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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

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Lehren des Arieges für den kommenden Frieden
v G. Hoffmann.Vornheim on

! er nun im vierten Jahre tobende Weltkrieg hat eine Tatsache ins
grellste Licht gestellt: das Deutsche Reich kann sich in der Welt nicht
s behaupten ohne eine starke Landwirtschaft. Dem denkenden Fach¬
manne ist diese Wahrheit nicht neu. Aber wir müssen uns klar
sein darüber: trotz der Erkenntnis von der ungeheuren Leistung der
Landwirtschaft, die heute selbst der böseste Wille nicht ableugnen kann, ist doch in
den weitesten Volksschichten -- gebildeten wie ungebildeten -- nicht die Spur von
Verständnis für das Wesen und die Lebensbedingungen einer leistungsfähigen und
leistungsfrohen Landwirtschaft vorhanden. Die bisherigen Erfahrungen berechtigen
wahrhaftig nicht zu Hoffnungen, sondern zu den schlimmsten Befürchtungen. Ich
will von all den Verordnungen schweigen, die jeden Auftrieb der Erzeugungskraft
verhindern, denn diese widersinnigsten Verwirrungen unter Kricgsverhältnissen
wieder zu lösen, ist wohl keinem menschlichen Verstände gegeben. Hervorheben
möchte ich aber die unselige Art, wie die politischen Tagesgrößen in der Friedens¬
frage unser Volk mit ethischen Phrasen über allgemeine Menschheitsziele und Selbst¬
bestimmungsrecht der - nicht von England beherrschten -- Völker füttern, ohne
much nur mit einem Worte unseres eigenen Selbfibestimmungsrechtes zu gedenken,
das solange völlig wertlos bleibt, als unsere Landwirtschaft nicht in die Lage
versetzt wird, unsere Ernährung unter allen Umständen zu sichern. Diesen Ge¬
danken in weitere Kreise zu tragen und, sie zur Mitarbeit zu veranlassen, soll der
Zweck dieses Aufsatzes sein.

Seit drei Jahrzehnten ist die Erkenntnis der grundlegenden Bedeutung der
Landwirtschaft für den Bestand unseres Staatswesens die ideale Triebkraft der
unablässigen Arbeit unserer Berufsvertretungen gewesen. Sie hat uns hinaus¬
gehoben über die Gehässigkeit böswilliger und den Widerstand unwissender Menschen,
über die Gleichgültigkeit der großen urteilslosen Masse. Aber diese Gegenwirkungen
haben den Erfolg unserer Arbeit doch gewaltig geschmälert. Hätte unsere Berufs¬
arbeit in Regierungskreisen und weitesten Volksschichten volles Verständnis ge¬
funden, so hätte dieser Krieg unser Staatswesen nicht überraschen können bei
völligem Mangel eines wirtschaftlichen Mobilmachungsplanes und einer bewußten


Grenzboten I 1918 13


Lehren des Arieges für den kommenden Frieden
v G. Hoffmann.Vornheim on

! er nun im vierten Jahre tobende Weltkrieg hat eine Tatsache ins
grellste Licht gestellt: das Deutsche Reich kann sich in der Welt nicht
s behaupten ohne eine starke Landwirtschaft. Dem denkenden Fach¬
manne ist diese Wahrheit nicht neu. Aber wir müssen uns klar
sein darüber: trotz der Erkenntnis von der ungeheuren Leistung der
Landwirtschaft, die heute selbst der böseste Wille nicht ableugnen kann, ist doch in
den weitesten Volksschichten — gebildeten wie ungebildeten — nicht die Spur von
Verständnis für das Wesen und die Lebensbedingungen einer leistungsfähigen und
leistungsfrohen Landwirtschaft vorhanden. Die bisherigen Erfahrungen berechtigen
wahrhaftig nicht zu Hoffnungen, sondern zu den schlimmsten Befürchtungen. Ich
will von all den Verordnungen schweigen, die jeden Auftrieb der Erzeugungskraft
verhindern, denn diese widersinnigsten Verwirrungen unter Kricgsverhältnissen
wieder zu lösen, ist wohl keinem menschlichen Verstände gegeben. Hervorheben
möchte ich aber die unselige Art, wie die politischen Tagesgrößen in der Friedens¬
frage unser Volk mit ethischen Phrasen über allgemeine Menschheitsziele und Selbst¬
bestimmungsrecht der - nicht von England beherrschten — Völker füttern, ohne
much nur mit einem Worte unseres eigenen Selbfibestimmungsrechtes zu gedenken,
das solange völlig wertlos bleibt, als unsere Landwirtschaft nicht in die Lage
versetzt wird, unsere Ernährung unter allen Umständen zu sichern. Diesen Ge¬
danken in weitere Kreise zu tragen und, sie zur Mitarbeit zu veranlassen, soll der
Zweck dieses Aufsatzes sein.

Seit drei Jahrzehnten ist die Erkenntnis der grundlegenden Bedeutung der
Landwirtschaft für den Bestand unseres Staatswesens die ideale Triebkraft der
unablässigen Arbeit unserer Berufsvertretungen gewesen. Sie hat uns hinaus¬
gehoben über die Gehässigkeit böswilliger und den Widerstand unwissender Menschen,
über die Gleichgültigkeit der großen urteilslosen Masse. Aber diese Gegenwirkungen
haben den Erfolg unserer Arbeit doch gewaltig geschmälert. Hätte unsere Berufs¬
arbeit in Regierungskreisen und weitesten Volksschichten volles Verständnis ge¬
funden, so hätte dieser Krieg unser Staatswesen nicht überraschen können bei
völligem Mangel eines wirtschaftlichen Mobilmachungsplanes und einer bewußten


Grenzboten I 1918 13
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/189>, abgerufen am 22.07.2024.