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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

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Nie ruthenische Frage 1^1,6 und

Freunde im Rate der Ukrainer besitzen. Die Beziehungen zur Entente wurden
auch in der Flüge weiter gepflegt. So erfahren wir im November, daß in Kijew
der Leiter der' französischen Kriegsmission dem Regierungschef und den Mit¬
gliedern des Generalsekretariates Besuche abstattete und sie zur Teilnahme an der
Eröffnung der französischen Feldlazarette einlud. Bald darauf erfahren wir, daß
am 7. Dezember die Diplomaten der Entente dem Ukrainischen Zentralrat erklärten,
ihre Regierungen seien bereit, die ukrainische Republik, bestehend aus allen natio¬
nalen Territorien, anzuerkennen, wenn die Ukraina sich verpflichte, den Krieg auf
Seite der Alliierten fortzusetzen. Diesem Anerbieten gegenüber antwortete das
ukrainische Parlament: "Die Ukraina wünsche strenge Neutralität zu beobachten,
um sich die Freundschaft der beiden kriegführenden Parteien zu erhalten. Denn
einerseits müsse sie für die gedeihliche Entwicklung im Innern des Landes Sorge
tragen, andererseits sich die Hände freihalten, um dem moskowitischen Zentrali-
sationsgeiste mit Erfolg entgegentreten zu können." Zwei Wochen später hören
wir, daß die Vertreter der westlichen Ententemächte über die internationale
Stellung der Ukraina interpellierten und den ukrainischen Repräsentanten moralische,
finanzielle und ökonomische Unterstützung versprachen, falls die Ukraina sowohl
gegen Nußland wie Österreich-Ungarn den Krieg fortsetzen werde. Der Präsident
der "Nada" Hruschewskyj und Kriegsminister Petljura wiesen dieses Ansinnen mit
der Erklärung zurück, daß die Ukraina neutral bleiben werde, und nur ihre
Interessen zu verteidigen entschlossen sei. Gleich darauf wurde Englands und
Frankreichs Absicht bekannt. Gesandte nach der Ukraina zu entsenden, um ihre
Interessen vertreten zu lassen. Ans Amsterdam kam sodann die Mitteilung, daß
von englischer und französischer Seite beim ukrainischen Zentralrat Schritte unter¬
nommen wurden, um zu verhindern, daß sich die Ukrainer am Abschluß eines
Sonderfriedens beteiligen. Die Entente würde dafür die Ukrainer als den haupt¬
sächlichen russischen Staat und als Zentrum für die neue Organisation des russischen
Reiches anerkennen. Ebenso lauten italienische Nachrichten dahin, daß man auf
die Feindseligkeit der Ukrainer gegen die Maximalisten und den Vierbund gerechnet
habe und ihre Verständigung fürchte. Schließlich sei nur noch an die Mitteilung
aus Petersburg (29 Dezember) erinnert, wonach ein abgefangenes chiffriertes
Telegramm die Verständigung Frankreichs mit dem Zentralrate wegen der Friedens-
verhandlungen und des gemeinsamen Kampfes an der rumänischen Front dargetan
haben soll. Dieses Telegramm beweist, "daß die Alliierten in nachdrücklichster
Weise alle gegen den Frieden und die Arbeiterregierung gerichteten Bestrebungen
unterstützen und daß die ,Rada' unter dein Vorwande der Verteidigung der
nationalen Freiheit, die niemand irgendwie bedroht hat, Hand in Hand mit den
Engländern und Franzosen geht, um die Interessen der reichen Bauern und
bürgerlichen Intellektuellen gegen Angriffe der armen Bauern und Arbeiter zu
schützen." Einige Tage später erklärte der russische Gesandte Worowski, die Auf¬
wiegelung der Ukraina wäre ein erfolgloser Verzweiflungsakt der Entente.

Faßt man die Eindrücke der Ereignisse der letzten Monate zusammen, so
kommt man zum Ergebnis, daß unter den Ukrainern zwei Richtungen miteinander
kämpften: eine, die im Bund mit den Zentralmächten die völlige Selbständigkeit
der Ukraina erringen wollte, und die andere, die aus Rußland nicht ausscheiden
will und sich mit einer autonomen Stellung der Ukraina innerhalb Rußlands
zufriedenstellt. Die erste Richtung ist nach den: Ausbruch der Revolution ganz
zurückgetreten und hat höchstens Aussicht zur Geltung zu kommen, wenn in
Rußland ein starker Umschwung zuungunsten der Ukrainer stattfinden würde.
Sonst binden aber alte Gewohnheit und wichtige Lebensinteressen Rußland und
die Ukraina so stark aneinander, daß allzu weitgehende Hoffnungen auf ihre
bleibende Gegnerschaft nur als Utopie zu bezeichnen sind. Das Versailler zu den
Westmächten trachtet die Ukraina ebenfalls ganz nach ihrem Interesse einzurichten.
Sobald Rußland zu diesen Mächten durch seinen Friedenswillen in Gegensatz
trat, fand sofort ein Zusammenschluß zwischen ihnen und der Ukraina statt.




