Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Französische Stimmungen

der Aktien und der Verwaltungsräte verfügte. Aber diese Sachlage hat sich im
Laufe des letzten Jahres total geändert, wie aus Folgendem zu ersehen ist:

Zahl der Verwaltungsräte 1901 1911 1914 1917
Deutsche 3 5 3 1
Schweizer ti 6 S 11

191t>/17 kaufte eine Gruppe von schweizerischen Banken und Privaten fast
alle E. W. - Titel auf, die sich in Händen der A. E. G. ° Lahmeyer-Gruppe befanden.
Seitdem ist die Gesellschaft vollständig unabhängig von jener Gruppe.

Aus dem Aufsatze geht hervor, daß Deutschland zwar der stärkste Abnehmer
von elektro-metallurgischen Produkten ist, während die Abnahme an elektrischer
Kraft auf feindlicher Seite etwas größer ist, und daß es unter dem Karsdrucke
stark an finanziellem Einflüsse eingebüßt hat. Die Schweizer sind weit mehr
Herren im eigenen Hause geworden, als es früher der Fall war. Die Behaup.
tungen der feindlichen Seite sind -- leider -- müssen wir sagen -- grundlos.




Französische Stimmungen
einem französischen Gelehrten") von
Augnsterinnerungen

"lange ich lebe, werde ich mich mit besonderer Schaafe midBestimmthei
Augusttage des Jahres 1914 erinnern. Von Anfang des
LMcAI^WI Krieges an wurden wir in vollständiger Unkenntnis der Ereignisse ge-
A halten. In den ersten Tagen kamen natürlich unvermeidliche aufsehen-
die ersten, selbverständlich für unsere Waffen
siegreichen Gefechte, die ebenso herrliche wie eingebildete Heldentat von
Vrindejonc desMoulins, das siegreicheGefecht imElsasz, die deutschenJnfanteristen vor
der "lmria francesse" unserer unwiderstehlichen Bajonettangriffe davonlaufend und
fliehend. "Rosalie" war in Ehren, und mit ihr ihr großer Bruder, der unver-
gleichliche "75er". Ich war damals im Depot einer ruhigen Provinzstadt. Die
amtlichen Bekanntmachungen wurden täglich im Quartier angeschlagen. Wir
erläuterten sie und berechneten unsere wahrscheinlichen Erfolge. Eines schönen
Tages, um den 15. August, verschwanden sie. Diejenigen, welche die Zeitungen
weiter veröffentlichten, waren zugleich optimistisch und besorgniserregend. Der
Minister Messimy gab sich sichtlich Mühe, uns zu überreden, daß die militärische
Lage äußerst zufriedenstellend sei, und daß unser Rückzug einem von unserem
Großen Generalstab reiflich studierten Plan entspreche. Es gab wohl einige unter
uns, die diese Taktik für verdächtig hielten und denen der unversiegbare amtliche
Wortschwall durchaus nicht gefiel. Durch das Lesen einiger franzosenfreundlicher
schweizerischer Zeitungen, die uns in die Hände fielen, wurden unsere Zweifel
und Befürchtungen bestärkt. Aber die große Masse lebte im glückseligsten Vertrauen,



") Der Verfasser, ein französischer Universitätslehrer, hat die nachfolgenden Aphoris¬
men in deutscher Gefangenschaft geschrieben aus dem Drange heraus sich selbst Rechenschaft
üb ,
Die Schristleitung. er die Zustünde und Stimmungen in seiner Heimat zu geben.
Französische Stimmungen

der Aktien und der Verwaltungsräte verfügte. Aber diese Sachlage hat sich im
Laufe des letzten Jahres total geändert, wie aus Folgendem zu ersehen ist:

Zahl der Verwaltungsräte 1901 1911 1914 1917
Deutsche 3 5 3 1
Schweizer ti 6 S 11

191t>/17 kaufte eine Gruppe von schweizerischen Banken und Privaten fast
alle E. W. - Titel auf, die sich in Händen der A. E. G. ° Lahmeyer-Gruppe befanden.
Seitdem ist die Gesellschaft vollständig unabhängig von jener Gruppe.

Aus dem Aufsatze geht hervor, daß Deutschland zwar der stärkste Abnehmer
von elektro-metallurgischen Produkten ist, während die Abnahme an elektrischer
Kraft auf feindlicher Seite etwas größer ist, und daß es unter dem Karsdrucke
stark an finanziellem Einflüsse eingebüßt hat. Die Schweizer sind weit mehr
Herren im eigenen Hause geworden, als es früher der Fall war. Die Behaup.
tungen der feindlichen Seite sind — leider — müssen wir sagen — grundlos.




