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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

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Englands Stellungnahme zum Zionismus

Haltung bei, die Deutschland zu den nationalen Bestrebungen der Juden in dem
von den Deutschen besetzten Gebiete in Polen und Litauen einnimmt. Es ist in
der Tat schwer zu verstehen, warum die deutsche Regierung so ängstlich zögert,
auch nur mit einer Silbe anzudeuten, daß die rechtliche und nationale Gleich¬
stellung der rumänischen Juden ihr als eines ihrer Friedensziele erscheint. An¬
gesichts des Eifers, mit dem sie sich für die Abstellung der Beschwerden der irischen,
indischen und Gott weiß welcher exoiischen Völker einsetzt, ist ihr Stillschweigen
gegenüber der wahrhaftig nicht weniger belegten Unterdrückung der rumänischen
Juden höchst sonderbar". (Seite 583.)

Also als Preis für die Sympathie der Nationaljuden wird hier von der
deutschen Regierung verlangt, daß sie die rechtliche und nationale Gleichstellung der
rumänischen Juden als Friedensziel feststellt. Das ist Amateurpolitik schlimmster Art.
Und es ist eine Irreführung, wenn Behr eS so darzustellen sucht, als hätte Deutsch¬
land auch die Gleichstellung "der irischen, indischen und Gott weiß welcher eroti¬
schen Völker" jemals als sein Friedensziel ausgegeben. In Wahrheit hat unsere
Regierung ledrglich das heuchlerische Gerede der Ententediplomaten voll dem
Selbstbestimmungsrecht der Völker, in dessen Namen man den Anspruch auf
Elsaß-Lothringen zu erheben wagt, sowie die Zerstückelung Österreich-Ungarns
verlangt, dadurch entlarvt, daß sie -- nach dein Grundsatz Lliarit^ KeZins se
uvae -- die Frage aufwarf, wie es denn mit der Selbstbestimmung der unter
englischer Zwangsyerrschaft schmachtenden Völür stehe"). Im übrigen entbehrt
es nicht einer gewissen Pikcmterie, zu sehen, daß, während Büder noch in seinem
"Geist d^s Judentums" diesen als den Geist Asiens deklariert und erhalten zu
wissen wünscht, ja gerade für ihn den Schutz der deutschen Regierung in Anspruch
nimmt, man jetzt in dem Organ Bubers Nationen wie die Inder und Iren als
"exotisch" herabzuwürdigen sucht, um so den verantwortlichen deutschen Staats¬
männern etwas anhängen zu können. Auch hierin wird die ganze Kurzsichtigkeit
und Überheblichkett dieser jüdisch-nationalistischen Politik offenbar.

Das Verlangen Behrs, Deutschland solle als Friedensziel die Anerkennung der
jüdischen Nation in den östlichen Ländern verkünden, ist nicht erörterimgsfnhig; denn
1. kann sich Deutschland für den steilen Weg zum Frieden nicht mit übermäßigem
Gepäck belasten und muß daher seine Foroerungen auf deutsche und nicht auf
nationaljüdische Interessen einstellen; 2. müßte sich die Forderung der Aner¬
kennung der jüdischen Nation doch sinngemäß auf die in den gleichen sozialen
Verhältnissen lebenden Jud'en Galiziens und der Bukowina erstrecken; nun ist
diese aber von den maßgebenden österreichischen Behörden stets mit größter Ent¬
schiedenheit abgelehnt worden; insbesondere enthält "das Erkenntnis'des Reichs¬
gerichts vom 26, Oktober 1909 eine stritte Dekretierung, die Juden in Osterreich
bilden keinen Volksstamm (Nationalität), die ganze historische Entwicklung der
Juden gehe dahin, die Juden lediglich als Neligionsgesellschaft zu betrachten und
zu behandeln." So Dr. M. Rosenfeld-Przemysl in den "Neuen Jüdischen Monats¬
heften" vom 10. bis 25. September 1917/'") Demnach muß die hier zurückgewiesene
nationaljüdische Agitation auch in Osterreich Mißtrauen erwecken und das Ver¬
hältnis zu unserm Bundesgenossen schädigen; 3. wäre aber auch die Klausel eines
Friedensvertrages ein ganz ungeeignetes Mittel, um das von nationaljüdischer