Nie ruthenische Frage 1^1,6 und

Freunde im Rate der Ukrainer besitzen. Die Beziehungen zur Entente wurden
auch in der Flüge weiter gepflegt. So erfahren wir im November, daß in Kijew
der Leiter der' französischen Kriegsmission dem Regierungschef und den Mit¬
gliedern des Generalsekretariates Besuche abstattete und sie zur Teilnahme an der
Eröffnung der französischen Feldlazarette einlud. Bald darauf erfahren wir, daß
am 7. Dezember die Diplomaten der Entente dem Ukrainischen Zentralrat erklärten,
ihre Regierungen seien bereit, die ukrainische Republik, bestehend aus allen natio¬
nalen Territorien, anzuerkennen, wenn die Ukraina sich verpflichte, den Krieg auf
Seite der Alliierten fortzusetzen. Diesem Anerbieten gegenüber antwortete das
ukrainische Parlament: „Die Ukraina wünsche strenge Neutralität zu beobachten,
um sich die Freundschaft der beiden kriegführenden Parteien zu erhalten. Denn
einerseits müsse sie für die gedeihliche Entwicklung im Innern des Landes Sorge
tragen, andererseits sich die Hände freihalten, um dem moskowitischen Zentrali-
sationsgeiste mit Erfolg entgegentreten zu können." Zwei Wochen später hören
wir, daß die Vertreter der westlichen Ententemächte über die internationale
Stellung der Ukraina interpellierten und den ukrainischen Repräsentanten moralische,
finanzielle und ökonomische Unterstützung versprachen, falls die Ukraina sowohl
gegen Nußland wie Österreich-Ungarn den Krieg fortsetzen werde. Der Präsident
der „Nada" Hruschewskyj und Kriegsminister Petljura wiesen dieses Ansinnen mit
der Erklärung zurück, daß die Ukraina neutral bleiben werde, und nur ihre
Interessen zu verteidigen entschlossen sei. Gleich darauf wurde Englands und
Frankreichs Absicht bekannt. Gesandte nach der Ukraina zu entsenden, um ihre
Interessen vertreten zu lassen. Ans Amsterdam kam sodann die Mitteilung, daß
von englischer und französischer Seite beim ukrainischen Zentralrat Schritte unter¬
nommen wurden, um zu verhindern, daß sich die Ukrainer am Abschluß eines
Sonderfriedens beteiligen. Die Entente würde dafür die Ukrainer als den haupt¬
sächlichen russischen Staat und als Zentrum für die neue Organisation des russischen
Reiches anerkennen. Ebenso lauten italienische Nachrichten dahin, daß man auf
die Feindseligkeit der Ukrainer gegen die Maximalisten und den Vierbund gerechnet
habe und ihre Verständigung fürchte. Schließlich sei nur noch an die Mitteilung
aus Petersburg (29 Dezember) erinnert, wonach ein abgefangenes chiffriertes
Telegramm die Verständigung Frankreichs mit dem Zentralrate wegen der Friedens-
verhandlungen und des gemeinsamen Kampfes an der rumänischen Front dargetan
haben soll. Dieses Telegramm beweist, „daß die Alliierten in nachdrücklichster
Weise alle gegen den Frieden und die Arbeiterregierung gerichteten Bestrebungen
unterstützen und daß die ,Rada' unter dein Vorwande der Verteidigung der
nationalen Freiheit, die niemand irgendwie bedroht hat, Hand in Hand mit den
Engländern und Franzosen geht, um die Interessen der reichen Bauern und
bürgerlichen Intellektuellen gegen Angriffe der armen Bauern und Arbeiter zu
schützen." Einige Tage später erklärte der russische Gesandte Worowski, die Auf¬
wiegelung der Ukraina wäre ein erfolgloser Verzweiflungsakt der Entente.

Faßt man die Eindrücke der Ereignisse der letzten Monate zusammen, so
kommt man zum Ergebnis, daß unter den Ukrainern zwei Richtungen miteinander
kämpften: eine, die im Bund mit den Zentralmächten die völlige Selbständigkeit
der Ukraina erringen wollte, und die andere, die aus Rußland nicht ausscheiden
will und sich mit einer autonomen Stellung der Ukraina innerhalb Rußlands
zufriedenstellt. Die erste Richtung ist nach den: Ausbruch der Revolution ganz
zurückgetreten und hat höchstens Aussicht zur Geltung zu kommen, wenn in
Rußland ein starker Umschwung zuungunsten der Ukrainer stattfinden würde.
Sonst binden aber alte Gewohnheit und wichtige Lebensinteressen Rußland und
die Ukraina so stark aneinander, daß allzu weitgehende Hoffnungen auf ihre
bleibende Gegnerschaft nur als Utopie zu bezeichnen sind. Das Versailler zu den
Westmächten trachtet die Ukraina ebenfalls ganz nach ihrem Interesse einzurichten.
Sobald Rußland zu diesen Mächten durch seinen Friedenswillen in Gegensatz
trat, fand sofort ein Zusammenschluß zwischen ihnen und der Ukraina statt.