Französische Stimmungen
einem französischen Gelehrten") von
Augnsterinnerungen

»lange ich lebe, werde ich mich mit besonderer Schaafe midBestimmthei
Augusttage des Jahres 1914 erinnern. Von Anfang des
LMcAI^WI Krieges an wurden wir in vollständiger Unkenntnis der Ereignisse ge-
A halten. In den ersten Tagen kamen natürlich unvermeidliche aufsehen-
die ersten, selbverständlich für unsere Waffen
siegreichen Gefechte, die ebenso herrliche wie eingebildete Heldentat von
Vrindejonc desMoulins, das siegreicheGefecht imElsasz, die deutschenJnfanteristen vor
der „lmria francesse" unserer unwiderstehlichen Bajonettangriffe davonlaufend und
fliehend. „Rosalie" war in Ehren, und mit ihr ihr großer Bruder, der unver-
gleichliche „75er". Ich war damals im Depot einer ruhigen Provinzstadt. Die
amtlichen Bekanntmachungen wurden täglich im Quartier angeschlagen. Wir
erläuterten sie und berechneten unsere wahrscheinlichen Erfolge. Eines schönen
Tages, um den 15. August, verschwanden sie. Diejenigen, welche die Zeitungen
weiter veröffentlichten, waren zugleich optimistisch und besorgniserregend. Der
Minister Messimy gab sich sichtlich Mühe, uns zu überreden, daß die militärische
Lage äußerst zufriedenstellend sei, und daß unser Rückzug einem von unserem
Großen Generalstab reiflich studierten Plan entspreche. Es gab wohl einige unter
uns, die diese Taktik für verdächtig hielten und denen der unversiegbare amtliche
Wortschwall durchaus nicht gefiel. Durch das Lesen einiger franzosenfreundlicher
schweizerischer Zeitungen, die uns in die Hände fielen, wurden unsere Zweifel
und Befürchtungen bestärkt. Aber die große Masse lebte im glückseligsten Vertrauen,



