024.