*) Allerdings hat die deutsche Regierung -- und mit Recht -- den Iren auf Rat
Sir Roger Casements Unterstützung für ihre nationalen Bestrebungen zugesagt. Aber die
Iren sind sich am allerwenigsten zweifelhaft darüber, daß die Befreiung eines Volkes nur
sein eignes Werk sein kann.
Rosenfeld selbst fordert die Anerkennung der jüdischen Nation auch in Österreich.
Es liegt mir fern, die Billigkeit dieser Forderung'zu bestreiten, aber die deutsche Regierung
hat keinen Anlaß, sich in die inneren Verhältnisse Österreichs zu mischen. -- Charakteristisch
ist auch, daß in den österreichischen Okkupationsgebieten alle nationalen Bestrebungen der
Juden mit weit größerer Schärfe unterdrückt werden, als in den deutschen. Dies gibt auch
der dem National-Juoentum durchaus wohlwollend gegenüberstehende Zivilist Dr. Friedemann
ausdrücklich zu. (Vgl. "Neue Jüdische Monatshefte" 1V17 Seite 659.)
Englands Stellungnahme zum Zionismus

Haltung bei, die Deutschland zu den nationalen Bestrebungen der Juden in dem
von den Deutschen besetzten Gebiete in Polen und Litauen einnimmt. Es ist in
der Tat schwer zu verstehen, warum die deutsche Regierung so ängstlich zögert,
auch nur mit einer Silbe anzudeuten, daß die rechtliche und nationale Gleich¬
stellung der rumänischen Juden ihr als eines ihrer Friedensziele erscheint. An¬
gesichts des Eifers, mit dem sie sich für die Abstellung der Beschwerden der irischen,
indischen und Gott weiß welcher exoiischen Völker einsetzt, ist ihr Stillschweigen
gegenüber der wahrhaftig nicht weniger belegten Unterdrückung der rumänischen
Juden höchst sonderbar". (Seite 583.)

Also als Preis für die Sympathie der Nationaljuden wird hier von der
deutschen Regierung verlangt, daß sie die rechtliche und nationale Gleichstellung der
rumänischen Juden als Friedensziel feststellt. Das ist Amateurpolitik schlimmster Art.
Und es ist eine Irreführung, wenn Behr eS so darzustellen sucht, als hätte Deutsch¬
land auch die Gleichstellung „der irischen, indischen und Gott weiß welcher eroti¬
schen Völker" jemals als sein Friedensziel ausgegeben. In Wahrheit hat unsere
Regierung ledrglich das heuchlerische Gerede der Ententediplomaten voll dem
Selbstbestimmungsrecht der Völker, in dessen Namen man den Anspruch auf
Elsaß-Lothringen zu erheben wagt, sowie die Zerstückelung Österreich-Ungarns
verlangt, dadurch entlarvt, daß sie — nach dein Grundsatz Lliarit^ KeZins se
uvae — die Frage aufwarf, wie es denn mit der Selbstbestimmung der unter
englischer Zwangsyerrschaft schmachtenden Völür stehe"). Im übrigen entbehrt
es nicht einer gewissen Pikcmterie, zu sehen, daß, während Büder noch in seinem
„Geist d^s Judentums" diesen als den Geist Asiens deklariert und erhalten zu
wissen wünscht, ja gerade für ihn den Schutz der deutschen Regierung in Anspruch
nimmt, man jetzt in dem Organ Bubers Nationen wie die Inder und Iren als
„exotisch" herabzuwürdigen sucht, um so den verantwortlichen deutschen Staats¬
männern etwas anhängen zu können. Auch hierin wird die ganze Kurzsichtigkeit
und Überheblichkett dieser jüdisch-nationalistischen Politik offenbar.