") Der Verfasser, ein französischer Universitätslehrer, hat die nachfolgenden Aphoris¬
men in deutscher Gefangenschaft geschrieben aus dem Drange heraus sich selbst Rechenschaft
üb ,
Die Schristleitung. er die Zustünde und Stimmungen in seiner Heimat zu geben.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0203" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/333300"/>
            <fw type="header" place="top"> Französische Stimmungen</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_728" prev="#ID_727"> der Aktien und der Verwaltungsräte verfügte. Aber diese Sachlage hat sich im<lb/>
Laufe des letzten Jahres total geändert, wie aus Folgendem zu ersehen ist:</p><lb/>
            <list>
              <item> Zahl der Verwaltungsräte   1901   1911   1914 1917</item>
              <item> Deutsche 3 5 3 1</item>
              <item> Schweizer ti 6 S 11</item>
            </list><lb/>
            <p xml:id="ID_729"> 191t&gt;/17 kaufte eine Gruppe von schweizerischen Banken und Privaten fast<lb/>
alle E. W. - Titel auf, die sich in Händen der A. E. G. ° Lahmeyer-Gruppe befanden.<lb/>
Seitdem ist die Gesellschaft vollständig unabhängig von jener Gruppe.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_730"> Aus dem Aufsatze geht hervor, daß Deutschland zwar der stärkste Abnehmer<lb/>
von elektro-metallurgischen Produkten ist, während die Abnahme an elektrischer<lb/>
Kraft auf feindlicher Seite etwas größer ist, und daß es unter dem Karsdrucke<lb/>
stark an finanziellem Einflüsse eingebüßt hat. Die Schweizer sind weit mehr<lb/>
Herren im eigenen Hause geworden, als es früher der Fall war. Die Behaup.<lb/>
tungen der feindlichen Seite sind &#x2014; leider &#x2014; müssen wir sagen &#x2014; grundlos.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Französische Stimmungen<lb/><note type="byline"> einem französischen Gelehrten")</note> von </head><lb/>
          <div n="2">
            <head> Augnsterinnerungen</head><lb/>
            <p xml:id="ID_731" next="#ID_732"> »lange ich lebe, werde ich mich mit besonderer Schaafe midBestimmthei<lb/>
Augusttage des Jahres 1914 erinnern. Von Anfang des<lb/>
LMcAI^WI Krieges an wurden wir in vollständiger Unkenntnis der Ereignisse ge-<lb/>
A halten. In den ersten Tagen kamen natürlich unvermeidliche aufsehen-<lb/>
die ersten, selbverständlich für unsere Waffen<lb/>
siegreichen Gefechte, die ebenso herrliche wie eingebildete Heldentat von<lb/>
Vrindejonc desMoulins, das siegreicheGefecht imElsasz, die deutschenJnfanteristen vor<lb/>
der &#x201E;lmria francesse" unserer unwiderstehlichen Bajonettangriffe davonlaufend und<lb/>
fliehend. &#x201E;Rosalie" war in Ehren, und mit ihr ihr großer Bruder, der unver-<lb/>
gleichliche &#x201E;75er". Ich war damals im Depot einer ruhigen Provinzstadt. Die<lb/>
amtlichen Bekanntmachungen wurden täglich im Quartier angeschlagen. Wir<lb/>
erläuterten sie und berechneten unsere wahrscheinlichen Erfolge. Eines schönen<lb/>
Tages, um den 15. August, verschwanden sie. Diejenigen, welche die Zeitungen<lb/>
weiter veröffentlichten, waren zugleich optimistisch und besorgniserregend. Der<lb/>
Minister Messimy gab sich sichtlich Mühe, uns zu überreden, daß die militärische<lb/>
Lage äußerst zufriedenstellend sei, und daß unser Rückzug einem von unserem<lb/>
Großen Generalstab reiflich studierten Plan entspreche. Es gab wohl einige unter<lb/>
uns, die diese Taktik für verdächtig hielten und denen der unversiegbare amtliche<lb/>
Wortschwall durchaus nicht gefiel. Durch das Lesen einiger franzosenfreundlicher<lb/>
schweizerischer Zeitungen, die uns in die Hände fielen, wurden unsere Zweifel<lb/>
und Befürchtungen bestärkt. Aber die große Masse lebte im glückseligsten Vertrauen,</p><lb/>
            <note xml:id="FID_86" place="foot"> ") Der Verfasser, ein französischer Universitätslehrer, hat die nachfolgenden Aphoris¬<lb/>
men in deutscher Gefangenschaft geschrieben aus dem Drange heraus sich selbst Rechenschaft<lb/>
üb<note type="byline"> ,<lb/>
Die Schristleitung.</note> er die Zustünde und Stimmungen in seiner Heimat zu geben. </note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0203] Französische Stimmungen der Aktien und der Verwaltungsräte verfügte. Aber diese Sachlage hat sich im Laufe des letzten Jahres total geändert, wie aus Folgendem zu ersehen ist: Zahl der Verwaltungsräte 1901 1911 1914 1917 Deutsche 3 5 3 1 Schweizer ti 6 S 11 191t>/17 kaufte eine Gruppe von schweizerischen Banken und Privaten fast alle E. W. - Titel auf, die sich in Händen der A. E. G. ° Lahmeyer-Gruppe befanden. Seitdem ist die Gesellschaft vollständig unabhängig von jener Gruppe. Aus dem Aufsatze geht hervor, daß Deutschland zwar der stärkste Abnehmer von elektro-metallurgischen Produkten ist, während die Abnahme an elektrischer Kraft auf feindlicher Seite etwas größer ist, und daß es unter dem Karsdrucke stark an finanziellem Einflüsse eingebüßt hat. Die Schweizer sind weit mehr Herren im eigenen Hause geworden, als es früher der Fall war. Die Behaup. tungen der feindlichen Seite sind — leider — müssen wir sagen — grundlos. Französische Stimmungen einem französischen Gelehrten") von Augnsterinnerungen »lange ich lebe, werde ich mich mit besonderer Schaafe midBestimmthei Augusttage des Jahres 1914 erinnern. Von Anfang des LMcAI^WI Krieges an wurden wir in vollständiger Unkenntnis der Ereignisse ge- A halten. In den ersten Tagen kamen natürlich unvermeidliche aufsehen- die ersten, selbverständlich für unsere Waffen siegreichen Gefechte, die ebenso herrliche wie eingebildete Heldentat von Vrindejonc desMoulins, das siegreicheGefecht imElsasz, die deutschenJnfanteristen vor der „lmria francesse" unserer unwiderstehlichen Bajonettangriffe davonlaufend und fliehend. „Rosalie" war in Ehren, und mit ihr ihr großer Bruder, der unver- gleichliche „75er". Ich war damals im Depot einer ruhigen Provinzstadt. Die amtlichen Bekanntmachungen wurden täglich im Quartier angeschlagen. Wir erläuterten sie und berechneten unsere wahrscheinlichen Erfolge. Eines schönen Tages, um den 15. August, verschwanden sie. Diejenigen, welche die Zeitungen weiter veröffentlichten, waren zugleich optimistisch und besorgniserregend. Der Minister Messimy gab sich sichtlich Mühe, uns zu überreden, daß die militärische Lage äußerst zufriedenstellend sei, und daß unser Rückzug einem von unserem Großen Generalstab reiflich studierten Plan entspreche. Es gab wohl einige unter uns, die diese Taktik für verdächtig hielten und denen der unversiegbare amtliche Wortschwall durchaus nicht gefiel. Durch das Lesen einiger franzosenfreundlicher schweizerischer Zeitungen, die uns in die Hände fielen, wurden unsere Zweifel und Befürchtungen bestärkt. Aber die große Masse lebte im glückseligsten Vertrauen, ") Der Verfasser, ein französischer Universitätslehrer, hat die nachfolgenden Aphoris¬ men in deutscher Gefangenschaft geschrieben aus dem Drange heraus sich selbst Rechenschaft üb , Die Schristleitung. er die Zustünde und Stimmungen in seiner Heimat zu geben.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/203
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/203>, abgerufen am 22.07.2024.