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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

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Vie ruthenische Frage <9" und

(Osterreich. Ungarns) in Sicherheit wissen." Und als im November die austro-
polnische Frage zur Sprache kam (nach der bekanntlich Galizien an Polen fallen
würde), haben die Ruthenen wieder eine Reihe der schärfsten Proteste im Reichs¬
rate gegen diese Lösung vorgebracht, mit dem Abrücken von Osterreich gedroht und
die Hoffnung auf die Entente bei den Friedenskonferenzen angedeutet.

Ob die österreichischen Ruthenen durch dieses Vorgehen ihre Position qe-
bessert haben, ist sehr zweifelhaft. Schon die Annahme des Namens Ukrainer
scheint mir für sie nachteilig zu sein. So manchen von uns wird die kräftige
Unterstützung ihrer Wünsche dadurch erschwert. Selbst die Bukowiner Ruthenen.
die die Polennot nicht bedrückt, können ihnen in den zu wett gehenden Forderungen
nicht folgen; sie haben nicht nur ihren österreichischen Standpunkt sehr stark
betont, sondern den galizischen Ruthenen die Gefolgschaft bei radikalen Schritten
in Verbindung mit den Tschechen und Südslawen versagt.*) Dazu kommt aber,
daß die Führer dieser Ruthenen nur zu gut wissen"), daß die Entwicklung Ru߬
lands und der Revolution noch unsicher ist, daß die Ruthenen darüber die Orien¬
tierung nach dem Westen nicht vergessen dürfen, daß Galizien nicht nur für die
österreichisch-ungarischen Ruthenen, sondern auch für die ukrainischen ein Hort ist,
in dem diese "auf ihrem gewiß noch dornenvollen Wege ins zur Durchsetzung des
selbständigen ukrainischen Staates" einen Rückhalt finden werden. Auch die
Ruthenen Rußlands haben ähnliche Gedanken geäußert. Nach der "Nowoie Wremja"
(Oktober) hat ein Sozialdemokrat des Ukrainischen Zentralrates auf die Frage,
welchen Plan hegt ihr bezüglich der ukrainischen Gebiete in Österreich-Ungarn?
"ausweichend" geantwortet: "In dieser Frage sind die Meinungen geteilt. Vor
der Revolution wünschte kein Ukrainer, daß Galizien und Runland veren,ge werde,
da gerade nur in Galizien die selbständige ukrainische Kultur eme Entwicklungs-
Möglichkeit gefunden hat." Warum die Antwort nicht bestimmter ausfiel, ist klar:
weil der schließliche Ausgang der Dinge in Rußland nicht sicher scheint. Ob
daher die ukrainische Regie,ung. wie der "WiedensliKurier Polskl" vom 24.Dezember
gemeldet hat, der österreichisch-ungarischen Regierung den Vorschlag machen werde,
die von Ruthenen bewohnten Gebiete der Monarchie mit der Ukrama zu ver¬
einigen, ist zweifelhaft -- und ihr Erfolg noch mehr als zweifelhaft. Selbstver¬
ständlich ist es, daß der Zentralrat auch für die Ruthenen ^n Galizien das Selbst
bestimmungsrecht in Anspruch nimmt"") und gegen die Einverleibung ruthenischer
Gebiete ins Polenreich Einspruch erhebt. ^

Für die Ruthenen ist und bleibt die auckvou uns Deutschen für sie ge¬
forderte Autonomie Ostgaliziens im Rahmen Österreich-Ungarns das beste.f)
Dieses Ziel darf mit der Staatenbildung in der Ukraine nicht verquickt werden;
Mäßigung ist dringend nötig. Die Forderung der Vereinigung aller Ruthenen
in einem'Staate muß fallen gelassen werden; auch alle Deutschen wohnen nicht
in einem Staate. Auch an dieser Stelle will ich betonen, daß die Politik der
Ruthenen gegen die unter ihnen wohnenden Deutschen ihren Anforderungen an
das deutsche Volk bei der Erstrebung ihrer politischen Ziele entsprechen soll. Diese
Ansichten habe ich auf eine Rundfrage des "Ukrainischen Korrespondenzblattes" im
Oktober 1917 geäußert (vgl. Ur. 40/1, 1917) und kann sie auch jetzt nur
wiederholen.






") Vgl, besonders "Ukrainisches Korrespondenz"!," Ur. 23, S. 7 u. 44/5. S. 10.
"Osteuropäische Zukunft" 1917, Ur. 17 (Juni), S. 192 u. "Main, Korrespondenz-
vlntt" Ur. 23, S. 7. , "
Natürlich wird es zu den geforderten Abstimmungen in Ostgnlizien nicht kommen.
Solche Abstimmungen würden hier (man denke an die alte Todfeindschaft zwischen Alt- und
Jungruthenen) zu ähnlichen Kämpfen führen, wie sie in Rußland toben. Das wäre Wohl
auch anderwärts die Folge der (und einigem fremden Geld geleiteten) Selbstbestimmung der
Völker! Es würde dabei nicht anders zugehen, als bei den berüchtigten galizischen Wahlen!
-
s) Merkwürdigerweise wird dieses Entgegenkommen der Deutschen von den Ruthenen
oft übersehen. Vgl. "Mr. Korrespondenzbl,'V44/b S. 9 und W. Schilling-Singalewytsch, "Zur
Frage der Sonderstellung Galiziens" (Wien 1917).
Grenzvoten I 1918 , 10
Vie ruthenische Frage <9» und

(Osterreich. Ungarns) in Sicherheit wissen." Und als im November die austro-
polnische Frage zur Sprache kam (nach der bekanntlich Galizien an Polen fallen
würde), haben die Ruthenen wieder eine Reihe der schärfsten Proteste im Reichs¬
rate gegen diese Lösung vorgebracht, mit dem Abrücken von Osterreich gedroht und
die Hoffnung auf die Entente bei den Friedenskonferenzen angedeutet.