Das Verlangen Behrs, Deutschland solle als Friedensziel die Anerkennung der
jüdischen Nation in den östlichen Ländern verkünden, ist nicht erörterimgsfnhig; denn
1. kann sich Deutschland für den steilen Weg zum Frieden nicht mit übermäßigem
Gepäck belasten und muß daher seine Foroerungen auf deutsche und nicht auf
nationaljüdische Interessen einstellen; 2. müßte sich die Forderung der Aner¬
kennung der jüdischen Nation doch sinngemäß auf die in den gleichen sozialen
Verhältnissen lebenden Jud'en Galiziens und der Bukowina erstrecken; nun ist
diese aber von den maßgebenden österreichischen Behörden stets mit größter Ent¬
schiedenheit abgelehnt worden; insbesondere enthält „das Erkenntnis'des Reichs¬
gerichts vom 26, Oktober 1909 eine stritte Dekretierung, die Juden in Osterreich
bilden keinen Volksstamm (Nationalität), die ganze historische Entwicklung der
Juden gehe dahin, die Juden lediglich als Neligionsgesellschaft zu betrachten und
zu behandeln." So Dr. M. Rosenfeld-Przemysl in den „Neuen Jüdischen Monats¬
heften" vom 10. bis 25. September 1917/'") Demnach muß die hier zurückgewiesene
nationaljüdische Agitation auch in Osterreich Mißtrauen erwecken und das Ver¬
hältnis zu unserm Bundesgenossen schädigen; 3. wäre aber auch die Klausel eines
Friedensvertrages ein ganz ungeeignetes Mittel, um das von nationaljüdischer