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[0139] Nie ruthenische Frage 1^1,6 und Freunde im Rate der Ukrainer besitzen. Die Beziehungen zur Entente wurden auch in der Flüge weiter gepflegt. So erfahren wir im November, daß in Kijew der Leiter der' französischen Kriegsmission dem Regierungschef und den Mit¬ gliedern des Generalsekretariates Besuche abstattete und sie zur Teilnahme an der Eröffnung der französischen Feldlazarette einlud. Bald darauf erfahren wir, daß am 7. Dezember die Diplomaten der Entente dem Ukrainischen Zentralrat erklärten, ihre Regierungen seien bereit, die ukrainische Republik, bestehend aus allen natio¬ nalen Territorien, anzuerkennen, wenn die Ukraina sich verpflichte, den Krieg auf Seite der Alliierten fortzusetzen. Diesem Anerbieten gegenüber antwortete das ukrainische Parlament: „Die Ukraina wünsche strenge Neutralität zu beobachten, um sich die Freundschaft der beiden kriegführenden Parteien zu erhalten. Denn einerseits müsse sie für die gedeihliche Entwicklung im Innern des Landes Sorge tragen, andererseits sich die Hände freihalten, um dem moskowitischen Zentrali- sationsgeiste mit Erfolg entgegentreten zu können." Zwei Wochen später hören wir, daß die Vertreter der westlichen Ententemächte über die internationale Stellung der Ukraina interpellierten und den ukrainischen Repräsentanten moralische, finanzielle und ökonomische Unterstützung versprachen, falls die Ukraina sowohl gegen Nußland wie Österreich-Ungarn den Krieg fortsetzen werde. Der Präsident der „Nada" Hruschewskyj und Kriegsminister Petljura wiesen dieses Ansinnen mit der Erklärung zurück, daß die Ukraina neutral bleiben werde, und nur ihre Interessen zu verteidigen entschlossen sei. Gleich darauf wurde Englands und Frankreichs Absicht bekannt. Gesandte nach der Ukraina zu entsenden, um ihre Interessen vertreten zu lassen. Ans Amsterdam kam sodann die Mitteilung, daß von englischer und französischer Seite beim ukrainischen Zentralrat Schritte unter¬ nommen wurden, um zu verhindern, daß sich die Ukrainer am Abschluß eines Sonderfriedens beteiligen. Die Entente würde dafür die Ukrainer als den haupt¬ sächlichen russischen Staat und als Zentrum für die neue Organisation des russischen Reiches anerkennen. Ebenso lauten italienische Nachrichten dahin, daß man auf die Feindseligkeit der Ukrainer gegen die Maximalisten und den Vierbund gerechnet habe und ihre Verständigung fürchte. Schließlich sei nur noch an die Mitteilung aus Petersburg (29 Dezember) erinnert, wonach ein abgefangenes chiffriertes Telegramm die Verständigung Frankreichs mit dem Zentralrate wegen der Friedens- verhandlungen und des gemeinsamen Kampfes an der rumänischen Front dargetan haben soll. Dieses Telegramm beweist, „daß die Alliierten in nachdrücklichster Weise alle gegen den Frieden und die Arbeiterregierung gerichteten Bestrebungen unterstützen und daß die ,Rada' unter dein Vorwande der Verteidigung der nationalen Freiheit, die niemand irgendwie bedroht hat, Hand in Hand mit den Engländern und Franzosen geht, um die Interessen der reichen Bauern und bürgerlichen Intellektuellen gegen Angriffe der armen Bauern und Arbeiter zu schützen." Einige Tage später erklärte der russische Gesandte Worowski, die Auf¬ wiegelung der Ukraina wäre ein erfolgloser Verzweiflungsakt der Entente. Faßt man die Eindrücke der Ereignisse der letzten Monate zusammen, so kommt man zum Ergebnis, daß unter den Ukrainern zwei Richtungen miteinander kämpften: eine, die im Bund mit den Zentralmächten die völlige Selbständigkeit der Ukraina erringen wollte, und die andere, die aus Rußland nicht ausscheiden will und sich mit einer autonomen Stellung der Ukraina innerhalb Rußlands zufriedenstellt. Die erste Richtung ist nach den: Ausbruch der Revolution ganz zurückgetreten und hat höchstens Aussicht zur Geltung zu kommen, wenn in Rußland ein starker Umschwung zuungunsten der Ukrainer stattfinden würde. Sonst binden aber alte Gewohnheit und wichtige Lebensinteressen Rußland und die Ukraina so stark aneinander, daß allzu weitgehende Hoffnungen auf ihre bleibende Gegnerschaft nur als Utopie zu bezeichnen sind. Das Versailler zu den Westmächten trachtet die Ukraina ebenfalls ganz nach ihrem Interesse einzurichten. Sobald Rußland zu diesen Mächten durch seinen Friedenswillen in Gegensatz trat, fand sofort ein Zusammenschluß zwischen ihnen und der Ukraina statt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/139>, abgerufen am 22.07.2024.