Ob die österreichischen Ruthenen durch dieses Vorgehen ihre Position qe-
bessert haben, ist sehr zweifelhaft. Schon die Annahme des Namens Ukrainer
scheint mir für sie nachteilig zu sein. So manchen von uns wird die kräftige
Unterstützung ihrer Wünsche dadurch erschwert. Selbst die Bukowiner Ruthenen.
die die Polennot nicht bedrückt, können ihnen in den zu wett gehenden Forderungen
nicht folgen; sie haben nicht nur ihren österreichischen Standpunkt sehr stark
betont, sondern den galizischen Ruthenen die Gefolgschaft bei radikalen Schritten
in Verbindung mit den Tschechen und Südslawen versagt.*) Dazu kommt aber,
daß die Führer dieser Ruthenen nur zu gut wissen"), daß die Entwicklung Ru߬
lands und der Revolution noch unsicher ist, daß die Ruthenen darüber die Orien¬
tierung nach dem Westen nicht vergessen dürfen, daß Galizien nicht nur für die
österreichisch-ungarischen Ruthenen, sondern auch für die ukrainischen ein Hort ist,
in dem diese „auf ihrem gewiß noch dornenvollen Wege ins zur Durchsetzung des
selbständigen ukrainischen Staates" einen Rückhalt finden werden. Auch die
Ruthenen Rußlands haben ähnliche Gedanken geäußert. Nach der „Nowoie Wremja"
(Oktober) hat ein Sozialdemokrat des Ukrainischen Zentralrates auf die Frage,
welchen Plan hegt ihr bezüglich der ukrainischen Gebiete in Österreich-Ungarn?
„ausweichend" geantwortet: „In dieser Frage sind die Meinungen geteilt. Vor
der Revolution wünschte kein Ukrainer, daß Galizien und Runland veren,ge werde,
da gerade nur in Galizien die selbständige ukrainische Kultur eme Entwicklungs-
Möglichkeit gefunden hat." Warum die Antwort nicht bestimmter ausfiel, ist klar:
weil der schließliche Ausgang der Dinge in Rußland nicht sicher scheint. Ob
daher die ukrainische Regie,ung. wie der „WiedensliKurier Polskl" vom 24.Dezember
gemeldet hat, der österreichisch-ungarischen Regierung den Vorschlag machen werde,
die von Ruthenen bewohnten Gebiete der Monarchie mit der Ukrama zu ver¬
einigen, ist zweifelhaft — und ihr Erfolg noch mehr als zweifelhaft. Selbstver¬
ständlich ist es, daß der Zentralrat auch für die Ruthenen ^n Galizien das Selbst
bestimmungsrecht in Anspruch nimmt"") und gegen die Einverleibung ruthenischer
Gebiete ins Polenreich Einspruch erhebt. ^

Für die Ruthenen ist und bleibt die auckvou uns Deutschen für sie ge¬
forderte Autonomie Ostgaliziens im Rahmen Österreich-Ungarns das beste.f)
Dieses Ziel darf mit der Staatenbildung in der Ukraine nicht verquickt werden;
Mäßigung ist dringend nötig. Die Forderung der Vereinigung aller Ruthenen
in einem'Staate muß fallen gelassen werden; auch alle Deutschen wohnen nicht
in einem Staate. Auch an dieser Stelle will ich betonen, daß die Politik der
Ruthenen gegen die unter ihnen wohnenden Deutschen ihren Anforderungen an
das deutsche Volk bei der Erstrebung ihrer politischen Ziele entsprechen soll. Diese
Ansichten habe ich auf eine Rundfrage des „Ukrainischen Korrespondenzblattes" im
Oktober 1917 geäußert (vgl. Ur. 40/1, 1917) und kann sie auch jetzt nur
wiederholen.






«) Vgl, besonders „Ukrainisches Korrespondenz»!," Ur. 23, S. 7 u. 44/5. S. 10.
„Osteuropäische Zukunft" 1917, Ur. 17 (Juni), S. 192 u. „Main, Korrespondenz-
vlntt" Ur. 23, S. 7. , „
Natürlich wird es zu den geforderten Abstimmungen in Ostgnlizien nicht kommen.
Solche Abstimmungen würden hier (man denke an die alte Todfeindschaft zwischen Alt- und
Jungruthenen) zu ähnlichen Kämpfen führen, wie sie in Rußland toben. Das wäre Wohl
auch anderwärts die Folge der (und einigem fremden Geld geleiteten) Selbstbestimmung der
Völker! Es würde dabei nicht anders zugehen, als bei den berüchtigten galizischen Wahlen!
-
s) Merkwürdigerweise wird dieses Entgegenkommen der Deutschen von den Ruthenen
oft übersehen. Vgl. „Mr. Korrespondenzbl,'V44/b S. 9 und W. Schilling-Singalewytsch, „Zur
Frage der Sonderstellung Galiziens" (Wien 1917).
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/141>, abgerufen am 22.07.2024.