*) Allerdings hat die deutsche Regierung — und mit Recht — den Iren auf Rat
Sir Roger Casements Unterstützung für ihre nationalen Bestrebungen zugesagt. Aber die
Iren sind sich am allerwenigsten zweifelhaft darüber, daß die Befreiung eines Volkes nur
sein eignes Werk sein kann.
Rosenfeld selbst fordert die Anerkennung der jüdischen Nation auch in Österreich.
Es liegt mir fern, die Billigkeit dieser Forderung'zu bestreiten, aber die deutsche Regierung
hat keinen Anlaß, sich in die inneren Verhältnisse Österreichs zu mischen. — Charakteristisch
ist auch, daß in den österreichischen Okkupationsgebieten alle nationalen Bestrebungen der
Juden mit weit größerer Schärfe unterdrückt werden, als in den deutschen. Dies gibt auch
der dem National-Juoentum durchaus wohlwollend gegenüberstehende Zivilist Dr. Friedemann
ausdrücklich zu. (Vgl. „Neue Jüdische Monatshefte" 1V17 Seite 659.)
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[0224] Englands Stellungnahme zum Zionismus Haltung bei, die Deutschland zu den nationalen Bestrebungen der Juden in dem von den Deutschen besetzten Gebiete in Polen und Litauen einnimmt. Es ist in der Tat schwer zu verstehen, warum die deutsche Regierung so ängstlich zögert, auch nur mit einer Silbe anzudeuten, daß die rechtliche und nationale Gleich¬ stellung der rumänischen Juden ihr als eines ihrer Friedensziele erscheint. An¬ gesichts des Eifers, mit dem sie sich für die Abstellung der Beschwerden der irischen, indischen und Gott weiß welcher exoiischen Völker einsetzt, ist ihr Stillschweigen gegenüber der wahrhaftig nicht weniger belegten Unterdrückung der rumänischen Juden höchst sonderbar". (Seite 583.) Also als Preis für die Sympathie der Nationaljuden wird hier von der deutschen Regierung verlangt, daß sie die rechtliche und nationale Gleichstellung der rumänischen Juden als Friedensziel feststellt. Das ist Amateurpolitik schlimmster Art. Und es ist eine Irreführung, wenn Behr eS so darzustellen sucht, als hätte Deutsch¬ land auch die Gleichstellung „der irischen, indischen und Gott weiß welcher eroti¬ schen Völker" jemals als sein Friedensziel ausgegeben. In Wahrheit hat unsere Regierung ledrglich das heuchlerische Gerede der Ententediplomaten voll dem Selbstbestimmungsrecht der Völker, in dessen Namen man den Anspruch auf Elsaß-Lothringen zu erheben wagt, sowie die Zerstückelung Österreich-Ungarns verlangt, dadurch entlarvt, daß sie — nach dein Grundsatz Lliarit^ KeZins se uvae — die Frage aufwarf, wie es denn mit der Selbstbestimmung der unter englischer Zwangsyerrschaft schmachtenden Völür stehe"). Im übrigen entbehrt es nicht einer gewissen Pikcmterie, zu sehen, daß, während Büder noch in seinem „Geist d^s Judentums" diesen als den Geist Asiens deklariert und erhalten zu wissen wünscht, ja gerade für ihn den Schutz der deutschen Regierung in Anspruch nimmt, man jetzt in dem Organ Bubers Nationen wie die Inder und Iren als „exotisch" herabzuwürdigen sucht, um so den verantwortlichen deutschen Staats¬ männern etwas anhängen zu können. Auch hierin wird die ganze Kurzsichtigkeit und Überheblichkett dieser jüdisch-nationalistischen Politik offenbar. Das Verlangen Behrs, Deutschland solle als Friedensziel die Anerkennung der jüdischen Nation in den östlichen Ländern verkünden, ist nicht erörterimgsfnhig; denn 1. kann sich Deutschland für den steilen Weg zum Frieden nicht mit übermäßigem Gepäck belasten und muß daher seine Foroerungen auf deutsche und nicht auf nationaljüdische Interessen einstellen; 2. müßte sich die Forderung der Aner¬ kennung der jüdischen Nation doch sinngemäß auf die in den gleichen sozialen Verhältnissen lebenden Jud'en Galiziens und der Bukowina erstrecken; nun ist diese aber von den maßgebenden österreichischen Behörden stets mit größter Ent¬ schiedenheit abgelehnt worden; insbesondere enthält „das Erkenntnis'des Reichs¬ gerichts vom 26, Oktober 1909 eine stritte Dekretierung, die Juden in Osterreich bilden keinen Volksstamm (Nationalität), die ganze historische Entwicklung der Juden gehe dahin, die Juden lediglich als Neligionsgesellschaft zu betrachten und zu behandeln." So Dr. M. Rosenfeld-Przemysl in den „Neuen Jüdischen Monats¬ heften" vom 10. bis 25. September 1917/'") Demnach muß die hier zurückgewiesene nationaljüdische Agitation auch in Osterreich Mißtrauen erwecken und das Ver¬ hältnis zu unserm Bundesgenossen schädigen; 3. wäre aber auch die Klausel eines Friedensvertrages ein ganz ungeeignetes Mittel, um das von nationaljüdischer *) Allerdings hat die deutsche Regierung — und mit Recht — den Iren auf Rat Sir Roger Casements Unterstützung für ihre nationalen Bestrebungen zugesagt. Aber die Iren sind sich am allerwenigsten zweifelhaft darüber, daß die Befreiung eines Volkes nur sein eignes Werk sein kann. Rosenfeld selbst fordert die Anerkennung der jüdischen Nation auch in Österreich. Es liegt mir fern, die Billigkeit dieser Forderung'zu bestreiten, aber die deutsche Regierung hat keinen Anlaß, sich in die inneren Verhältnisse Österreichs zu mischen. — Charakteristisch ist auch, daß in den österreichischen Okkupationsgebieten alle nationalen Bestrebungen der Juden mit weit größerer Schärfe unterdrückt werden, als in den deutschen. Dies gibt auch der dem National-Juoentum durchaus wohlwollend gegenüberstehende Zivilist Dr. Friedemann ausdrücklich zu. (Vgl. „Neue Jüdische Monatshefte" 1V17 Seite 659.)

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/224>, abgerufen am 22.07.2024.